Ein gefährlicher Lebenstraum mit Happyend

Ein gefährlicher Lebenstraum mit Happyend

Ein gefährlicher Lebenstraum mit Happyend

Von Michaela Preiner

Kleines Monster Monstantin (Foto: LILARUM)

21.

September 2017

Das Zerplatzen eines großen Lebenstraumes, Gefängnis, ein bestechlicher Minister und eine Demonstration. Das hört sich zwar nicht wirklich nach einem Theaterstück für die Allerkleinsten an. Im Lilarum jedoch erlebt das kleine Monster Monstantin all diese Episoden in seinem Leben und das junge Publikum fiebert mit ihm heftig mit.

Die neueste Produktion des Puppentheaters (Regie Karin Koller) folgt wie immer einem bewährten Schema. Eine spannende Geschichte (Christian Berg), viel Musik (Gilbert Handler) und originelle Puppen in einem bezaubernden Bühnenbild (Andrea Gergely) ergeben ein stimmiges Ganzes, an dem das jüngste Theaterpublikum seine Freude hat.

Dieses Mal ist es ganz besonders die Lichtführung, die nicht nur die Kleinen bezaubert. Ob blau oder orange, Monstantin erlebt seine Abenteuer in einem Surrounding, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Eigentlich soll er als kleines Monster in einer Wiener Geisterbahn die Menschen erschrecken. Aber er widmet sich viel lieber seinem Keyboard und singt selbst komponierte Lieder. Da liegt es auf der Hand, dass der Geisterbahnbesitzer das kleine Monster feuern muss. Monster Monstantin ist darüber aber nicht traurig. Vielmehr macht es sich an einem Ort gemütlich, an dem auch andere seltsame Wesen hausen. Wie die Hexe Ene-meine Helene mit ihrer spitzen Karottennase, die nicht fliegen kann und der Drache Schluck, der zwar von Schluckauf geplagt wird, aber leider nicht Feuer speit.

LILARUM Monstantin Hexe Enemeene Marlene

Die Hexe Enemeene Marlene (Foto:LILARUM)

Als Monstantin zu Ohren kommt, dass der König des Landes einen Gesangwettbewerb für all seine Untertanen ausgeschrieben hat, gibt es kein Halten für ihn. Bis das sangesfreudige Monster jedoch die ihm gebührende Anerkennung erreicht, hat es so manche Abenteuer zu bestehen, denn seine aufmüpfige Art gegenüber dem König, bringt ihn ganz schön in Bedrängnis.

In Nebenrollen tauchen auch die Bremer Stadtmusikanten, der Gestiefelte Kater, kluge Roboter und eine hilfreiche Spinne auf. Ein empfehlenswertes Augen- und Ohrenfutter.

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Kleine Teebeutel und gefährliche Abenteuer

Kleine Teebeutel und gefährliche Abenteuer

Die Gegenüberstellung zeigt deutlich, wie breit das Kindertheaterhaus im Museumsquartier unter Corinne Eckenstein aufgestellt ist.

Wasserkesselpauken-Pfeifensinfonie

wasserkessel teebeutelleine c Peter Ketturkat

Wasserkesselpaukenpfeifensinfonie (c) Peter Ketturkat

Im dunklen Raum zu sitzen ist für 3-Jährige gar nicht so einfach. Umso erstaunlicher, dass Peter Ketturkat mit seiner Teebeutelgeschichte es schafft, die Kinder über 45 Minuten ruhig zu halten. Ein Zeichen, wie spannend das Abenteuer rund um den Tyrannen in Espresso-Maschinen-Gestalt für das junge Publikum ist. Bei den ersten Sätzen meint man, Ketturkat hätte eine Persiflage auf jenen Mann geschrieben, der derzeit als Präsident nicht nur Amerika in Atem hält. „Ein böser Geist war in die Welt gekommen“, heißt es da und weiter „Ich, ich, ich haben!“ Aber bald schon merkt man, dass es sich um eine allzeit gültige Geschichte handelt. Um das Böse, das einmal an der Macht, die Menschen mit ihrer Poesie zum Verstummen bringt.

