Macbeth – an der Opéra national du Rhin in StraßburgMacbeth – à l´Opéra national du Rhin à Strasbourg

Macbeth – an der Opéra national du Rhin in StraßburgMacbeth – à l´Opéra national du Rhin à Strasbourg

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Macbeth an der Opéra national du Rhin in Straßburg (c) Alain Kaiser

Eine hohe, die ganze Bühnenbreite ausfüllende, schräge Bretterwand, an die sich links und rechts zum Zuschauerraum hin verlotterte Bretterverschläge anschmiegen. Unrat, dem die Verrottung von Menschenkörpern anzusehen ist. Eine beeindruckende Lichtperformance von Bruno Poet, die Emotionen verstärkt oder abkühlt, je nachdem wie es das Libretto fordert. Mehr braucht es nicht, um eine stimmige Kulisse für Giuseppe Verdis Macbeth abzuliefern. Doch. Nicht zu vergessen: Drei drahtige Akrobatinnen, die an Seilen hängend die Bretterwand beleben. Wie Batwoman, nur mit dem Attribut von weißen, über das Gesäß reichenden Zöpfen, versinnbildlichen sie jene drei Hexen, die William Shakespeare in seiner Vorlage Macbeth seine Zukunft weissagen. Verdi, der diese drei Hexen durch einen dreißigstimmigen Chor ersetzte, nahm somit dem Publikum vordergründig die Chance, sich an den drei Geisterwesen zu delektieren.

Francisco Negrin, der an der Opera national du Rhin in Straßburg Regie führte, hatte jedoch die Königsidee, durch die drei Athletinnen die drei unheimlichen Gestalten wieder sichtbar werden zu lassen. Und das ist nicht die einzige kluge Regieentscheidung gewesen. Auch die Beschränkung auf ein einziges Bühnenbild, das alle im Buch vorgegebenen Orte optisch negiert, erweist sich als absoluter Glückgriff. Damit gelingt es Negrin, das Geschehen vom Äußeren ins Innere zu transportieren. Es gelingt ihm aufzuzeigen, dass es reine menschliche Niedertracht, gespeist aus Hilflosigkeit, Machtbesessenheit und Angst ist, welche Macbeth und seine Frau dazu veranlassen, jene zu morden, welche sie an der Ergreifung und Erhaltung der Macht hindern könnten.

Die ansonsten eher abstrakte Vorstellung von den niederträchtigen Motiven wird in Negrins Inszenierung sonnenklar. Der Wunsch nach einem Kind, nach dem Erhalt und der Weiterführung einer Dynastie ist jene Triebfeder, die im Hause Macbeth Schlechtes gebiert. Kinder, von kleinen Puppen, die sich der Hexenchor nacheinander reicht, über eine sich bewegende Säuglingsimitation, von der Lady Macbeth in einem Albtraum entbunden wird bis hin zu jener Schar, die lebendig die Nachkommen mimen, die von Macbeth so grausam auf der Bühne erstochen wurden – sie sind das Sinnbild für den übermächtigen Wunsch vor allem Lady Macbeths, sich ganz oben anzusiedeln. Dort, wo die Zukunft hell und klar und vor allem für die nächste Generation gesichert scheint.

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Macbeth an der Opéra national du Rhin in Straßburg (c) Alain Kaiser

Bei Verdi wird nur hinter der Bühne gemordet, in der Straßburger Inszenierung ist das Publikum bei jeder einzelnen Bluttat live dabei. Die Hoffnungslosigkeit, die den Kindern angesichts ihrer ermordeten Väter in ihre Gesichter geschrieben ist, verweist unglückselig in die Zukunft. Sie macht deutlich, dass die Folgen der Gewalt vor allem die späteren Generationen tragen werden – ein weltweit nach wie vor brennendes Problem. Ob nun die Fallstricke des Schicksals, die von den Hexen immer wieder um die Protagonisten gewunden werden, Schuld an dem Gemetzel sind oder Macbeth und seine Frau diese ganz alleine tragen müssen, bleibt unbeantwortet. Die Leidensposen, bis hin zum Bild einer auf den Kopf gestellten Kreuzigungsszene, in welcher die drei Akrobatinnen minutenlang mit ausgestreckten Armen kopfüber an der Wand hängen, lassen zumindest den Schluss zu, dass es keine metaphysische Erlösung gibt.

Mit dem Spanier Enrique Mazzola wurde ein Dirigent verpflichtet, der das Orchestre symphonique de Mulhouse derart subtil zu führen weiß, dass es eine wahre Freude ist. Die Stärke Mazzolas Dirigat liegt nicht nur in der Gesamtperformance, die sich sehr nahe am musikalischen Originaltext orientiert, sondern vor allem in der brillant und differenziert eingesetzten Dynamik. Forte bis zum x-fachen Fortissimo und Piano bis zum x-fachen Piano – pppp – hin zum beinahe nicht mehr Hörbaren – das ist vor allem eine Herausforderung für die Bläser, die aber wunderbar agierten. Verdis musikalischer Stilmix, der besonders in dieser Inszenierung augenfällig befremdlich wirkt, da er vor allem in den Chören oftmals eine fröhliche Musik erklingen lässt, die sich mit dem gesungenen Text überhaupt nicht kompatibel verhält, wird von allen Beteiligten jedoch wunderbar getragen. Elisabete Matos als Lady Macbeth überzeugt in der Rolle, der in dieser Aufführung ganz und gar nicht im Hintergrund agierenden „Einflüsterin“, bis hin zu jenem Bild, in dem sie selbst Hand anlegt und einen Sohn von Macduff ermordet. Mit kraftvoller Stimme hält sie dem Orchesterklang stand und ist sogar noch dann deutlich zu vernehmen, wenn der Chor vielstimmig ertönt. Macbeth selbst wird von Bruno Caproni gesungen. Sein warmer Bariton festigte sich im Laufe des Abends und glitt in einen Ausdruck, der ihn auch stimmlich nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer erkennen ließ. Eine wunderbare, allmähliche Wandlung. Besonders akklamiert wurde Sebastien Na in der Rolle des Macduff, und das völlig zu Recht. Klar und brillant ist seine Stimme, ohne aufgesetzten Druck füllt sie den Raum – einfach schön. Auch Wojtek Smilek als Banco und Enrico Casari als Malcolm überzeugten und rundeten die Besetzung stimmlich harmonisch ab. Mit dem Engagement von Negrin führt Marc Clémeur jene Erfolgsgeschichte weiter, die in dieser Saison schon mit Richard III. begann. Nämlich Regisseure bzw. Regisseurinnen zu engagieren, die fähig sind, die Stücke zeitgemäß zu interpretieren und eine Modernität auf die Opernbühne zu zaubern, die sich dennoch immer in einem Rahmen bewegt, der für das Publikum nachvollziehbar bleibt.

