Krankenhaus kann lustig sein! Man lernt nie aus.

Krankenhaus kann lustig sein! Man lernt nie aus.

„Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe“ bietet 50 Minuten Unterhaltung nonstop. Und das, obwohl ein Unfall, das Krankenhaus und Milben darin eine große Rolle spielen. Gabriele Wappel und Sebastian Radon erzählen im Dschungel Wien Kindern ab 8 eine wahre Geschichte.

„Ich kenne Geschichten von Gabi, das glaubt ihr nicht! Eigentlich darf man die ja nicht erzählen, wenn sie nicht da ist. Das ist aber jetzt auch egal.“ Und mir nichts dir nichts erzählt Simi (Sebastian Radon), dass Gabi einen Horror vor Milben hat. Und er plaudert das aus, während Gabi aufs Klo musste. „Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe“ ist das neueste Stück der schallundrauch agency für Kinder ab 8. Im Dschungel ist es erst einmal bis Ende Juni zu sehen.

Gabriele Wappel erzählt dabei nicht irgendetwas, sondern eine Geschichte, die sie selbst, Gabi, erlebt hat. Als sie noch in die Schule ging und mit ihrer Klasse nach St. Johann in Tirol auf Skikurs fuhr. Und da es ihre eigene Geschichte ist, muss Simi eben alle anderen Rollen übernehmen. Frau Lehrerin Heiss, Frau Lehrerin Engel, einen Mathematiklehrer, einen Rotkreuzfahrer, Krankenschwestern, einen Arzt, Frau Gruber, eine Milbe, die Mutter und, und. Aber er macht vor allem eins: Eine coole Musik. Da gibt´s einen Arzt-Song, einen Mond-Song, da gibt es einen Song der singenden Milben und nicht zuletzt ein Nonsens-Lied mit Milben, Staub, Fröschen und Laub, das aber dann wieder gar nicht so dumm ist.

Zwischen der Geschichte von Gabi, die sich zum größten Teil im Krankenhaus abspielt und den vielen Liedern von Simi kommt noch eine ganze Menge an nützlichem Wissen ins Spiel. Warum sehen wir den Mond immer nur von einer Seite? Was sind Spiegelneuronen? Welche Aufgabe hat eine Milz? Wer sich jetzt fragt: Und das soll unterhaltsam sein? Dem sei gesagt: Und wie! Denn die beiden Freunde imitieren Planeten, Blutkörperchen, tanzen zum Gaudium aller die Originalchoreografie von „Schafensee“ und zeigen, dass Spiegelneuronen eben nichts Anderes können als alles nachmachen.

Ganz nebenbei wird erklärt, wie die Vorbereitungen zu einer Operation laufen und was man die letzten Minuten zuvor alles so erleben kann. Und dass ein intravenöses Frühstück gemeinerweise nicht aus Semmerln und Marmelade besteht. Gabriele Wappel, die gemeinsam mit Sebastian Radon das Stück entwickelte und auch die Regie übernahm, gelingt dabei ein ganz großes Kunststück. Sie verpackt das Thema Krankenhaus so federleicht, dass sich niemand, aber auch wirklich niemand davor fürchten muss. Und das, ohne Schönfärberei. Denn Spritzen pieksen nun mal, au! Und eine längere Zeit liegen müssen kann ganz schön langweilig sein.

Dass sich dabei auch die Erwachsenen köstlich amüsieren können, zeigte die Reaktion des größtenteils den Kinderschuhen entwachsenen Publikums am Premierenabend. Bravo rufen und gehörig auf den Rängen trampeln können eben nicht nur Kinder, wie man erleben durfte.

P.s. Wer es im Juni nicht mehr schafft, hat im Herbst noch Gelegenheit, sich köstlich zu amüsieren und gleichzeitig viel zu lernen. Was das alles mit Glück zu tun hat? Das muss man schon selbst herausfinden.

Jenny und die Faszination des Zirkus

Jenny und die Faszination des Zirkus

Anlässlich des Kultursommerauftaktes in der Seestadt Aspern zeigte die Puppenspielerin Rebekah Wild ihr allerneuestes Stück für Kinder ab 4 Jahren mit dem Titel „Die Seiltänzerin“. Poetisch, einfühlsam, lustig und mit viel Freiraum zum Selberdenken.