Da werden kleine Teebeutel aus aller Herren Länder auf Miniaturwäscheleinen aufgehängt und ganz frech gestohlen. Da fiebern die Kinder mit den kleinen Geschirrtuch-Figürchen mit, die sich gegen das große Monster behaupten müssen. Und schließlich entpuppt sich so mancher Teekessel als kleines, künstlerisches Universum in dem es grünt und blüht. Wie schön, dass am Ende die Welt der kleinen Püppchen nicht mehr auf dem Kopf steht und das Monster mit Häkeldeckchen unschädlich gemacht werden konnte. Da kann man einmal sehen, wofür eine gediegene Handarbeit gut sein kann!

„Der Trommler“

Der Trommler 3 c Reinhard Werner

Der Trommler (c) Reinhard Werner

Ganz anders hingegen „Der Trommler“, die Geschichte eines jungen Mannes und einer auf einem Eisberg gefangen gehaltenen Prinzessin. Bis er diese aus den Fängen der unbarmherzigen Hexe befreien kann, muss er einige Abenteuer bestehen. Inszeniert von der Wiener Taschenoper, die – wie es aus ihrem Namen zu erkennen ist – ausschließlich Opern produziert, handelt es sich dabei um eine Aufführung mit Live-Musik. War bei der vorangegangenen Produktion Wolfgang Mitterer für die Musik von „Schneewittchen“ verantwortlich, die im Muth zur Aufführung kam, ist es dieses Mal Martin Brandlmayr. Er sorgt auch am Schlagzeug neben Melissa Coleman am Cello und Bernhard Höchtel am Klavier für das musikalische Live-Erlebnis. Dafür schuf er ein durchgehend atonal klingendes Oeuvre. Erst in der allerletzten Nummer, in der das Ensemble einen kleinen Chor bildet, darf man vereinzelt Humperdinck´sche Klänge erhaschen. Interessant ist seine Arbeit vor allem, weil sich das zeitgenössische Kompositionsgeschehen der Atonalität nur mehr als einer von vielen Ausdrucksmöglichkeiten bedient. Es entsteht beinahe der Eindruck, als ob Brandlmayr mit seiner Komposition ganz bewusst einen Rückgriff auf eine musikalische Tradition gemacht hat, die nun schon auf eine rund 100-jährige Geschichte zurückblicken kann.

Der Trommler 7 c Reinhard Werner

Der Trommler (c) Reinhard Werner

Dennoch hat er es geschafft, die einzelnen Figuren mit unterschiedlichen, musikalischen Charakteren zu besetzen. Das sparsame, aber zugleich durch gekonnten Lichteinsatz sehr effektive Bühnenbild (Harald Thor), ist zugleich eine Herausforderung für die Sängerinnen und Sänger. Denn eine Schräge zu bespielen erfordert noch ein wenig mehr an Konzentration als dies sonst der Fall ist. Bestens disponiert zeigten sich Andrés Alzate als furchtloser Trommler, Katharina Adamcyk als verführerische Königstochter, Andreas Jankowitsch als furchteinflößender Riese und Tina Drole als bestialische Hexe. Heftige Reaktionen gab es vom jungen Publikum als sich die Hexe dem Trommler gefährlich näherte, schließlich aber doch – Ende gut, alles gut –  von den roten Flammen verschluckt wurde. Dass die Musik in diesen aufregenden Augenblicken im Kindergeschrei unterging zeigt, dass Jefgenij Sitochin mit seiner Regie ganze Arbeit leistete.

Theater für die  Allerkleinsten ist ganz schön anstrengend

Theater für die Allerkleinsten ist ganz schön anstrengend

Der Boden des Raumes ist mit warmem Schaumstoff rot ausgelegt. Im Karree stehen unterschiedliche, kleine Lümmel-Inseln, auf denen es sich die Allerkleinsten mit ihren Eltern gemütlich machen. So lange sie wollen und wie sie wollen. Ob sie beim Theater für Kinder ab 12 Monaten auch aktiv mitmachen oder nicht, bleibt ganz ihnen überlassen.

