Sich selber bierernst nehmen, das tut niemandem gut.

Sich selber bierernst nehmen, das tut niemandem gut.

Die schallundrauch agency – Kompliment für den tollen Namen! – gibt es in Wien seit 2003. Gegründet wurde sie von Janina Sollmann und Gabriele Wappel, mit der wir ein Gespräch führten. Im Schnitt werden pro Jahr ein bis zwei Produktionen erarbeitet. Zu Beginn war es ein Zwei-Frauen-Unternehmen, in dem Sollmann und Wappel alleine für alles zuständig waren. „Vom Bühnenbild bis zum Kostümeinkauf bei Humana.“ Silvia Auer, die jetzt für Licht und Bühne zuständig ist, kam relativ rasch dazu. Das Team sucht für jede Produktion ein neues Thema, das dann intensiv erarbeitet wird. Die Bandbreite der Themen dabei ist groß. Zwar werden hauptsächlich Stücke für junges Publikum erarbeitet, der Komplex „Sexualität“ wurde aber auch mit einer „Blümchen-Sex-Performance“ im öffentlichen Raum begleitet, die dem erwachsenen Publikum viel Spaß bereitete und mit einem Picknick im Prater endete. Dann wieder waren Wappel und Sollmann „mietbare Engel aus dem Sonderangebot“ oder organisierten eine Publikums- Pyjama-Party, bei der sich „das tollste Publikum, das wir überhaupt je hatten“, für sein Pyjama-Outfit genierte.

Als Kind hatte Gabriele Wappel die Idee, für die Nachbarn Räder zu schlagen. „Die haben mir immer 10 Schilling dafür gegeben, da hab ich kleine Performances gemacht und mir damit mein Taschengeld aufgebessert.“ Auf die Frage, ob sie, die den Eindruck erweckt, ständig in Bewegung zu sein, denn ein unruhiger Geist sei, kommt eine prompte Antwort: „Ja, das war ich schon immer. Stillsitzen in einem Büro, wie ich es kurz einmal probierte, geht überhaupt nicht. Ich brauche das Konkrete und da ist der Tanz schon sehr gut dafür. Mann muss dabei hundertprozentig bei sich sein.“

Schon während ihres Studiums „Pädagogik für zeitgenössischen Tanz“, war ihr klar, dass sie auch selbst aktiv sein wollte. Selbst tanzen, kreativ sein, „etwas erfinden“, wie sie sich ausdrückte. Maßgeblich beeinflusste sie auch der australische Performer Andrew Morrish, der alle seine Perfomances ad hoc vor dem Publikum improvisiert. „Morrish erzählt etwas und bewegt sich dazu und fesselt einen von Anfang bis zum Schluss. Das hat mich enorm beeindruckt.“ In einigen Workshops, die die junge Frau bei ihm belegte, konnte sie lernen, dass er die Menschen so brieft, dass sie Dinge machen, die für sie selbst interessant sind. Etwas, dass ihr bis heute nicht nur wichtig ist, sondern zum zentralen Thema ihrer Arbeit überhaupt wurde.

Die Ausgangsbasis zu einem Stück ist zwar eine Idee, aber wie diese umgesetzt wird, was sich daraus entwickelt, wird erst bei den Proben erarbeitet und letztlich festgelegt. Für das Stück „Gabi hat Glück“, griff Wappel auf ein persönliches Erlebnis zurück, einen Skiunfall, den sie als Jugendliche hatte. Zugleich war der Unfall die „größte Entdeckung“ ihres Lebens, wie sich im Arbeitsprozess herausstellte, denn damit verbunden, wurde ihr die Endlichkeit des Lebens bewusst. Eingepackt war das ernste Thema aber in ganz viel Spaß. Humor scheint eine der Haupteigenschaften des quirligen, schlanken Multitalents zu sein, das auf der Bühne das Publikum regelmäßig zu Lachstürmen hinreißt. „Sich selber bierenst nehmen, das tut niemandem gut!“, ist eine ihrer Maximen.

Im allerneuesten Stück, an dem Wappel gerade arbeitet, geht es um Sucht, Suche und Sehnsucht. „Etwas, das mich sehr interessiert, weil ich selbst lange geraucht habe“. Ohne Interesse und Dahinterstehen geht nichts, denn „wenn man selbst nicht dahintersteht, merkt das Publikum das sofort. Im Kinder- und Jugendbereich ist das noch viel stärker der Fall. Die Kinder und Jugendlichen merken sofort, wenn man ihnen etwas vorspielt und so tut, als wär` man auch jugendlich.“ Bei der Stückentwicklung selbst arbeitet die Crew mit sogenannten „Partnerklassen“ zusammen, geht in die Schulen bzw. Horte, redet mit den Schülerinnen und Schülern, macht Performances und Tanzworkshops mit ihnen. Danach werden die Kids eingeladen, zu einer offenen Probe zu kommen. Dadurch erhalten die Kreativen zu einem frühest möglichen Zeitpunkt schon Feedback. „Einmal hat uns eine Gruppe eine ganze Szene für ein Stück geschenkt, ein anderes Mal bekamen wir Textzeilen für ein Lied.“ In dieser Art formulieren aber nur die älteren Jugendlichen ihre Wünsche für ein Stück, bei den ganz Kleinen geht es darum, ihre Reaktionen einzuschätzen und damit zu interagieren. Vorschulkinder, noch nicht gesellschaftskonform verbildet, können einen aber schon einmal aus dem Tritt bringen. O-Ton Wappel: „Bei „Mim Zug“ singt Sebi (Anm: Sebastian Radon) sein Lied über das Zugfahren. Und da kam einmal ganz laut das Statement von einem Kind aus dem Publikum „Der singt ja lauter Blödsinn!“, in dem Moment denkt man dann: „Das ist jetzt alles nicht wahr!“ Für dieses Stück wurde die „Feldforschung“ bei einem Praterbesuch mit einer Fahrt mit der Lilliputbahn durchgeführt. Hätte das Team Außenstehende dabei informiert, dass ihr Prater-Treiben ein berufsbedingtes ist, hätte es wahrscheinlich nicht viele Menschen gegeben, die ihm das geglaubt hätten.

Wappel macht keinen großen Unterschied bei der Erarbeitung eines Stückes im Hinblick darauf, ob es für Erwachsene oder Jugendliche konzipiert ist. „Vielleicht, weil ich Kinder ernst nehme, aber auch, weil man natürlich die Erwachsenen auch immer mitdenkt. Sie kommen ja auch mit ins Stück. Aber ich glaube, wenn wir die Stücke nur für Erwachsene machen würden, wäre nur die Art des Erzählens vielleicht ein wenig anders. Sarkasmus zum Beispiel versteht man erst ab einem bestimmten Alter, zuvor nimmt man die Aussagen ja für bare Münze. Unsere Stücke sind aber tatsächlich für alle gedacht. Beginnend ab vier oder 10, ohne Limit dann nach oben.“

Der Dschungel Wien ist für die schallundrauch agency, so wie für viele andere freie Gruppen auch, so etwas wie eine Heimat. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, dann hätte Wappel aber gerne einen Ort, an dem die Kinder und Jugendlichen die vielen Schichten des Theaters kennenlernen und damit auch arbeiten könnten. Vom Bühnenbild bis hin zu den Werkstätten würde sie alles öffnen. Und sie würde noch stärker mit den Jugendlichen zusammenarbeiten, was derzeit zwar möglich ist, aber aufgrund des Budgets eben immer nur mit einem kleinen Arbeitsfenster ausgestattet wird. Drehbühnen und richtig viele Darsteller, das wäre auch ein Wunschtraum der Theaterfrau. „100 Leute oder mehr, die alle rauchen, für einen Auftritt vor dem Dschungel, das wär was!“ Ein Flashmob würde da vielleicht ohne finanzielle Ausstattung Abhilfe schaffen.

Menschen, die schauspielern, haben oft ein sehr ausgeprägtes starkes Ego. Wie verhält sich eigentlich jenes von Gabriele Wappel?

