Das ewige Lied von Hass und Ausgrenzung

Das ewige Lied von Hass und Ausgrenzung

Es ist schon ein beeindruckender Klangteppich, der sich dieser Tage im Haus an der Wienzeile ausbreitet: Unter Cornelius Meister feierte am 12. Dezember Benjamin Brittens „Peter Grimes“ Premiere im Theater an der Wien.

Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien übersetzt Brittens Musik, die einem in unglaublicher Lebhaftigkeit das raue, unwirtliche und stürmische Seemannsleben vor Augen führt, in ein fantastisches Klangerlebnis. Die bei ihrer Uraufführung kurz nach Kriegsende 1945 in London stürmisch umjubelte Oper, rund um einen von der Gesellschaft verstoßenen Fischer im kleinbürgerlichen England, beeindruckt auch heute noch. Vor allem, wei sich die Mechanismen, Menschen aus einer Gemeinschaft auszustoßen, in den letzten hundert Jahren nicht gewandelt haben.

Die Musik, die Britten verwendete, ist in höchstem Maß illustrierend. Wenn zum Beispiel der grobschlächtige Fuhrmann Hobson in seiner Arie erklärt, dass er dem Fischer Grimes keine Hilfsdienste erweist, dann hört man das Fuhrwerk in der Musik förmlich rumpeln. Sturm und Wellen, die immer wieder besungen werden, setzt Britten nicht in symphonischer Breite um. Es genügen ihm einfache Harfenläufe und Holzbläser, um das Naturschauspiel auch vor dem inneren Auge des Publikums ablaufen zu lassen. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen, dass das musikalische Geschehen trotz seiner zu Beginn des 20. Jahrhunderts ungewohnten Hörerlebnisse, die dennoch immer im Dur-Moll-Gefüge bleiben, darauf bedacht ist, nicht nur Emotionen, sondern auch Bilder und sogar Geräusche umzusetzen.

Die Inszenierung von Christof Loy (zuletzt 2015 mit „La Straniera“ im Theater an der Wien) lässt im wahrsten Sinne des Wortes Raum – Raum für Peter Grimes in jedem von uns. Ein simpler schwarzer Kubus mit einer zum Orchestergraben abfallenden schrägen Bühne dient als Schauplatz von Benjamin Brittens vertonter Gesellschaftsstudie (Libretto: Montagu Slater) nach George Crabbes 1810 erschienener Verserzählung „The Borough“. Die Bühne stellt eine Küstenlinie dar. Die hinteren 2 Drittel sind in Sand- bzw. Naturfarben gehalten, wohingegen das vordere Drittel den blauen Ozean versinnbildlicht. Farbtechnisch findet sich diese Zweiteilung auch im Kostümbild von Judith Weihrauch wider. Peter Grimes – in Beige gekleidet, landverbunden in Sinne der Suche nach Anerkennung und Akzeptanz, und Balstrode als ehemaliger Kapitän in Blau gekleidet. Und da wäre dann noch das Bett – das ausstattungstechnisch markanteste Objekt und zugleich die einzige Konstante des Bühnenbildes. Platziert am vordersten Rand der Bühne liebäugelt es – wie im Übrigen durch die extreme Schräge bedingt der ganze Bühnenraum – fast schadenfroh mit dem Abgrund des Orchestergrabens – ja es ragt sogar zu einem beträchtlichen Teil darüber hinaus in die Leere. Der intimste Ort eines Menschen als Mittelpunkt der Inszenierung wird so zum Spiegel des Protagonisten – zwischen 2 Welten gefangen, mit dem unumstößlich tragischen Schicksal aus dem Leben zu fallen. Obwohl nur des Öfteren Stühle vom Chor (eindrucksvoll präzise: Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung von Erwin Ortner) neu arrangiert werden, füllt sich der ansonsten leere Raum in keiner Sekunde als solcher an. Zu gut scheint das Ensemble zu verstehen, dass in einem solch schwierigen Rahmen die Kunst des Schauspiels in keiner Weise hinter die des Gesangs gereiht werden darf. Fantastisch interagieren u.a. Joseph Kaiser als Peter Grimes, Agneta Eichenholz als Ellen Orfort, Andreas Conrad als Bob Boles und Gieorgij Puchalski als John.

Peter Grimes im Theater an der Wien (c) Monika Rittershaus

Peter Grimes im Theater an der Wien (c) Monika Rittershaus

Cornelius Meister, Chefdirigent des RSO, scheint ein sehr inniges Verhältnis zu seinem Orchester zu haben. Er dirigiert die expressive Musik mit großem Enthusiasmus, freut sich über gelungene Soli sichtbar und lotst das orchestrale Schiff sicher in den Hafen. Joseph Kaiser brilliert vor allem in jenen Arien, in denen er innig und im Piano das Seelenleben und die Nöte von Grimes ausbreitet. Agneta Eichenholz agiert als desillusionierte Liebhaberin und geistige Schwester Grimes. Der Rolle der Ellen Orfort ist von Beginn an das Scheitern der Bemühungen um Peter Grimes auf den Leib geschneidert. Ihre burschikose Erscheinung in einem Anzug deutet nicht nur auf das wahre Verlangen ihres Vertrauten hin, sondern nimmt somit vor allem auch das aussichtslose Vorhaben eines Neustarts gleich zu Beginn vorweg. Musikalisch herrlich ist jene Szene, in welcher die Gemeinde in der Kirche versammelt ist, während Ellen in einer Arie Blessuren des jungen John betrachtet, die ihm Grimes zugefügt hat. Die Kirchenglocken und der Choral vermischen sich mit den Harfenklängen, welche den Gesang der Lehrerin unterstützen, zu einer höchst gelungenen Melange. Immer wieder ist es der berückende Sopran der schwedischen Sängerin, mit dem sie an diesem Abend gegen die Verrohung der Masse auftritt. Mit ihrer lyrischen, weder zu kräftigen noch zu feinen Stimme ist sie eine absolute Idealbesetzung.

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Peter Grimes im Theater an der Wien (c) Monika Rittershaus

Britten setzt an einer Stelle spätromantische Klänge ein, erinnert dabei sogar an Richard Wagner. Das Quartett, in dem die Frauen über ihr Schicksal sinnieren und zugleich klar machen, dass die Männer ohne ihre Hilfe, Hingabe und Liebe nicht bestehen können, wirkt sowohl musikalisch als auch dramaturgisch wie ein kleiner Fremdkörper in der ansonsten über viele Strecken beinahe holzschnittartigen, musikalischen Struktur.

Die von Thomas Wilhelm choreographierten Szenen verleihen der „wir werden ihn zerstören“-Stimmung des Stücks noch mehr Sprengkraft. Die pointierte Personenregie lässt den Mob in den großen Chorszenen wie eine wilde Horde Kannibalen erscheinen, denen der Antiheld Grimes wie auf einem Tableau präsentiert wird. Stark wirken die Bilder, in denen die Dorfbewohner Starenschwarm-förmig zusammenströmen, nur um Grimes dann doch als eine Art Wanderfalken stets auf Distanz zu halten. Um keine Überdosis zu erleiden, wird so das Gift „soziale Ausgrenzung“ das ganze Stück hindurch in wohl dosierten Einheiten verabreicht. In die Kategorie „schon oft gesehen“ fällt hingegen die Szene, in der diese gewissenhaft verabreichten Dosen ihre tödliche Wirkung entfalten. Grimes geht, auf Anraten des ehemaligen Kapitäns Balstrode (Andrew Foster-Williams) Selbstmord zu begehen, auf einen Erlösung symbolisierenden Lichtkegel zu und entschwindet auf die Hinterbühne.