Sanja und Till lieben Wien

„Baja Buf“ nennt sich die Produktion von Vrum, einem Künstlerkollektiv, das schon seit vielen Jahren mit seinen Jugendproduktionen international unterwegs und nun in Wien angekommen ist. Die kroatische Choreografin und Tänzerin Sanja Frühwald und ihr Mann Till, aus Deutschland stammend, haben sich beim Studium in Salzburg kennengelernt. Seither ist einige Zeit vergangen, eine Familie wurde gegründet, das jüngste Mitglied ist gerade einmal 2 Monate alt. Und nun leben sie in Wien. Nicht nur ein Kompromiss zwischen Kroatien und Deutschland, sondern sie fühlen sich hier sehr wohl, wie sie betonen.

Sanja c Petar Borovec

Sanja Frühwald (c) Petar Borovec

Till agiert in dieser Saison gleich mehrfach im Dschungel. Einerseits ist er in interschiedlichen Rollen in der Pinocchio-Produktion zu sehen, andererseits performt er mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen bei Baja Buf. In dieser Inszenierung geht es nicht darum, den Allerkleinsten einen Plot vorzuspielen, was auch nicht funktionieren würde. Vielmehr nehmen Till Frühwald, Ana Mrak,
Raphael Nicholas und Asher O’Gorman Bewegungsmuster ihres quietschfidelen Publikums auf und spiegeln diese. Dabei wechseln sie zwischen dem einen und dem anderen Winzling. Zum Beispiel jenem, der es sich auf dem roten, weichen Kunststoffboden bequem gemacht hat, dann plötzlich zu laufen anfängt und die kleinen Arme weit nach oben reckt. Und dorthin zeigt, wo die hellen Scheinwerfer zu sehen sind.

Spiegeln bedeutet nicht, sich lustig machen

„Uns ist es wichtig, ganz bei den Kindern und ihren Aktivitäten zu sein, sonst würde die Performance nicht funktionieren“. Till hat uneingeschränkt Recht, denn die Gratwanderung zwischen einer subtilen Interaktion und einer reinen Vergrößerung des Bewegungskanons ist schmal.

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Till Frühwald (c) Henrik Pfeifer

„Es geht darum, den Kindern die Bewegung ihres eigenen Körpers aufzuzeigen. Was macht mein Arm, meine Hand? Wie werde ich wahrgenommen?“ Sanja hat ein feines Sensorium für die Allerkleinsten und dirigiert das Geschehen vom Hintergrund aus. „Wir haben das Stück sicher schon 250 Mal aufgeführt. Aber es verändert sich ständig, ist nie dasselbe.“ Dabei gibt es, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht wirklich zu erkennen ist, auch eine stringente Choreografie. Mit ihr versuchen die Performenden die Kinder alleine, zu zweit, aber auch zu dritt zu begleiten. Dass es dabei zu höchst atmosphärischen Szenen kommen kann, durfte man bei einer Vorstellung im Dschungel erleben. Als ein kleines Mädchen am Schluss der Dreiviertelstunde zur leisen, aber ins Ohr gehenden Kindermusik begann, diese imaginär zu dirigieren. Ohne Worte, nur durch Blickkontakt und ihrem Gespür hatte sich das Ensemble um die kleine Dirigentin versammelt und tat dasselbe wie sie – es leitete ein imaginäres Orchester durch feine Gesten.

„Das Schönste ist, wenn Kinder die Hand einer er Performer ergreift. Einen größeren Vertrauensbeweis gibt es nicht.“ Sanja Frühwald benennt diese Momente, die nicht oft, aber doch vorkommen, als Highlights ihrer Shows.

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Baja Buf (c) Rainer Berson

„Das ist das lustigste Theater, das ich je gesehen habe“, ruft die fünfjährige Izza während der Vorstellung laut und kugelt dabei auf einem der Kissen herum, dass man alleine vom Zuschauen schon mitlachen muss. Und tatsächlich ist die Wahrnehmung der größeren Kinder und auch die der Erwachsenen, die zusehen, meilenweit von jenen der allerkleinsten Aktivisten entfernt. Für die das zwar auch ein Spaß und manches Mal auch zum am Boden Kugeln lustig, kann aber dann auch wieder ganz schön aufregend sein.