Raus aus der U-Bahn, ein kleiner Rundblick. Keine Ahnung wo ich jetzt hingehen soll. Dann ein klärender Anruf. Tatsächlich sind es nur geschätzte 200 Meter bis zur „Fabrik in der Seestadt“, so nennt sich der kleine Bau auf dem ehemaligen Rollfeld, in dem das Kinderstück gezeigt wird. Es ist mein erster Besuch des neuen Stadtteils, dementsprechend orientierungslos bin ich noch. Bei der „Fabrik“ angekommen sehe ich eine Kindergartengruppe, die geduldig im Schatten auf Einlass wartet.

Die „Fabrik in der Seestadt“ ist eine richtige Black box, wunderbar für Aufführungen wie diese geeignet. Am Boden vor der Bühne gibt es weiche Pölster auf denen es sich die Kleinen gemütlich machen. Dann tritt Rebekah Wild gemeinsam mit Nene Lazaric auf. Sie erzählen woher sie kommen und wie lange es braucht, wenn sie nach Hause reisen. Schon ist der Bogen nach Neuseeland gespannt. Dem Heimatland von Rebekah Wild, die seit einigen Jahren in Wien lebt. Sie ist international als Puppenspielerin unterwegs, deren Künste nicht nur im Kindertheater gefragt sind.

Und dann geht es richtig los. Nene Lazaric verwandelt sich in einen Zirkusdirektor mit Zylinder und Bart, versteht sich. Und Wild stellt sich an die Seite von Jenny, jenem kleinen Mädchen, das der erste Zirkusbesuch so verzauberte, dass sie sich von da an nichts mehr sehnlichster wünschte als auch im Zirkus Kunststücke zu machen. Jenny folgt dabei fortwährend ihrem Herzen und lernt auf große Gerüste zu klettern und mit Stelzen zu gehen. Sehr zum Missfallen des Zirkusdirektors, der ihr zu verstehen gibt, dass das viel zu gefährlich für sie sei. Schon sind die Kinder auf seiner Seite und rufen während Jennys waghalsiger Turnübungen immer wieder: „Komm da runter, das ist viel zu gefährlich!“ Einen besseren Beweis gibt es nicht um zu zeigen, wie gut das Stück bei den Kindern ankommt. Hannah Marshall sorgte mit ihrer Musik dafür, dass sich in Windeseile das Zirkusflair im Theaterraum verbreitete.

Immer wieder muss Jenny sich den Vorstellungen des besorgten Zirkusdirektors beugen, aber ihr Entdeckergeist und ihr Bewegungsdrang sind so groß, dass sie von ihrem Traum nicht ablässt. Ein rosaroter Luftballon und eine rosarote Schleife sind kleine Attribute, die Jennys Kindlichkeit illustrieren und bezaubernd in Szene gesetzt werden. Eine Verfolgungsjagd, bei der Jenny dem ständig maßregelnden Herrn auf Stelzen davonläuft, löst wahre Lachanfälle bei den Kindern aus.

Die Zeit vergeht und aus dem kleinen Rotschopf wird eine elegante junge Frau in rotem Samtkleid. Nun ist sie groß genug, um tatsächlich im Zirkus aufzutreten. Nicht als Akrobatin, aber immerhin als Zauberin. Die Kinder staunen über wandernde Tüchlein und sich vermehrende Silberringe und sehen, dass der Traum vom kleinen Mädchen Wirklichkeit geworden ist. Ein großes, blaues Band, das Lazaric zum Schwingen bringt, läutet das Ende der Geschichte ein. Noch aber hat Jenny ja gar nicht auf einem Seil getanzt! „Ich glaube, da fehlt noch was in der Geschichte“, erklärt Wild ihrem staunenden Publikum und assistiert Jenny bei ihrem allerletzten Kunststück auf dem Seil.