„Ich hab` ein Ego, zu dem ich eine wechselhafte Beziehung hab, weil ich es manchmal mag und manches Mal weniger“, Wappel lacht über Ihre Aussage. „Aber ich glaube, dass man eigentlich der Sache dienen muss. Das ist nicht immer leicht, vor allem wenn man auf der Bühne etwas spielen muss, das einem nicht leicht fällt, oder wenn man von einer Seite beleuchtet wird, die einem nicht sympathisch ist. Wenn man aber über diese Grenze geht, dann wird´s für die Betrachtenden interessant. Wir machen in jedem Stück mindestens eine Sache, bei der wir uns nicht ganz sicher fühlen. Bei „Mim Zug“ fiel es uns nicht schwer, zum Beispiel mit dem Traktor zu fahren, aber Rollschuhfahren ohne Bremsen, davor hab` ich mich am Anfang schon gefürchtet und gedacht: na ja, ob sich das ausgehen wird? Und tatsächlich bin ich mir auch nicht sicher, ob sich das Bremsen bei jeder Vorstellung immer ausgeht. So etwas ist für mich aber immer wichtig. Oft ist das Nicht-Perfekte auch das Magische. Dazu zu stehen, etwas zu machen, das nicht perfekt ist, obwohl man den Anspruch dazu ja hat, finde ich wichtig. Man möchte ja immer, dass es toll klingt, man gut rüberkommt oder technisch gut tanzt. Aber das geht nicht immer. Dieses Dazustehen eröffnet, wenn man es zugibt, ein eigenes Spannungsfeld. Das Scheitern vor anderen ist für die Jugendlichen ein großes Thema. Aber eigentlich ist es illusionär, weil es niemandem gelingt. Bei Lehrern, Ärzten, Politikern gibt es den Anspruch der Unfehlbarkeit. Aber natürlich machen auch die Fehler. Fehler aber zuzugeben und zu sagen „da hab` ich nicht recht gehabt“, das gelingt aber nicht jedem. Das hat etwas mit seelischem Wachstum zu tun und nichts mit dem tatsächlichen Alter. Nicht nur Jugendliche, sondern auch viele Erwachsene haben damit ein Problem.“

Tatsächlich gab es auch ein Stück mit dem Titel „FLOP – a very bad and long performance“, in dem es übers Scheitern ging. „Dafür bauten wir einen Sündenbock, auf dem das Publikum seine größten Fehler schreiben konnte und der anschließend mit einem großen Ritual in die Wüste geschickt wurde. Dabei haben wir eine Unmenge Geschirr zerbrochen, denn wir versuchten, das am Kopf zu balancieren und gleichzeitig zu tanzen, was nicht möglich war.“

Die nächste Premiere „Giraffen summen“ ist ein Stück für Kinder ab 6 Monaten. „Wenn man klein ist, kommt einem die ganze Welt so groß wie Giraffen vor“, erklärt Wappel den Zugang der schallundrauch agency zu diesem Werk. „Kleine Kinder wollen immer hinauf zu den Großen, wollen hochgehoben werden. Das ist für mich eine Art Giraffensehnsucht.“ Bei dieser Veranstaltung bekommen die Babys nichts vorgespielt, sondern sie können sich selbst im Raum bewegen, herumkrabbeln. Es wird viel gesungen und gesummt. Eine Theatererfahrung, die auch für das Team selbst ganz neu ist, denn für so junges Publikum wurde noch nie gespielt. Janina Sollmann, die mit Gabriele Wappel gemeinsam die schallundrauch agency leitet, führt bei diesem Stück Regie, Wappel hat hier eine beratende Aufgabe und war gleich bei der allerersten Probe die Attraktion für die Kleinen. Vielmehr ihre mitgebrachte Banane, die den Performerinnen und Performern eindeutig die Show stahl. „Was lernt man daraus?, stellt die Performerin sich selbst eine rein rhetorische Frage, um die Antwort gleich nachzuliefern: „Banane weglassen oder einbinden!“ So ist das mit der Stückeentwicklung also.

Ich lebe meinen Traum

Ich lebe meinen Traum

Choy Ka Fai stammt aus Singapur. Seit etwas mehr als einem Jahr lebt er nun in Berlin. Davor war er fünf Jahre in London. Mit seinen Shows, die er mit asiatischen Künstlerinnen und Künstlern zusammenstellt, ist er seit 2010 international unterwegs.
Im Sommer 2015 war er bei Impuls-Tanz mit der Reihe „Soft Machine“ vertreten und kommt nun, im Februar 2016 anlässlich des Kurzfestivals (Trans)Asia Portraits mit XiaoKe x ZiHan aus China hierher zurück. Für Soft Machine bereiste er Japan, China, Indonesien, Indien und Singapur und führte mit über 80 Personen aus dem Tanzbereich Interviews, die er zugleich auch auf Videos aufzeichnete.

In unserem Gespräch erzählte der weltgewandte Kreative über seine bisherige Arbeit.
Er begann ursprünglich mit der Aufzeichnung von Hirnströmen von Choreografen und Tänzern während ihrer beruflichen Tätigkeit. Dieses „digital master memory“ beeinflusst auch heute noch sein Tun. Dabei versucht er, die Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Körper im Tanz zu erforschen. Ein weiterer Ansatz dabei ist die Fragestellung, ob es möglich ist, mit digitaler Hilfe Bewegungen so sichtbar und nachvollziehbar zu machen, dass diese auch von anderen Menschen ausgeführt werden können. Wie kam es aber zu dem Großprojekt „Soft machine“?

Ich dachte mir bei einer Veranstaltung in London, die mit dem Titel „asiatischer Tanz“ beworben war, dass Asien ein großer Kontinent ist und genauso wie in Europa jedes Land seine Eigenheiten hat und man nicht generell von nur einem asiatischen Tanzstil sprechen kann. Bei meinen Nachforschungen habe ich bemerkt, dass es nur wenige Informationen zum zeitgenössischen Tanz aus dem asiatischen Raum gab. Deswegen dachte ich mir, dass das jemand machten müsste. So begann meine Arbeit als Forschungsprojekt. 

Choy Ka Fai (c) Joachim Kapuy

Choy Ka Fai (c) Joachim Kapuy

Bei seinem Soft Machine-Projekt nutzte Choi Ka Fai die Gelegenheit, mit einigen interessanten Künstlerinnen und Künstlern eigene Shows zu entwickeln, um diese dann einem internationalen Publikum zu präsentieren.

Sie sind so etwas wie ein Hybrid, arbeiten in unterschiedlichen Bereichen und treten in einigen Shows auch selbst mit auf. Als eine Art Conférencier, aber in der Gruppe mit den Japanern auch im richtigen, körperlichen Nahkampf. Fühlen Sie sich in allen Disziplinen gleich wohl?

Ich habe als Perfomance- Künstler begonnen, kam dann auf die Bühne und habe erst danach Multi-Media-Design studiert. Durch die Körperschwerpunkte in meiner Arbeit bin ich dann aber in die Tanzszene gekommen. Danach rutschte ich langsam in die Rolle eines Direktors. 2004 hatte ich eine Show in der ich performte, Videos machte und von der ich zugleich der Direktor war. Da wurde mir klar, dass ich auf Dauer nicht alles auf einmal machen kann.

Ich habe Videokunst studiert, von daher fühle ich mich im Video und all dem, was damit zusammenhängt, am wohlsten. In mir ist aber auch der starke Wunsch zu performen. Wenn ich mich nicht mit den Videos beschäftigt hätte, oder wenn ich mich nicht mit dem Körper so intensiv auseinandergesetzt hätte, könnte ich das, was ich jetzt mache, gar nicht machen. Das war so etwas wie ein Schneeball-Effekt. Ich habe immer danach gesucht, etwas zu tun, was andere Leute nicht machen.

Wenn man in so unterschiedlichen Bereichen arbeitet, hat man manches Mal Schwierigkeiten, von Profis aus den einzelnen Disziplinen anerkannt zu werden. Wird Ihre Arbeit akzeptiert? Choy Ka Fai lacht und antwortet prompt:

Nein! In Singapur bin ich definitiv nicht akzeptiert. Dort sind meine Shows nie ausverkauft. Aber außerhalb von Singapur ist man, was meine Arbeit betrifft, ganz offen.

Warum ist die Akzeptanz in Singapur nicht gegeben?

Das hat mehrere Gründe. Erstens ist die Geschichte von Singapur in dem Bereich noch sehr jung. Die Performer dort gibt es noch nicht lange, das ist eine kleine Community. Wenn man jetzt etwas Anderes machen möchte, dann wird man nicht sofort akzeptiert. Aber es ist ein guter Boden, um andere Dinge als hier in Europa zu finden, wo man mit Pina Bausch oder Sasha Waltz vertraut ist.

