Clash of the cultures

Clash of the cultures

Clash of the cultures

Von Michaela Preiner

„Wien 1683“ (Foto: Werner Kmetitsch)
02.
Juli 2018

Großer Aufmarsch in der Helmut List Halle beim Styriarte-Konzert „Wien 1683“. Rechts auf der Bühne die Türken – links die Wiener und mittendrin: Michael Dangl.

Der mittlerweile für seine vielen Rezitationskonzerte bekannte Schauspieler führte das Publikum zwischen den einzelnen, musikalischen Stücken zurück ins Jahr 1683. Damals belagerten die Türken Wien bereits zum zweiten Mal – erfolglos, wie die Geschichte zeigte. Aber mit hohen und grausamen Verlusten auf beiden Seiten.

Mit dem Armonico Tributo unter der Leitung von Lorenz Duftschmid und der „Saraband“, der Vladimir Ivanoff vorstand, „kämpften“ zwei Spitzenensembles um die Gunst des Publikums und zeigten auf, wie groß der kulturelle Unterschied auch in der Musik zwischen Orient und Okzident war – und teilweise bis heute auch noch ist.

Das mit europäischen Instrumenten bestückte 12-köpfige Duftschmid-Ensemble (Streichinstrumente, Flöte, Trompeten,  Barockgitarre und Perkussion) stand einem Quintett gegenüber, das mit einer Nay (Rohrflöte), einer Kemençe (Kastenhalslaute), einer Kanun (Kastenzither), Rahmentrommeln und einer Oud (Kurzhalslaute) ausgestattet war.

Der syrische Musiker Rebal Alkhodari spielte Letztere nicht nur, sondern setzte dem musikalischen Geschehen auch arabische Gesangsglanzlichter auf. Dabei wechselte er nahtlos von der Brust- in die Kopfstimme, in welcher er jene unzähligen Arabesken mit Leichtigkeit wiedergab, die diese Musik so unverwechselbar macht und auszeichnet. Zwischenapplaus nach jeder Darbietung machte klar, wie sehr das Publikum seine Auftritte zu schätzen wusste. Als herausragend im Armonico Tributo Ensemble ist Michael Oman zu nennen, dessen Blockflötenspiel nicht nur virtuos, sondern höchst lebendig und mitreißend war. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die österreichische, musikalische Abordnung auf der Bühne der „orientalischen“ zahlenmäßig überlegen war. 

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„Wien 1683“ (Foto: Werner Kmetitsch)

Die gekonnte Stückauswahl von Komponisten wie Johann Heinrich Schmelzer, Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Josef Fux, Gazi Giray Han, Ali Ufki und vielen anonym überlieferten Werken aus dem osmanischen Raum pendelte zwischen barocker Fröhlichkeit, kriegerischen Drohgebärden, mittelalterlich nachklingenden Tänzen, Hymnen für den „Propheten Mohamad“, einem barocken Lamento, einem religiösen Klagelied, innig von Alkhodari vorgetragen und vielen anderen mehr.

Das unglaublich breite, musikalische Spektrum, das dadurch abgebildet wurde, zeigte auch gut auf, dass das Abend- und das Morgenland zu dieser Zeit Musik in gänzlich unterschiedlichen Kontexten verwendete. Waren es in unseren Breiten die kaiserlichen und königlichen Höfe, so wurde Musik bei den Osmanen und darüber im arabischen Raum neben Tanzeinlagen zwar auch an den Höfen dargeboten, diente aber nicht der jeweiligen Herrscherverherrlichung, sondern jener Allahs oder seines Propheten. 

Neben all dem prächtigen Ohrenschmaus bekam das Publikum einen höchst anschaulichen Geschichtsunterricht gratis dazugeliefert. Michael Dangls Lesungen aus historischen Überlieferungen benannte nicht nur Zahlen und Fakten, sondern machte die Angst und das Leid, die Feigheit der Herrscher, sowie die Tapferkeit der Bevölkerung und Soldaten emotional nachvollziehbar. Eine kluge, dramaturgische Volte beendete den Abend.

