Africa meets Rock and Pop

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„Fatoumata Diawara“
Im Festspielhaus in St. Pölten brodelte es gewaltig. Fatoumata Diawara – preisgekrönte Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, geboren in Mali und seit vielen Jahren in Paris zuhause – rockte das Publikum im Saal und holte es im wahrsten Sinne des Wortes von seinen Sesseln aufs Parkett.
„Do you wanna dance?“ – Diesem Aufruf folgten knapp 1000 begeisterte Zuseherinnen und Zuseher nach über einer Stunde Konzert mit Stillsitzen. „Do not think so much, just hear to your heart“, rief sie mehrfach in den Saal und schon verwandelte sich der Zuschauerraum in einen dancefloor.
Wenige Tage zuvor war Diawara bei der Grammy-Verleihung in Los Angeles aufgetreten. Zwar verfehlte die nominierte Sängerin einen Preis, schrieb aber in ihrem Facebook-Post, dass es zwar dieses Mal nicht geklappt hätte, dass sie sich aber – inshalhah – nächstes Mal einen Grammy abholen würde.

An Selbstbewusstsein mangelt es der 37-jährigen, afrikanischen Musikikone nicht. Und davon braucht sie auch mehr als genug in ihrem Business. Ausgestattet mit einer Stimme, die vom rauchigen Alt bis zu einem hellen, klaren Sopran alles bereithält, begleitet sie sich bei ihren Auftritten selbst auf der E-Gitarre. Einem Instrument, das nach wie vor auf den Bühnen der Welt hauptsächlich von Männern gespielt wird.

Mit ihren vier Musikern, Yacouba Kone an der Gitarre, Sekou Bah am Bass, Jean Baptiste Gbadoe an den drums und Arecio Smith am Keyboard lieferte sie eine Bühnenshow, in der sich musikalisch ihre afrikanischen Wurzeln mit westlicher Rock-, Pop- und Folktradition vermischen. Einige Texterklärungen, die Fatou – wie sie ihre Freunde nennen –  dem Publikum auf Englisch anbot, wurden dankbar aufgenommen, verwendet die Sängerin in ihren Liedern doch ihre Muttersprache Bambara. Das Recht auf Bildung, zur Schule zu gehen, das Recht auf ein glückliches Leben werden darin genauso angesprochen wie kulturelle, afrikanische Traditionen. „Essen, Musik, Feste feiern gehören dazu. Musikinstrumente, die viele Jahrhunderte alt sind auch. Darauf können wir stolz sein!“, stärkt Diawara auch das Selbstbewusstsein ihrer eigenen Landsleute und versucht gleichzeitig, Afrika bei ihren Konzertauftritten in einem anderen Licht zu präsentieren als nur in jenem von Horror-Schlagzeilen.
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„Fatoumata Diawara“ bei ihrem Auftritt im Festspielhaus St. Pölten (Fotos: ECN)
Neben rhythmisch mitreißenden Rockballaden waren es vor allem ihre Solo-Auftritte, in welchen sie mit ihrer Stimme und eigener Gitarren-Begleitung das Publikum verzauberte. Dabei gelang ihr die Mischung zwischen traditionellen, afrikanischen, musikalischen Formvorgaben und einer eigenen, lyrisch-rockigen Interpretation besonders gut. Zu sehen, wie sehr sie dabei in ihren Gitarrensoli versinkt und sich Zufriedenheit und tief empfundene Freude in ihrem Gesicht widerspiegelt, war einfach zauberhaft.

Ihr Bühnenoutfit – eine modern gestylte Variante traditioneller, afrikanischer Roben – gehört ebenso zu ihrem Markenzeichen wie ihre muschelverzierten Dreadlocks. Auch darin äußert sich die Grenzüberschreitung dieser Künstlerin, die mit ihrem neuen Album „Fenfo“, aus dem Tacks zu hören waren, weltweit ihr Publikum begeistert.

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Enthusiasmus und Exzellenz – der Schlüssel zum Erfolg

Enthusiasmus und Exzellenz – der Schlüssel zum Erfolg

Enthusiasmus und Exzellenz – der Schlüssel zum Erfolg

 
Die Wiener Akademische Philharmonie im Goldenen Saal des Musikvereins
29.

