Das Besondere an diesem Orchester ist nicht mit einem Satz erklärt, vor allem nicht, da die Wiener Akademische Philharmonie nicht an das Konzept der gegenwärtigen, allumfassenden Kapitalisierung jeglichen menschlichen Bereiches angepasst ist. Denn: Die Musizierenden – der Großteil davon besteht nicht aus Profis – treten völlig ohne Gagen auf. Und: Berufsmusikerinnen und Musiker aus anderen Orchestern werden ergänzend eingesetzt – man möchte es kaum glauben – ebenfalls ohne Gage. Diese nehmen klugerweise vor allem strategisch wichtige Positionen ein – wie im Bläserapparat, in dem sie einen Anteil von rund 60 Prozent ausmachen. Aber auch der Konzertmeister, Martin Reining ist Vollprofi und maßgeblich für die Qualität der Streicher verantwortlich.
Eine, die das Orchester bereits von Beginn an begleitet, seit 10 Jahren im Vorstand ist und Gründungsmitglied war, ist Daniela Ungar. Die Allgemeinärztin, die als Psychotherapeutin tätig ist, stammt selbst aus einer musikalischen Familie. Der Vater war Dirigent, die Mutter Pianistin. So wie in ihrem Fall haben auch viele der Kolleginnen und Kollegen im Orchester familiäre Bande zu Musizierenden. Das bedeutet gleichzeitig, dass diese Damen und Herren Amateure im positiven Wortsinn sind. Sie üben ihre Tätigkeit ausschließlich aus Liebe zur Musik aus und erleben dadurch in diesem Orchester, was bei vielen anderen leider nicht mehr üblich ist: Eine Freude am Musizieren ohne Konkurrenzdruck, ohne Angst zu versagen und nicht weiter engagiert zu werden. Ihr aller Enthusiasmus ist eine der tragenden Säulen, denn ohne diesen kämen weder die wöchentlichen Proben zustande, noch die Auftritte in großen Häusern wie dem Musikverein oder dem Konzerthaus. Mindestens 2, manches Mal aber auch mehr, sind es pro Jahr, was bedeutet, dass man derzeit auf rund 100 Auftritte zurückblicken kann.
Die zweite, tragende Säule, die auch die Programme des Orchesters so attraktiv macht, dass sie beinahe jedes Mal ausverkauft sind, ist die Auswahl der Dirigierenden sowie der Solistinnen und Solisten. „Die Dirigenten, die mit uns auch proben, sind die einzigen, die eine Aufwandsentschädigung bekommen“, erklärt Daniela Ungar in einem Gespräch. „Aber auch sie sind nicht adäquat bezahlt“. Dabei kommt es hauptsächlich darauf an, dass sie ein Gefühl für diese „inspirierende Arbeit mitbringen und nicht nur toll dastehen und über 2 oder 4 Monate vorne wacheln.“ Ungar bringt die Anforderungen, die das Orchester hat, launig auf den Punkt. Und was die Auswahl der Solistinnen und Solisten betrifft, verfolgen die Damen und Herren der Wiener Akademischen Philharmonie eine eigene Strategie. „Wir bekommen oft Empfehlungen von Kolleginnen und Kollegen, die uns auf Musikerinnen und Musiker hinweisen, die ein herausragendes Talent haben und im Konzertbetrieb nicht adäquat zur Kenntnis genommen werden. Diesen Leuten bieten wir die Möglichkeit, mit einem großen Orchester und in einem der renommiertesten und weltweit bekanntesten Säle aufzutreten. Und was uns besonders freut, ist, dass einige davon internationale Karrieren eingeschlagen haben! Das war auch bei einigen Dirigenten der Fall.“ Und dann zählt Ungar so klingende Namen wie Clemens Hagen, Kirill Kobantschenko oder Kirill Petrenko auf.
Aber es gibt noch weitere Auswahlkriterien für die Dirigenten, denn das Orchester legt besonderen Wert darauf, dass diese „geduldig und zugleich streng sein müssen. Disziplin ist ja da bei uns, aber es besteht natürlich viel mehr die Gefahr des Auseinanderfallens und wenn eine musikalische Linie ausgespielt wird, dann geschieht das meist bis zur Ekstase“, erklärt Ungar mit einem Augenzwinkern. „Er muss uns also halten und unterrichten, weil wir lernbegierig sind, und doch auch fliegen lassen. Das ist eine Gratwanderung, die wirklich schwer ist. Vinzenz Praxmarer hat das in diesem aber auch dem letzten Programm bravurös gemeistert. Wir arbeiteten alle sehr gerne mit ihm.“