Mit ihr wurde subtil klar gemacht, dass alle Menschen, die auf dieser Welt leben, egal aus welchem Kulturkreis sie auch sind, derselben Conditio humana ausgeliefert sind und sich in der Geburt, dem Tod und dem Vergessen in nichts unterscheiden,  Mit den „Gedanken über die Zeit“ von Paul Fleming (1609-1640) befriedete Dangl den Abend, ohne Sieger oder Besiegte hervorzuheben, zu preisen oder zu verdammen. Eine feinsinnige und noble Geste und nicht zuletzt eine Referenz den Musikern der Saraband gegenüber, die nicht aus dem Reich des „Goldenen Apfels“ stammen, wie die Türken Österreich nannten. 

 

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„Wien 1683“ (Foto: Werner Kmetitsch)

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Im tiefsten Elend glücklich

Im tiefsten Elend glücklich

Im tiefsten Elend glücklich

Von Michaela Preiner

Christopher Hinterhuber (Foto: Nancy Horowitz)
01.
Juli 2018
Felix Austria, unter diesem Generalthema steht das diesjährige Styriarte-Festival und beweist damit, dass Politik und gesellschaftliches Leben sich in der Musik nur bedingt widerspiegeln.
Ein Paradekonzert im Hinblick auf diese These präsentierte das „Philharmonic Five“-Ensemble in der ersten Festivalwoche im Stefaniensaal. „Kaiserwalzer“, so der Titel, gab Einblicke in das musikalische Geschehen der 10er- und 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Genauer gesagt, in die Konzerte des „Vereins für musikalische Privataufführungen“, der 1918 gegründet wurde, um zeitgenössische Musik zur Aufführung zu bringen. Die Idee dazu hatte Arnold Schönberg, der auch zum Präsidenten des Vereins in den Vorstand gewählt worden war.
Das „Philharmonic Five“-Ensemble besteht aus Streicher-Solisten und -Solistinnen der Wiener Philharmoniker und dem Pianisten Christopher Hinterhuber, der für die künstlerische Leitung verantwortlich zeichnet. Ergänzend zu diesem Ensemble war der Abend mit Flöte, Klarinette, Kontrabass, Harmonium und Schlagwerk bestückt. Auf diese Weise war es möglich, ein breites Spektrum an Musik zu spielen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts komponiert worden war. Auch wenn die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler schon zuvor entstanden waren – in der Bearbeitung von Arnold Schönberg erhielten sie erst 1920 ihren orchestralen Kammermusikklang.
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„Ludwig Mittelhammer“ (Fotos: Daniel Fuchs)

Der Solist dafür war DIE Entdeckung des Abends schlechthin – Ludwig Mittelhammer (geb. 1988 in München). Sein klarer und geschmeidiger Bariton beeindruckte gleich von Beginn an genauso, wie sein nobler, schauspielerischer Einsatz. Mit sparsamen Gesten, aber umso ausdrucksstärkerer Mimik machte er die Leiden und Glücksszustände nachvollziehbar, die der junge Mann in diesem Liederzyklus durchlebt. Selten hat man die Gelegenheit, h eine junge Stimme wie diese zu hören, die absolut keinerlei Wünsche offenlässt und das Verlangen evoziert, sofort in den Terminkalender des Sängers zu schauen, um ihn weiter live verfolgen zu können. https://www.ludwig-mittelhammer.de/schedule

Das weitere Programm wies einige Raritäten auf, wie Julius Bittners Tänze aus Österreich, die Christopher Hinterhuber klug vor Bartoks Volkstänze, Sz. 56 erklingen ließ. Auch Josef Labors „Allegretto grazioso“ aus dem Quintett für Klavier, Klarinette und Streichtrio in D, op. 11, gehörte dazu. Ein Stück, dessen Klang sich wie Samt und Seide in die Gehörgänge einschlich und das von Debussys „Syrinx“ für Flöte Solo abgelöst wurde. Dabei konnte man den Eindruck gewinnen, als ob schwerelose, schillernde Tonblasen sich aus der Flöte von Silvia Careddu lösten, die dann durch den Saal schwebten.