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Macbeth à l`opéra national du Rhin à Strasbourg (c) Alain Kaiser

Un immense mur en bois, en biais, aussi large que la scène, complété à ses extrémités, en direction du public, par deux grossières cloisons en planches perpendiculaires. Des détritus qui laissent subodorer la décomposition de corps humains et un éclairage impressionnant réalisé par Bruno Poet qui décuple les émotions ou alors les diminue, selon les exigences du livret : Il n’en faut pas plus pour constituer le décor idéal pour « Macbeth » de Verdi. Si ! A ne surtout pas oublier les trois femmes acrobates dynamiques qui animent, suspendues par des cordes, le mur en bois. Dans le style de Batwomen, mais avec des nattes blanches jusqu’aux reins, elles symbolisent les trois sorcières qui, dans l’œuvre de William Shakespeare, prédisent l’avenir à Macbeth. Verdi a remplacé ces trois sorcières par un chœur de trente personnes privant de la sorte le public de la possibilité de se délecter des trois êtres d’un autre monde. Francisco Negrin qui signe la mise en scène de la représentation à l’Opéra du Rhin a eu l’idée géniale de rendre les trois personnages effrayants à nouveau visibles. Et cela n’a pas été la seule idée ingénieuse du metteur en scène. Le fait de se contenter d’un décor unique, faisant visuellement abstraction des tous les lieux de l’action indiqués dans le livret, était un coup de génie. De cette façon, Negrin réussit à transposer l’action de l’extérieur vers l’intérieur. Il démontre que c’est uniquement l’infamie humaine, nourrie de détresse, de soif de pouvoir et de peur qui fait de Macbeth et de sa femme des assassins qui tuent tous ceux qui pourraient les empêcher d’accéder au pouvoir et de le garder.

L’idée de ces motifs infâmes qui relève d’habitude plutôt d’une image abstraite, est dans la mise en scène de Negrin claire comme de l’eau de roche. Le désir d’enfant, symbole du maintien et de la continuité d’une dynastie est le ressort qui fait naître le mal dans la maison Macbeth. Des enfants, de petites poupées qui passent de main en main dans le chœur des sorcières, un nourrisson animé, factice, dont Lady Macbeth accouche dans un cauchemar, jusqu’à la horde mimant la descendance poignardée sans aucune pitié par Macbeth sur la scène : Ils sont tous le symbole du désir dévorant, surtout celui de Lady Macbeth de prendre position tout en haut, dans les hauteurs, où l’avenir semble clair et lumineux et avant tout assuré pour les générations à venir.

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Macbeth à l opéra national du Rhin à Strasbourg (c) Alain Kaiser

Chez Verdi, on assassine en coulisses, dans la mise en scène strasbourgeoise, le public assiste à chacun des meurtres en direct. Le désespoir qui se dessine sur les visages des enfants face à leurs pères assassinés, annonce un avenir malheureux. C’est l’évidence même que les conséquences des actes violents seront essentiellement assumées par les générations suivantes – un problème d’une actualité mondiale ! La question, si ce sont les liens du destin, noués encore et toujours autour des protagonistes qui sont responsables du massacre, ou alors si la responsabilité en incombe exclusivement à Macbeth et sa femme, reste sans réponse. Les poses de souffrance qui vont jusqu’à une scène de crucifixion, pendant laquelle les acrobates restent suspendues pour un long moment, la tête en bas, les bras écartés, indiquent, qu’il n’y aura pas non plus de rédemption métaphysique.

L’orchestre symphonique de Mulhouse était dirigé avec tant de subtilité par le chef d’orchestre espagnol Enrique Mazzola, que c’était un véritable enchantement. La force de Mazzola n’est pas seulement d’avoir réussi une performance globale, très proche de l’écriture originale, mais elle réside aussi et surtout dans le fait qu’il a su utiliser brillamment une dynamique très différenciée : Forte, jusqu’au fortissimo fff, piano, jusqu’au pianissimo ppp et encore davantage, jusqu’à la limite du perceptible. C’est un défi majeur, surtout pour les instruments à vent qui ont merveilleusement bien réagi. Le mélange des styles musicaux de Verdi semble dans cette mise en scène particulièrement décalé. Surtout les chœurs d’où semble émaner une musique joyeuse sont en porte-à-faux total avec le message qu’ils véhiculent. Mais tout ceci est porté à merveille par l’ensemble des participants.