November 2018

Aus der Anzahl von großen Klangkörpern in Wien sticht einer, was seine Zusammensetzung betrifft, besonders heraus: Die Wiener Akademische Philharmonie, die im November mit einem fulminanten Konzert im Goldenen Saal des Musikvereins ihr 30-jähriges Bestehen feierte.

Auf dem Programm standen ein aktuelles Auftragswerk an den im Jahr 2000 geborenen Linus Köhring, das 2. Klavierkonzert von Rachmaninoff und die Symphonie fantastique von Hector Berlioz.
Ein Programm, das die Musikerinnen und Musiker nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ herausforderte.

Das Besondere an diesem Orchester ist nicht mit einem Satz erklärt, vor allem nicht, da die Wiener Akademische Philharmonie nicht an das Konzept der gegenwärtigen, allumfassenden Kapitalisierung jeglichen menschlichen Bereiches angepasst ist. Denn: Die Musizierenden – der Großteil davon besteht nicht aus Profis – treten völlig ohne Gagen auf. Und: Berufsmusikerinnen und Musiker aus anderen Orchestern werden ergänzend eingesetzt – man möchte es kaum glauben – ebenfalls ohne Gage. Diese nehmen klugerweise vor allem strategisch wichtige Positionen ein – wie im Bläserapparat, in dem sie einen Anteil von rund 60 Prozent ausmachen. Aber auch der Konzertmeister, Martin Reining ist Vollprofi und maßgeblich für die Qualität der Streicher verantwortlich.

Eine, die das Orchester bereits von Beginn an begleitet, seit 10 Jahren im Vorstand ist und Gründungsmitglied war, ist Daniela Ungar. Die Allgemeinärztin, die als Psychotherapeutin tätig ist, stammt selbst aus einer musikalischen Familie. Der Vater war Dirigent, die Mutter Pianistin. So wie in ihrem Fall haben auch viele der Kolleginnen und Kollegen im Orchester familiäre Bande zu Musizierenden. Das bedeutet gleichzeitig, dass diese Damen und Herren Amateure im positiven Wortsinn sind. Sie üben ihre Tätigkeit ausschließlich aus Liebe zur Musik aus und erleben dadurch in diesem Orchester, was bei vielen anderen leider nicht mehr üblich ist: Eine Freude am Musizieren ohne Konkurrenzdruck, ohne Angst zu versagen und nicht weiter engagiert zu werden. Ihr aller Enthusiasmus ist eine der tragenden Säulen, denn ohne diesen kämen weder die wöchentlichen Proben zustande, noch die Auftritte in großen Häusern wie dem Musikverein oder dem Konzerthaus. Mindestens 2, manches Mal aber auch mehr, sind es pro Jahr, was bedeutet, dass man derzeit auf rund 100 Auftritte zurückblicken kann.

Die zweite, tragende Säule, die auch die Programme des Orchesters so attraktiv macht, dass sie beinahe jedes Mal ausverkauft sind, ist die Auswahl der Dirigierenden sowie der Solistinnen und Solisten. „Die Dirigenten, die mit uns auch proben, sind die einzigen, die eine Aufwandsentschädigung bekommen“, erklärt Daniela Ungar in einem Gespräch. „Aber auch sie sind nicht adäquat bezahlt“. Dabei kommt es hauptsächlich darauf an, dass sie ein Gefühl für diese „inspirierende Arbeit mitbringen und nicht nur toll dastehen und über 2 oder 4 Monate vorne wacheln.“ Ungar bringt die Anforderungen, die das Orchester hat, launig auf den Punkt. Und was die Auswahl der Solistinnen und Solisten betrifft, verfolgen die Damen und Herren der Wiener Akademischen Philharmonie eine eigene Strategie. „Wir bekommen oft Empfehlungen von Kolleginnen und Kollegen, die uns auf Musikerinnen und Musiker hinweisen, die ein herausragendes Talent haben und im Konzertbetrieb nicht adäquat zur Kenntnis genommen werden. Diesen Leuten bieten wir die Möglichkeit, mit einem großen Orchester und in einem der renommiertesten und weltweit bekanntesten Säle aufzutreten. Und was uns besonders freut, ist, dass einige davon internationale Karrieren eingeschlagen haben! Das war auch bei einigen Dirigenten der Fall.“ Und dann zählt Ungar so klingende Namen wie Clemens Hagen, Kirill Kobantschenko oder Kirill Petrenko auf.