Peter Grimes ist ein Gefangener der Gesellschaft – ein Gefangener seiner geächteten Begierden. Aus der Literatur geht hervor, dass Britten, selbst homosexuell, hier wohl autobiographische Elemente verarbeitet hat. Die aktuelle Inszenierung im Theater an der Wien bedient sich dieses homosexuellen Subkontextes ausgiebig und spielt an mancher Stelle in vielleicht etwas zu outrierter Art und Weise mit damit einhergehenden Klischees. Unter anderem, wenn etwa der Lehrling John in einem klatschnassen, engen weißen T-Shirt und Blue-Jeans das erste Mal auf Peter Grimes trifft und dabei ad hoc als sexuelles Objekt präsentiert wird. Oder wenn Teile des Herrenchores in Macho-Pose etwas unbeholfen und klischeebehaftet homoerotisches Aufreißverhalten an den Tag legen. Nichtsdestotrotz wirken die unter Verschluss gehaltenen homosexuellen Begierden sowohl von Peter Grimes als auch von Balstrode stets authentisch. Vor allem die Szenen mit Grimes’ letztem Lehrling John, ausdrucksstark dargestellt vom Tänzer Gieorgij Puchalski, sind an Intensität kaum zu überbieten.

Als interessanter Regieeinfall Christof Loys ist das Ende der Oper zu werten. Nachdem das Dorf über Peter Grimes gesiegt und ihn in den Selbstmord getrieben hat, wird mit Balstrode sogleich ein neues Opfer gefunden. Auf Grimes‘ Bett liegend, schart sich die Dorf-Gesellschaft nun traubenförmig um ihn und schwört sich mit Hilfe von Taschenlampen und deren greller Lichtkegel fast schon wie im Wahn auf ihr nächstes Opfer ein. Ein intelligenter Regieeinfall, der dem Werk zusätzlich Aktualität verleiht. Abermals sind es die Flöten und Harfen, die das Rollen der Wellen versinnbildlichen und zugleich die Unendlichkeit des Geschehens verdeutlichen.

Weitere Termine auf der Website des Theater an der Wien.

Mann oder Frau – geht es nicht einfacher?

Mann oder Frau – geht es nicht einfacher?

Theresia hat genug. Genug von ihrem Mann, aber vor allem genug von ihrer Rolle als Frau. Das Kabinetttheater zeigt Guillaume Apollinaires Stück „Die Brüste des Tiresias“ in einer Vertonung von Gerald Resch.

Ein Text, der über hundert Jahre als ist, trifft auf eine Musik von heute. Ein Text, der ganz heutig ist, trifft auf eine Musik von gestern. Beide Behauptungen darf man für diese Inszenierung stehenlassen. Die surreale Geschichte von Theresia, die sich in einen Teresias verwandelt, weil sie sich weder einem Mann unterordnen, noch Kinder bekommen möchte, ist von ihrem Kern her nach wie vor zeitgeistig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts keimten die ersten Pflänzchen der Emanzipation. In manchen Ländern wurde die Gleichberechtigung im Keim erstickt, in anderen, wie in Russland, zumindest nach der Revolution für ungefähr 20 Jahre auch tatsächlich gelebt. Die Banken in Frankreich, in dem das Stück entstand, haben erst in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts den Frauen das Recht auf eigene Bankkonten zugestanden. Nicht verwunderlich also, dass Apollinaire 60 Jahre vorher seine Handlung einfach nach Sansibar verlegte. Einen Ort, der 1917 noch nicht gegoogelt werden konnte und der schon allein aufgrund seines hübschen Klanges Fernweh hervorrief.

Im Kabinetttheater, bekannt für sein Puppenspiel vor und hinter der schwarzen Wand mit den vielen Guckfenstern, agieren dieses Mal jedoch auch Menschen in Fleisch und Blut – sichtbar vor der Bühne. Ulla Pilz gleich in vier Rollen: Sie spielt bzw. singt die Therese, den Tiresias, den Sohn und die Wahrsagerin. Bartolo Musil reicht aufgrund der wahnwitzigen Kinderschar von 40.050, die er alleine zeugt und gebiert, eine einzige Rolle. Neben seinen Erziehungsaufgaben hat er noch alle Hände voll zu tun, um sich selbst und Ulla Pilz am Klavier zu begleiten. Einfach zauberhaft, wie sich eine ganze Kinderwagen-Armada aus dem Klavier und auf der kleinen Bühne dahinter formiert. (Bühnenbild und Kostüme Julia Reichert und Christian Schlechter). Köstlich auch der Einfall, Theresia, respektive die Wahrsagerin als „Frau ohne Unterleib“ erscheinen zu lassen. Maria Frodl spielt am Cello und betätigt auch eine singende Säge. Eine wunderbare und sehr kluge Idee, wurde dieses Instrument doch gerade um die Zeit der Uraufführung des Stückes, 1917, in Europa richtig modern.

Apollinaire, der nur ein Jahr später an der Spanischen Grippe verstarb, gilt als surrealistischer Literaturgroßmeister. Die Werke dennoch so zu inszenieren, dass sie mehr als nur Gedankenfetzen bieten, ist eine Herausforderung. Thomas Reichert gelang dies eindeutig. Zugleich setzte er mit seiner Inszenierung den Abschluss des Schwerpunkts „Musiktheater zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ im Kabinetttheater.

Ulla Pilz als Wahrsagerin in "Die Brüste des Tiresias" (c) Armn Bardel

Ulla Pilz als Wahrsagerin in „Die Brüste des Tiresias“ (c) Armn Bardel

Neben dem Ehepaar tritt auch noch ein Schutzmann in Erscheinung, der sich unsterblich in Theresias Gatten verliebt. Sich duellierende Herren und ein Berittener beleben als Puppen die Szenerie. Auf einer Art Schachbrett sind von Beginn an kleine Figürchen angeordnet. Sie sind ganz im Stil des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer gekleidet, das 1916 eine erste Teil-Aufführung erlebte. Zum Schluss dürfen sie, losgelöst vom strengen, geometrischen Konzept, fröhlich in der Luft rund um den Hauptguckkasten baumeln. Zugleich auch ein gelungener Hinweis auf die Lockerung der Geschlechterrollen, die Therese respektive Teresias anstrebte.

Bis es jedoch so weit ist, muss  die emanzipierte Frau erst in die Machtposition eines Generals aufsteigen und ihr Mann derweilen die Aufzucht der Kinder übernehmen. Ulla Pilz gibt eine zornige Theresia, die sich eher ihre Brüste zerstört, als weiter in Ehefesseln gefangen zu bleiben. Zwei Luftballone reagieren mit lautem Knall auf den Zerstörungsakt und dürfen im Schlussbild, wiederum als Symbole der weiblichen Geschlechtszierde, erneut erscheinen. Bartolo Musil muss nach dem Auszug seiner Frau in deren Kleider schlüpfen, um dann am eigenen Leib zu erfahren, wie das denn so ist mit dem Haushaltführen und Kindererziehen.