Elisabete Matos, Lady Macbeth, est très convaincante dans ce rôle de la persiffleuse qui est loin d’être un second rôle dans cette représentation. Dans la scène où elle tue de ses propres mains le fils de Macduff sa voix reste clairement audible même accompagnée par les nombreuses voix du chœur. Macbeth est interprété par Bruno Caproni. Son baryton chaleureux s’est renforcé au fil de la soirée et a fini par glisser dans une expression qui l’identifiait aussi bien comme acteur que comme victime. Une merveilleuse évolution progressive. Sebastien Na, dans le rôle de Macduff avait droit aux acclamations spéciales de la part du public. Et à juste titre ! Sa voix est brillante, claire, sans obéir à une quelconque pression, elle remplit l’espace – c’est tout simplement beau. Wojtek Milek en Banco et Enrico Casari dans le rôle de Malcolm étaient aussi convaincants et ont complété harmonieusement la distribution vocale

Avec l’engagement de Negrin, Marc Clémeur continue à écrire le feuilleton à succès, commencé cette saison avec Richard III. Il sait dénicher des metteures et metteurs en scène, capables d’interpréter les pièces dans un esprit contemporain et de faire opérer la magie de la modernité sur une scène d’opéra, tout en restant dans un certain cadre pour s’assurer la compréhension du public.

Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker

Charakterfrauen auf der Bühne der Opéra national du RhinDes femmes de caractère sur la scène de l’Opéra National du Rhin

Charakterfrauen auf der Bühne der Opéra national du RhinDes femmes de caractère sur la scène de l’Opéra National du Rhin

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Saisonvorschau Opéra national du Rhin 2010/2011 (c) ONR

Saisonvorschau 2010/2011 für die Rheinoper in Straßburg

Sierva Maria, Amelia, Helene, Brünnhilde, Norina, Emilia Marty, Konstanze und Ophelia – sie alle haben das Glück oder auch das Pech, Charakterfrauen zu sein. Dieser Umstand jedoch bringt sie in der neuen Saison auf die Bühne der Opéra national du Rhin, oder auch der Opéra d´Europe, wie sie seit Marc Clémeurs Leitung auch heißt. Denn der rote Faden, der durch die Produktionen läuft, schlängelt sich entlang dieser Opernfiguren, die großteils Opernliebhabern allseits bekannt sein dürften, andererseits aber erst zu entdecken sein werden.

Wie zum Beispiel Sierva Maria, jenes junge Mädchen, das in „Love and other demons“ einen Pater in Liebe entflammen lässt – ein Thema, das brennender nicht sein könnte und von Peter Eötvös, einem Ungarn, nach einem Roman von Gabriel Garcia Marquez vertont wurde. Mit dieser Produktion wird die Saison 2010/2011 in Straßburg eröffnet. Es ist schon seit Jahren Usus, die erste Inszenierung der Spielzeit mit einer zeitgenössischen Oper zu bestücken. Dies, da zeitgleich das „Festival Musica“, eines der hochkarätigsten Festivals für zeitgenössische Musik, in Straßburg stattfindet, welches mit der jeweiligen Opernproduktion auch einen seiner Höhepunkte erlebt. Auch der Leoš Janáček-Zyklus wird in diesem Jahr in Straßburg mit der „Affäre Makropoulos“ fortgesetzt, in der es um die Problematik des ewigen Lebens ohne Tod geht – das für die Hauptfigur Emilia Marty letztendlich nicht mehr zu ertragen ist. Robert Carsen wird in diesem Stück die Regie führen – nach seinem fulminanten Richard III in dieser Saison kann man schon gespannt sein. Hamlet von Ambroise Thomas, mit Stéphane Dégout in der Titelrolle, verbeugt sich vor dem französischen Publikum einerseits, knüpft andererseits aber auch an die Vertonung von Sheakespearedramen an, die in Straßburg immer wieder zu hören sind. Mit David Mc Vicar ist es gelungen, einen der wichtigsten Regisseure seiner Generation für die Arbeit an der Götterdämmerung nach Straßburg zu holen. Ein Großereignis, auf das sich das OPS, das Philharmonische Orchester Straßburg unter der Leitung von Marko Letonja vorbereitet. Letonja ist dem Straßburger Orchester kein Unbekannter mehr, hat er doch schon mehrfach mit großem Erfolg mit dem Klangkörper zusammengearbeitet. Mit Verdis Simon Boccanegra unter der Regie von Keith Warner, Gaetano Donizettis Don Pasquale, inszeniert von Nicola Glück und Mozarts Entführung aus dem Serail unter der Regie von Waut Koeken stehen samt und sonders Neuproduktionen auf dem Spielplan der Rheinoper in Straßburg. Der Erfolg der „Schönen Helene“ von Jacques Offenbach, neu inszeniert in der Saison 2006/2007, der Mariame Clément geschuldet ist, geht in die Verlängerung. Für die Kinder, die diese Saison die Vorstellungen von Aladins Wunderlampe förmlich stürmten, und damit einen in Frankreichs Opernhäusern noch nie dagewesenen Erfolg bescherten, kommen Ali Baba und die vierzig Räuber von Luigi Cherubini ins Elsass. Marc Clémeurs Bestrebungen für Opernnachwuchs zu sorgen, halten also an!

Die Rheinoper in Straßburg, die auch einen eigenen Tanztrupp unterhält, dessen Programm von Bertrand d´At geleitet wird, bringt für Tanzbegeisterte einen Abend unter dem Motto „Empty Spaces“ mit zwei Inszenierungen: Observation Action, choreografiert von Emanuel Gat sowie Empty House unter Johan Inger, der schon in der noch laufenden Saison mit einer Arbeit in diesem Hause vertreten war. Schwanensee, der von Bertrand d´At selbst choreographiert wird, ein russischer Abend mit „Le sacre du printemps“ von Stravinsky, „Chout“ von Prokofiev und dem „Kuss der Fee“ von Stravinsky, sowie die Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum nach der Bühnenmusik von Felix Mendessohn und der Choreographie von Mathieu Guilhaumon runden das Tanzangebot der neuen Saison ab.