Die Shows, in denen der Künstler mitwirkt, sind zum Teil von sehr harter Körperarbeit geprägt. Blaue Flecken und sogar Verletzungen stehen im Auftritt mit Yuya Tsukahara beinahe an der Tagesordnung. Als er 2010 mit seinem Asien-Projekt begann, bemerkte er, dass niemand für das Publikum zu den verschiedenen Stücken Einführungen abhalten konnte. So entschloss er sich, das selbst zu übernehmen. Er startete anfänglich mit kurzen Demonstrationen und landete schon bald wieder als Performer auf der Bühne. Mitten in den körperlich überaus anstrengenden Aktivitäten.

Warum stehen Sie in einigen Produktionen auch selbst wieder auf der Bühne? Sie müssten als Direktor dieser Shows ja nicht mitmachen!

In der Vorbereitung bemerkte ich, dass ich die halbe Zeit in einer Produktion fast nur gesprochen habe, das war mir viel zu langweilig. Ich werde auch selbst sehr schnell unruhig. Und so begann ich, im japanischen Stück aktiv mitzumachen. Ich dachte mir, das wäre auch eine gute Gelegenheit, einer von ihnen zu werden. Um über diese Gruppe etwas zu erzählen, gibt es gar keine andere Möglichkeit, als das selbst auszuprobieren. Für die Leute aus der Gruppe ist das Verletzungsrisiko nicht so hoch. Sie trainieren ja ständig, sind daran gewöhnt und ihr Immunsystem reagiert anders darauf. Wenn ich mitmache, dann habe ich, wie es in Wien der Fall war, nur drei Tage, mich wieder hineinzufinden. Aber im Moment geht es schon wieder, ich habe mich schon wieder daran gewöhnt. Es spielt noch etwas Anderes eine Rolle: Wenn Tänzer ein Stück machen, nehmen sie sich für gewöhnlich sehr ernst. Ich habe fünf Jahre in London gelebt und den trockenen, britischen Humor kennengelernt. Das ist es, was ich in den Produktionen auch einsetze. Und tatsächlich ist das, was ich hier öffentlich mache, auch das, was fast immer hinter der Bühne passiert, wenn die Choreografen und Tänzer miteinander reden. Ich bringe die Backstage-Gespräche und die Produktionsideen sozusagen in einer kuratierten Fassung auf die Bühne. Der Spaß dabei ist für mich sehr wichtig und den kann ich mit meinen Auftritten mittransportieren.

Im Stück, das ich mit Surjit Nongmeikapam aus Indien gemacht habe, bin ich mehr so etwas wie ein Untersuchender. Es geht mir darin vor allem auch zu zeigen, wie das Stück zustande gekommen ist. Dabei bin ich auch eine Art Produzent der sagt: Probier vielleich mal das, oder das. Und am Ende des Stückes, wenn Surjit zu Musik aus seiner Heimat tanzt, fragen wir das Publikum, ob es das ist, was es sehen will.

Sie haben ja einen schönen Überblick darüber, was weltweit im zeitgenössischen Tanz los ist. Sowohl im westlichen als auch im östlichen. War es schwer, die Show in Europa unterzubringen?

Die Leute waren generell sehr aufgeschlossen und zugleich sehr neugierig auf das Projekt. Jemand hatte zum Beispiel großes Interesse an den 80 Interviews. Andere wiederum kannte ich schon von einer früheren Zusammenarbeit her. Es ist schon ok, wie es aufgenommen wurde, aber auch nicht überwältigend. Wir haben bisher nur 7 oder 8 Stopps. Die meisten wollen Rianto sehen aber ich finde, dass gerade die Gegenüberstellung der indischen und der indonesischen Performance toll ist. Im Februar werde ich eine chinesische Gruppe nach Wien bringen.

Sie müssen einen guten Draht zu den Künstlern haben, wenn sie mit ihnen so intensiv zusammenarbeiten.

Ja, aber ich fühle mich auch als Dokumentar, der ihnen folgt. Die japanische Gruppe hat zum Beispiel auch eine Vorstellung in New York, das heißt, ich fliege dort auch hin. Aber am Beginn unserer Zusammenarbeit sind wir erst einmal nur Freunde. Das geht auch gar nicht anders. Denn im Kreativprozess, der zwei bis drei Jahre dauert, zahle ich ihnen ja überhaupt nichts. Deswegen müssen wir ja auch touren, damit ich diese vorgeleistete Arbeit dann auch an sie zurückzahlen kann.

Was sind denn ihre neuen Projekte?

Wie ich schon sagte, bin ich immer auf der Suche nach etwas Neuem. Im neuen Projekt wird auch die Aufzeichnung der Hirnströme wieder einen wichtigen Part ausmachen. Heute hat man dazu einen leichten Zugang. Man kann das über das Internet abwickeln. Ich kann mich dann in die Aufzeichnung der Tänzer einwählen und mir das an meinem I-Pad ansehen.

Arbeiten Sie mit Wissenschaftlern zusammen?

Nein, aber natürlich arbeite ich mich zuerst in die Materie ein und befrage auch Neuro-Wissenschaftler. Es gibt außer meinem auch andere Projekte, die auf diesem Gebiet gemacht werden. Das sind dann entweder Wissenschaftler oder Künstler. Wenn Wissenschaftler das machen, dann veröffentlichen sie anschließend ein 200 Seiten starkes Werk, das keiner versteht. Wenn Künstler es machen, dann wird es ganz abstrakt. Ich versuche, da ein Mittelding zu finden. Ich benutze die wissenschaftlichen Erkenntnisse, um über Tanz zu sprechen.

Was machen Sie mit Ihren Asien-Kontakten?

Ich mache eine Website über dieses Projekt, sodass sich alle Leute, die daran teilgenommen haben, nicht nur dort finden, sondern miteinander auch kommunizieren können. Und ich wünsche mir auch, dass wir diese Stücke auch in Asien mehr performen können. Wir sind damit bisher nur in Singapur aufgetreten, weil dort eines der Stücke in Auftrag gegeben wurde.

Glauben Sie, dass ihre Arbeit und diese Performances auf die Leute hier in Europa einen Einfluss ausüben werden?

Ja, da bin ich ganz sicher. Ich glaube, was ich mit den Shows mache, ist grundsätzlich nicht neu. Aber wie ich die Dinge neu zusammenfüge, das ist dann ganz etwas Anderes als das Herkömmliche. Leute sind auch früher schon nach Asien gegangen. Aber sie kamen von Europa aus. Ich bin Asiate und bin nach Asien gegangen und habe schon allein deswegen einen anderen Ausgangspunkt.

Haben Sie eigentlich Träume für die Zukunft?

Träume? Eigentlich lebe ich meinen Traum! Ich habe mich in Berlin eingelebt, habe einen Weg gefunden zu produzieren und werde auch von Singapur sehr freundlich unterstützt. Mein Traum ist es, dass ich das weiter machen kann, was ich jetzt mache.

Weitere Informationen zum Impulstanz-Special (Trans)Asia Portraits auf der Webseite.

Alles, was das Herz begehrt

Alles, was das Herz begehrt

Nagy Vásárcsarnok, Außenansicht, 2005

Die große Markthalle in Budapest (c) Aktron / Wikimedia Commons

Eines der markantesten Gebäude in Budapest ist die große Markthalle (Nagy Vásárcsarnok), offiziell Zentrale Markthalle (Központi Vásárcsarnok) genannt. Sie befindet sich nur wenige Schritte von der Freiheitsbrücke und der Wirtschaftsuniversität entfernt und ist bestens an den öffentlichen Verkehr angebunden. Das muss sie auch sein, denn wer dort hineingeht, um einzukaufen, kommt garantiert mit vielen Schätzen beladen wieder heraus. Mit 10.000 Quadratmetern ist sie eine der größten Markthallen in Europa und nicht nur wegen ihres lukullischen Angebotes sehenswert.

Auch die Architektur ist beeindruckend und ein typisches Beispiel jener Zeit, in der Ungarn und Österreich ein und denselben Herrscher hatten. Der Austausch der Architekten zwischen Wien und Budapest in der Zeit Kaiser Franz Joseph I, der 1867 auch zum König von Ungarn gekrönt wurde, ist noch heute den beiden Stadtbildern anzusehen. Als in Wien die Ringstraße erbaut wurde, erlebte auch Budapest eine Hausse in der innerstädtischen Bebauung. Was nur wenige wissen: 1897 wurden exakt am selben Tag nicht nur die große Markthalle, sondern auch vier weitere in Budapest eröffnet. Das hat nichts mit einem Zufall zu tun, sondern kam aufgrund einer Weisung des Gesundheitsministeriums der Österreich-Ungarischen Monarchie zustande. Es hatte den bis dahin üblichen, offenen Verkauf von Lebensmitteln direkt von Pferdekarren entlang der Andrasy ut – heute der prächtigsten und teuersten Einkaufsstraße Budapests – und jenen entlang der Donau aus Hygienegründen verboten. Für die Aufrechterhaltung der Nahversorgung der Stadt wurden aus diesem Grund zugleich fünf Markthallen geplant und gebaut, die es heute, nach Renovierungen in den 80er Jahren, alle noch gibt.