Theater für die Kleinsten ist schweißtreibend

„Es gab Vorstellungen, da waren wir nach einer halben Stunde nass geschwitzt“, erzählt Till und Sanja ergänzt: „Die Kleinen haben einen völlig unverbrauchten Körper. Sie haben Körper, die noch nicht traumatisiert sind. Sie sind biegsam, in alle Richtungen, wohingegen die Erwachsenen diese Bewegungsmuster erst einmal wieder erlernen müssen. Weich zu werden in seinen Bewegungen ist das Allerschwierigste.“ „Und sich von 1 Meter siebzig und noch ein paar Zentimetern auf den Bauch werfen, ist auch etwas Anderes, als von einer Fallhöhe von 50 oder 60 Zentimetern.“, ergänzt Till.

Im Februar gibt es einen zweiten Durchgang von Baja Buf, womit das Haus sich auch unter seiner neuen Leitung für die Allerkleinsten verstärkt offen präsentiert. Mit „Giraffen summen“ der Schall und Rauch agency, einer Inszenierung aus der vergangenen Saison, dürfen die Winzlinge im kommenden Mai Anregungen des Ensembles aufnehmen und weiterentwickeln. Das ist eine andere, aber nichts desto trotz genauso spannende Herangehensweise an Theater für die Allerkleinsten.

Freche Mäuse und ein verzauberter Nussknacker

Freche Mäuse und ein verzauberter Nussknacker

Das kleine Puppenhaus wird plötzlich riesig. Der Nussknacker, der eben noch als Holzpuppe auf der Bühne stand, spaziert in voller Pracht und Herrlichkeit lebensgroß aus dem Biedermeierschrank. Genauso Mamsell Trutchen, die kleine Puppe, mit der Marie, die Tochter von Medizinalrat Stahlbaum so gerne spielt.

Hoffmanns Geschichte klug adaptiert

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Der Nussknacker • Theater der Jugend @Rita Newman

In der Weihnachtsinszenierung „Der Nussknacker“ im Theater der Jugend wird mit Bühnenzauber für das junge Publikum nicht gegeizt. Der Regisseur und Dramaturg Gerald Maria Bauer hat die Sprache E.T.A. Hoffmanns und auch die Handlung vom „Mäusekönig und Nussknacker“ ein wenig zeitgeistiger modelliert, belässt das Märchen aber im 19. Jahrhundert. Dementsprechend aufwendig sind auch die schönen Kostüme von Stephan Dietrich gestaltet. So treten die beiden Schwestern und ihre Mutter in langen Taftkleidern auf, der Vater ist elegant mit Ausgehrock und Zylinder unterwegs. Der Bruder darf in Pluderhosen auf seinem Holzpferd über die Bühne hoppeln und im weißen Nachthemd zu Bett gehen.

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Der Nussknacker • Theater der Jugend @Rita Newman

Die Bühne (Magdalena Wiesauer) zeigt einen in sich in die Tiefe verjüngender Wohnraum, der das Ensemble noch größer erscheinen lässt als es ohnehin ist. Und dass Lichteffekte und Theaternebel auch zum Einsatz kommen, lässt die Kinderherzen noch höher schlagen.

Das Spiel im Spiel als Unterhaltungshighlight

Die Geschichte um den verzauberten Nussknacker (Luka Dimic), der gegen den Mäusekönig ankämpfen muss, ist zwar für die Allerkleinsten nicht einfach zu verstehen. Die Rückblende in der Mitte des Stückes erfordert seitens der Erwachsenen doch einiges an Erklärungen. Dafür ist sie aber umso humorvoller angelegt. In ihr spielen Florian Stohr, Barbara Spitz und Janina Stopper auch ein Königspaar mit ihrer Tochter Pirlipat. Diese Szene ist als Stück im Stück angelegt und eines der Highlights der Vorführung. Ganz in Schwarz/Weiß gehalten, bezaubern die drei das Publikum und erheitern es gleichzeitig mit gekonntem Mienenspiel und überdrehtem Gehabe.