Wie immer widmet die Opéra national du Rhin, opéra d´europe, auch in der neuen Spielzeit drei Sängerinnen und drei Sängern je einen Liederabend – und zeigt damit, dass sich diese Tradition in Straßburg ungebrochener Beliebtheit erfreut. Vesselina Kasarova, Christian Gerhaher, Olga Pasichnyk, Pavol Breslik, Anna Caterina Antonacci und Matthias Goerne werden das Publikum mit ihren Stimmen beeindrucken. Alle diese Auftritte finden in der neuen Saison ausschließlich abends statt; ein Umstand, der noch mehr Publikum erwarten lässt.

Der bisherige 10%ige Besucheranstieg aus Deutschland zeigt, dass Marc Clémeur die Öffnung seines Hauses über den Rhein hin bestens gelungen ist. Zweisprachige Ansagen, sowie die zweisprachige Übertitelung, die während jeder Vorstellung läuft, sind maßgeblich dafür verantwortlich, die sprachlichen Barrieren abzubauen und das deutschsprachige Publikum verstärkt nach Straßburg zu ziehen. Ein toller Erfolg, dessen Verlängerung vorprogrammiert scheint.

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Saisonvorschau Opéra national du Rhin 2010/2011 (c) ONR

La programmation de la saison 2010/2011 à l’Opéra du Rhin à Strasbourg

Sierva Maria, Hélène, Brunehilde, Norina, Emilia Marty, Constance et Ophélie : elles ont toutes la chance – ou la malchance – d’être des femmes de caractère. Et c’est précisément pour cette raison que tout au long de la saison 2010/2011 que l’on pourra les admirer sur la scène de l’Opéra du Rhin, appelé aussi l’Opéra d’Europe depuis qu’il est sous la direction de Marc Clémeur.
Opéra national du Rhin.
Le fil conducteur de la programmation « s’enroulera » autour de ces personnages d’opéra qui, pour la plupart, ne sont pas inconnus pour les amateurs du genre, mais dont quelques uns resteront néanmoins à découvrir.

Comme par exemple, Sierva Maria, la jeune fille de « Love and other demons » dont un prêtre tombe éperdument amoureux. Ce roman d’une actualité brûlante, écrit par Gabriel Garcia Marquez, a été mis en musique par le hongrois Peter Eötvös. C’est avec cette pièce que débutera la saison 2010/2011 à Strasbourg, car depuis de nombreuses années déjà, la nouvelle saison est introduite par une œuvre contemporaine. Et ceci pour une raison évidente : A la même époque se déroule le festival « Musica » à Strasbourg, un festival de musique contemporaine d’une qualité exceptionnelle. Les productions à l’opéra en constituent l’un des points culminants.

Cette année, le cycle « Leoš Janáček » continuera avec « l’Affaire Markopoulos ». Une pièce qui traite de la problématique de la vie éternelle qui finit par être insupportable pour son héroïne Emilia Marty. Robert Carson, très attendu après son fulminant Richard III pendant la saison en cours, signera la mise en scène.

« Hamlet » d’Ambroise Thomas avec Stéphane Dégout dans le rôle titre,
s’inclinera devant le public français et s’ajoutera à d’autres drames de Shakespeare mis en musique, présentés à Strasbourg.

David Mc Vicar, l’un des plus grands metteurs en scène de sa génération a accepté de venir à Strasbourg pour travailler sur « Le Crépuscule des Dieux ». Un évènement majeur auquel se prépare l’OPS sous la direction de Marko Letonja. Ayant déjà collaboré avec succès à plusieurs reprises avec ce chef d’orchestre, Marko Letonja n’est pas inconnu pour l’Orchestre Philharmonique de Strasbourg.

« Simon Boccanegra » de Verdi, mis en scène par Keith Wartner, « Don Pasquale » de Donizetti, mis en scène par Nicola Glück et « L’Enlèvement au Sérail » de Mozart, mis en scène par Waut Koeken sont toutes des productions nouvelles à l’Opéra du Rhin à Strasbourg.
« La belle Hélène » de Jacques Offenbach, créée en 2006/2007 qui doit son succès à Mariame Clément, sera prolongée.

Cette année, les enfants ont réservé un accueil enthousiaste, jamais vu dans les opéras français à «Aladin et la Lampe merveilleuse ». La saison prochaine, ils pourront voir et entendre « Ali Baba et les 40 voleurs » de Luigi Chérubini. Les efforts de Marc Clémeur d’assurer la relève du public d’opéra continuent!

L’Opéra du Rhin à Strasbourg qui dispose de son propre corps de ballet dirigé par Bertrad d’At propose pour les amateurs de danse:
La soirée « Empty Spaces » avec deux mises en scène : « Observation Action » une œuvre du Chorégraphe Emanuel Gat et « Empty House » de Johan Inger, qui lui a déjà travaillé à l’opéra pendant la saison en cours.
Bertrad d’At signera lui-même la chorégraphie du « lac du signe ».
Une soirée russe avec « Le sacre du printemps » de Stravinsky, « Chout » de Prokofiev et « Le baiser de la fée » de Stravinsky, ainsi que la mise en scène du « Songe d’une nuit d’été » de Shakespeare d’après la musique de Felix Mendelssohn (Fehler), chorégraphiée par Matthieu (Fehler – 2 t) Guilhaumon complèteront le programme de la nouvelle saison.