Die Kinder waren in der knappen Stunde keinen Moment unaufmerksam. Vielmehr fieberten sie mit den Abenteuern des kleinen Mädchens aus Neuseeland mit. Die Erwachsenen spüren vielleicht, dass sich hinter dieser Geschichte noch ein Geheimnis verbirgt. Dass dabei etwas nicht ausgesprochen wird, was aber dennoch vorhanden ist. Rebekah Wild wollte das Stück schon vor 25 Jahren, als sie noch in Neuseeland lebte, zur Aufführung bringen. Während der Arbeit daran erfuhr sie, dass es die kleine Jenny tatsächlich gegeben hatte. 150 Jahre zuvor war sie die erste Zauberin, die mit einem Zirkus das Land bereiste. Nur 19-jährig starb das Mädchen in ihrem Zirkuswagen, als ein Fluss über die Ufer trat und sie darin ertrank. In jenem Fluss, der in der Erzählung von Wild auch eine Rolle spielte. „Ich glaube, Jenny wollte, dass ihre Geschichte noch einmal erzählt wird“, erklärte die sympathische Künstlerin in einem Gespräch nach der Vorstellung. Dass sie selbst 25 Jahre brauchte, um diese dann tatsächlich auf die Bühne zu bringen, kann man gut nachvollziehen. „It was a little bit spooky“, mit dieser Untertreibung bringt sie jenen Schock zum Ausdruck, der ihr für eine lange Zeit die Kraft raubte, das Stück zu Ende zu arbeiten und aufzuführen.

„Die Seiltänzerin“ ist lebendig gewordene Poesie über den Zirkus und über den Traum eines kleinen Mädchens. Es ist ein Mutmach-Stück in dem die Kleinen lernen können, was passiert, wenn man ein Ziel beharrlich verfolgt. Und es ist eine Hommage an jene Jenny, die vielleicht noch viel mehr Menschen ein selbstbestimmtes Leben vorzeigen hätte können, wäre ihr das Schicksal gut gesinnt gewesen.

Das Wild Theatre wird das Stück ab Herbst in Wien zeigen. Infos hier: https://www.wildtheatre.net/wild-theatre-productions/seiltanzerin.html

Musikalische Viechereien zum Brüllen

Musikalische Viechereien zum Brüllen

„Eine Kuh macht Mühe“, eine Performance mit Musik und Tanz für Kinder ab 4 unterhielt im Dschungel Wien die Kleinsten. Mit viel Gemuhe, Geträller, Gebrülle und einem 1, 2, 3, 4, 5, 6 Siebenschläfer.

Sie hat einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine. Damit kann sie tanzen und akrobatische Kunststücke machen. Aber damit kann sie sich auch in eine Kuh verwandeln. Emmy Steiner tut dies wahrlich kühisch im Stück „Eine Kuh macht Mühe“, dessen Titel eine launige Abwandlung der humorigen Feststellung ist, dass eine Kuh Muh und viele Kühe Mühe machen. Aber es bleibt nicht nur bei der Illustration eines herkömmlichen Kuhlebens. Mit großen Augen und ständig kauend, stapft sie anfänglich langsam auf allen Vieren über die Bühne und tut das, was eine brave Leitkuh tun soll, nämlich sich um ihre Herde kümmern. Aber bald schon findet sie auch einen neuen Freund. Und der ist weder eine Kuh noch ein Stier, sondern ein Bär.

Einsam und allein im Wald, der durch einen kleinen Stoffbaum imitiert wird, ist er höchst überrascht, als er von ihr besucht wird. Nach anfänglichem Beschnuppern und Belecken bemerken die beiden, dass sie sich gegenseitig nicht nur gut riechen, sondern auch helfen können. Die Posaune von Florian Weiß mischt kräftig mit, um den jungen Musiker in seinem Bärsein akustisch zu illustrieren. Ein kleines Medley, in dem sich die Dramatik vom Bonanza-Thema über die Kleine Nachtmusik, den Donauwalzer und Hänschen klein schließlich zur Strauss´schen Zarathustra hin steigert, begleitet auch jene Szene, in welcher sich der Bär mit einer kleinen Kuh in den Wald davontrollt. Die anschließende Höhlenimitation stammt von Florian Weisch, der sich kurzerhand in den Sack seines Kontrabasses einwickelte, um damit als Felsen aber auch als Raupe die Kinder zu unterhalten. Aber eigentlich, eigentlich ist Florian ein Siebenschläfer und tut, was Siebenschläfer eben so machen. Schlafen. Außer er erwacht – dann wird er gleich so aktiv, dass die kleinen Besucherinnen und Besucher vor Freude johlen. Denn, wie zu erfahren ist, ist er nicht nur ein 1, 2, 3, 4, 5, 6 Siebenschläfer, sondern auch noch Fitnesstrainer und als solcher springt er nicht nur über die Bühne, sondern verschwindet kurzerhand auf die Straße, um dort weiterjoggen zu können. Seine Fertigkeit am Kontrabass trägt viel dazu bei, dass die Musik auch rhythmisch zündet. Denn er streicht nicht nur die Saiten, sondern verwendet sein Instrument kurzerhand als Percussions-Apparat.