Aber es gibt noch weitere Auswahlkriterien für die Dirigenten, denn das Orchester legt besonderen Wert darauf, dass diese „geduldig und zugleich streng sein müssen. Disziplin ist ja da bei uns, aber es besteht natürlich viel mehr die Gefahr des Auseinanderfallens und wenn eine musikalische Linie ausgespielt wird, dann geschieht das meist bis zur Ekstase“, erklärt Ungar mit einem Augenzwinkern. „Er muss uns also halten und unterrichten, weil wir lernbegierig sind, und doch auch fliegen lassen. Das ist eine Gratwanderung, die wirklich schwer ist. Vinzenz Praxmarer hat das in diesem aber auch dem letzten Programm bravurös gemeistert. Wir arbeiteten alle sehr gerne mit ihm.“

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Die Wiener Akademische Philharmonie

Mit diesen Worten ist die allumfassende Herausforderung des Dirigates kurz umrissen, dennoch arbeiten auch arrivierte Dirigenten wie Alfred Eschwée oder Guillermo Garcia Calvo immer wieder gerne mit den enthusiastischen Musikerinnen und Musikern. Wahrscheinlich ist es gerade diese Einstellung, die Begeisterung am Musizieren und die Möglichkeit, sich dabei weiter zu entwicklen, die auch die großen Namen am Dirigentenpult faszinieren.

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Wer schon einmal hinter die Kulissen eines Orchesterbetriebes geblickt hat, weiß, dass es noch einige andere Tätigkeiten gibt, die zugekauft werden müssen, wie zum Beispiel das Layout der Programme und Plakate oder jenes der Website. Auch hier hat die Wiener Akademische Philharmonie großes Glück. Denn Jürgen Palmer von „palmer project“ begleitet mit seinen Designs das Orchester ebenfalls schon seit vielen Jahren kostenlos. Zeugnis davon legt eine fotografische Zusammenfassung der unterschiedlichen Sujets ab, die auch einen aussagekräftigen Einblick in die Arbeit von Palmer selbst geben. Aber auch Spezialisten, wie Klavierstimmer steuern dazu bei, dass die Abende gelingen.

Am 25. November brachte sich Ingmar Flashaar auf diesem Gebiet ein und verlieh dem Fazioli-Flügel, den er besondres gut kennt, noch eine abschließende, exzellente Stimmung. Zur Verfügung gestellt wurde das schöne Instrument von der Firma Stingl, die diesen extra in den Musikverein liefern ließ.

Mit Ketevan Sepashvili hatte man eine Pianistin engagiert, die bereits im Vorjahr in der Reihe „Tasten Lauf“ im Gläsernen Saal des Musikvereins mit ihrem Recital Standing Ovations erhielt. Es war unglaublich faszinierend, mit welcher Ausgewogenheit die aus Georgien stammende Österreicherin Rachmaninoffs Klavierpart spielte. An keiner Stelle überinterpretiert oder romantisierend und dennoch voll Leidenschaft, meisterte sie den schweren und auch langen Part herausragend. Es war für sie sicherlich eine Herausforderung, dem großen Klangkörper dementsprechend Stand halten zu können, aber unter dem sehr feinfühligen Dirigat von Vinzenz Praxmarer, gelang ihr dies mühelos. Mehr noch, mit ihrer konzentrierten Spielweise, bei der sie jedoch immer wieder mit dem Orchester Blickkontakt aufnahm, ihrem präzisen und intensiven Anschlag und dem sicht- und fühlbaren tiefen Eintauchen in die Musik, faszinierte sie das Publikum innerhalb weniger Augenblicke.