In der Bauer-Fassung ist Mäuserinks (Pia Baresch), die Mutter des Mäusekönigs (Stefan Rosenthal), quietschlebendig und lässt mit diesem jede Menge Humor über den Bühnengraben schwappen. Mit seinem herzzerreißenden Ruf nach seiner „Muttiiiii!“ ist erst dann Schluss, als diese ihn davon abhält, seine Leibspeise Torte zu essen und ihn stattdessen zum Speckverzehrt zwingt.

Wunderwerke der Mechanik

In der Geschichte, die zwischen Traum und Wirklichkeit changiert und in welcher die Fantasie der Menschen als hohe Auszeichnung gefeiert wird, feiert Hoffmann, wie in vielen anderen auch, die Errungenschaften der Mechanik. Hier im Besonderen mit der Rolle des Paten Drosselmeier, der den Kindern zu Weihnachten immer allerhand mechanisches Spiezlzeug schenkt. Bauer lässt Hoffmann zu Beginn selbst auf die Bühne treten und verpasst Matthias Mamedof dafür ein höchst Hoffmann-ähnliches Aussehen, das er als schrulliger Pate mit einem großen Herz für Kinder beibehalten darf.

Das 8-köpfige Ensemble agiert bravourös in allen Mehrfachrollen und ist dabei durch rasche Kostümwechsel höchst gefordert. Einzig Tanja Raunig muss ihre Rolle als Marie nicht verlassen.

Ein wunderbares Theatererlebnis für die Jugend, die dabei in eine Zeit eintauchen darf, in der aufgezogene Uhren und mechanische Puppen das Non-plus-ultra an technischer Errungenschaften in einem gutbürgerlichen Haushalt darstellten. Dank der intelligenten und witzigen neuen Fassung präsentiert sich der Text dennoch zeitgeistig und schlägt so einen wunderbaren Bogen ins Hier und Heute.

Weitere Termine auf der Homepage des Theater der Jugend.

Das Kind aus Holz

Das Kind aus Holz

Der kleine Junge, der immer wieder aufs Neue ermahnt werden muss, was richtig und falsch ist, steht jetzt als Vorweihnachtsproduktion im Dschungel Wien gemeinsam mit dem Spiegelkabinett auf der Bühne.

Wenn das Lügen nicht im Mittelpunkt steht

Wer Pinocchio hört, denkt wahrscheinlich unmittelbar an seine Nase, die immer länger wird, wenn er lügt. So ist es auch bei Carlo Collodi, dem Autor des Kinderbuches, der erst posthum zu Ruhm gelangte, nachzulesen. Der Regisseur Richard Schmetterer und sein Spiegelkabinett legen den Schwerpunkt aber nicht auf die Moralpredigt, dass man nicht lügen sollte, sondern erarbeiten in 70 Minuten den Wandel einer unsympathischen Puppe zu einem netten menschlichen Jungen. Pinocchio regt sich zwar sowohl am Anfang, als auch am Ende des Stückes darüber auf, dass er keine Birnen essen mag, allerdings hat er Willen gezeigt, seinen Vater zu retten.

Ein Stück mit wenig Kulisse

Gerade eine Geschichte wie „Pinocchio“ lebt stark von den verschiedenen Orten, an denen alles stattfindet. Da der Dschungel eher für performative Inszenierungen steht, ist es also wenig verwunderlich, dass es kein klassisches Bühnenbild gibt. Von der Decke hängen weiße Tücher in Form von Röhren, die im Raum versetzt angeordnet sind. So können sich die Darstellerinnen und der einzige Mann auf der Bühne sowohl hinter den Tüchern verstecken, als auch in diese hineingehen, um Schattenspiele zu erzeugen. Ob Kinder ab 7 Jahren bei diesem Bühnenbild, trotz unterschiedlicher Beleuchtung, auch tatsächlich erkennen, wann Pinocchio im Wald, im Gasthaus oder im Maul des Wales ist, bleibt offen.