Einzig Alban Bergs atonale „Vier Stücke, op. 5“ wiesen in dem Konzert auf den kommenden, großen Umbruch hin, den Schönberg mit seiner 12-Ton-Musik ausformulierte. Die dunkle Serie Bergs kann mit kurzen Einaktern verglichen werden, die, kaum motivisch ausgebreitet, schon wieder verklingen.

Wie sehr die Arrangements Schönbergs auch mit Humor unterfüttert sind, bewies schließlich das Finale, der „Kaiserwalzer“ op. 437 von Johann Strauss Sohn. Allen Österreicherinnen und Österreichern hinlänglich aus dem Neujahrskonzert bekannt, überraschte hier der Beginn, in dem unüberhörbar keine elegante Gesellschaft das Tanzbein schwang, sondern Holzschuhe tragende Frauen und Männer. Erst mit Einsetzen des Hauptthemas entwickelte sich jene Eleganz, für die dieser Walzer bekannt ist. Mit der Zugabe des Walzers „Im Krapfenwaldl“, ebenfalls allseits bekannt durch seine Kuckucks- und Vogelstimmen, verabschiedete sich das Ensemble auf höchst launige Weise vom Publikum.

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„Philharmonic Five“ (Foto: Mato Johannik)
Bedenkt man den Ersten Weltkrieg zwischen 1914 und 1918 und die Auflösung der Monarchie, das Leid, das mit dem Kriegsgeschehen in die Welt gekommen war und das österreichische Selbstverständnis in seinen Grundfesten erschütterte, bleibt nur festzustellen: Felix Austria, dass es dir gelangt, diese traumatischen Jahre in Musik zu ertränken, die nichts, aber auch schon gar nichts davon hören lässt, was deine Menschen in diesen Jahren erleiden mussten.
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Was will die Welt noch hören?

Was will die Welt noch hören?

Lukas König (Foto: Arianna Kronreif)

Am 12. April lud das Klangforum Wien unter dem Titel „Genregrenzen“ zu einem seiner gut besuchten Abo-Konzerte. Im Mozartsaal des Konzerthauses erklangen Werke von Bernhard Lang, James Clarke, Alexander Schubert und Lukas König. Wobei letztgenannter Komponist wohl DIE Überraschung des Abends war.

Bernhard Lang bezog sich in DW 24 „loops for Al Jourgensen“, aus dem Zyklus Differenz/Wiederholung, nicht nur auf den Sänger und Mastermind der Industrial-(Metal)-Band Ministry, sondern auch auf den Jazzer Eric Dolphy. In seiner Einführung vor dem Konzert demonstrierte der Saxophonist Gerald Preinfalk die Herangehensweise von Lang, Dolphys Improvisationen zu notieren und in die Komposition einzubringen. Auffallend im Stück waren aber nicht nur die Bezüge zum Jazz oder zur Metal-music, hörbar wurden auch rhythmische Muster, die an Aram Khatchaturian erinnerten. Geprägt ist das Werk von raschen Rhythmenwechseln und einem hohen Tempo, das bis zum Schluss durchgehalten wird. Auch dass im späteren Verlauf an einer Stelle sogar kurz Bigbandrhythmen durchblitzten, zeigt, wie groß die Bandbreite von unterschiedlichen, musikalischen Einflüssen ist, die der Komponist verarbeitete . Die verwendete Elektronik, bei Lang stets präsent, hält eine ausgewogene Balance mit den Live-acts.

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Bernhard Lang (Foto: Harald Hoffmann)

Am Pult agierte – nicht zum ersten Mal beim Klangforum – Baldur Brönnimann. Bestens vorbereitet und zutiefst mit dieser Musik ident, war es ein Genuss, ihm bei der Leitung zuzusehen. Seinen vollen, rhythmischen Körpereinsatz konnte man vor allem bei Langs Komposition wie ein eigenes Instrument lesen, das zugleich als Klammer für alle Beteiligten fungierte.