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Ketevan Sepashvili

In ihrem Spiel wird überdeutlich, wie sehr sich ihre Ausbildung, orientiert an der russischen Schule, mit der westeuropäischen, bei der vor allem Wert auf ein gefühlsmäßiges Erfassen der Werke gelegt wird, zu einer herausragenden Exzellenz vereinen. Wie sie gleich zu Beginn das Thema mit den stampfenden Bässen und gewaltigen Akkordsequenzen kraftvoll anging, oder die Dynamik im 2. Satz derart ausdifferenziert zu spielen imstande war, dass das Orchester an dieser Stelle auch ohne Dirigat auskommen hätte können, war atemberaubend. Ihr tiefes Verständnis für die Partitur , zeigte sich nicht nur in der Meisterung der technisch schwierigen Passagen mit ihrer lupenreinen Technik, sondern auch ihrem musikalischen Verständnis, das große Linien genauso berücksichtigte, wie kleinste, unterschiedliche Artikulationsmöglichkeiten.

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Die Wiener Akademische Philharmonie bei der Probe
Wie diametral entgegengesetzt zeigte sich die Pianistin in ihrer anschließenden Zugabe – Domenico Scarlattis h-Moll-Sonate. Selten konnte man dieses Werk derart ruhig fließend erleben, das an einem Instrument wie dem Fazioli-Flügel eine eigene Spielweise erfordert. Darf man doch nicht vergessen, dass Scarlattis Werke für Cembalo geschrieben waren und deswegen auf Instrumenten mit einer Hammermechanik gänzlich anders gespielt werden müssen. Vor allem gelang ihr abermals ein faszinierender, dynamischer Ansatz, der sowohl die Bassnoten als auch jene im Diskant mit gleicher Präzision erklingen ließ, sodass keinerlei romantisierende Interpretation aufkam. Aber auch das Gegenteil, eine trockene Auslegung war weit, weit entfernt.

Am Konzertabend erfuhr auch Linus Köhring eine ganz besondere Beachtung. Der junge Musikstudent, der im Orchester Bratsche spielt, erlebte, selbst mitmusizierend, die Uraufführung seines Stückes „Freiheit“. Die Komposition in freier Rondoform, wenngleich auch mit divergierenden Themen ausgestattet, verwies klanglich an Gustav Holst „Planeten“ und große, dramatische Filmmusik aus Hollywood. Es war diese besondere Mischung, ganz dem traditionellen Moll-Dur-Kanon verpflichtet, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Köhring nutzte dabei den kompletten Orchesterapparat mit großem Schlagwerk und dem mehrfachen Einsatz von Fanfaren. Für das Orchester selbst war die Erarbeitung des Stückes eine besondere Erfahrung, leitete der Komponist doch auch selbst eine Probe.

Die Wiener Akademische Philharmonie, ursprünglich als Studierendenorchester gegründet,  bietet ihren Mitgliedern eine ganz besondere Möglichkeit: Sie können ihre Passion, das Musizieren in einer Gruppe, in einem Umfeld ausleben, das durch die Einbindung von Profis eine permanente, eigene Weiterentwicklung bietet. Darüber hinaus entsteht auch eine Verbundenheit mit jenen Solistinnen und Solisten, die durch das Orchester die Möglichkeit zum Sprung an die musikalische Spitze erhalten. Genau diese Kombination des Enthusiasmus von musizierenden Amateuren und der Exzellenz von Vollprofis, die diese ergänzen und unterstützen, ist einzigartig und letztlich auch der Schlüssel zum Erfolg.

Weitere Informationen auf der Website der Wiener Akademischen Philharmonie.

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Wie es gewesen sein könnte

Wie es gewesen sein könnte

Wie es gewesen sein könnte

Von Michaela Preiner

Styriarte – „Schubert – Unvollendete“ (Foto: Styriarte)
16.

Juli 2018

Einen außergewöhnlichen Konzertabend durfte das Grazer Publikum im Stefaniensaal im Rahmen der Styriarte erleben.