Teilansicht der großen Markthalle (c) European Cultural News

Teilansicht der großen Markthalle noch mit der Weihnachtsdekoration, aufgenommen Anfang Jänner 2016 (c) European Cultural News

Die große Markthalle, wie auch die kleineren Schwestern und Brüder, basieren auf einer für damalige Zeiten höchst modernen Stahl-Glas-Konstruktion, wenngleich auch von unterschiedlichen Architekten ausgeführt. Der Grundriss der großen Markthalle, geplant von Samuel Petz, gleicht der einer Kathedrale mit einem Lang- und zwei Seitenschiffen. An den Ecken wurden zusätzlich große Türme aufgezogen. Eröffnet wurde sie in Anwesenheit von Franz Josef I. Ein Zeichen, für wie wichtig diese städtebauliche Maßnahme erachtet wurde.

Genug Geschichte. Wer sich heute in die Markthalle begibt, findet ein breit gefächertes Angebot von Waren vor. In der zentralen, ebenerdigen Halle, die nicht geheizt ist und im Winter die Lebensmittel auch ohne Kühlung wunderbar frisch hält, findet sich alles, was Herz und Magen begehren. Dass die Ungarn und Ungarinnen gerne Fleisch essen, fällt sofort auf. Es gibt unzählige Stände, die Frischfleisch verkaufen. Hauptsächlich Schwein, aber auch jede Menge Geflügel. Vom Huhn bis hin zu Ente und Gans ist alles fein säuberlich aufgeschlichtet. Und nicht nur die Gusto-Stückerln.

Sämtliche Innereien, aber auch Schweine- oder Hühnerbeine, unerlässlich für Suppen und Fonds, aber auch Speck in allen Varianten, bis hin zu Grammeln, oder wie man in Deutschland dazu sagt, Grieben und nicht zu vergessen Gänsefett, werden verkauft. Wer gerne Gänsestopfleber isst, findet hier mehrere Stände, die diese Delikatesse nicht nur bereits fertig als Pasteten in Dosen, sondern auch frisch, meist vakuumiert, anbieten.

Gänseleberpastete in der Markthalle in Budapest (c) European Cultural News

Gänseleberpastete in der Markthalle in Budapest (c) European Cultural News

Ungarn ist neben Frankreich eines jener Länder, in denen dieses Nahrungssmittel eine lange kulinarische Tradition aufweist, ja mehr noch: Ein nicht unerheblicher Anteil der ungarischen Produktion wird sogar nach Frankreich exportiert. Rindfleisch ist auch zu finden, wenngleich seltener, aber von sehr schöner Qualität. Auffallend ist natürlich die große Palette an unterschiedlichen getrockneten Würsten. Salami in jeder Ausführung, aber, wenngleich nur an wenigen Ständen, auch frische Brat-, Leber- und Blutwürste und ein bereits fertig gewürztes Brät, mit dem man wunderbar Gemüse und Kartoffel füllen kann. Wer sich so etwas kauft, der muss schon in Budapest selbst eine Küche benutzen dürfen oder besitzen, denn diese frischen Würste sind für einen weiten Transport leider ungeeignet. In eine Thermostasche verstaut, ausgestattet mit Cooling-Packs, überstehen diese aber zumindest in der kalten Jahreszeit eine Fahrt bis nach Wien.

Neben Fleisch gibt es eine wunderbare Auswahl an Obst und Gemüse. Wobei die vielen Arten von Paprika, begonnen vom Frische-Angebot, bis hin zu den getrockneten Schoten, im wahrsten Sinn des Wortes ins Auge stechen.

Parika scharf und frisch (c) Markthalle Budapest (c) European Cultural News

Parika scharf und frisch (c) Markthalle Budapest (c) European Cultural News

Ob von der Decke oder den Tischen der Buden hängend, oder auch so aufgebaut, dass man direkt mit der Nase drauf stößt – an rotem, ungarischem Paprika kommt man nicht vorbei. Und kann diesen auch fein pulverisiert in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen in kleinen Säckchen oder Dosen mitnehmen. Ein unerlässliches Gewürz in der ungarischen Küche, das nicht nur Gulasch oder Pörkölt seinen unvergleichlichen Geschmack verleiht. Auch im Liptauer ist er zu finden. Wer diesen einmal frisch kaufen möchte, der kann dies an einem der großen Stände nahe des Haupteingangs tun.

Dort gibt es nicht nur frischen Liptauer, der in kleine Plastikbehälter für die Kundschaft abgepackt wird, sondern auch bröseligen Topfen – unerlässlich für eines der Nationalgerichte –Topfen-Haluschka (túrós csusza). Beim selben Stand gibt es eine wahre Spezialität, die man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte, wenn man gerne kocht. In Plastikkübeln stehen dort, fein nebeneinander gereiht, fertiger Powidl, Hagebuttenmark, eingekochte Kirschen und eine Art Marillenröster.

Powidl, einkochte Marillen und Kirschen und Hagebuttenmark (c) European Cultural News

Powidl, einkochte Marillen und Kirschen und Hagebuttenmark (c) European Cultural News

Unerlässlich für Mehlspeisen, wer sich aber die Backarbeit nicht antun möchte, der kreiert daraus köstliche Desserts mit Joghurt, Rahm oder Eis. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Weil wir schon bei den süßen Naschereien angelangt sind: Selbstverständlich gibt es auch hier viel Lokales wie Mohn- oder Nussbeugerl, frisches Germgebäck, bei unserem Besuch im Jänner auch noch jede Menge Kekse, Torten und Kuchen.

Noch ein kleiner Tipp für Feinspitze: Wer genau schaut, der findet an einigen Ständen russischen Kaviar. Nicht nur die üblichen Varianten sind zu finden, sondern auch der viel mildere, weil weniger gesalzene Malossol findet seine Abnehmer – zu Preisen, von denen man westlich von Ungarn nur träumen kann. Ein wohl martkhistorisches Überbleibsel aus Zeiten, in denen der Kommunismus vom Ural bis zur Donau die besser betuchtere Bevölkerung mit diesem Luxus versorgte.

Im Souterrain befindet sich seit Kurzem eine Aldi-Filiale, einige Stände mit einer weiteren Spezialität: Eingelegtem Gemüse, das kunstvoll geschichtet, die Kundschaft aus seinen Gläsern anlacht.

Eingelegtes Gemüse in der Markthalle Budapest (c) European Cultural News

Eingelegtes Gemüse in der Markthalle Budapest (c) European Cultural News

Die Fischstände sollte man morgens besuchen, am Nachmittag haben alle, bis auf zwei, schon geschlossen. Und wer Lust hat, kauft sich zur Erinnerung noch ein kleines Mitbringsel für die Küche. Kleine Gulaschkessel, zum Anrichten auf dem Tisch, oder hölzerne Kochlöffel mit Smiley-Branding erinnern auch noch nach Jahren an den Besuch der Markthalle.

Im ersten Stock, in einem schmalen Gang, der rund um die Markthalle verläuft und einen guten Ausblick auf die Stände darunter bietet, werden neben kitschigen, touristisch ausgelegten Handwerksprodukten auch schöne Stickerein und Lederwaren angeboten. Wer suchet, der findet, ist hier die Devise. Wir fanden Gefallen

Perlenbestickte Armbänder aus der Markthalle Budapest (c) European Cultural News

Perlenbestickte Armbänder aus der Markthalle Budapest (c) European Cultural News

an perlenbestickten Haarreifen und Armbändern, die eine der Frauen vor Ort stickte. Wen nach all den zur Schau gestellten Köstlichkeiten der Hunger überkommt, der kann im ersten Stock auch an einigen der Ständen warme Mahlzeiten erwerben. Haute cuisine wird hier nicht angeboten, wer das erwartet, ist hier fehl am Platz. Was hier gekocht wird, ist mit ungarischer Hausmannskost gut umschrieben. Pörkölt – zu deutsch Gulasch, Gulyas – zu deutsch Gulaschsuppe, Kohlrouladen in unterschiedlichen Varianten und vor allem jede nur erdenkliche Art von gebratenen Würsten mit verschiedenen Beilagen, aber auch süß gefüllte Palatschinken. Schön, dass sich Döner und Pizza hier noch nicht ausbreiten konnten. Muße darf man sich bei der Konsumation allerdings nicht erwarten. Der Andrang ist riesig, der Gang mit den schmalen Tischen und hohen barhocker-ähnlichen Stühlen selbst schmal, aber wenn man keine Platzangst hat, dann darf man sich die Gerichte mitten im Trubel der vielen Touristen, hier auch schmecken lassen.