Ein Text, der ganz heutig ist, trifft eine Musik von gestern. Gut, dies stimmt nicht hundertprozentig, aber zumindest teilweise. Gerald Resch schuf für das rasante Geschehen eine Art Schnelldurchlauf der Musikgeschichte von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Dafür verwendete er eine ganze Menge Originalzitate, aber auch originäre Nachempfindungen. Zum Einsatz kommen Duette und Solostücke ganz im Stil von Franz Schubert aber auch von Richard Strauss. Die Rezitative präsentieren sich hingegen im Klangkonstrukt der 2. Wiener Schule. Operettenhafte Walzerseligkeiten, Unterhaltungsmusik der 20er Jahre, aber auch jede Menge Verdizitate, ein paar Takte Bizet und sogar ein kleines Wagner-Einsprengsel illustrieren darüber hinaus musikalisch schillernd das Geschehen. Geht es in einer Liedzeile zu Beginn noch ziemlich atonal-spröde zur Sache, jubiliert das Klavier bei dem Wort „Himmel“ in allen Registern in einer breiten Durzerlegung. Ein musikalischer Einfall jagt den nächsten. Es hat den Anschein, als ob Resch den literarischen Ideen Apollinaires in nichts nachstehen wollte. Dennoch hat man nicht den Eindruck eines Stückwerks, dafür sorgen intelligente und saubere Übergänge. Ein großes Kompliment an Pilz und Musil, die diesem musikalischen Feuerwerk die Stimme bieten können. Egal in welchem Stil Gerald Resch ihre Auftritte anlegte, ob Schönklang oder nicht, sie beherrschen jedes von ihnen verlangte Fach. Auch für Maria Frodl hat Resch eine expressive Solodarbietung eingebaut, die sie mit großer Verve und hoher Musikalität interpretiert.

Bartolo Musil in die Brüste des Tiresias (c) Armin Bardel

Bartolo Musil in die Brüste des Tiresias (c) Armin Bardel

Das expressive Spiel vor und hinter der Wand hält sich mit der Musik uneingeschränkt die Waage. Eine  Leistung, die im Musiktheater nicht alltäglich ist. „Die Brüste des Tiresias“ endet mit einem zarten Vergleich, so würden es Juristen vielleicht formulieren. Ob dieser von Theresias Ehemann auch tatsächlich angenommen wird, soll hier nicht verraten werden.

Ein Theaterabend, in dem sich Vergangenes mit Gegenwärtigem auf höchst zauberhafte aber zugleich auch pralle Art und Weise verbindet.

Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite des Kabinetttheaters.

Vom Palatin direkt ins Fernsehstudio

Vom Palatin direkt ins Fernsehstudio

Im Theater an der Wien hatte Claudio Monteverdis letzte Oper „L´incoronazione di Poppea“ Premiere. Claus Guth, der die Regie verantwortet und Jean-Christophe Spinosi, der musikalische Leiter, verfrachteten die Geschichte um die Geliebte und spätere Frau Neros in unsere Zeit. Nicht nur, was die Regie betrifft, sondern auch moderne Umdeutungen und Einschübe musikalischer Natur wurden dabei verwendet. Ein Umstand, der das Publikum in zwei Lager teilte.

L´incoronazione di Poppea“ gilt als Schlüsselwerk für die Entwicklung der Oper schlechthin. Monteverdi legte damit nicht nur eine Reihe von unterschiedlichen Charakteren abseits der bis dahin üblichen mythologischen Stoffe fest, sondern schrieb die Oper erstmals nicht für einen Hof, sondern für das 1638 eröffnete Theater San Giovanni e Paolo in Venedig. Der Regisseur, der auch die beiden anderen erhaltenen Opern Monteverdis in Wien bereits inszenierte, setzt auf eine drastische Bildsprache und ein Ende, das er wohl als logische Konsequenz der Handlung eines höchst umstrittenen Charakters ansieht.

Poppea (Alex Penda), die junge Geliebte des allmächtigen Kaisers von Rom, schafft es im Libretto von Giovanni Francesco Busenello Seneca, Neros Lehrer, zu eliminieren. Der Philosoph (Franz-Josef Selig), der die Vernunft vor jede Emotion stellt und die stoische Lebensweise als glücksbringend verkündete, ist ihr auf dem Weg nach ganz oben schlicht und einfach im Weg. Nerone (Valer Sabadus) lässt sich von ihr überreden und Seneca eine Botschaft zukommen, die ihm den Selbstmord befiehlt. Dies ist nicht den historischen Tatsachen geschuldet, vielmehr verwendeten Busenello und Monteverdi ihre Fantasie, um die Dramaturgie in der Handlung zuzuspitzen. Die zweite Widersacherin, Neros Frau Ottavia (Jennifer Larmore), stiftet Ottone (Christophe Dumaux), den ursprünglichen Geliebten von Poppea, an, diese zu töten. Amore, der in Wettstreit mit Virtù, der Tapferkeit und Fortuna, der Glückgöttin getreten ist, verhindert den gedungenen Mord und ist auch dafür verantwortlich, dass das herrschaftliche Liebespaar schließlich heiraten und Poppea zur Kaiserin gekrönt werden kann. Mit dieser Szene endet Monteverdis Oper, nicht jedoch die Fassung von Guth.

In dieser verweigert Nerone seiner Angetrauten den alles besiegelnden Kuss und tötet nach der allerletzten Liebesarie, die zu den schönsten der Operngeschichte überhaupt gehört, zuerst sie und dann sich selbst mit einer Pistole. Schon in einer Szene zuvor wird deutlich, dass Nerone unter Gewissensbissen leidet und Poppea als Drahtzieherin seiner Schuld ansieht. Während Poppea sich siegessicher auf der schwarzen Bonzenlimousine mit dem Nummernschild „1001 Roma“ räkelt, erklimmt ihr Geliebter das Auto, nicht ohne sich zuvor mit einem Griff seiner Pistole im Hosenbund versichert zu haben. Dass es überhaupt soweit kommt, ist dem Umstand geschuldet, dass Guth die Beziehung der Beiden als zu großen Teilen geschlechtlich bedingte Attraktion darstellt. Schwarze Satinbettwäsche und ein schwarzes Negligé, später überlange Lederstiefel und ein Ledermantel sowie rote, lange Haare machen die machthungrige Poppea zu einer Femme fatale. Es ist keine Seelenverwandtschaft, die Nerone an diese Frau bindet, vielmehr ist es die sexuelle Anziehungskraft, der er nicht widerstehen kann.