Der Concentus Musicus gastierte unter dem Dirigat des jungen Musikers Stefan Gottfried. Gemeinsam mit dem Konzertmeister Erich Höbarth und Andrea Bischof (2. Violine) hat dieser nach dem Rücktritt von Nikolaus Harnoncourt die Leitung des Ensembles übernommen. Dass es nach wie vor qualitativ zu den besten der Welt zählt, stellte es an diesem Abend unter Beweis.
Gewidmet war das Programm Franz Schubert, den man sowohl im ersten als auch im zweiten Teil spielte. Mit dem internationalen Bass-Bariton-Star Florian Boesch erklangen nach der Ouvertüre zum Zauberspiel „Die Zauberharfe“ einige atmosphärisch sehr intelligent ausgesuchte Schubert-Lieder mit Orchesterbegleitung. Sowohl Anton Webern als auch Johannes Brahms hatten diese vertont, wenngleich sie leider nicht oft zu hören sind und deswegen viele im Publikum überraschten.

Dem vollen Klang, den Boesch an seiner Seite als Ausgangsmaterial hatte, musste eine ebenso füllige Stimme beigegeben werden. Kein leichtes Unterfangen, bedenkt man, dass normalerweise die Lieder nur mit Klavier begleitet werden und aus diesem Grund das Stimmvolumen bei weitem nicht so groß sein muss. Boesch zeigte jedoch, was es heißt, Schuberts Lieder nicht nur herausragend zu singen, sondern sie von ihrem Grund auf auch zu verstehen. Er erarbeitete sich die Texte so, wie dies ein genialer Schauspieler machen würde, der in einem einzigen Satz imstande ist, die Stimmung mehrfach zu wechseln. Auch Boesch konnte in ein- und derselben Strophe vom zartesten Pianissimo zu Forte aufbrausen vice versa und beeindruckte nicht nur mit seinem herausragenden Bariton, sondern auch mit seiner Gestik und Mimik.

Dabei kam kein einziges Mal ein triefendes Pathos auf, welches andere Sänger gerne benutzen, um den Liedern eine abgehobene Künstlichkeit aufzuoktruieren. Die Interpretation von Boesch in Begleitung des Orchesters, das zum Teil mit Instrumenten arbeitet, die auch zu Schuberts Zeiten eingesetzt wurden, stellte ein so außergewöhnlich beeindruckendes Hörerlebnis dar, dass man ohne Mühe prognostizieren kann, dass es lange Zeit im Musikgedächtnis des Publikums verankert bleiben wird.

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Styriarte: „Schubert – Unvollendete“ (Foto: Styriarte)

Der zweite Teil des Abends brachte ein Novum mit sich. Dafür setzte der Concentus musicus zwei Sätze vor den Beginn von Schuberts „Unvollendeter“, die selbst ja nur in zwei Sätzen überliefert ist. Das von Schubert für den dritten Satz vorgesehene Scherzo war von ihm auf nur 20 Takten auskomponiert worden. Die orchestrale Ergänzung und Neufassung nahm der Musikforscher und Dirigent Benjamin-Gunnar Cohrs vor. Als Finalsatz, der anschließend erklang, wollen mehrere Forscher den Zwischenakt zur Schauspielmusik „Rosamunde“ erkannt haben und tatsächlich konnte man, abgesehen von derselben Tonart, einige Parallelen und Verschränkungen zu den vorangegangenen Sätzen wahrnehmen. Das besondere Charakteristikum des Satzes ist eine unglaublich stark ausgeprägte, emotionale Klangdualität. Zwischen schwarz und weiß, lieblich und herrisch, zwischen lyrisch und polternd bewegen sich die Themen in diesem „Unter-Umständen-Finalsatz“ ohne Unterlass.

Wie sehr Franz Schubert mit dieser Komposition die Klassik bereits hinter sich gelassen hatte und bestrebt war, mit neuen Formen dem strengen, formalen Konzept zu entkommen, wurde mit diesem Konzert überdeutlich. Mit den Schlagworten „Emotion vor Konvention“ könnte man in aller Kürze jene kompositorische Idee umreißen, die der Komponist in seiner Unvollendeten zum Einsatz brachte und die seit beinahe 200 Jahren die Hörerinnen und Hörer so außerordentlich begeistert. Die Idee zur Präsentation, die unbekannten Sätze den bekannten voranzustellen, stammte von Alice Harnoncourt. Sie folgte damit dem Beispiel ihres Mannes, der auf diese Art und Weise schon Bruckners „Unvollendete“ mit Cohrs Ergänzungen zur Aufführung brachte.

