Mendelssohn im Muth

Mendelssohns Oratorium „Elias“ wurde unter der Leitung von Norbert Brandauer im Muth aufgeführt. Die Wiener Sängerknaben und der Chorus Juventus überzeugten nicht nur durch ihren spürbaren Enthusiasmus, sondern auch durch eine unglaubliche Klangfülle.

Händels Messias, Haydns Schöpfung und Mendelssohns Elias bilden, wie es Carol Talbeck von der San Francisco Choral Society ausdrückte, das große Oratorien-Triumvirat.
Tatsächlich sind es drei Meilensteine in der Musikgeschichte, die heute immer wieder in den Konzertsälen und Kirchen rund um die Welt zu hören sind.

Kaum noch nachvollziehbar, dass Mendelssohn aufgrund seiner jüdischen Abstammung viele Jahrzehnte in Europa nicht gespielt wurde. Dennoch hat sich sein Elias, der sich in den englischsprachigen Ländern beständiger Beliebtheit erfreute, den Weg auf die Bühnen auf dem Kontinent wieder zurückerobert. Das vor allem auch, weil die Chorpassagen darin von den Sängerinnen und Sängern zu den beliebtesten Stücken überhaupt gezählt werden. Sie sind harmonisch, haben keine Tücken was die Rhythmik betrifft und, um es flapsig und zeitgeistig auszudrücken, ein Ohrwurm jagt den nächsten.

In der Konzerthalle der Wiener Sängerknaben, im Muth, gelangte nun dieses opulente Werk, dem aufgrund seiner Länge eine Pause eingeschoben wird, zur Aufführung. In der Reihe „Volksoper im Muth“ dirigierte Norbert Brandauer das Orchester der Volksoper Wien. Die Wiener Sängerknaben und der Chorus Juventus der Wiener Sängerknaben übernahmen den choralen Part. Der „Chorus Juventus“ ist der Chor aller aktiven Schülerinnen und Schüler des 2010 gegründeten Oberstufenrealgymnasiums der Wiener Sängerknaben mit Schwerpunkt Vokalmusik, in dem sowohl Burschen als auch Mädchen ausgebildet werden. Seit nun knapp zwei Jahren hat Norbert Brandauer die Leitung des Chores inne und es ist ihm am Dirigentenpult anzumerken, an welchen Ausführenden sein Herz hängt. Es sind eindeutig die Jugendlichen, die er mit Verve unterstützt, wo er nur kann. Das Orchester selbst ist so routiniert, dass es die „Absenz“ des Dirigenten, der sich die meiste Zeit mit dem Chor beschäftigt, spielend ausbalanciert. Und liefert Momente, in welchen auch die solistischen Könnerschaften einiger Musikerinnen und Musiker aufgezeigt werden. So in der letzten Arie von Elias, in der das Thema abwechselnd von der Oboe und der Stimme vorgetragen wird. Eine Zwiesprache, wie sie inniger nicht sein könnte, wurde hier hörbar. Oder aber jene Einleitung des gesamten Streichregisters zu Elias Arie „Es ist genug“. Die Sensibilität und Homogenität, die hier spürbar wurde, war eine Klasse für sich.

Mit Birgid Steinberger (Sopran1), Manuela Leonhartsberger (Alt), Jörg Schneider (Tenor) und Günter Haumer (Bariton) standen ebenfalls Volksopernmitglieder auf der Bühne, ergänzt durch Monika Hosp (Sopran 2). Letztere unterrichtet in der Schule auch Stimmbildung. Eine schöne Geste, durch welche die Jugendlichen miterleben, wie sich Beruf und Berufung miteinander im künstlerischen Bereich verknüpfen. Vor allem in den Quartetten zeigte sich die wunderbare Feinabstufung der Stimmen der Solistinnen und Solisten von denen sich niemand stimmlich in den Vordergrund drängte. Dadurch kam die geforderte Harmonie beispielhaft schön zum Ausdruck. Jörg Schneider hat die Gabe, ohne auch nur einen Augenblick Anlaufzeit seinen Tenor hell, klar und strahlend erklingen zu lassen. Eine Eigenschaft, die nicht selbstverständlich ist. Der groß gewachsene Günter Haumer gab nicht nur stimmlich, sondern auch optisch einen wunderbaren Elias ab. Sein langer Gehrock verlieh ihm zusätzliche Würde. Steinberger brillierte unter anderen in der Rolle der Witwe, die um ihren verstorbenen Sohn trauert. Leonhartsberger als Königin, die das Volk gegen Elias aufwiegelt. Beide brachten die emotionalen Beweggründe glaubhaft zum Ausdruck, was in einem Oratorium ohne jegliche Requisiten und Bewegungsabläufe besonders schwer ist.

Die Aufstellung des Knaben sowie der Engel und Seraphime auf dem Balkon lieferte zusätzliche akustische Impressionen. Der Chor selbst überraschte gleich zu Beginn durch eine Klangfülle, die man den Jugendlichen à priori nicht wirklich zutraut. Und auch der Umstand, dass alle Sängerinnen und Sänger in jedem Augenblick hundertprozentig bei der Sache waren, fiel besonders positiv auf. Mit einer schönen Geste von Brandauer verabschiedeten sich Chor, Solistinnen und Solisten sowie das Orchester vom Publikum. Der Junge, der das Solo des „Knaben“ gesungen hatte, wurde vom Dirigenten nach vor geholt und erhielt – sichtbar überglüclich – einen Extraapplaus.

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