In einem Nebenstrang der Geschichte finden auch Valetto, Ottavias Page (Emelie Renard) und Damigella (Gaia Petrone) zueinander. Ein junges Paar, das in dieser Inszenierung Liebe noch als etwas Neues wahrnimmt, dem man mit Leib und Seele verfallen kann. Wunderbar, Renards Interpretation des Jungverliebten und aufmüpfigen Jugendlichen, der sich nicht scheut, Seneca seine eigene Meinung über dessen Philosophie und sein Naheverhältnis zu Nero zu sagen. Das Superman-T-Shirt, das unter der schwarzen Latzhose zu sehen ist, macht klar, welche Vorbilder der noch nicht Erwachsene hat. Renards Stimme gibt Hoffnung für kommende, große Partien, wenn ihr nicht allzu schnell allzu viel zugemutet wird. Und auch Gaia Petrone ist ihrem Bestürmer ein wunderbarer stimmlicher Gegenpart.

Nutrice, Ottavias Amme und Poppeas Amme Arnalta, die beiden Buffone-Figuren des Stückes, werden grandios von Marcel Beekman und José Manuel Zapata gesungen und interpretiert. Der Spaß kommt dabei nicht nur durch die männliche Verstellung unter den Frauenkleidern zum Ausdruck. Die beiden Tenöre sind herausragende Sänger und zugleich auch wunderbare Komödianten. Christian Schmidt, in Wien längst längst kein Unbekannter mehr, unterstützt sie mit seinen Kostümen und einem extrem plakativen Bühnenbild.

Ein TV-Studio, in dem Talk- und Quizformate aufgenommen werden, ist sowohl von seiner bespielten Schauseite und dank der Drehbühne auch von seiner Rückseite im Einsatz. Schein und Sein, die in diesem Business so knapp nebeneinanderliegen und auch für so manche Charaktere des Stückes essenziell sind, werden so direkt veranschaulicht. Es verstärkt zusätzlich das reizvolle Spiel im Spiel, und macht das Publikum szenenweise zu Adabeis bei einer Fernsehaufzeichnung. Szenen, in denen sich ein nahender Tod ankündigt, werden mit großflächig plakatierten Wolkenfotografien markiert und Seneca setzt sich in eine Badewanne in einem großzügigen Raum, der an einen Wellnessbereich erinnert, um sich dort die Pulsadern aufzuschneiden.

Die Inszenierung wartet gleich mit drei Countertenören auf, die allesamt richtig besetzt sind. Christophe Dumaux, der von Poppea betrogene Geliebte, hat ein warmes und geschmeidiges Timbre, das seine Wehklagen perfekt zum Ausdruck bringt. Jake Arditti, der Mitglied des jungen Ensembles des Theater an der Wien ist, klingt wesentlich jünger und heller, was zum fast schon diabolischen Amore sehr gut passt. Valer Sabadus intoniert seinen Nerone mit Kraft und Brillanz, besonders in den schwierigen Kolorturarien. Herausragend Franz-Josef Selig, dessen weicher und sicherer Bass Seneca jene Würde verleiht, die ihn von allen anderen in dem Spiel unterscheidet. Vielbejubelt auch Jennifer Larmore als Ottavia. Alex Penda hat mit den letzten beiden Arien der Poppea Glück, denn sie ist gerade im hohen Register sattelfest und ausdrucksstark, hat aber wenig Stütze bei den tiefen Passagen. Beeindruckend auch Sabina Puértolas als überschwänglich liebende Drusilla, die jegliche Warnsignale in den Wind schießt und durch ihre Liebesverblendung beinahe ein tödliches Opfer zu zahlen hat.

Das Ensemble Matheus meistert die Gratwanderung zwischen vorbildlicher historischer Aufführungspraxis und neuen Klangelementen vorbildlich. Der Dirigent Jean-Christophe Spinosi musste vom Publikum für die Idee, die szenischen Übergänge mit elektronischen Klangverfremdungen auszustatten, (Christina Bauer) auch Buhrufe einstecken. Zu Unrecht, denn der musikalisch-dramaturgische Aufbau, zu Beginn noch kaum hörbar, gipfelte aber am Ende in einer extremen Zunahme der fremden Klänge. So wurde sowohl die innere Zerrüttung des Kaisers als auch der Ausbruch seiner todbringenden Gewalt auch musikalisch angekündigt. Frech und ohne Skrupel vor dem historischen Material fügte Spinosi an einer Stelle auch zeitgeistige Rhythmen ein, mit denen die Ausgelassenheit von Nerone und seinen Freunden unterstrichen wurde. Wie der Regisseur sieht auch der musikalische Leiter Oper als eine Gattung an, die sich beständig in Transition befindet und auf die jeweiligen zeitgenössischen Anforderungen angepasst werden sollte.

Diskussionswürdig ist Guths Ende. Monteverdi und Busenello entlassen den Herrscher und seine Frau trotz aller fragwürdiger ethischer Handlungen am Ende siegreich aus der Geschichte. Guth, der sich dem Regietheater verschrieben hat, wählt aber einen Schluss, der sich besser in unsere heutige ethische Debatte einfügen lässt. Zwar bleibt offen, ob Nerone seine Frau und sich aus Wahn oder Kalkül tötet. Allein der Umstand, dass er dies tut, zeichnet seine bis dahin ausgeführten Taten aber als verwerflich aus.

Eine opulente Aufführung, sowohl für das Auge als auch für das Ohr mit einer zum Teil großartigen Besetzung. Dass Oper nach wie vor für Diskussionsstoff sorgt, spricht nicht gegen, sondern für dieses künstlerische Medium.

Die Abgründe der menschlichen Seele

Die Abgründe der menschlichen Seele

Die Regisseurin Andrea Breth adelte die Wiener Festwochen mit ihrer Interpretation von Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“. Gemeinsam mit einem Epilog, in dem Robert Schumanns „Geistervariationen“ erklangen, gelang ihr eine bilderstarke, beeindruckende und emotional packende Inszenierung, die einen großen Bogen von ihrem Anfang zu ihrem Ende spannt. Auch wenn ein Teil des Publikums mit Unverständnis reagierte.

Herzog Blaubart ist ein kurzes, nur 1-stündiges Werk weswegen die Veranstalter dieses beinahe immer mit einer zweiten Aufführung koppeln. Die Bandbreite reicht hier von verschiedenen Werken Arnold Schönbergs bis hin zu Schuberts Winterreise. Gewiss wunderbar zu hören, aber es fehlt ihnen jeglicher Konnex mit Blaubarts Geschichte. Andrea Breth ließ sich gemeinsam mit Markus Hinterhäuser auf ein Experiment ein und setzte nach der Oper auf eine Collage aus Schauspiel und  Klavierkonzert.

Das Licht im Publikumsraum des Theater an der Wien erlischt. Langsam, sehr langsam hebt sich der Vorhang. Schemen nur sind zu erkennen. Herzog Blaubart sitzt im linken Teil der Bühne vor einer Reihe von sieben verschlossenen, hohen, schwarzen Holztüren. Sein Gesicht ist geisterhaft erhellt, aber er blickt nicht zu seiner Frau Judith, sondern er hat sich von ihr abgewandt. Es erklingt keine Musik, sondern nach einer Weile in der die Stille dominiert, beginnt er jenen Prolog selbst zu sprechen, der für gewöhnlich von einem Redner vor dem Vorhang der Aufführung vorangestellt wird.