Dass die Musizierenden des Ensembles mit einer Hingabe und Freude spielen, die in dieser Art sehr selten bei Orchestermitgliedern anzutreffen ist, war an diesem Konzertabend gut zu bemerken. Das lässt die berechtigte Hoffnung zu, dass der Concentus musicus, wenn er weiter Wege wie diese geht, weiße Flecken aus der Musikgeschichte in einer derart hohen Qualität zu präsentieren, auch in Zukunft seine herausragende Stellung nicht nur behaupten wird können, sondern vielleicht sogar auch ausbauen.

Auf der CD, die in diesem Herbst mit diesem Programm erscheinen wird, wird das Scherzo und das Trio an die beiden bekannten ersten Sätze angeschlossen werden. Damit wird eine „vollendete Unvollendete“ zu hören sein, die, was in Österreich zu erwarten ist, Diskussionen auslösen wird. Etwas Besseres kann klassischer Musik gar nicht passieren.

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Beethoven als Hoffnungsträger einer besseren Zukunft

Beethoven als Hoffnungsträger einer besseren Zukunft

Beethoven als Hoffnungsträger einer besseren Zukunft

Von Michaela Preiner

Styriarte – „Fidelio“ (Foto: Werner Kmetitsch)

14.

Juli 2018

Mit der konzertanten Aufführung von Beethovens Fidelio in der List-Halle bekannte das Styriarte-Team seine uneingeschränkte Solidarität mit Flüchtlingen in unserem Land.

„Historische Musik aufzuführen macht nur dann Sinn, wenn es einen aktuellen Bezug dafür gibt“, erklärte der Dramaturg Thomas Höft vor dem Konzert und verwies damit nicht zuletzt auch auf Nikolaus Harnoncourts Kunstverständnis.

Doch nicht nur die Aktualität, die Höft bei diesem Fidelio herstellen wollte, war ausschlaggebend für die multimediale Aufführung. Vielmehr auch das Gebot des Saales, in dem das gesprochene Wort wesentlich schlechter wahrgenommen wird als der Gesang mit einer Nachhallzeit von 3 Sekunden. Aus diesen Gründen war nach einer Möglichkeit gesucht worden, die Dialoge zwischen den Hauptcharakteren zu vermeiden. So machte man sich auf die Suche, ob es ähnliche Geschichten, wie jene von Leonore, der Ehefrau des eingekerkerten Florestans aus dem Libretto, gibt, die sich in unserer Zeit ereignen. Geschichten von Mut und Flucht, von Befreiung und Standhaftigkeit.

Fündig wurde man bei verschiedenen Flüchtlingshilfsorganisationen. Männer und Frauen, die es nach Österreich geschafft haben und sich in unterschiedlichen rechtlichen Flüchtlingsstadien befinden, vom anerkannten Flüchtling bis zu solchen, die vor der Abschiebung stehen, erzählten dafür kurz ihre Odysseen und Leidenswege. Diese Aufzeichnungen wurden zwischen die musikalischen Nummern eingebaut. Thomas Höfts Stimme aus dem Off gab vor jeder Videoeinspielung kurze Infos über die Menschen und ihre Schicksale und schuf so nachvollziehbare Überleitungen vom Geschehen auf der Bühne zu den jeweiligen Kurzfilmen.

Für so manch eine und einen im Publikum war dies schwer verdauliche Kost. Andere wiederum, wie in der Pause zu erfahren war, lehnten die Vorgangsweise aus ästhetischen Gründen ab. Glücklicherweise jedoch war beim Endapplaus von dieser Einstellung überhaupt nichts mehr zu spüren. Denn sonst hätte man die Erkenntnis zitieren müssen, dass Kulturkonsum, Menschlichkeit und Intelligenz nicht zwangsläufig Hand in Hand einhergehen.