Comme tous les ans, l’Opéra National du Rhin – l’Opéra d’Europe – dédiera aussi pendant cette nouvelle saison trois soirées à trois cantatrices et chanteurs. Une tradition qui fait depuis toujours l’unanimité auprès du public strasbourgeois. Vesseline Kasarova, Christan Gerhaher, Olga Pasichnyk, Pavol Breslik, Anna Caterina Anatonacci et Matthias Goerne vont enchanter le public avec leurs superbes voix. Pendant la saison 2010/2011 toutes ces représentations auront lieu exclusivement le soir. Cela fera certainement venir un public encore plus nombreux !

L’augmentation du public allemand de 10 % montre, que l’ouverture de l’opéra au-delà des frontières du pays, souhaitée ardemment par son directeur Marc Clémeur, est une réussite. Les annonces bilingues et les représentations sous-titrées contribuent considérablement à abolir la barrière linguistique entre les deux pays. Tout ceci incite les spectateurs germanophones à venir de plus en plus nombreux en France. Un merveilleux succès, dont la prolongation semble déjà être au programme.

Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker

Patricia Pagny  im Trancezustand – Patricia Pagny en état second

Patricia Pagny im Trancezustand – Patricia Pagny en état second

Was an diesem Samstag im Palais de la musique et de la danse in Straßburg zu hören und zu sehen war, geht über die normale Interpretation eines Klavierkonzertes hinaus. Vom OPS eingeladen, gab die aus Lothringen stammende und Italien aufgewachsene Pianistin Patricia Pagny ein Konzert mit Werken von Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy und Schumann und zeigte dabei, quasi als kostenlose Beigabe, wie man durch Musik in Trance fallen kann.

Normalerweise werden Konzertkritiken danach ausgerichtet, wie die jeweilige Pianistin oder auch der jeweilige Pianist die gespielten Werke interpretiert. Bei Patricia Pagny aber muss man zuallererst ihre Künstlerpersönlichkeit beschreiben, die nachhaltigen Eindruck hinterlässt.

Patricia Pagny (c) OPS

Patricia Pagny (c) OPS

Sie trat in Straßburg im abgedunkelten Saal, nur mit einem Lichtspot auf, der auf ihren Sitzplatz gerichtet war, was für sie selbst den Vorteil hatte, dass sie das Publikum nur schwer optisch wahrnehmen konnte. Nach wenigen Konzentrationssekunden begann sie ihr Spiel und war plötzlich – in einer anderen Welt. Was gerade noch einige Augenblicke zuvor von ihr wahrgenommen worden war, der Saal, die Menschen, das eine oder andere Husten, schien nicht mehr zu existieren. Die Augen halb geschlossen, dann aber wieder weit geöffnet, blickte sie zwar ab und zu in Richtung der Zuschauerreihen, genau betrachtet aber durch diese hindurch, in ihre eigene musikalische Vorstellungswelt, als wäre sie in diesen Momenten ganz allein.

Sie interpretierte Beethovens Sonate Nr. 15, op. 28 glasklar, bis ins kleinste Detail hinein erforscht, mit wohl durchdachten Tempo- und Rhythmusdosierungen, wobei gerade der sparsame Einsatz von allzu lauten oder rasanten Spielweisen dem Werk besonders entgegen kam. Musik wurde nicht nur hör- sondern auch sichtbar, als sie Frage- und Antwortpassagen mit ihrer Mimik unterstützte, vor Freude hüpfende Triolen mit ihrem Kopfnicken zustimmend begleitete, oder eine Antwort aus dem Bass mit gesenktem Kopf und leicht vorgeschobener Lippe mit tiefer, innerer Stimme mitzusprechen schien. Musik wandelt sich bei Patricia Pagny zu einer Sprache, die nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar wird. So könnte man am besten beschreiben, was die Pianistin dem Publikum mit ihrer Darbietung übermittelt. Gleichzeitig, und dies rechtfertigt diesen speziellen, individuellen Einsatz, gibt sie dem Auditorium, wenngleich auch unbewusst, die Chance, ihre Interpretation besser zu verstehen. Wenn sich ihr Gesicht während der Steigerung der Dramatik langsam verfinstert, wenn sich ihre Züge langsam lockern und aufheitern, wie bei der Beschreibung der heiteren Natur von Beethovens „Naturpastorale“, oder wenn sie, wie am Ende des Jägerliedes von Felix Mendelssohn-Bartholdy, dieses ganz leise in die Ferne ausklingen lässt und selbst dem letzten Ton entzückt nach hört, versteht man kompositorische Zusammenhänge, ohne auch nur eine Note gelesen zu haben. Pagny bietet ein Schauspiel, das in dieser Form bei einer Pianistin einzigartig ist. Arthur Rubinstein kann als ihr absoluter Gegenpol bezeichnet werden, denkt man daran, dass ihm nur in ganz, ganz wenigen Augenblicken ein Leuchten oder ein Schatten über das Gesicht fuhr, wenn er Passagen spielte, die starke Emotionen ausdrückten.

Typisch für ihren Interpretationsstil ist auch die Negierung von Gedanken- oder Atempausen, was nur dann funktioniert, wenn die Intonierung in der Lautstärke differiert und weiter angelegte Spannungsbögen beachtet werden. Bei Lied Nr. 5 von Mendelssohn-Bartholdy, welches mit presto agitato überschrieben ist, war dies besonders schön zu hören. Ihr dunkler, rascher Einstieg ließ gleich erahnen, dass sie die Wiedergabe dieses Stückes auf Virtuosität aufbaute und tatsächlich gelang ihr mit ihrer atemlosen Spielweise, die sich von Anfang bis zum Schluss durchzog, ein neues Hörerlebnis. Sie zeigte, welche Kraft in dem Werk liegt und strafte all jene Lügen, welche die „Lieder ohne Worte“ des Komponisten als seichte und leichte Kost titulieren.