Franziska Adensamer, die vierte im Bunde, mischt die Truppe als schillernder, federnverlierender Goldfasan gehörig auf. Sie tiriliert, gurrt, zirpt, trällert, schnalzt und piepst, dass es weine wahre Freude ist. Und sie kommt schließlich auf die Idee, dass die Tiere doch einmal ihre Rollen tauschen könnten. So bekommt die Kuh den Schwanz des Siebenschläfers, der Bär Kuhhörner und der Siebenschläfer ihr Federkleid. Irritiert ob der neuen Mode tun die so dekorierten Viecher aber nichts Anderes, als sich schnellstens wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu verwandeln. Wer bitteschön will sich denn mit fremden Federn schmücken? Und dann als Bär vielleicht auch noch muhen?

„Ich bin die Kuh und wer bist du?“ ist genauso ein Ohrwurm wie „Das ist der Bär, der hat es schwer“ und dazu angetan, von den Kindern rasch nachgesungen zu werden. Gäbe es die Möglichkeit, sich die Musik downzuloaden. So werden die Kinderzimmer in den nächsten Wochen zwar von Kühen, Bären, Siebenschläfern und Goldfasanen bevölkert werden, Musik müssen diese dann aber ganz alleine dazu machen.

Das Stück, das in diesem Jahr den Jungwild Förderpreis erhielt, bezaubert durch seine wunderbaren musikalischen Einlagen und die hohe Tierimitationsfähigkeit der beiden Schauspielerinnen. Emmy Steiner hat sich dafür das Verhalten von Kühen einen Sommer lang im Salzburgischen genau angeschaut und kann jetzt behaupten, eine der profiliertesten Kuhdarstellerinnen zu sein. Die Inszenierung ist aber auch deswegen besonders zu empfehlen, da sie den Kindern einen gedanklichen Freiraum anbietet, den sie mit ihren eigenen Ideen befüllen können, um daraus ein Stück zu kreieren, das ihren Vorstellungen vom Tiersein und Zusammenleben unterschiedlichster Identitäten entspricht.

Hänsel und Gretel wohnen im Park

Hänsel und Gretel wohnen im Park

Das Künstlerkollektiv „OPER rund um“ ist in dieser Saison mit zwei Produktionen beim Festival „Wir sind Wien“ vertreten. Mit der Pop-up-Oper „La Bohème“ und mit Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Der Untertitel „Kinder-Opern-Wanderung“ macht deutlich, dass die freie Natur eine große Rolle spielt.

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Der Schwarzenbergpark in Neuwaldegg, der Lainzer Tiergarten, der Park Am Steinhof, Am Cobenzl und am Mühlgrundweg – in all diesen grünen Wiener Oasen treibt die Hexe ihr Unwesen. Nein, es handelt sich nicht um eine esoterische Wahrnehmung, sondern um eine Inszenierung des Künstlerkollektivs „OPER rund um“. Das hat sich zur Aufgabe gesetzt, Opernproduktionen an ungewöhnlichen Orten aufzuführen.

Anlässlich des Festivals „Wir sind Wien“ wurde die Truppe eingeladen, den allerjüngsten Opernfreaks „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck zu zeigen. Nicht auf einer Bühne, wie dies seit dem 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum geschieht, nein, dort, wo Hänsel und Gretel ihre Abenteuer tatsächlich erleben: Mitten im Wald.

Bevor es aber losgeht, bekommt noch jedes Kind eine Talismannkette umgehängt. Als Abwehrzauber gegen die böse Hexe. Man weiß ja schließlich nie. Gleich bei der ersten Station spielt das „Orchester“ die Ouvertüre in einer Besetzung mit Violine (Leo Furda), Klarinette (Stephanie Zlabinger), Akkordeon (Djordje Davidovic) und Kontrabass (Kristóf Szimán). Daniel Muck leitet das Quartett und ist auch für das Arrangement zuständig. Um das Ensemble schlank zu halten, wurde die Rolle des Vaters gestrichen, das Sand- und das Taumännchen in eine Figur vereinigt und der Kinderchor weggelassen. Aber das tut weder der Musik noch dem Geschehen einen Abbruch.