James Clarke war an diesem Abend mit „Ritornelli“ vertreten, zwei Kompositionen, in welchen die Instrumentalstimmen gleichmäßige, aber voneinander unterschiedliche Rhythmen verfolgten. In Alexander Schuberts „Sugar,Maths and Whips“ konnte der Einsatz der Elektronik nicht nur als eine Klangerweiterung wahrgenommen werden, sondern erzeugte das Gefühl einer eigenen instrumentalen Qualität.

Die Überraschung des Abends lieferte am Schluss des Konzertes Lukas König, der sich der experimentellen Popmusik verschrieben hat und auch als Schlagzeuger agiert. Die Einladung des Klangforums, für das Ensemble ein Stück zu komponieren, empfand er als große Herausforderung und als Auftrag, von Null auf Tausend etwas Qualitätvolles abliefern zu müssen. „Am liebsten hätte ich alles in das Stück gepackt“, erklärte er im Gespräch vor dem Konzert, wohl wissend, dass das gar nicht möglich ist. Mit der auf Experimentalmusik spezialisierten Sängerin Audrey Chen an seiner Seite agierte er, selbst am Synthesizer, auch im gesanglichen Duo. Sein extrem abwechslungsreiches Stück mit einem dunklen, beinahe schon erdig-bedrohlichen Duktus beeindruckte auch durch seine gut nachvollziehbare Struktur. Immer wieder öffneten sich kurze Fenster in eine gänzlich andere, musikalische Welt, in der Gamelanklänge hörbar wurden. Mit Audrey Chen bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, Königs experimentelle Stimmführung passgenau in Szene zu setzen. Nicht nur einmal mischte sich dadurch zu einem dumpfen Dröhnen ein stimmliches Flattern und Rauschen, ein Knarzen und eine verblüffende Harmonie zwischen dem menschlichen Organ und den verwendeten Synthesizer-Klängen. Immer wieder ließ König die Bläser aufbrausen und sich wie ein wildes Tier vereinigen, um danach wieder abzuflauen. Langgedehnte, durch Trommelschläge akzentuierte Klangstreifen, eine freejazzig angelegte Passage mit Chens Stimme sind nur wenige von vielen, unterschiedlichen musikalischen Ideen, die König hier zu einem abwechslungsreichen, dichten Stück verarbeitete, das beim Publikum großen Beifall evozierte. Die Frage, die sich König stellte, als er am Beginn seiner Kompositionsarbeit über den Auftrag nachdachte: „Was will die Welt eigentlich noch hören?“, kann einfach beantwortet werden: Ein Stück wie dieses!

Der Superstar Baldassare Galuppi

Der Superstar Baldassare Galuppi

Es gibt sie tatsächlich noch. Jene Entdeckungen, die es ermöglichen, in ein neues, musikalisches Universum einzutauchen, das bislang unbekannt war. Möglich machte dies Florian Stemberger, Pianist und ausgebildeter Jurist. Im Schubert-Saal des Konzerthauses spielte er ein Recital ausschließlich mit Werken von Baldassare Galuppi. Jenem italienischen Komponisten, der zu seiner Zeit der best bezahlte und höchst geachtete in Italien war. So geachtet, dass Nachkommen von Vivaldi, als sie neues Notenprogramm für den sächsischen Hof zusammenstellen sollten, auf einige Vivaldi-Partituren den Namen Galuppi schrieben, da dieser wesentlich bekannter und gefragter als Vivaldi war und die Notenabschriften somit auch mehr Geld einbrachten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Galuppi eine Generation jünger als Vivaldi war und die Auftraggeber im 18. Jahrhundert nur neueste Kompositionen hören wollten. Die große Bekanntheit Galuppis resultierte zu seiner Zeit zum großen Teil aus seinen Opernkompositionen. Niemand Geringerer als Carlo Goldoni schuf dazu die Libretti. Dies führte dazu, dass der Komponist die „opera buffa“ zu einer Hochblüte brachte und die antiken Themen der „opera seria“ immer weiter zurückgedrängt wurden.