Wer die große Markthalle in Budapest öfter besucht, der kennt bald auch die Gesichter der Verkäuferinnen und Verkäufer. Eine hohe Fluktuation gibt es hier nicht wirklich. Schließlich sind viele Stände auch schon seit Jahrzehnten in Familienbesitz. Auch wenn es in einigen Artikeln im Internet heißt, dass das Angebot dieser Markthalle überteuert sei und auf Touristen ausgerichtet: Unser Eindruck, aus der Sicht von kulinarisch interessierten Menschen und Viel-Kochern ist der einer großen und qualitativ sehr guten Auswahl, zu Preisen, die unter dem österreichischen Niveau liegen. Und last, but not least: Wo sonst als auf Märkten und in Markthallen kann man mittlerweile Lebensmittel in jeder erdenklichen Maß- und Gewichtseinheit noch offen erwerben?

Fazit: Sehens- verkostens- und kaufenswert!

Wer mehr über die Markthallen von Budapest erfahren will, findet hier einen sehr informativen Artikel auf Englisch, der nicht nur die Geschichte, sondern auch die heutige Nutzung der fünf Hallen sehr gut beschreibt.

Hier finden sich, ebenfalls auf Englisch, Videos, Termine und das Angebot einer 4-stündigen Führung und Verkostung in der großen Markthalle.

Hier ein Artikel über die Kaffeehäuser in Budapest: Kaffehäuser in Budapest: Ein Wintermärchen

Kaffeehäuser in Budapest – ein Wintermärchen

Kaffeehäuser in Budapest – ein Wintermärchen

Kaffeehäuser in Budapest – ein Wintermärchen

Von Michaela Preiner

New York Cafe (c) European Cultural News

10.

Januar 2016

In unserer 3-teiligen Serie, die kulinarische Tipps für einen Kurzurlaub in Budapest anbieten, beginnen wir mit einem kleinen Überblick über die traditionsreichsten Kaffees der Stadt.

Wer sich auf den Weg nach Budapest macht, der kann sein Auto getrost zuhause lassen, denn das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist dicht und die Intervalle sind kurz. Dabei spart man Nerven bei der Parkplatzsuche in der Innenstadt, denn die ist völlig verparkt. Budapest bietet vom Luxushotel bis zum sehr günstigen Appartment mitten in der Stadt die ganze Palette an Unterkunftsmöglichkeiten.

Zu sehen gibt es viel und vor allem im Winter, wenn man nicht draußen sitzen kann, unterbricht man die Stadterkundungen gerne mit einem heißen Getränk und einer Mehlspeise in einem der zahlreichen Kaffeehäuser. Wer in Budapest zu Starbucks geht, ist aber selbst schuld. Denn, vergleichbar mit Wien, gibt es eine große Auswahl an richtig schönen Locations mit einem faszinierenden Patisserie-Angebot. Und das in Räumlichkeiten, die zum Teil richtig atemberaubend sind.

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Unsere Top-Empfehlung: Das Kaffee Müvész

Unweit von der Oper – ca. zwei Gehminuten entfernt – ist unser absoluter Favorit. Das Café Müvész in der Andrássy ut 29. Gegründet 1898, bietet es in zwei hintereinander liegenden Räumen den Gästen eine richtig schöne und gemütliche Kaffeehaus-Atmosphäre. Im kleinen Windfang köchelte in den kalten Jännertagen ein Glühweintopf vor sich hin. Im ersten Raum beeindruckt die große, verspiegelte Bar, aber noch viel mehr die beiden Vitrinen mit dem Torten- und Kuchenangebot. Die sich drehenden Kuchen-Etageren zeigen Konditorkunst vom Feinsten. Mohntorte, gefüllt mit säuerlicher Marmelade, Karamellcremetorte in zweierlei Varianten, Sachertorte nach Art von Alain Ducasse – gefüllt mit Schokocreme, Esterhazyschnitten, Dobostorten, Marzipantorten und und und. Weil wir so beeindruckt waren, gibt´s hier einen Videozusammenschnitt, in dem nur ein kleiner Teil der süßen Köstlichkeiten zu sehen ist.

Bedient wird rasch, überaus freundlich und nobel gestylt; ganz im Müvész-Look in Schwarz, mit goldenen Krawatten, sowohl für die Damen als auch für die Herren. Die Backstube grenzt an den zweiten Gastraum und öffnete sich während der beiden Stunden, die wir dort verbrachten häufig, da Personal beständig frischen Torten-Nachschub zum Auffüllen der Vitrinen brachte. Anders als im wesentlich berühmteren Kaffeehaus Gerbeaud, ist im Müvész, das sich in seiner Karte auch „Das kleine Gerbeaud“ betitelt, vorwiegend heimisches Publikum anzutreffen.

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Die freundliche Bedienung im Kaffee Müvész (c) European Cultural News

Eins gleich vorweg. Das Müvész ist zwar wesentlich kleiner als das Gerbeaud am Vörösmarty tér. Die Auswahl an Torten, aber auch an Snacks – begonnen vom Frühstück bis hin zu warmen Speisen und Salaten, ist jedoch im Müvész wesentlich größer. Das historische Ambiente und das gedämpfte Licht erwecken den Eindruck, als ob an diesem Ort die Zeit stehen geblieben sei. Das Angebot an traditioneller und zeitgemäßer Patisserie zeigt aber, dass hier mit Herz und Verstand gleichzeitig gearbeitet wird, um die Gäste rundum zufriedenzustellen. Es gibt in Budapest zwar noch wesentlich beeindruckendere Kaffeehäuser, was das Ambiente betrifft. Nirgends jedoch fühlten wir uns so wohl und waren von der Auswahl so überzeugt.

Die Mohntorte war saftig, mit wunderbaren feinen Schichten von säuerlicher Marmelade und die Karamelltorte aufgrund der lockeren Karamellcreme überhaupt nicht mächtig. Hätten wir nicht auch noch ein Abendessen geplant gehabt, wir hätten uns jeder noch eine weitere Torte gegönnt.

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Und auch die Preise sind wesentlich moderater als in jenen Kaffees, die wir noch besuchten. Erstaunlich, denn die Qualität war wesentlich überzeugender als sonst wo. Ganz dem Trend der Zeit folgend, gibt es seit Kurzem noch einen zweiten Ableger. Ebenfalls in der Andrássy ut, einige hundert Meter weiter Richtung stadtauswärts auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bietet Müvész auch eine Location ganz im Lounge-Stil an. Verglast an den beiden Außenseiten, ist das Lokal hell und freundlich und ganz im Geschmack für ein junges, urbanes Publikum eingerichtet.

Das „Book Café“ – ein „Must see“ in Budapest

Nur wenige Schritte weiter, in der Andrássy ut 39, befindet sich im ehemals ältesten Kaufhaus von Budapest das „Book Café“. Seinen Namen trägt es, weil es über dem zweiten Stockwerk eines Buchgeschäftes untergebracht ist. Von außen ist davon aber gar nichts zu sehen.

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Der Bookstore „Alexandra“, den es in Budapest mehrfach gibt, profitiert sicherlich von diesem Kaffee, denn jeder, der dort hin möchte, muss zwangsläufig an den vielen Buchregalen vorbei. Ich persönlich kann mir keine schönere Kombination vorstellen, wenngleich das Angebot an fremdsprachigen Büchern eher klein ist. Im Kaffee selbst wird man mittels einer Hinweistafel am Eingang gebeten, auf das Personal zu warten, das einen zu einem freien Tisch bringt. Das macht Sinn vor allem zu Stoßzeiten, wenn viele Gäste das Kaffee besuchen möchten. Wenn es keine Plätze mehr gibt, dann heißt es warten, aber es ist nicht möglich, sich im großzügigen historistisch eingerichteten Saal umzusehen. Wenn der Andrang jedoch vorbei ist, dann wird das Schild entfernt und man darf sich selbst einen Tisch aussuchen. Eine große Auswahl an frei aufliegenden Zeitungen und ein Pianist bieten neben den lukullischen Genüssen weitere Möglichkeiten der Zerstreuung. Aber eigentlich reicht es, wenn man sich ganz dem Ambiente selbst widmet.