In Robert Schumanns Fantasie, op. 17 schließlich war klar, dass sich Patricia Pagny an jedes Werk wagen kann, sei es strukturell auch noch so schwierig. Sie machte jede kleine Färbung hörbar, agierte im dritten Satz mit der linken Hand so zurückhaltend, dass ihr ein Schweben der Melodie gelang und setzte ihr eigenes, imaginäres Seziermesser so geschickt an den Notentext, dass es möglich wurde, in die tiefer liegenden Kompositionsschemata einzudringen und sie beim Spiel von Pagny zu erfassen. Um zu sehen, was eine Pianistin spürt und hört, wenn sie spielt, sollte man sich einen Auftritt von Patricia Pagny nicht entgehen lassen. Und um zu hören, wie Pagny den Werken ihren eigenen Stempel aufdrückt – auch nicht.

Hörenswert!

Ce que l’on pouvait voir et entendre au « Palais de la Musique et de la Danse » à Strasbourg, dépasse de loin la prestation d’une pianiste concertiste.

Invitée par OPS, la pianiste Patricia Pagny d’origine lorraine, qui a grandi en Italie, a interprété des œuvres de Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy et Schumann de telle façon que le public a appris en même temps, comme un supplément qui lui était offert gratuitement, que la musique peut vous mettre en transe.

Habituellement, une critique de concert cherche à analyser la façon dont le ou la pianiste interprète une œuvre. En ce qui concerne Patricia Pagny, il convient d’abord de décrire sa personnalité qui laisse un souvenir impérissable.

Patricia Pagny (c) OPS

Patricia Pagny (c) OPS

Son entrée sur scène se faisait pratiquement dans le noir. Juste un faisceau de lumière marquait son siège, ce qui avait l’avantage que le public avait du mal à l’apercevoir, elle. Après quelques brefs instants de concentration elle commença à jouer et soudainement elle était passée dans un monde parallèle.

Tout ce qui pouvait être perceptible par elle encore peu de temps auparavant, la salle, l’auditoire, d’éventuels toussotements, tout cela semblait cesser d’exister d’un coup d’un seul. Comme par magie. Son regard, les yeux parfois mi-clos, parfois grand ouverts allait de temps à autre en direction des rangées de sièges garnies de spectateurs, mais, pour être tout à fait exact, ce regard allait bien plus loin, les traversait et regardait dans un monde propre à son imagination. Comme si plus rien n’existait autour d’elle.

Dans son interprétation claire comme de l’eau de roche de la sonate n° 15, opus 28, même le moindre petit détail avait été scrupuleusement passé au crible. Le dosage du tempo et du rythme bien réfléchi, la retenue et parcimonie dans son jeu servaient tout particulièrement cette œuvre. On pouvait non seulement entendre mais voir la musique : Il suffisait de regarder Patricia Pagny souligner les passages « questions – réponses » avec les expressions de son visage. Il fallait voir, comment elle accompagnait les triolets sautillants de joie par des hochements de tête ou alors « entendre » cette réponse des basses qu’elle semblait accompagner de sa voix intérieure, la tête baissé, la lèvre en avant.

La musique de Patricia Pagny devient un langage, non seulement audible, mais visible. C’est bien ça qui décrirait le mieux ce que la pianiste transmet à son public pendant ses prestations. En même temps, et ceci justifie cet engagement personnel et très particulier, elle donne inconsciemment des clés à l’auditoire pour mieux comprendre son interprétation. Ce visage qui s’assombrit quand l’aspect dramatique de l’œuvre monte, ces traits qui petit à petit se détendent pour devenir joyeux comme par exemple dans « la pastorale de la nature » de Beethoven, ou alors son propre enchantement quand elle écoute le dernier son du « chant du chasseur » de Mendelssohn-Bartholdy s’éloigner pour finalement disparaître, illustrent les méchanismes des composition sans même que l’on a besoin de lire une seule note de la partition.

Pagny propose un spectacle qui peut être considéré comme unique dans le monde des pianistes. Son contraire serait Arthur Rubinstein chez qui on pouvait de temps à autre distinguer très furtivement une ombre sur le visage quand il jouait des passages qui déclenchaient en lui des émotions fortes.

Une autre caractéristique de son style d’interprétation est la négation de pauses de pensées ou de respiration ce qui ne peut fonctionner que si l’intonation ou la puissance du niveau sonore diffèrent et que l’on respecte des arcs de tension conçus très amples et larges. Une très belle illustration de ces propos est le « Lied » n° 5 de Mendelssohn-Bartholdy qui porte l’indication « presto agitato ». Son début sombre et très rapide laissait pressentir immédiatement une interprétation de cette pièce fondée sur la virtuosité. Et effectivement, sa façon de jouer dans un seul souffle du début à la fin était une aventure d’écoute tout à fait nouvelle. Elle faisait ressortir la force de cette œuvre et démentait tous ceux qui jusqu’ici prétendait que les « Romances sans paroles » du compositeur étaient à ranger du coté des œuvres superficielles et faciles.

La fantaisie de Robert Schumann, opus 17, était la démonstration que Patricia Pagny est définitivement capable de s’approprier n’importe quelle œuvre, quelque soit sa difficulté structurelle. Toute coloration, si infime soit-elle ressortait, sa main gauche agissait avec une telle retenue dans le troisième mouvement que la mélodie flottait en quelque sorte au dessus des touches. D’un autre coté, son propre imaginaire disséquait le contenu de la partition d’une manière qui permettait d’entrer dans le schéma profond de la composition et de le comprendre.

Il ne faut en aucun cas manquer le spectacle de Patricia Pagny : Il faut voir ce que ressent et entend une pianiste pendant qu’elle joue et entendre son empreinte personnelle qui marque chacune des œuvres qu’elle interprète.