In Ungarisch, der Originalsprache des Librettos und der Muttersprache des Hauptdarstellers. Wer dieser Sprache nicht mächtig ist, spürt jedoch instinktiv, dass das, was er spricht, von Grauen durchtränkt ist. Seine kurz zuvor angetraute Frau Judith, liegt am Boden. Markiert damit völlig unprätentiös die vollzogene Ehe. Bald schon macht sie ihm klar, dass sie für ihn ihre Eltern, ihren Bruder und ihren Bräutigam verlassen hat und beginnt damit eine psychologische Kriegsführung, an deren Ende schließlich ihr Tod steht. Blaubart wird normalerweise als das blutrünstige Monster dargestellt, dass seine Frauen der Reihe nach abschlachtet. In Breths Inszenierung wird aber klar, dass zumindest seine letzte Frau, Judith, ihn dermaßen in die Enge drängt, dass sein Tun schon wieder verständlich wird.

Martin Zehetgruber erweist sich als Bühnenbildzauberer

In einem überwältigenden Bühnenbild, das die Drehbühne im Theater an der Wien weidlich ausnutzt, zeigt Martin Zehetgruber einen bedrohlichen Kellerraum nach dem anderen und erweckt dadurch mannigfaltige Assoziationen zu Verbrechen, die in den letzten Jahren weltweit durch die Medien gingen. Gábor Bretz gibt einen jungen Blaubart, der offenkundig psychische Probleme hat. Manches Mal sitzt er abseits und hält seine Ohren zu, dann wieder läuft er immer und immer wieder gegen mit Plastik ausstaffierte Wände. Ein deutliches Bild, das gut ausdrückt, wie sehr er in seinen dunklen Gedanken gefangen ist. Er möchte mit seiner jungen Frau, gesungen von Nora Gubisch, ein neues Leben beginnen, aber die tiefen Abgründe seiner Seele holen ihn rasant ein. Nach und nach gibt er Judith auf ihr Drängen hin die Schlüssel zu den verschlossenen Räumen, die sie öffnet. Darin erkennt sie Grauen und Abstrusitäten ungeahnten Ausmaßes.

Ein Mann,  an einem Tisch stehend und Blut von demselben wischend, ignoriert den leblosen Körper am Boden vor ihm. Im nächsten Raum, der bei Bartok als Waffenkammer beschrieben ist, halten sieben Männer mit gebückten Köpfen große Wecker in ihren Händen. Es sind immer wieder dieselben, teils kräftigen, teils gebrechlich wirkenden, gebückten Gestalten, die hier auftauchen. Die Schatzkammer ist ein kalter, unterirdischer Bunker mit vielen Schließfächern. Jede größere Bank kann damit aufweisen. Blutrote Ketten hängt sich Judith darin um bis sie bemerkt, dass die Königskrone mit Blut benetzt ist.

Im Garten, der ebenfalls im Schloss selbst verortet ist, sitzt eine alte Frau, die weiße Lilien vor Judiths Füße fallen lässt, eine eindeutige Geste der Verabschiedung wie bei einem Begräbnis. Neben ihr ein alter Mann, der beständig Erde aus einem Eimer auf den Boden wirft. Am Schluss der Szene streut er diese sogar auf Judiths Füße und nimmt ihr Ende damit bildlich schon vorweg. Das Zimmer, in welchem Blaubart seiner Frau vom Fenster aus sein Reich zeigt, wird von einer grauen, kahlen Felsenmasse förmlich überschwemmt. Breth und Zehtegruber sparen nicht mit Analogien, die die kalte Seelenlandschaft von Blaubart mit jeder Bühnendrehung aufs Neue illustriert. Der See der Tränen spiegelt sich an den Blumentapeten der vorletzten Zelle wieder.

Die seelischen Zerrüttungen, denen Blaubart ausgesetzt ist und das beständige Ignorieren seines Zustands von Judith treibt die Handlung ihrem grausamen Ende zu. Auch die allerletzte Türe öffnet der junge Mann schließlich widerwillig, nachdem er seine Frau mehrfach darum bat, diese geschlossen zu halten. Breth schafft es, dass man mit Blaubart mitfühlt. Zwar ist es nicht möglich, sich seine Taten zu erklären, aber die Bedrängnis seiner Seele wird überdeutlich.

Die Regisseurin klagt nicht an, sie verurteilt nicht, sie macht lediglich klar, dass Judith kein unschuldiges Opfer ist. Zu rasch, zu forsch drängt sie Blaubart, ihr alles zu erzählen, sein Leben vor ihr auszubreiten ohne zu spüren, dass sie Unmögliches verlangt. Aus der letzten geöffneten Türe treten drei junge Frauen, alle im gleichen Outfit wie Judith, allein die Farbe ihrer Kleider differiert in einer kleinen Nuance. Wie Zombies lehnen sie sich an die junge Ehefrau an und sinken mit ihr schließlich Boden. Blaubart schließt die Tür und legt sich zu ihnen. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, keiner Mordrequisiten, die Aussage ist klar und deutlich. Judith ist ein weiteres Opfer von Herzog Blaubart, der sich lange wehrte, in die Abgründe seiner Seele blicken zu lassen, aber letztlich dem permanenten Druck von Außen nicht gewachsen war.

Junge Profis im Orchester

Dass Jugenorchester heute auf einem Niveau spielen, wie es vor einigen Jahrzehnten große Orchester nicht taten, ist bekannt. So agiert auch das Gustav Mahler Jugendorchester. Sowohl die innigen als auch die furiosen Passagen mit ihren vielen Fortissimi kommen klangdifferenziert aus dem Orchestergraben. Nagano dosiert die Klangfülle perfekt, sodass Bretz und Gubisch an keiner Stelle stimmlich im Orchester ertrinken. Beide meistern ihre Rollen herausragend.

Nie wird auch nur ein Funken Pathos hörbar, der die Emotionen leicht ins Kitschige abgleiten ließe. Vielmehr unterstreichen sie mit ihren Stimmen eher einen Erzählduktus. Die Illustration der Gefühle und des Geschehens liegt ganz auf der Orchesterseite. Oft tönt es ruppig und trocken, dann wieder schwellen die Klangmassen bedrohlich an. Manches Mal, illustriert  Bartóks Musik feinste Seelenregungen, wie im Raum des Tränensees, den er mit feinem Glöckchengeläut ausstattet.

Ein großer Bruch von der Oper zum Sprechtheater und zurück zur Musik

Obwohl die Arbeit des Dirigenten Kent Nagano und des Gustav Mahler Jugendorchesters beendet ist, erscheint niemand vor dem Vorhang, um sich feiern zu lassen. Allein dieser Umstand hätte zu denken geben müssen, dass das, was jetzt noch kommen wird, in einem Zusammenhang mit dem steht, was gerade gezeigt wurde.

Der Bruch zu Bartóks kunstvoller Musik und der opulenten Ausstattung wird innerhalb der ersten Minuten des zweiten Teils sicht- und spürbar. Die Regisseurin zeigt einen großen, holzvertäfelten Raum in dem sich jene sieben Männer wiederfinden, die zuvor Blaubarts Burg bevölkerten. Auch die drei jungen Frauen sind wieder da und sitzen auf einem großen, mit rotem Samt bezogenen, historisierenden Sofa. Die Männer sind im Raum verteilt. Fünf davon verharren regungslos neben je einem ihnen zugeteilten Radiator.