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Die Decke ist mit zahlreichen Gemälden von Károly Lotz ausstaffiert und man wird nicht müde, sich diese anzusehen. Ursprünglich wurde der atemberaubende Saal als Ballsaal benutzt, was man sich auch heute noch sehr gut vorstellen kann. Lotz wurde zu seiner Zeit als „Fürst unter den ungarischen Künstlern“ bezeichnet und seine Bilder befinden sich im Szépművészeti Múzeum, das jedoch noch bis 2018 wegen Umbau geschlossen ist. Kleine Ankedote am Rande: Lotz wurde 1885 Dekan der neu gegründeten Abteilung „Malen für Frauen“ an der Kunstakademie in Budapest. Ein ehemals revolutionärer Schritt in Richtung Gleichberechtigung.
Neben dem traditionellen Tortenangebot lockt auch eine Vitrine mit Snacks. Sowohl die konsumierte Dobos- als auch die Esterhazytorte waren gut, ihnen fehlte aber dennoch das klitzekleine Etwas, das diese Torten so unwiderstehlich macht. Mit den heißen Getränken – wie zum Beispiel einer ganzen Reihe von aromatisierten Kaffees – holte sich das Kaffee jedoch wieder Pluspunkte bei uns. Aber ehrlich gestanden: Wir würden alleine wegen des wunderbaren Saales wieder hingehen. Das Personal – jung und dynamisch – war zuvorkommend, rasch und aufmerksam. Im Sommer ist auch die Dachterrasse geöffnet. Sicherlich eine tolle Alternative, denn von dort soll man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt haben. Die in großer Zahl gezückten Handys, mit Fotofunktion in jede erdenkliche Richtung gehalten, machten klar, dass zumindest die Hälfte der Gäste aus Touristen bestand.

Das Kaffee „New York“ – mehr Prunk im Kaffeehaus geht nicht

Im Erdgeschoss des Boscolo Hotels, an der Erzsébet körút 9–11, befindet sich das Restaurant und das Café „New York“. Was die Architektur betrifft, so darf es in einen Wettstreit mit dem „Book Café“ treten. Der Unterschied: Das New York ist auf mehrere Räumlichkeiten und mehrere Ebenen aufgeteilt. Der Prunk ist noch größer – mehr Gold und mehr Marmor, mehr Stuck und mehr Säulen. Das Hotel, das Restaurant und das Kaffeehaus wurden erst vor einigen Jahren nach langer Umbauzeit neu eröffnet.

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New York

Das kulinarische Angebot unterscheidet sich erheblich von dem eines alteingesessenen Budapester Hauses. Hier bietet man Patisserie an, die man genauso gut in Strasbourg oder Paris finden könnte. Kleine, süße Kreationen, elegant angerichtet, mit einem dementsprechenden Preis. Einziger Wermutstropfen: Hier gibt es nichts Süßes unter 8 Euro. Alles, was wir jedoch konsumierten, war zu empfehlen. Eine mit Pistazienpuder bestäubte Creme in Halbkugelform, gefüllt mit knusprigem Innenleben, hatte an ihrer Seite grünes, süßes, essbares Moos und gewürzte Weichseln. Nicht nur für den Gaumen toll. Der Topfenkuchen nach „Rákóczi” – Art wird von Aprikoseneis begleitet und der ungarische Haselnusskuchen machte geschmacklich seiner Hauptzutat alle Ehre.

Wie im „Book Café“ bietet auch hier ein Pianist eine musikalische Untermalung an. Immer jedoch so, dass man sich ohne Mühe nebenher gut unterhalten kann. Bei unserem späten Besuch – es war schon nach 22 Uhr – hörten wir die Ober ausschließlich in Englisch bedienen. Ein Hinweis auf rein internationale Gäste, die dieses Surrounding nicht verpassen wollten. Nicht ganz zu Unrecht findet sich auf der Internetseite des Cafe New York die Bezeichnung „Das schönste Café der Welt“. Und was man nicht vergessen darf: Es ist wohl das einzige Kaffee in Budapest, das tagtäglich bis 24 Uhr geöffnet hat. Also wunderbar geeignet, nach einem Opern- oder Konzertbesuch den Abend ausklingen zu lassen.

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Der Klassiker in Budapest: Das Gerbeaud

Bislang gab es keinen Budapest-Besuch, bei dem wir nicht einen kleinen Abstecher ins Gerbeaud machten. Das große Haus am Vörösmarty tér, lockte immer mit seinen fantastischen Torten. Dieses Mal waren wir aber etwas enttäuscht. Vielleicht lag es daran, dass wir einem sehr zugigen Tisch in der Nähe des Eingangs zugeteilt wurden. Vielleicht, weil der Kaffee alles andere als gut schmeckte. Vielleicht auch, weil das Tortenangebot, als wir das Kaffeehaus freitags um 17.30 Uhr besuchten, sehr überschaubar war. Da nützten auch die kleinen Kunstwerke in der Vitrine, die man komplett als Take-away für zuhause kaufen konnte, nichts.

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Die zu einem Kegel aufgetürmten Macarons waren wunderbar anzusehen, kann man aber mittlerweile rund um den Globus kaufen. Das Angebot an Pralinen und anderen schokoladigen Erzeugnissen ist ein schönes und exklusives Mitbringsel aus Budapest. Für die Verkostung vor Ort aber eher ungeeignet. Vielleicht hatten wir an diesem Tag einfach Pech, was die Auswahl betrifft. Die Karte mit insgesamt 12 Torten, die im Internet abrufbar ist, wurde uns leider nicht angeboten, die Vitrine wirkte beinahe ausgeräumt. Wir entschieden uns dann für eine Gerbeaud-Schnitte mit Walnüssen und Aprikosenmarmelade, die schön saftig und schokoladig war und eine Dobos-Torte mit einem herrlich knusprigen und dennoch leichten Karamelldeckelchen. So wie sie sein soll.

Die köstliche, heiße Schokolade mit Kokos war mit Kokosspänen aufgepeppt. Einheimische holten sich Patisserie zum Mitnachhausenehmen von der Theke, in den Räumen selbst hörten wir jedoch an keinem Tisch ein ungarisches Wort. Die Bedienung war sehr zuvorkommend und höflich und sprach fließend Englisch. Fazit: Das, was wir konsumierten, war – bis auf den Kaffee, der ohne Milch säuerlich schmeckte – sehr gut. Allerdings hätten wir uns eine größere Auswahl gewünscht.

Die Kaffeehäuser in Budapest, zumindest die hier beschriebenen, sind alleine schon eine Reise in diese schöne Stadt wert. Was wir dort gastronomisch sonst noch entdeckten, davon berichten wir in Kürze!

Der Artikel über die Markthalle in Budapest: Alles was das Herz begehrt.

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Ich bin glücklich, dass alles so gekommen ist

Ich bin glücklich, dass alles so gekommen ist

Ein Interview mit dem Dirigenten Jakub Hrůša anlässlich seines Debuts an der Wiener Staatsoper. In der Regie von Peter Stein hat er mit dem Orchester und den Sängerinnen und Sängern „Věc Makropulos“ von Leos Janáček erarbeitet. Eine Oper, die bislang im Haus am Ring noch nie aufgeführt wurde.

Herr Hrůša, ich hatte vor fünf Jahren die Gelegenheit, mit Ihnen ein Interview zu führen. In diesen Jahren hatten Sie sehr viel Erfolg.

Ja, das hatte ich!

Haben Sie damit gerechnet?

Ich habe mir natürlich gewünscht, dass das passieren würde und ich bin tatsächlich sehr glücklich, dass alles so gekommen ist.

Was war denn das Highlight für Sie?

Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Als Highlights würde ich den Kontakt mit Orchestern bezeichnen, mit denen ich mehrfach zusammenarbeiten durfte. Natürlich ist es auch schön, wenn man nur einmal wo hinkommt. Aber noch schöner ist es, wenn man wieder eingeladen wird und eine reguläre Arbeit beginnen kann. Und das passierte mit einigen Institutionen. Da ist das Philharmonia Orchestra in London, in dem ich mich wirklich als Teil der Familie fühle. Das Cleveland Orchestra in den USA, auch dort habe ich das gleiche Gefühl. Dann wurde ich natürlich Teil der Familie der Tschechischen Philharmonie, was genauso schön ist, denn dieses Orchester bewegt sich auf einem wunderbaren Weg qualitativ nach oben. Und dann noch zum Schluss natürlich die Bamberger Symphoniker, denn dort werde ich ab nächstem Jahr der Chefdirigent sein.

Herzliche Gratulation dazu!

Das ist fantastisch! Dann gab es auch noch andere, bedeutende Erfolgsstationen wie jene in der Pariser Oper mit Rusalka, was wirklich sehr schön war. Und letzte Woche war ich beim Concertgebouw Orchester in Amsterdam. Das war auch ein unglaubliches Highlight, das ich wirklich sehr genossen habe. Und jetzt Wien, das darf ich natürlich auch nicht vergessen!

Wie oft haben Sie denn schon mit dem Orchester geprobt?

Bis jetzt 6 Mal.

Dann haben Sie schon ein Gefühl für das Orchester bekommen?

Oh ja. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass das System sehr kompliziert ist. Sie haben nicht jeden Tag dasselbe Orchester vor sich. Das ist komplexer. Ich habe das Gefühl von einer sehr schönen Resonanz, einem schöne Energiefluss und spüre ein unglaubliches Potenzial. Dabei darf man nich vergessen, dass die Oper „Die Sache Makropoulos“ wirklich ganz enorm schwierig ist. Das ist wirklich ein harter Brocken.
Sogar so ein großartiges Orchester wie das Orchester der Wiener Staatsoper, die Wiener Philharmoniker, wie auch jedes andere Orchester auf der Welt hat mit diesem Stück gewisse Schwierigkeiten. Jedes Orchester. Die Musik ist in einer sehr herausfordernden Art geschrieben.

Was genau ist das Schwierige daran?

Es ist einfach unglaublich schwer zu spielen. Es ist sehr komplex, technisch kompliziert, ungewöhnlich, extrem, verrückt. Ich glaube Janáček hat in dieser Oper sehr viel experimentiert. Auch, wie weit er bei seinen Erforschungen in die Randgebiete von orchestraler Kultur gehen konnte. Es gibt zwar nichts was unspielbar ist, aber einige Passagen sind beinahe unspielbar, gehen an die Grenze zu dem, was noch spielbar ist.

Haben die Mitglieder des Orchesters, als sie erfuhren, was auf sie
zukommt vielleicht „Ach du meine Güte“ ausgerufen?

Ich weiß nicht, was sie gesagt haben. Aber ich weiß, dass sie eine unglaubliche Kapazität haben, um jeden einzelnen Teil der Oper noch zu verbessern. Die Qualität steigt beim Arbeiten umgehend an und es ist wirklich bemerkenswert, wie schnell dieser Fortschritt sein kann. Aber die Oper ist lang und es gibt wirklich viele schwierige Stellen. Natürlich muss man da auch geduldig sein, um Schritt für Schritt zum erwünschten Ergebnis zu kommen.

Wie geht es den Sängerinnen und Sängern mit dieser Oper?

Die Gesangspartien sind genauso schwierig, auch ist der Charakter manches Mal nicht gesanglich, sondern erscheint instrumental. Aber ehrlicherweise muss ich sagen, dass alle sehr gut vorbereitet kamen. Alle haben die Arbeit sehr ernst genommen. Für ein oder zwei von ihnen war es rhythmisch auch sehr schwierig, denn es ist richtige
zeitgenössische Musik. Sich das zu merken, mit dem Bühnenauftritt zu verbinden und noch dazu in tschechischer Sprache zu singen, die für niemanden die Muttersprache ist, das ist für mich wirklich bewundernswert. Alle bemühen sich unglaublich, um das Beste daraus zu machen.

Der Dirigent Jakub Hrůša (c) Petra Klackova

Der Dirigent Jakub Hrůša (c) Petra Klackova

Würden Sie sich selbst als Spezialist für tschechische Musik bezeichnen?

Ja, obwohl ich mir selbst nicht dieses Label geben möchte. Ich fühle mich zwar schon so, aber es ist nicht das einzige Gebiet auf dem ich agiere. Zwar bin ich vielleicht tatsächlich ein Experte, was tschechische Komponisten betrifft, das ist ganz natürlich. Aber das ist nicht der größte Teil meiner Aktivitäten.

Was ist der größte Teil Ihrer Arbeit?

Es gibt eigentlich keinen größten Teil. Es gibt keinen Fokus, kein Label, kein spezielles Fach, keine Bestimmung. Ich versuche aber bewusst, die tschechische Musik nicht überhand nehmen zu lassen. Es ist nicht gut, wenn man Kontakt mit dem internationalen Repertoire verliert. Zugleich aber möchte ich den Kontakt mit dem tschechischen Repertoire auch nicht verlieren. Ich versuche, da eine Balance zu finden und ich glaube, dass das auch ausgeglichen ist. Ich mache großartige Sachen im Bereich der tschechischen Musik aber zugleich auch jener von anderen Nationen.

Bei unserem letzten Gespräch erzählten Sie, dass Sie sowohl Opern als auch Konzerte gleich gerne dirigieren würden.

Ja, das stimmt.

Gilt das für Sie auch jetzt noch oder präferieren Sie mittlerweile etwas?

Ich glaube, das werde ich nie tun. Die Möglichkeit, beides zu machen, ist sehr gesund. Bei der Oper stellt man den Fokus anders ein. Zwar lebt man auch mit den Details, aber in einer anderen Art und Weise als man das in der Vorbereitung zu einem Konzert macht. Bei einem Konzert kann man eine ganze lange Weile mit einer Seite der Partitur zubringen, sich darauf fokussieren und immer wieder und wieder proben. Natürlich nicht unbegrenzt. Es gibt natürlich ein Zeitlimit, physische Zeit ist nicht unbegrenzt vorhanden. Aber man kann sich mit Details beschäftigen, was im System eines Opernhauses normalerweise nicht möglich ist. Obwohl es auch da Ausnahmen gibt. In Glyndebourne zum Beispiel arbeitet man mit dem Orchester und den Sängern sehr genau bis ins Detail. Andererseits lernt man bei der Oper auf größere Zusammenhänge zu achten. Man lernt, wie man diesen Zusammenhänge Sinn, Architektur und eine Richtung gibt.

Haben Sie den Eindruck, dass das Philharmonische Orchester einen ganz
bestimmten Klang hat?

Ja, definitiv. Das hängt auch mit den Instrumenten zusammen. Es ist wirklich unglaublich, wie viel Volumen dieses Orchester ganz ohne Druck erzeugen kann. Außerdem ist die Akustik des Hauses sehr schön. Das hat etwas Besonderes.

Im Orchester gibt es ja sehr viele sehr teure Instrumente.

Ja klar, aber die Instrumente würden nichts bedeuten, wenn sie nicht in der Hand von wunderbaren Spielern wären. Aber natürlich sind sie auch ein Teil des Ergebnisses.

Es ist Ihre erste Zusammenarbeit mit Peter Stein. Wie geht es Ihnen damit?

Ich fühle mich sehr wohl. Er ist ein richtiger Partner. Man spürt, dass er eine richtige Autorität ist, dass er natürlich auch sehr genaue Vorstellungen hat. Aber diese Vorstellungen haben nichts Künstliches an sich. Diese Ideen sind stark, weil er sie in einer autoritären Hilfestellung dem Kunstwerk zukommen lässt. Natürlich sind sie auch ganz persönlich. Eine andere Person würde andere Meinungen und Vorstellungen haben, das ist ja logisch. Sie sind subjektiv, wir sind alle subjektiv.
Er hat eine unglaubliche Erfahrung und hat schon so viel gemacht. Und er hat wunderbar mit dem Team gearbeitet. Er ist gegenüber der Musik sehr feinfühlig, auch gegenüber der Arbeit an der Musik. Und er geht mit der Partitur und dem Libretto sehr gewissenhaft um. Es war für mich eine der glücklichsten Gemeinschaftsarbeiten.

Haben Sie weitere Einladungen in größere Häuser in nächster Zeit?