Die Bühnen- und Kostümbildnerin Lilli Hartmann schuf sowohl für den Chor als auch für die Solistinnen und Solisten eine Bekleidungsvariante mit Jeans und blauen Hemden. Ein Bezug zu autoritären Regimen, in welchen alle gleichgeschaltet werden, zugleich aber auch die Einladung, diese Oper niederschwelliger zu transportieren, als dies normalerweise der Fall ist. Auch das Orchester inklusive seines Dirigenten – dem unglaublich stilsicher und lebhaft agierenden Andrés Orozco-Estrada – hielt sich an den Dresscode und spielte ebenfalls in Jeans und blauen Oberteilen.

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Styriarte – „Fidelio“ (Foto: Werner Kmetitsch)

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Styriarte – „Fidelio“ (Foto: Werner Kmetitsch)

Berückend gleich von Beginn an war die ausgefeilte Dynamik, die der Dirigent seinen Musikerinnen und Musikern entlocken konnte. Der rasche Wechsel zwischen laut und leise innerhalb weniger Takte brachte Beethovens Partitur so richtig zum Schillern. Auch der Einsatz von historischen Instrumentennachbauten war deutlich hörbar. Neben den mit Darmsaiten bespannten Streichern war dies am meisten wohl bei den samtigen Hörnern der Fall. An einer der kritischsten Stellen, an der eine kurze Bläser-Trio-Passage erklang, lieferte eine der Stimmen eine unüberhörbare Schieflage ab. Dieses musikalische Hoppala machte die Schwierigkeit der Spielbarkeit, die sich bei Naturhörnern gänzlich anders gestaltet als bei modernen Instrumenten, deutlich und zugleich den Musikgenuss zu einem höchst menschlichen. Einem, der so nur live im Konzertsaal zu erleben ist und klar macht, dass auch die Musikerinnen und Musiker bei ihrer Berufsausübung fehlbare Menschen sein können, wie wir alle es sind.

Als ein herausragendes Merkmal der Styriarte-Produktionen ist die treffsichere Besetzung zu nennen. Es ist immer wieder eine große Freude, derart gute Stimmen in Graz hören zu können. Mit Tetiana Miyus gelang eine fantastische Besetzung für Marzelline, deren glockenheller, klarer Sopran heftig umjubelt wurde. Johanna Winkel beeindruckte als Leonore nicht nur stimmlich, sondern auch optisch in der Verwandlung zu einem schlanken, großen Fidelio. Ausgezeichnet auch die Herren, unter anderen Johannes Chum als höchst zerbrechlich wirkender Florestan, Adrian Eröd als Minister, der die politisch motivierte Befreiung des Inhaftierten medienwirksam via Handy sofort verbreitete, Jochen Kupfer als Don Pizarro, welcher seine schauspielerischen Fähigkeiten als gewissenloser Mörder unter Beweis stellte und Thomas Stimmel als Rocco, der trotz einer Verletzung mit ruhig gestelltem Arm seine Partie herausragend sang.

Wie sehr das Konzept der Verschränkung zwischen aktuellem Geschehen und Beethovens Ideen von einer hoffnungsfrohen, besseren Welt funktionierte, konnte man bei jener Chorpassage mehr als deutlich spüren, in welcher die Gefangenen des Fidelio-Chors singen: „Oh welche Lust in freier Luft den Atem leicht zu heben.“ Denn mit der Personalisierung von Fluchtgeschichten war zuvor deutlich geworden, was es bedeutet, in einem freien Land leben zu dürfen, in welchem wir wahrlich alle genug Luft zum Atmen und genügend Ressourcen haben, Verfolgten ein neues Zuhause anzubieten. Zusammengesetzt war der Chor aus Profi-Stimmen verschiedener Grazer Chöre und sangesfreudigen Migrantinnen und Migranten, sodass in ihm 14 Nationen vertreten waren.

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Styriarte – „Fidelio“ (Foto: Werner Kmetitsch)

Ein berührender, intensiver Opernabend, der auch verdeutlichte, dass wir dringend Kulturinstitutionen wie die Styriarte brauchen. Denn diese lassen sich weder mundtot machen, noch biedern sie sich dem jeweiligen Regierungsstil an. Vielmehr sorgen sie immer wieder aufs Neue dafür, um dem Versteinern der Herzen unserer Gesellschaft, die sich permanent auf humanitär höchst fragliche Gesetze beruft, die unabdingbar seien, ein wirksames Mittel entgegenzusetzen.