Der große Saal bleibt von seiner Funktion her unbestimmt. Ist es ein Wartesaal, ein Saal in einem Gerichtsgebäude oder befindet er sich vielleicht in Herzog Blaubarts Burg? Die Rohre, die sich zuvor durch die Katakomben schlängelten, sie sind hier wieder zu sehen und markieren einen dementsprechenden Konnex. Hundegebell ist zu hören und veranlasst einige der Gestalten, den Kopf in die Richtung jener Stelle zu drehen, die den Blick auf einen Gang freigibt, der entlang der Stirnseite hinter dem Raum verläuft.

Nach und nach kommen die Männer zu Wort. Erzählen biographische Fetzen, brüllen einander an, schlurfen vor sich hin und lachen über ihre eigenen Hobbys. „Meine Hobbys kann mir keiner nehmen“, erklärt einer von ihnen, während er repetitiv Wasser aus Plastikbechern zu seinen Kollegen bringt, dies umschüttet und zum nächsten wandert. Eine grazile Männergestalt wird in den Raum getragen, leblos erscheint sie, doch einmal an den Bühnenrand gestellt, beginnt der Mann plötzlich zu tanzen.

Wieder voll des Lebens, erzählt er seine traurige Berufsgeschichte, die ihn am Ende in ein tiefes seelisches Loch stürzen ließ, aus dem er sich nicht mehr herausarbeiten konnte. „Ich möchte nur mehr schlafen“ sagt er, sinkt nach einem letzten, von einem Kollegen gestützten Tanz nieder und bleibt liegen. „Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still sein auf der Welt“. Diesen Satz von Albert Einstein gibt ein weiterer Untoter zum Besten.

Denn die Menschen, die hier gezeigt werden, haben nichts Lebendiges mehr in sich. Diese Aussage macht klar, dass nicht alles, was auch hier auf der Bühne gesprochen wird, unbedingt einen Sinn ergeben muss. Assoziationen zu Psychiatrien und Altersheimen kommen auf. Aber auch die Vorstellung, dass dieser künstliche Ort nur dazu da ist, das Menschsein an sich, die Hilflosigkeit, Sinnlosigkeit und auch die Einsamkeit zu veranschaulichen, die viele Menschen, wenn nicht sogar alle, einmal zu spüren bekommen.

Ein Mann aus dem Publikum verliert die Nerven und unterbricht rüde einen der Schauspieler, während dieser einem Kollegen die Haltestellen eines ungarischen öffentlichen Verkehrsmittels mit seinen Anfahrtszeiten aufzählt. „Geht das nicht schneller!“, ruft der Besucher laut und bekundet damit, unter welcher Anspannung er wohl selbst steht. Die Unhöflichkeit, die von diesem Eingriff ausgeht, scheint er nicht zu bemerken oder billigend in Kauf zu nehmen.

„Unser Leben ist umgeben von Lärm, überall hören wir Musik, es gibt keinen stillen Raum mehr. Wenn ich im Theater dann 30 Minuten Stille präsentiere, dann gibt es Menschen, die das nicht aushalten können“, erklärte Breth im Publikumsgespräch. Und doch sind es keine 30 Minuten absoluter Stille. Es sind 30 Minuten, in welchen der Verstand das, was gezeigt wird, nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen kann.

Ein dramaturgischer Kniff, der heutzutage in vielen Inszenierungen eingesetzt wird. Wer hier auf Biegen und Brechen in jeder Minute auf Erklärungen wartet, ist fehl am Platze. Wer jedoch in seine eigenen Emotionen hineinhört und abwartet, wer der Inszenierung, nicht nur dieser, sondern vielen andern auch, eine Chance gibt und sich auf das Geschehen ganz intuitiv einlässt, hat die Möglichkeit, mit einer Erkenntnis nach Hause zu gehen. Das absurde Treiben macht klar, dass hier Menschen zugange sind, die genauso unerklärlich agieren wie Blaubart. Die Gedanken haben, die nicht nachvollziehbar sind, jeglicher Logik entbehren.

Plötzlich setzt Klaviermusik ein. Elisabeth Leonskaja beginnt ganz verhalten Robert Schumanns Geistervariationen zu spielen. Unsichtbar, unter der Bühne, sodass man meint, die Musik würde gar nicht live gespielt. Mit einem Schlag wird es im Publikum still. Es gibt niemanden mehr, der den Saal verlässt. Die Macht dieser unendlich traurigen Musik, Schumanns letztes Werk vor seinem Selbstmordversuch, ergreift alle Anwesenden. Nun wird auf der Bühne nicht mehr gesprochen.

Die Männer beginnen langsam ihre Radiatoren zu putzen. Der Tänzer, der leblos am Boden liegt, wird von seinem Freund ebenfalls mit einem Putztüchlein saubergemacht. Die sinnlosen Beschäftigungen wiederholen körperlich nur das, was zuvor noch verbalisiert wurde. Die Zuwendung an leblose Dinge oder an Verstorbene macht hier keinen Unterschied mehr. Die Männer agieren zurückgezogen in ihrem eigenen Kosmos, in ihrem eigenen Sein. Ein Bild, das durchtränkt ist von einer tieftraurigen Poesie und das nun noch stärker wirkt als die gespielte, nutzlose Betriebsamkeit zuvor.

Langsam, beinahe unmerklich, erlischt das Licht. Auf der Bühne scheint niemand die Ankunft von Herzog Blaubart zu bemerken. Er taucht im Gang auf und rezitiert, nachdem die Musik verklungen ist, noch einmal den Prolog. Dabei öffnet er eine Türe, die ins Nichts, ins schwärzeste Schwarz führt. Nun scheint auch sein letzter Gang angebrochen.

Feinsinnig, emotional, intelligent: Die Regie von Andrea Breth

Andrea Breth offenbart mit dieser Arbeit einen Blick auf die Welt, der durchtränkt ist vom Verständnis auch der allertiefsten Abgründe. Oder zumindest von der humanistischen Idee des Zulassens in diese hineinzublicken und nicht des Verbietens oder Verurteilens. Eine gute Inszenierung schafft es immer, Zeitbezüge ins Hier und Jetzt zu eröffnen. Dass am Tag nach der Premiere ein junger Mann in Graz eine Amokfahrt verübte, bei der Menschen getötet wurden und viele verletzt, zeugt davon, dass diese Abgründe der menschlichen Seele sich leider auch in unserem Land nicht nur auf der Bühne zeigen.

Gemordet wird, seit es Menschen auf dieser Welt gibt. Depressionen und Seinszustände, die sich abseits der sogenannten Norm befinden, beherrschen im Grunde das Dasein auf dieser Welt. Wer da nicht hinschauen will, läuft Gefahr, eines Tages von solchen Geschehnissen wie von einem Tsunami überrollt zu werden.

Inszenierungen wie diese geben Anlass, sich mit den menschlichen Untiefen auseinanderzusetzen und sich bewusst zu werden, dass niemand davor gefeit ist, sich selbst einmal in einer Position zu befinden in der er oder sie Hilfe benötigt. Denn Opfer sind alle. Egal, ob sie ihre Hand gegen andere erheben oder von einer solchen getroffen werden.