Gretel (Ewelina Jurga), unglaublich einfühlsam in ihrer Spielweise und mit einem wunderbar klaren und doch kräftigen Sopran ausgestattet, erlebt mit ihrem Bruder all das, was Humperdincks Schwester, Adelheid Wette, ins Textbuch schrieb. Sie zankt sich mit ihm zu Hause, fürchtet sich im Wald fast zu Tode und rettet ihn durch List vor dem Backofen. Hänsel, dargestellt von Generose Sehr, ist in der Inszenierung von Anna Katharina Bernreitner ein aufmüpfiger Junge, der mit seiner knallroten Mütze den Kindern Mut macht. Auch wenn er lange gefesselt vor dem großen gedeckten Tisch der Hexe ausharren muss, bis er von seiner Schwester endlich befreit wird. Sehr schaffte auch noch das Bravourstück, zwischen den 10 angesetzten Aufführungen ihr Abschlussdiplom an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien zu absolvieren. Anna-Sophie Kostal besetzt nicht nur die Mutter, sondern auch den Sandmann und den Taumann. Ihr Ausharren als Sandmännchen am derzeit sehr kalten Waldboden, bis Hänsel und Gretel und die Kinderschar endlich auftauchen, kann schon als heroisch bezeichnet werden. Ihr mütterlicher Wutausbruch aber auch ihre sichtbare Erlösung von der Sorge, ihre Kinder im Wald verloren zu haben, werden so dargestellt, dass sich das junge Publikum damit gut identifizieren kann. Barbara Pichlbauer brilliert als hinterlistige Hexe. Nicht mit einem Buckel ausstaffiert, sondern in bodenlangem, beigen Abendkleid und einer Toupier-Frisur rückt sie manches Mal bedrohlich nah an die Zusehenden heran. Toll, vielleicht nur für die Erwachsenen, dass man ihr ausdrucksstarkes Mienenspiel so nah betrachten kann. Auch sie agiert unter extremen Bedingungen, vor allem, wenn sie im beißenden Rauch des Backofens singt, als gäbe es keinerlei Beeinträchtigung.

Christian Andre Tabakoff, für die Ausstattung verantwortlich, baute kein herkömmliches Knusperhäuschen. Die Leckereien der Hexe werden an einer langen, weiß gedeckten Tafel präsentiert und die Kinder bekommen sogar während der Aufführung kleine Kostproben davon. Das Orchester logiert an jedem der unterschiedlichen Plätze unter weißen Zelten. Darunter sind, wenn es regnet, wie dies bei einer Aufführung tatsächlich stattfand, nicht nur die Musizierenden, sondern auch ihre Instrumente vor dem Nass geschützt. Die Kinder müssen dann unter Regenpellerinen, was aber mehr ein Gaudium denn eine Störung darstellt. Ob bei 35 Grad Hitze, oder wie jetzt gerade bei sehr kühlen Temperaturen im Wald – das Ensemble hat besondere Herausforderungen zu meistern. Jede Spielstätte hat ihre anderen Tücken und ob nur 10 Kinder oder 100 anwesend sind, macht auch einen großen Unterschied aus. Alle, die hier mitmachen, haben bewiesen, dass improvisieren zu ihren Stärken gehört.

Bei künftigen Parkbesuchen werden die Kinder den einen oder anderen Platz sicher mit anderen Augen betrachten und nachschauen, ob sich nicht irgendwo ein Sandmännlein oder gar eine Hexe versteckt hat.

Mendelssohn im Muth

Mendelssohn im Muth

Mendelssohns Oratorium „Elias“ wurde unter der Leitung von Norbert Brandauer im Muth aufgeführt. Die Wiener Sängerknaben und der Chorus Juventus überzeugten nicht nur durch ihren spürbaren Enthusiasmus, sondern auch durch eine unglaubliche Klangfülle.

