Krieg im Herzen

Jordi Savall (Foto: Werner Kmetitsch)

Jordi Savall ist ein Garant für volle Häuser. Beim diesjährigen Styriarte-Festival kam der Meisterschürfer historischer Musikraritäten mit großer Entourage auf die Bühne, der bis auf den letzten Platz ausverkauften Helmut List Halle. Ergänzend zu seinem „Concert des Nations“ hatte er mit der „Capella Reial de Catalunya“ ein Großaufgebot an Stimmenexzellenz mitgebracht. Notwendig war dies, da Teile aus dem 8. Madrigalbuch von Claudio Monteverdi zum Vortrag gebracht wurden. In diesem beschrieb der Ausnahmekomponist den Krieg und die Liebe, wobei, bis auf ein an dem Abend gespieltes Stück, nicht der Krieg zwischen Armeen, sondern der Krieg der Herzen besungen wurde. Jener kriegerische Zustand, in den die Liebe uns zuweilen treibt, ohne dass wir es wollen und gegen den wir meist vergeblich versuchen anzukämpfen.

Musikhistorisch bot der Abend eine Menge an Lehrmaterial. Denn mit der Übertitelung der einzelnen Stücke und der Texte verlor man nicht den Überblick und konnte so, wie nebenbei, erfahren, dass eine „Sinfonia“ bei Monteverdi gerade einmal aus einem Thema mit wenigen Takten bestand oder – wenn es üppig zuging, auch schon einmal 3 Sätze ausmacht, die in wenigen Minuten abgespielt sind. Dankenswerter Weise durfte man auf der Leinwand hinter den Musizierenden die kunstvolle Lyrik mitlesen, die so unglaubliche Sätze wie „Statt Blut weinte eine gequälte Seele für lange Zeit“, bereithielt, um nur ein Beispiel anzuführen.

Italiens wichtigster und einflussreichster Komponist seiner Zeit präsentierte sich mit diesem Madrigal-Konvolut, das er seinem Herrscher, Ferdinand III widmete, am Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Die Polyphonie der Renaissance, die ihn in seinen Messen so berühmt machte, ist hier überwunden. Das Zeitalter des Barock herangebrochen, in welchem unser tonales System für viele Jahrhunderte ausformuliert wurde. Monteverdi darf in vielerlei Hinsicht als einer der Stammväter der europäischen Musik bezeichnet werden. Selbst die Gattung der Oper hat er bereits angedeutet.

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La Capella Reial de Catalunya.(Foto: Werner Kmetitsch)

Neben aller musikhistorischer Erkenntnis stand jedoch eines ganz im Vordergrund: Ein sinnliches Erleben von in Musik gegossenen Emotionen rund um das Thema Liebe. Da gab es herzerweichende Lamenti zu hören ob der Untreue eines Mannes. Dann wieder illustrierte das Orchester und ein Männerterzett in höchst humoriger Art und Weise Angstzustände vor der Liebe, vor der man sich wie bei einem Kriegsgegner wappnen und auf Pferden so schnell wie möglich davon galoppieren müsse. Aber auch der Kampf zwischen Tancredi und Clorinda, die dabei ihr Leben verlor, erklang in einer konzertanten Inszenierung, die atemberaubend war. Verantwortlich dafür war der „Erzähler“ Furio Zanasi, der am vorderen Bühnenrand stehend, seine Rezitative und kurzen Arien körpersprachlich höchst illustrativ begleitete und dabei einen unglaublich guten „Draht“ zum Publikum aufbaute.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Regie der Auf- und Abgänge des Gesangsensembles gelegt, das nicht, wie sonst oft – permanent auf der Bühne verharrte und regungslos auf seine Einsätze wartete. Dadurch konzentrierte sich das gesangliche Geschehen nur auf die jeweils Singenden, die allesamt an diesem Abend in Höchstleistung auftraten. Mit einem Kriegsmadrigal endend, durfte man eine abschließende Klangfülle erleben, die das Publikum so zu Begeisterungsstürmen hinriss, dass Maestro Savall dieses schließlich noch einmal als Zugabe erklingen ließ.

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