A voir et à entendre !

Traduit de l`allemand par Andrea Isker

Pumping and pulsing Jazz from NY – Vijay Iyer-Trio

Pumping and pulsing Jazz from NY – Vijay Iyer-Trio

Vijay Iyer Trio  Foto:Lyne Harty/Act

Vijay Iyer Trio Foto:Lyne Harty/Act

Pôle-Sud, das Veranstaltungs-zentrum am „Südpol“ von Straßburg, lud zu Recht Vijay Iyer und seine Band, bestehend aus dem Pianisten Iyer, dem Drummer Marcus Gilmore und dem Bassisten Stephan Crump vom heißen Jazz-NY ins kalte Straßburg, das aber zumindest an diesem Abend einen aufgeheizten Zuschauerraum bot. Und dies nicht wegen der Heizung an sich, sondern weil Vijay Iyer mit Eigenkompositionen aber auch mit Arrangements von längst bekannten Songs anderer Musiker – ordentlich Gas gab.

Trotz eines stark analytischen Jazz, der den Musikern ein striktes Korsett anbietet, aus dem sie nur ab und zu herausbrechen, um ihren musikalischen Einfällen freien Lauf zu lassen, gelang eine überzeugende Darbietung. So trocken das hier auch klingt, so „full of motion and sound“ war das Ergebnis.

Das Programm bot die Neuvorstellung von Vijay Iyer`s neuem Album „historicity“, das erst am 13. Oktober beim Plattenlabel ACT erschienen ist. Es besteht aus einigen, schon historisch zu nennenden Stücken, die Iyer in seine eigene, musikalische Sprache für das Trio umgeschrieben hat – darunter Songs wie „Big Brother“ (Stevie Wonder), „Somewhere“ (Bernstein), „Mystic Brew“ (Ronnie Foster), „Dogon A.D.“ (Julius Hemphill), „Our Lives“ (Iyer) und „Smoke Stack“ (Andrew Hill). Wer nun glaubt, alte Hüte neu verbrämt zu hören, irrt. Die alten Hüte präsentieren sich in einer pulsierenden, atmenden, aber auch bis knapp vorm Zerreißen spannenden Kombination, die sich nicht nur aus Vijay`s Transkriptionen ergibt, sondern die ausgefüllt werden von den Persönlichkeiten, die ihre Instrumente beherrschen, als wären sie ein Organ von ihnen selbst.

Marcus Gilmore bei seiner Arbeit zuzuschauen kann verglichen werden mit einem Feuerwerk, dessen abgeschossene Raketen man zwar hören kann, aber dessen Farbenpracht am Himmel man nicht sieht, weil man in einer zu kleinen Wohnung ohne Balkon wohnt, deren Fenster in die andere Richtung des Nachthimmels blicken. Sein mimischer Ausdruck verrät nur: „ich sitze hier auf dem Podium“ und bleibt nahezu unbeweglich, über den ganzen Aufführungszeitraum hinweg. Aber sein Spiel ist von einer Virtuosität und Musikalität, die außergewöhnlich ist. Nie seinen base auch nur eine Sekunde verlierend, agiert er zeitweise wie eine dritte Pianohand, so präzise und differenziert begleitet der Vijayi Iyer; seine Soloparts scheinen von zwei Drummern gespielt zu sein und dennoch bleibt er dabei wie ein Fels in der Brandung, stoisch. Gilmore „the marble“ so könnte man ihn charakterisieren, um damit auch seine herausragende Qualität zu umreißen. Wobei mit „marble“ Marmor gemeint ist, und nicht die zweite Bedeutung des Wortes. Sein differenziertes Spiel zeigt sich alleine schon in seinen schnell wechselnden, rhythmischen Einfällen, die sich beinahe schon im Mikrobereich abspielen, was, auf die Länge der Interpretationen gesehen, einem schier unerschöpflichen Reservoir von Ideen gleichkommt.

Stephan Crump spielt, zupft, streicht, schlägt seine Saiten, als ob diese nichts anderes als verlängerte Crump-Stimmbänder wären. Schrummen, brummen, brüllen, aber auch säuseln und singen kann das Instrument wie Crump selbst, der gerne als Unterstützung seinen Bass stimmlich begleitet. Auf lange Strecken bearbeitet er kein Begleitinstrument, sondern agiert als dritte Stimme, die, auch aufgrund der guten elektronischen Mischung, immer bestens hörbar blieb, was in vielen anderen Formationen oft nur bei solistischen Einlagen der Fall ist. Er agiert in dieser Formation als Blutkreislauf, der Herz (drums) und Hirn (piano) versorgt.

Bleibt noch, die Arbeit von Vijay Iyer selbst zu beschreiben. Sein Gehör ist darauf ausgerichtet, das Trio beinahe im kammermusikalischen Sinn agieren zu lassen. Ab und zu wird sein Klavierpart gesondert herausgestrichen, oft agiert er nur als rhythmusgebende Gestalt, und dass Lyrik auch in seinem musikalischen Vokabular vorkommt, berührte besonders im letzten Part, dessen arabeskenhafte, feine Melodielinie zu Herzen ging und von seinen Begleitern ebenso zart und einfühlsam unterstützt wurde. Das Trio mit – wenn auch lang zurückliegenden Wurzeln aus drei Kontinenten – zeigt, dass es durchaus möglich ist, differenzierten, intelligenten Jazz zu spielen. Dieser ergibt sich gerade aus der perfekten Ergänzung von starken Musikerpersönlichkeiten, welche jede für sich alleine einen Abend füllen könnte.