Breths hoffnungsloses Ende ist nicht mehr und nicht weniger als die Demaskierung jeglicher Schönfärberei was das Lebensende betrifft. Gerade deswegen für einige aber nicht auszuhalten. Langer Applaus zeigte, dass der Großteil des Wiener Publikums die Botschaft verstanden hat.

Bei der Aufführung am 23. Juni ist noch einmal Elisabeth Leonskaja zu hören, am 25. Juni wird dann Markus Hinterhäuser, Pianist und Intendant der Wiener Festwochen, selbst am Klavier sitzen.

Hänsel und Gretel wohnen im Park

Hänsel und Gretel wohnen im Park

Das Künstlerkollektiv „OPER rund um“ ist in dieser Saison mit zwei Produktionen beim Festival „Wir sind Wien“ vertreten. Mit der Pop-up-Oper „La Bohème“ und mit Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Der Untertitel „Kinder-Opern-Wanderung“ macht deutlich, dass die freie Natur eine große Rolle spielt.

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Der Schwarzenbergpark in Neuwaldegg, der Lainzer Tiergarten, der Park Am Steinhof, Am Cobenzl und am Mühlgrundweg – in all diesen grünen Wiener Oasen treibt die Hexe ihr Unwesen. Nein, es handelt sich nicht um eine esoterische Wahrnehmung, sondern um eine Inszenierung des Künstlerkollektivs „OPER rund um“. Das hat sich zur Aufgabe gesetzt, Opernproduktionen an ungewöhnlichen Orten aufzuführen.

Anlässlich des Festivals „Wir sind Wien“ wurde die Truppe eingeladen, den allerjüngsten Opernfreaks „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck zu zeigen. Nicht auf einer Bühne, wie dies seit dem 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum geschieht, nein, dort, wo Hänsel und Gretel ihre Abenteuer tatsächlich erleben: Mitten im Wald.

Bevor es aber losgeht, bekommt noch jedes Kind eine Talismannkette umgehängt. Als Abwehrzauber gegen die böse Hexe. Man weiß ja schließlich nie. Gleich bei der ersten Station spielt das „Orchester“ die Ouvertüre in einer Besetzung mit Violine (Leo Furda), Klarinette (Stephanie Zlabinger), Akkordeon (Djordje Davidovic) und Kontrabass (Kristóf Szimán). Daniel Muck leitet das Quartett und ist auch für das Arrangement zuständig. Um das Ensemble schlank zu halten, wurde die Rolle des Vaters gestrichen, das Sand- und das Taumännchen in eine Figur vereinigt und der Kinderchor weggelassen. Aber das tut weder der Musik noch dem Geschehen einen Abbruch.

Gretel (Ewelina Jurga), unglaublich einfühlsam in ihrer Spielweise und mit einem wunderbar klaren und doch kräftigen Sopran ausgestattet, erlebt mit ihrem Bruder all das, was Humperdincks Schwester, Adelheid Wette, ins Textbuch schrieb. Sie zankt sich mit ihm zu Hause, fürchtet sich im Wald fast zu Tode und rettet ihn durch List vor dem Backofen. Hänsel, dargestellt von Generose Sehr, ist in der Inszenierung von Anna Katharina Bernreitner ein aufmüpfiger Junge, der mit seiner knallroten Mütze den Kindern Mut macht. Auch wenn er lange gefesselt vor dem großen gedeckten Tisch der Hexe ausharren muss, bis er von seiner Schwester endlich befreit wird. Sehr schaffte auch noch das Bravourstück, zwischen den 10 angesetzten Aufführungen ihr Abschlussdiplom an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien zu absolvieren. Anna-Sophie Kostal besetzt nicht nur die Mutter, sondern auch den Sandmann und den Taumann. Ihr Ausharren als Sandmännchen am derzeit sehr kalten Waldboden, bis Hänsel und Gretel und die Kinderschar endlich auftauchen, kann schon als heroisch bezeichnet werden. Ihr mütterlicher Wutausbruch aber auch ihre sichtbare Erlösung von der Sorge, ihre Kinder im Wald verloren zu haben, werden so dargestellt, dass sich das junge Publikum damit gut identifizieren kann. Barbara Pichlbauer brilliert als hinterlistige Hexe. Nicht mit einem Buckel ausstaffiert, sondern in bodenlangem, beigen Abendkleid und einer Toupier-Frisur rückt sie manches Mal bedrohlich nah an die Zusehenden heran. Toll, vielleicht nur für die Erwachsenen, dass man ihr ausdrucksstarkes Mienenspiel so nah betrachten kann. Auch sie agiert unter extremen Bedingungen, vor allem, wenn sie im beißenden Rauch des Backofens singt, als gäbe es keinerlei Beeinträchtigung.

Christian Andre Tabakoff, für die Ausstattung verantwortlich, baute kein herkömmliches Knusperhäuschen. Die Leckereien der Hexe werden an einer langen, weiß gedeckten Tafel präsentiert und die Kinder bekommen sogar während der Aufführung kleine Kostproben davon. Das Orchester logiert an jedem der unterschiedlichen Plätze unter weißen Zelten. Darunter sind, wenn es regnet, wie dies bei einer Aufführung tatsächlich stattfand, nicht nur die Musizierenden, sondern auch ihre Instrumente vor dem Nass geschützt. Die Kinder müssen dann unter Regenpellerinen, was aber mehr ein Gaudium denn eine Störung darstellt. Ob bei 35 Grad Hitze, oder wie jetzt gerade bei sehr kühlen Temperaturen im Wald – das Ensemble hat besondere Herausforderungen zu meistern. Jede Spielstätte hat ihre anderen Tücken und ob nur 10 Kinder oder 100 anwesend sind, macht auch einen großen Unterschied aus. Alle, die hier mitmachen, haben bewiesen, dass improvisieren zu ihren Stärken gehört.

Bei künftigen Parkbesuchen werden die Kinder den einen oder anderen Platz sicher mit anderen Augen betrachten und nachschauen, ob sich nicht irgendwo ein Sandmännlein oder gar eine Hexe versteckt hat.

Ohne Moni, ohne Vroni aber mit Puri-Puri

Ohne Moni, ohne Vroni aber mit Puri-Puri

Herbert Fritsch ist mit „Ohne Titel Nr. 1 – Eine Oper“ anlässlich der Wiener Festwochen im Burgtheater vertreten. Eine schräge Revue, in der das Bühnengeschehen im Allgemeinen gehörig aufs Korn genommen wird.

Es gibt Inszenierungen, die spalten das Publikum in zwei Lager. Oder, wenn es gut geht, sogar in drei. „Ohne Titel Nr. 1 – eine Oper“ von Herbert Fritsch, schaffte es bei den Wiener Festwochen auf Anhieb in die dritte Kategorie.

„Das war toll!“, „Oje, oje“ und „man muss sich halt drauf einlassen“ – waren drei unterschiedliche Reaktionen von Besucherinnen und Besuchern nach der Aufführung. Das 2014 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin uraufgeführte Stück nennt sich einfach frech Oper, weil Fritsch das so beschloss. „Ich werde eine Oper machen“, verkündete der vielbeschäftigte Schauspieler, Regisseur und Medienkünstler. Gesagt, getan. Und da man für eine Oper zumindest auch ein klein wenig Musik braucht, engagierte er hierfür den Komponisten und Musiker Ingo Günther, der ihm schon bei so mancher Produktion zur Seite stand. Schon die Entstehungsgeschichte lässt erkennen, dass es sich hier nicht um eine „Oper“ im herkömmlichen Sinn handelt.