Ja, nicht nur in eine. Es schaut so aus, als ob sich die Opernwelt für mich gerade noch stärker öffnen würde als bisher. Ich bin im Moment tatsächlich in einer schwierigen Situation, da ich Angebote ablehnen muss. Es gibt einige Überschneidungen von Einladungen, und mit blutendem Herzen kann ich mich nur für jeweils eine entscheiden. Auch weil ich nicht von einem Ort an den anderen hetzen möchte. Einige Dirigenten machen das, aber ich möchte gerne lang genug bleiben können, um Teil des Teams zu werden. Manche kommen zum spätest möglichen Zeitpunk und arbeiten dann womöglich noch ohne dass sie zuvor Kontakt mit den Sängern hatten. Aber das mache ich nicht. Deswegen muss ich auswählen. Das ist nicht immer leicht. Manches Mal ist es ein bestimmtes Stück, dem man den Vorzug gibt. Manches Mal hat es mit dem Ort selbst zu tun, wenn er sehr prestigeträchtig ist. Manches Mal entscheidet man sich, weil die Partner, der Direktor oder die Sänger wunderbar sind. Die Entscheidung ist manches Mal eine richtig schwierige Aufgabe. Aber natürlich auch eine schöne Aufgabe! Das ist viel besser, als wenn man sich zwischen zwei Varianten Freizeit entscheiden muss, weil man keine Arbeit hat. Aber ich kann mich nicht beschweren.

Ich hoffe, dass wir uns in fünf Jahren wieder treffen!

Ja, spätestens!

Einmal zu den Besten gehören

Einmal zu den Besten gehören

Auf die Posten fertig los! So hieß es im Sommer für 22 Lehrlingsteams der österreichischen Spitzengastronomie.
Am 25. Dezember wurden im Rathaus in Wien die Siegerteams des „Wettkampf der Top-Lehrlinge 2015“ gekürt. In Anwesenheit des französischen Spitzenkochs Jérôme Rigaud und Werner Matt, Doyen der österreichischen Gastronomieszene.

Die Weihnachtsstände vor dem Rathaus locken mit ihrem bunt glitzernden Angebot an Christbaumkugeln, Schmuck und Spielzeug . An einer Ecke duften süßlich kandierte Mandeln und Haselnüsse. An einer anderen locken Germmehlspeisen, die gerade in Fett gebacken werden. Und da ist dann noch dieser allgegenwärtige Punschgeruch den man mag, oder auch nicht. Am 25. November ahnten die wenigsten Besucher am Rathausplatz, dass es in der Bel Etage des großen Amtsgebäudes zumindest am frühen Abend noch hektisch zuging.

Denn bereits zum 8. Mal fand dort die Verleihung der Preise des „Wettkampf der Top-Lehrlinge 2015“ des „Amuse bouche“ statt. Eine Auszeichnung für herausragende Leistungen im Gastgewerbe, die zeigt, dass Kreativität und Fleiß nach wie vor belohnt werden. Um die Besucherinnen und Besucher gebührend zu begrüßen, gab´s zu Beginn ein Spalier des Gastro-Nachwuchses entlang der Festtreppe. Der stilvolle Rahmen des Festsaals im Wiener Rathaus platzte mit 1200 Gästen aus der Top-Gastronomie und Hotellerie beinahe aus allen Nähten.

Und damit es nicht nur beim Lippenbekenntnis eines Gaumenkitzels blieb, verwöhnten Unternehmen der Wiener Spitzengastronomie die Gäste mit wunderbaren Überraschungen im Glas oder am Teller, die wahre Geschmacksexplosionen bereithielten. „Topinamburmousse mit Apfelchutney und hausgeräuchertem Bauchspeck“, eine Kreation des Sternekochs Bernhard Frais vom Imperial Riding School Renaissance Hotel, lockte gleich nach dem Eingang in den Festsaal. Rainer Kratzer vom Grand Hotel Wien präsentierte „In Limonenöl gebeizter Seesaibling mit Kürbiscreme auf gepopptem Wildreis und Blutampfer“. Das Palais Hansen Kempinski verwöhnte mit einer Kreation von Anton Pozek: „Fermentierte Karotte auf Quinoasalat mit Grapefruitgel und –eis dazu Crunch und Marmelade von der Zwiebel“.

Die Nominierten der Amuse Bouche Preisverleihung (c) European Cultural News

Die Nominierten der Amuse Bouche Preisverleihung (c) European Cultural News

 

Die absoluten Stars des Abends jedoch waren jene acht Mannschaften, die nach zwei Ausscheidungsrunden mit insgesamt 22 teilnehmenden Hotels das Finale erreichten.
Dafür ritterten sowohl die Damen und Herren aus der Küche als auch aus dem Service mit frischen Ideen. Die Spannung unter den Teilnehmenden lag in der Luft, als sie das erste Mal auf die Bühne gerufen wurden. Köchinnen und Köche waren dafür ganz in Weiß gekleidet, das Service trug schwarz Schürzen. Eine schöne Idee, nicht nur die Leistungen aus der Küche zu bewerten, sondern auch jene des Personals, das direkt mit dem Gast in Verbindung steht. Das eine ist ohne das andere nicht möglich, wird aber oft in den Hintergrund gedrängt.

Jérôme Rigaud, Starkoch aus Frankreich mit erfolgreichen Stationen im Kreml, auf Mauritius oder im Yachtclub von Monte Carlo, überreichte die Auszeichnungen an die zu Recht stolzen, jungen Mannschaften. Ihm zur Seite Piroska Payer, Organisatorin des Events, die mit Schwung durch den Abend führte. Der Höhepunkt, die Verleihung der drei ersten Plätze, gestaltete sich zum Freudenfest nicht nur für die Siegerinnen und Sieger. Vor allem die Ausbildenden konnten dabei erleben, dass konsequente und ideenreiche Führung von jungen Menschen diese zu Höchstmotivationen anspornt.

Den 1. Platz errangen Vivien Legat (Service) und Rebecca Hohensinner (Küche) vom Interalpen-Hotel Tyrol. „Ich glaube, dass unser Live-Act ganz besonders war“, erklärt Hohensinner mit einem Strahlen im Gesicht ihren Erfolg. „Wir haben das Dessert direkt auf dem Tischtuch ohne Teller angerichtet. Einen American-Cheescake mit Südfrüchte-Variation und Schokolade. Die Idee hab` ich mir aus einem Lokal in Chicago abgeschaut.“ Jakobsmuschel mit Selchspeck und Zitronenmelisse gab´s als Amuse bouche, Petersilwurzelvariation mit in Butter confierten Chamgignons und Birnen wurde als Vorspeise serviert, Saibling mit Semmelkren und Zwiebelaromen bildeten den Zwischengang und confiertes Perlhuhn mit Blumenkohl wurde als Hauptgang gereicht – vor dem überraschenden grande finale. Die überglückliche Jung-Köchin hat große Pläne. „Ich würde gerne in die Schweiz gehen.“ Am liebsten zu Tanja Grandits, die in Basel ihre Aromenküche zelebriert. Aber sie freut sich auch über die Connections, die sie mit der Auszeichnung in die Wiener Gastronomie erhält.

Auf dem 2. Platz landeten Shari Naumann (Service) und Laura Kumer (Küche) vom Werzer´s Pörtschach, das erstmals an diesem Wettbewerb teilgenommen hatte. Das Top-Lehrlings-Team Le Méridien Vienna mit Pia Stadler (Service) und Nikodemus Berger (Küche) durfte sich über den dritten Platz freuen.

Erstmals an diesem Abend wurde auch ein Innovationspreis vergeben, den Bernhard Smola (Service) und Daniel Schüttengruber (Küche) vom  „Arcotel Kaiserwasser“ für einen Räucheract direkt am Gästetisch einheimsten.

Die Veranstaltung, die zu den wenigen großen in Österreich gehört, bei denen sich die Top-Performer treffen, bietet auch immer reichlich Gelegenheit zum Netzwerken, nicht nur unter den Jungen. Werner Matt, Doyen unter den heimischen Spitzenköchen, ließ es sich nicht nehmen, den Event zu besuchen und viele der heutigen Top-Köche wieder zu treffen, die einmal mit und unter ihm gearbeitet haben.

Beim Nachhausegehen haben die Stände am Weihnachtsmarkt schon geschlossen. Gut so, denn nach den lukullischen Höhenflügen im Rathaus würde auch das beste Mitnehm-Angebot wahrscheinlich niemanden mehr von den Gästen reizen. Außer vielleicht das Angebot der Punsch-Stände, an denen der eine oder die andere noch einmal auf den Erfolg angestoßen hätte.

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