Weitere Gigs im deutschsprachigen Raum am 19. Oktober in Heidelberg, am 21. Oktober in München und am 24. Oktober in Linz. Komplette Terminliste finden Sie unter: „upcoming shows“ auf der hp: https://vijay-iyer.com/

Hörenswert!

Dass an diesem Abend, quasi im „Vorprogramm“ auch Eric Watson und Christoph Lauer auftraten, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Sie spielten Kompositionen des an der Straßburger Musikhochschule unterrichtenden Jazzpianisten Watson, dessen kompositorisches Können auf alle Fälle über jenem der Interpretation lag, die zu hören war.

Chill-out im Lebens-Film

Chill-out im Lebens-Film

Reise auf dem Boot - Ososphere - Foto: Michaela Preiner

Reise auf dem Boot - Ososphere - Foto: Michaela Preiner

Die alte Stadtlandschaft zieht in gemäßigtem Tempo an uns vorbei, die Sonne scheint hell an diesem schönen Herbstmittag. In den Ohren grollt Donner und Regenprasseln zischt nebenbei durch die Lautsprecher. Wir sitzen in einem Ausflugsboot, das normalerweise eine Runde von einer Stunde rund um die Ile – also die Insel – der Stadt Straßburg dreht und in dem man über Kopfhörer die Sehenswürdigkeiten und historischen Begebenheiten der Stadt erfahren kann.

Doch dieses Mal ist es ganz anders. Anstatt der Bankreihen, die sich normalerweise in den Booten befinden, ist dieses leer, nur mit vielen orangefarbigen Rettungskissen bestückt. Die ungefähr 30 Passagiere haben sich darauf nach Lust und Laune niedergelassen, manche liegen, manche lümmeln, manche sitzen aufrecht und lauschen der Soundinstallation, die uns über 2 Stunden lang begleitet. Im hinteren Teil des Bootes, aber doch mitten unter uns, haben der Komponist und seine Helfer ihre Computer und andere Gerätschaften aufgebaut, aus denen sie Klangwelten entstehen lassen, die genau für diese Fahrt konzipiert wurden.

Als wir das Museumsviertel hinter uns gelassen haben, ebbt der nur hörbare Regen ab und andere Klänge begleiten uns für eine kurze Weile, um danach wiederum von anderen abgelöst zu werden. Im Viertelstundentakt geschieht dies im Durchschnitt und erzeugt eine Musikuntermalung, die für die vorbeiziehenden Häuser, Menschen, Autos, Busse, aber auch noch blühenden Uferböschungen, alten, leer stehenden Bootshäusern abgestimmt ist. Wir nähern uns den europäischen Institutionen und die elektronische Musik bekommt beinahe einen folkloristischen Charakter. Wenig später,– wir gleiten gerade am Landeplatz für die großen Passagierschiffe vorbei, die vom Rhein einen Abstecher nach Straßburg machen, ziehen rechts von uns fliegende Schwäne vorbei. Ihre Hälse sind lange vorgereckt, die Flügel schlagen seltsamerweise im selben pace wie die Musik, die uns einhüllt und die alles, was wir sehen, als filmische Kulisse erscheinen lässt. Die Einfahrt in Richtung des Bassins beim Rive-Etoile ist atemberaubend, die Musik unterstützt diese Kulisse durch wenige, prägnante Gitarrenriffs, die sich immer und immer wieder wiederholen. Die alten, unbenutzten Lagerhäuser kontrastieren mit dem neu gebauten Kinocenter, das sich wie ein grünes Alien langsam hinter den Bachsteinfassaden hervorschiebt. Die Aufschrift des neu gebauten Mediathek André-Malraux akzentuiert im Vorbeifahren auf besondere Art den kubischen Bau, von dem einige architektonische Elemente alufärbig blitzen und schimmern. Auf der Brücke, unter der wir durchfahren, gehen drei Mädchen mit Rucksäcken – im Takt unserer E-Gitarreneispielung und kurz danach, als diese langsam verstummt – tönt das Folgetonhorn eines Polizeifahrzeuges bis in unser Boot; ein unabgesprochenes, zusätzliches Kompositionselement, das so nur an diesem Tag wahrgenommen werden kann. In der bald darauf folgenden Schleuse wandelt sich der Sound in Echolottöne unterschiedlicher Höhe und hebt uns langsam mit auf die richtige Ebene des Kanals, um darauf weiter cruisen zu können. Die Sonne blitzt durch unser Glasdach, zwei junge Mädchen mit langen, schwarzen Haaren haben es sich links und rechts vom Kapitän bequem gemacht und stecken ihre Nasen in die milde Herbstsonne. Sie genießen die ruhige, heitere Stimmung und fungieren unfreiwillig oder vielleicht doch auch freiwillig, als kurzfristige Hauptdarstellerinnen in dieser Aufführung, in der sich Fiktion und Wirklichkeit vermischt. Chillig, so würde meine Tochter sagen und ich würde ihr recht geben. Der Komponist Francois-Eudes Chanfrault hat alles Register gezogen, um die zwei Stunden so mit Musik zu füllen, dass diese alles, was um ihr herum geschieht in ihren Bann zieht und umgekehrt. Filmmusik at it`s best, möchte man sagen, für eine Inszenierung, in der wir selbst mitspielen, ohne es vorher gewusst zu haben. Wir nähern uns wieder dem Museumsviertel und es beginnt wieder akustisch zu regnen und zu donnern. Die Sonne scheint schön an diesem Herbstmittag. Merci bien – L´Ososphère.

Erlebt anlässlich von Ososphère – einem Festival für elektronische Kunst in Straßburg, am 3. Okbober 2009.

Link Komponist: https://francois.eudes.free.fr/

Ososphere-Online: https://www.ososphere.org/2009/

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