Die schrillen Kostüme von Victoria Behr unterstrichen noch die große Portion Slapstick von welcher der Abend lebt. Vor allem die stilisierten Perücken, die an Plastikfrisuren von Zeichentrickfiguren erinnerten, schoben die Charaktere in ein höchst überzeichnetes Eck. Rosarote und himmelblaue Glitzeranzüge ergänzten die pastellfarbigen Abendroben der Damen. Eine bessere Bezeichnung als Oper wäre wohl Unterhaltungsshow gewesen, aber eine, die bewusst aus der dritten Schublade von unten herausgezogen wurde. Da entwickelte sich gleich nach dem ersten Auftritt ein Streit um eine quietschende Klavierbank, rempelte sich das Ensemble, nach einer musikalischen Intro endlich auf der Bühne angekommen, um die besten Plätze in den vorderen Reihen. Ein abgehalfterter Zauberer stopfte sich ein weißes Tüchlein in den Mund, um es anschließend daraus wieder „hervorzuzaubern“. Nichts, was man so nicht schon irgendwo gesehen hätte, vornehmlich in schwarz-weißen Stummfilmen mit Buster Keaton, Stan Laurel und Oliver Hardy oder den Marx Brothers.

Neben all den Lachern, die sich am Premierenabend anfangs nur zaghaft einstellten, wurde aber dann doch auch zumindest ein kleines Stückchen Musiktheater der bekannten Art geboten. Ein Duett mit einem Sopran und einem Countertenor entwickelte sich nach anfänglichen Dissonanzen zu einem veritablen, ohrschmeichelnden Kanon, in den das gesamte Ensemble einstimmte. Dieser musikalische Höhepunkt wurde erst in der allerletzten Szene präsentiert, zählt man die lange Applausmusik mit ungezählten Auf- und Abtritten nicht dazu.

Ingo Günther, selbst am imaginären Dirigentenpult und an den Keyboards sowie am Xylophon, erhielt durch zwei weitere Musiker Verstärkung. Ein Schlagzeug und ein Klavier, mehr brauchte er nicht zum Glücklichsein. Nicht im Orchestergraben verschwunden, sondern sichtbar für alle direkt vor der Bühne, agierten die Drei und lieferten Tanzmusik, eine Arienuntermalung, aber auch eine Geräuschkulisse, die heftiges Knarzen zu ihrem Aushängeschild erkor. Nicht nur die Inszenierung, auch die Bühne selbst stammte von Fritsch. Ein überdimensionales Sofa – durch die Beleuchtung einmal als rotes Plüschmonster dann wieder als harte Holzsitzgelegenheit definiert, reichte ihm. Darauf wurde gesprungen, herumgerutscht, eine schöne Menschenkette gebildet oder auch kurzfristig geschlafen. Die Lichtregie (Torsten König) tat ein Übriges, um in spektakulären Wechseln die Umgebung mal als unchickes Appartment mit Holzverschalung erscheinen zu lassen. Mal als Nachtclub mit tiefroter Beleuchtung oder als Hollywoodschaukel, auf der es sich trefflich gemeinsam wippen ließ. Es sind Szenen wie die letztgenannte, oder die Umkleidenummer kurz davor, in welcher sich alle Beteiligten von schillernden, bunten Persönlichkeiten in hellbraune Einheitsmenschen verwandeln, die zeigen, was Fritsch unter Theater, pardon Oper versteht. Es braucht keinen großen Schnick-Schnack, sondern clevere Ideen, um überraschende Momente auf der Bühne zu liefern, die uns der Alltag nicht bereithält.

Der Regisseur untersucht in dieser Inszenierung das historische Genre und liefert eine ganze Reihe von Argumenten, was Oper denn nun eigentlich kann: Sie kann unterhalten, sie kann langweilen, überraschen, ins Unendliche ausufern. Sie kann belustigen, missverstanden werden, übertrieben wirken oder nachdenklich machen. All diese Elemente sind in „Ohne Titel Nr.1 – eine Oper“ enthalten. Zwar lassen sich in ihr keinerlei Sinnzusammenhänge abrufen, die eine ganze Geschichte ergeben hätten, aber doch einiges, was die Augen als Futter wahrnehmen konnten.

Die Schlangenfrau zum Beispiel, deren Zunge so gefährlich aus dem Mund schoss, dass man lieber einen Sicherheitsabstand von der Dame halten möchte. Oder das rauchende Liebespaar, das seine Blicke in die Ferne schweifen ließ. Dabei versuchte der Mann seiner Angebeteten in einem amerikanischen Kauderwelsch die Welt zu erklären. Der schwarze Lackschuh, der zu einem Rennauto mutierte oder der nebeneinander aufgefädelte Chor, der ein Lied nur mit dem Buchstaben A zu singen hatte. Wunderbar auch die komödiantische Nummer, die an einen Club Zwei erinnerte. Dabei saß das Ensemble wie auf einer Hühnerstange – ein Mensch neben dem anderen – auf dem überdimensionierten Sofa von dem die Beine herabbaumelten. Höchst amüsant, wie einer von ihnen im wildesten Wiener Dialekt zu „mundeln“ begann. An dieser Stelle war sich das Publikum einig und adelte die Szene mit lautem Gelächter. „Ohne Moni, ohne Vroni“, warf bald darauf ein anderer in die „Diskussion“ ein, ohne auf die Argumente einer Kollegin zu achten, die auf „Puri-Puri“ beharrte. Dada is back – das zeigt sich bei den diesjährigen Festwochen nicht nur in dieser Inszenierung.

Was bleibt aber als Erinnerung tatsächlich haften? Ein chaotischer Haufen liebenswerter Menschen, die über die Bühne stolpern, sich mehrerer Sprachen bedienen, die nicht zu verstehen sind. Dabei halten sie sich nur an die Anweisungen des Regisseurs in undeutlicher Sprache zu sprechen. Aber es bleibt auch der Eindruck, dass Oper, oder was auch immer in einer Black box gezeigt wird, von dem lebt, was sich Menschen für Menschen ausdenken. Sie lebt von Typen, die sich aus der Masse abheben, die überzeichnet für bestimmte Charaktere auftreten, die uns so oder so ähnlich alle schon einmal begegneten. Sie lebt von der Spielfreude der Schauspielerinnen und Schauspieler und von den Ideen des Regisseurs. Dass Oper hauptsächlich von Musik lebt wurde an diesem Abend nicht hörbar und warum ausgerechnet das Burgtheater als Aufführungsort gewählt wurde bleibt auch ein kleines Rätsel. Die Halle G im Museumsquartier hätte viel besser gepasst, auch was die Anziehungskraft für eine gewisse Publikumsschicht betrifft.

Wer sich gerne leicht unterhalten lässt, wird mit dieser Inszenierung gut bedient. Wer ein wenig Hirnfutter mit nach Hause nehmen möchte, tut sich schon ein wenig schwerer.