Händels Messias, Haydns Schöpfung und Mendelssohns Elias bilden, wie es Carol Talbeck von der San Francisco Choral Society ausdrückte, das große Oratorien-Triumvirat.
Tatsächlich sind es drei Meilensteine in der Musikgeschichte, die heute immer wieder in den Konzertsälen und Kirchen rund um die Welt zu hören sind.

Kaum noch nachvollziehbar, dass Mendelssohn aufgrund seiner jüdischen Abstammung viele Jahrzehnte in Europa nicht gespielt wurde. Dennoch hat sich sein Elias, der sich in den englischsprachigen Ländern beständiger Beliebtheit erfreute, den Weg auf die Bühnen auf dem Kontinent wieder zurückerobert. Das vor allem auch, weil die Chorpassagen darin von den Sängerinnen und Sängern zu den beliebtesten Stücken überhaupt gezählt werden. Sie sind harmonisch, haben keine Tücken was die Rhythmik betrifft und, um es flapsig und zeitgeistig auszudrücken, ein Ohrwurm jagt den nächsten.

In der Konzerthalle der Wiener Sängerknaben, im Muth, gelangte nun dieses opulente Werk, dem aufgrund seiner Länge eine Pause eingeschoben wird, zur Aufführung. In der Reihe „Volksoper im Muth“ dirigierte Norbert Brandauer das Orchester der Volksoper Wien. Die Wiener Sängerknaben und der Chorus Juventus der Wiener Sängerknaben übernahmen den choralen Part. Der „Chorus Juventus“ ist der Chor aller aktiven Schülerinnen und Schüler des 2010 gegründeten Oberstufenrealgymnasiums der Wiener Sängerknaben mit Schwerpunkt Vokalmusik, in dem sowohl Burschen als auch Mädchen ausgebildet werden. Seit nun knapp zwei Jahren hat Norbert Brandauer die Leitung des Chores inne und es ist ihm am Dirigentenpult anzumerken, an welchen Ausführenden sein Herz hängt. Es sind eindeutig die Jugendlichen, die er mit Verve unterstützt, wo er nur kann. Das Orchester selbst ist so routiniert, dass es die „Absenz“ des Dirigenten, der sich die meiste Zeit mit dem Chor beschäftigt, spielend ausbalanciert. Und liefert Momente, in welchen auch die solistischen Könnerschaften einiger Musikerinnen und Musiker aufgezeigt werden. So in der letzten Arie von Elias, in der das Thema abwechselnd von der Oboe und der Stimme vorgetragen wird. Eine Zwiesprache, wie sie inniger nicht sein könnte, wurde hier hörbar. Oder aber jene Einleitung des gesamten Streichregisters zu Elias Arie „Es ist genug“. Die Sensibilität und Homogenität, die hier spürbar wurde, war eine Klasse für sich.

Mit Birgid Steinberger (Sopran1), Manuela Leonhartsberger (Alt), Jörg Schneider (Tenor) und Günter Haumer (Bariton) standen ebenfalls Volksopernmitglieder auf der Bühne, ergänzt durch Monika Hosp (Sopran 2). Letztere unterrichtet in der Schule auch Stimmbildung. Eine schöne Geste, durch welche die Jugendlichen miterleben, wie sich Beruf und Berufung miteinander im künstlerischen Bereich verknüpfen. Vor allem in den Quartetten zeigte sich die wunderbare Feinabstufung der Stimmen der Solistinnen und Solisten von denen sich niemand stimmlich in den Vordergrund drängte. Dadurch kam die geforderte Harmonie beispielhaft schön zum Ausdruck. Jörg Schneider hat die Gabe, ohne auch nur einen Augenblick Anlaufzeit seinen Tenor hell, klar und strahlend erklingen zu lassen. Eine Eigenschaft, die nicht selbstverständlich ist. Der groß gewachsene Günter Haumer gab nicht nur stimmlich, sondern auch optisch einen wunderbaren Elias ab. Sein langer Gehrock verlieh ihm zusätzliche Würde. Steinberger brillierte unter anderen in der Rolle der Witwe, die um ihren verstorbenen Sohn trauert. Leonhartsberger als Königin, die das Volk gegen Elias aufwiegelt. Beide brachten die emotionalen Beweggründe glaubhaft zum Ausdruck, was in einem Oratorium ohne jegliche Requisiten und Bewegungsabläufe besonders schwer ist.