Florian Stemberger entdeckte Galuppi durch die Einspielung seiner C-Dur Sonate von Arturo Benedetto Michelangeli. Es ist das einzige Klavierstück, das von Galuppi außerhalb Italiens bis heute bekannt geworden ist. Die Schönheit dieses Werkes hatte es dem österreichischen Pianisten angetan und er machte sich auf eine akribische Suche nach weiterem Material. Dabei wurde er in Archiven in Brüssel, München aber auch Venedig fündig.

Der Superstar Galuppi – immerhin war er auch „maestro di coro“ von San Marco, das war das höchste Amt, das in seiner Profession damals in Venedig vergeben werden konnte – stand musikalisch zwischen dem ausgehenden Barock und der frühen Klassik und verband in seinen Kompositionen alte mit neuen Stilmitteln. Bei der Wiedergabe der ausgewählten Werke verzichtete Stemberger auf einige notierte Wiederholungen, um dem Publikum in Wien so viel Musik wie möglich von dem Komponisten zu Gehör zu bringen. Und tatsächlich beeindruckte die Bandbreite von Galuppis Kompositionsfähigkeiten. Barocke Tonskaskaden mit den üblichen Triller- und Vorschlagsverzierungen waren ebenso zu hören wie Toccaten, die ganz in der Bachnachfolge einen höchst komplizierten Tonsatz aufweisen. Dass Stemberger bei der Toccata in F-Dur, i 15 (Thematischer Index der Sonaten und Konzerte von Hedda Illy) ein Arpeggio realisierte, ließ im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen. Unterfütterte er doch die rechte Stimme mit einem auffallend akkordisch gesetzten, dichten Bass in der Linken, bei dem sich die gewagten Harmonien von der barocken Praxis absetzten und ein spannendes, musikalisches Gefüge ergaben.

Auffallend waren von Beginn weg der kräftige Anschlag des Pianisten, der den Steinway-Flügel in keiner Weise schonte. Seine Technik, für die er in Galuppis Sonaten einen eigenen Anschlagsmodus entwickelte, könnte man am besten mit der Einhaltung barocker Präzision aus dem Verständnis der Instrumente dieser Zeit beschreiben, jedoch praktisch auf einem zeitgenössischen Flügel umgesetzt. Vieles, was Galuppi für Cembalo schrieb – DEM Tasteninstrument seiner Zeit – ist laut Stemberger darauf nicht gut wiederzugeben. Das betrifft die Melodieführung ebenso wie die Bassbegleitung. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Entwicklung des Pianofortes, dem Vorgänger unserer heutigen Klaviere, von Bartolomäo Christofori 1726 in Florenz abgeschlossen war und Galuppi davon wahrscheinlich nicht nur informiert war, sondern auch auf solchen Instrumenten spielen konnte.

Schließlich war er auch ein weitgereister Mann und konzertierte an den Höfen in London, Dresden oder St. Petersburg, die allein schon aus Imagegründen großen Wert auf den Erwerb der neuesten Instrumente legten. Stembergers Spiel beeindruckte vor allem in seinen wild auf die Tasten gesetzten Arpeggios und seinem Staccato-Spiel, bei denen es den Anschein hatte, als würde er dem Instrument mächtige Schläge versetzen. Zugleich geht von seiner Virtuosität, die er vor allem im zweiten Teil des Programmes demonstrierte, eine Faszination aus. Seinen Fingern und Armbewegungen ist eine der Komposition innewohnende Choreografie abzulesen, die Stemberger durch sein entwaffnend lebhaftes und rasantes Spiel sichtbar werden lässt. Dass er dabei mit geschlossenen Augen spielt, fasziniert zusätzlich.

Die „Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit“, die Stemberger in den Galuppi-Sonaten erkennt, möchte der Pianist, vielleicht auch mithilfe von Sponsoren, in naher Zukunft auf zwei CDs festhalten. Das Publikum bedankte sich mit langen Ovationen, für die Stemberger sich mit zwei Zugaben revanchierte.