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Krieg im Herzen

Krieg im Herzen

Jordi Savall (Foto: Werner Kmetitsch)

Jordi Savall ist ein Garant für volle Häuser. Beim diesjährigen Styriarte-Festival kam der Meisterschürfer historischer Musikraritäten mit großer Entourage auf die Bühne, der bis auf den letzten Platz ausverkauften Helmut List Halle. Ergänzend zu seinem „Concert des Nations“ hatte er mit der „Capella Reial de Catalunya“ ein Großaufgebot an Stimmenexzellenz mitgebracht. Notwendig war dies, da Teile aus dem 8. Madrigalbuch von Claudio Monteverdi zum Vortrag gebracht wurden. In diesem beschrieb der Ausnahmekomponist den Krieg und die Liebe, wobei, bis auf ein an dem Abend gespieltes Stück, nicht der Krieg zwischen Armeen, sondern der Krieg der Herzen besungen wurde. Jener kriegerische Zustand, in den die Liebe uns zuweilen treibt, ohne dass wir es wollen und gegen den wir meist vergeblich versuchen anzukämpfen.

Musikhistorisch bot der Abend eine Menge an Lehrmaterial. Denn mit der Übertitelung der einzelnen Stücke und der Texte verlor man nicht den Überblick und konnte so, wie nebenbei, erfahren, dass eine „Sinfonia“ bei Monteverdi gerade einmal aus einem Thema mit wenigen Takten bestand oder – wenn es üppig zuging, auch schon einmal 3 Sätze ausmacht, die in wenigen Minuten abgespielt sind. Dankenswerter Weise durfte man auf der Leinwand hinter den Musizierenden die kunstvolle Lyrik mitlesen, die so unglaubliche Sätze wie „Statt Blut weinte eine gequälte Seele für lange Zeit“, bereithielt, um nur ein Beispiel anzuführen.

Italiens wichtigster und einflussreichster Komponist seiner Zeit präsentierte sich mit diesem Madrigal-Konvolut, das er seinem Herrscher, Ferdinand III widmete, am Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Die Polyphonie der Renaissance, die ihn in seinen Messen so berühmt machte, ist hier überwunden. Das Zeitalter des Barock herangebrochen, in welchem unser tonales System für viele Jahrhunderte ausformuliert wurde. Monteverdi darf in vielerlei Hinsicht als einer der Stammväter der europäischen Musik bezeichnet werden. Selbst die Gattung der Oper hat er bereits angedeutet.

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La Capella Reial de Catalunya.(Foto: Werner Kmetitsch)

Neben aller musikhistorischer Erkenntnis stand jedoch eines ganz im Vordergrund: Ein sinnliches Erleben von in Musik gegossenen Emotionen rund um das Thema Liebe. Da gab es herzerweichende Lamenti zu hören ob der Untreue eines Mannes. Dann wieder illustrierte das Orchester und ein Männerterzett in höchst humoriger Art und Weise Angstzustände vor der Liebe, vor der man sich wie bei einem Kriegsgegner wappnen und auf Pferden so schnell wie möglich davon galoppieren müsse. Aber auch der Kampf zwischen Tancredi und Clorinda, die dabei ihr Leben verlor, erklang in einer konzertanten Inszenierung, die atemberaubend war. Verantwortlich dafür war der „Erzähler“ Furio Zanasi, der am vorderen Bühnenrand stehend, seine Rezitative und kurzen Arien körpersprachlich höchst illustrativ begleitete und dabei einen unglaublich guten „Draht“ zum Publikum aufbaute.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Regie der Auf- und Abgänge des Gesangsensembles gelegt, das nicht, wie sonst oft – permanent auf der Bühne verharrte und regungslos auf seine Einsätze wartete. Dadurch konzentrierte sich das gesangliche Geschehen nur auf die jeweils Singenden, die allesamt an diesem Abend in Höchstleistung auftraten. Mit einem Kriegsmadrigal endend, durfte man eine abschließende Klangfülle erleben, die das Publikum so zu Begeisterungsstürmen hinriss, dass Maestro Savall dieses schließlich noch einmal als Zugabe erklingen ließ.

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