Die Aufstellung des Knaben sowie der Engel und Seraphime auf dem Balkon lieferte zusätzliche akustische Impressionen. Der Chor selbst überraschte gleich zu Beginn durch eine Klangfülle, die man den Jugendlichen à priori nicht wirklich zutraut. Und auch der Umstand, dass alle Sängerinnen und Sänger in jedem Augenblick hundertprozentig bei der Sache waren, fiel besonders positiv auf. Mit einer schönen Geste von Brandauer verabschiedeten sich Chor, Solistinnen und Solisten sowie das Orchester vom Publikum. Der Junge, der das Solo des „Knaben“ gesungen hatte, wurde vom Dirigenten nach vor geholt und erhielt – sichtbar überglüclich – einen Extraapplaus.

Die spannende Suche nach Wim

Die spannende Suche nach Wim

„Wim ist weg“ heißt es derzeit im Augarten. Eine neue Produktion des Dschungel Wien unter der Regie von Sara Ostertag schickt die Kinder auf eine spannende Suche nach einem kleinen Buben, der sich die Welt ansehen möchte.

In Holland kennt ihn jedes Kind – Wim. Den Jungen, der sein rotes Fahrrad nimmt und von zuhause abhaut. Jetzt machen sich in Wien seine Eltern, eine Parkwächterin, ihr Lehrling und viele Schulkinder auf die Suche nach ihm. Im Augarten.

Dort nämlich spielt das Stück „Wim ist weg“ frei nach dem gleichnamigen Buch von Rogier Boon. Der Dschungel Wien hat die junge Regisseurin Sara Ostertag beauftragt, ein Outdoorstück zu inszenieren. Heraus kam eine spannende und witzige Suche nach dem kleinen Wim, der nicht nur sein Rad, sondern auch ein Buch über Spanien und ein Flasche Milch einpackte, bevor er das Haus verließ. In zwei Gruppen aufgeteilt, folgen die Kinder und die dazugehörigen Erwachsenen Mira Tscherne, der strengen Parkwächterin und Rino Indiono, der gerade dabei ist, diesen wichtigen Beruf zu erlernen. Auf den Spuren von Wim erkunden sie dabei den Augarten, treffen auf eine schrullige Dame, die sich darüber ärgert, dass die Vögel ihren Kuchen nicht schätzen. Sie begegnen einer liebestrunkenen Julia auf der Suche nach ihrem Romeo und einem wilden Waldgeist, der erst lernen muss, wie man Menschen erschreckt.

Immer wieder erfahren sie dabei, dass es wichtig ist, das zu machen, was man gerne macht. Auch wenn andere Leute das nicht für gut halten. Und sie erlernen in wenigen Minuten die offizielle Wim-Suchparole. „Observieren, analysieren, kanalisieren – wo ist Wim!?“ – auch wenn sich die Fremdworte zuerst ein wenig ungewohnt aussprechen lassen gehen sie doch in kurzer Zeit den Kindern in Fleisch und Blut über. Zum Glück hinterlässt Wim Spuren. Eine blaue Kappe, einen blauen Schuh, sodass sich alle sicher sein können, ihm tatsächlich auf der Fährte zu sein. Letztlich gibt es ein großes Hallo, als er auf seinem roten Fahrrad um die Ecke gebogen kommt.

Maartje Pasman und Steffi Jöris schlüpfen in viele unterschiedliche Rollen und haben dabei ganz schöne Strecken zu absolvieren. Dank eines strategisch ausgeklügelten Plans sind sie aber immer rechtzeitig an ihren jeweiligen Auftrittsorten, ohne dass die Kinder das „Dahinter“ der Produktion auch nur im Leisesten erahnen. Die Ausbildung zum Parkwächter, die zu Beginn angekündigt wurde, die fällt einem allgemeinen Gesinnungswandel zum Opfer. Denn Mira Tscherne und Rino Indiono entdecken, das Tanzen und sich Verlieben noch einmal eine andere Qualität haben als streng die Übertretungen der Parkbesucherinnen und –besucher zu ahnden.

„Wim ist weg“ ist ein Riesenspaß für alle, die einmal richtig Detektiv spielen wollen. Und das „ganz in echt“!

Weitere Termine hier: https://dschungelwien.at/programm/produktionen/920/