Mehr als nur ein Halleluja

Mehr als nur ein Halleluja

Foto: Natalie Paloma Photographie

In Mitteleuropa ist es Tradition geworden, Georg Friedrich Händels „Messiah“ in der Fastenzeit aufzuführen. Wenngleich es dafür ganz unterschiedliche Aufführungsmodi gibt. Das Oratorium, 1741 innerhalb von drei Wochen geschrieben, enthält insgesamt 53 musikalische Nummern und ist in drei Teile eingeteilt. Häufig gelangt nur ein Teil zur Aufführung, oder es werden Streichungen von einzelnen musikalischen Teilen vorgenommen.

Das Publikum im ausverkauften Goldenen Saal des Musikvereins kam in einen seltenen Genuss.Der Chorus sine nomine unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger wählte die schwierigste und anspruchsvollste Aufführungsvariante. Er führte mit der Instrumentalbegleitung des Ensembles Prisma das Oratorium in seiner vollen Länge auf.

Hiemetsberger hat schon in den letzten Konzerten mit ungewöhnlichen Einfällen Originalität bewiesen. So auch in diesem, nicht nur was die Interpretation aller drei Teile betrifft. Er griff auch in der Besetzung der Solisten und Solistinnen auf eine Vorgehensweise zurück, die zu Zeiten von Händel noch nicht unüblich war. Den Altus besetzte er mit Markus Forster, einem Countertenor. Dieser lieferte mit seinem speziellen Timbre eine weitere Klangschattierung zu den drei anderen Solo-Stimmen bei, was sich als sehr reizvoll erwies.

An seiner Seite glänzte Ursula Langmayr mit einem wunderbar sicheren und voluminösen Sopran. Ihr zartes Tremolo passte außerordentlich gut zu den vielen, kleinen barocken Verzierungen, die ihr Part aufweist. Gernot Heinrich durfte seinen samtweichen Tenor präsentieren, der in schönem Gegensatz zu Matthias Helms kräftigem, virlen Bass erklang.

Außergewöhnlich war auch die Aufstellung des Cembalos, dessen Corpus in der Mitte der Bühne auf der kleinen, transportablen Orgel auflag. Auf diese Weise kam dieses ausgesprochene Kammerinstrument, das vor allem bei einer großen Chor- und Orchesterbesetzung sonst klanglich oft völlig untergeht, wunderbar zur Geltung. Außerdem konnte Johannes Bogner so an mehreren Stellen im dritten Teil nahtlos vom Cembalo ans Orgelregister wechseln, was für höchst ungewöhnliche Klangmischungen sorgte.

Besonderes Augenmerk legte Hiemetsberger nicht nur auf die präzise Führung seines Chores, der immer wieder aufs Neue beeindruckt. Auch das Ensemble Prisma wurde von ihm unglaublich nuanciert geleitet. Vor allem in der sehr farbig gestalteten Dynamik, die sich an einigen Stellen innerhalb von wenigen Noten ensembleübergreifend exaktest veränderte, beeindruckte der Klangkörper. Gut hörbar war auch der Kontrabass von Alexandra Dienz. Auch dieses Instrument, wenn es nicht von einer herausragenden Qualität ist und auch ebenso gespielt wird, ist leider viel zu selten gut aus einem Klangkörper herauszuhören. Die glasklare, ja beinahe durchsichtige Instrumentalwiedergabe der Partitur und  der perfekt abgestimmte Chor präsentierten die komplexe Musik gut nachvollziehbar. Und dies mit einem intensiven, aber völlig unaufgeregten Dirigat.

Das Konzert am 13. März war eine musikalische Sternstunde, nicht nur für die Sängerinnen, Sänger und Musizierenden an ihren Instrumenten. Das Publikum dankte mit derart langen Ovationen, dass Hiemetsberger zur großen Freude und unerwartet das „Halleluja“ als Zugabe noch einmal singen ließ.

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