Sehr viel Akrobatik und eine Harfe

Was beim Bühnenbild fehlt, gleicht die Choreographie aus: Soffi Schweighofer als Pinocchio schafft durch ihre Art der Bewegung sofort den Eindruck, dass sie aus Holz besteht. Aber auch Clara Diemling und Till Frühwald stechen vor allem in ihrer Rolle als Kater und Fuchs heraus. Frühwald sagte in einem Interview, dass gerade der Kater für ihn die interessanteste Rolle ist, da er hier die Körperlichkeit der Figur am stärksten ausleben kann. Da darf er sich auf dem Boden rollen, seine Gefährtin mit vielen Hebefiguren an sich binden, laufen, was das Zeug hält und den kleinen Pinocchio so lange umschmeicheln, bis ihm dieser auf den Leim geht.

Musikalisch wird das Stück von Isabell Stoßfellner an der Harfe begleitet, die auch in die Rolle der Fee schlüpft. Dabei kommt das märchenhafte Element des Stückes klar heraus und die Musik verleiht ihm zusätzlich eine fantastische Komponente.

Wer auf gut choreografierte Täuschungsszenen Wert legt, ist bei „Pinocchio“ richtig. Ob man die kleine Holzpuppe per se mag oder nicht, oder ob sie einem in dieser Inszenierung ans Herz wächst, bleibt jedem und jeder selbst überlassen.

Weitere Termine auf der Website des Dschungel.

Es war einmal ein Juckreiz von mittlerer Größe

Es war einmal ein Juckreiz von mittlerer Größe

Der Sänger und Dramatiker Oren Lavie, 1976 in Israel geboren, schrieb das Kinderbuch „Der Bär, der nicht da war“. Es wurde von niemand Geringerem als Harry Rowohlt übersetzt und von Wolf Erlbruch illustriert. Im Dschungel Wien ist nun eine zauberhafte, dramatische Fassung für Publikum ab 5 Jahren zu sehen.

Dabei werden die Erwachsenengedanken zwischen der ätherischen Sprache des kleinen Prinzen, dem Freundes-Surrounding von Pu dem Bären und der Identitätssuche des kleinen „Ich bin ich“ kräftigst gekitzelt.

Der Wiedererkennungswert bleibt erhalten

Den makemake Produktionen gelang das Kunststück, die Buchillustrationen auf der Bühne wiedererkennbar zu produzieren. Die Bäume und der Wald sehen aus wie die Bäume und der Wald von Erlbruch. Auch die Bären, die sich anfangs aus kleinen, braunen Blättern entfalten lassen und die Schildkröte, die ihre Taxidienste anbietet, scheinen sich aus ihrer papierenen Umgebung befreit zu haben.

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Zu Beginn sind Manfred Engelmayr, Birgit Kellner und Christian Schlechter erst einmal damit beschäftig, sich die Requisiten auf der Bühne zurechtzurichten. Dabei werden Overheadprojektoren verschoben und eine kleine, improvisierte Drehbühne aufgebaut. Schließlich brauchen die Puppen, die danach in Erscheinung treten, auch ein dementsprechendes Umfeld.

Sind wir Freunde?

Ein Bär, eine Kuh, ein Salamander, ein Pinguin und eine Schildkröte treten im Lauf der Vorstellung auf. Ob sie Freunde sind oder nicht, wissen sie selbst nicht so ganz genau. Auf alle Fälle machen sie allerlei Unsinn, reden vermeintlichen Blödsinn, tanzen und sind lustig. Und bemerken dabei gar nicht, dass hinter dem Blödsinn hoch Philosophisches steckt und dass der kleine Bär auf der Suche nach sich selbst ist.

Der Bär, der nicht da war (c) Julia Haas

Der Bär, der nicht da war (c) Julia Haas

„Was machst du?“, fragt dieser an einer Stelle den betriebsamen Pinguin, der am Blumenzählen ist. Dabei hat er große Mühe, sich die Zahlen tatsächlich auch zu merken. „Ich denke“, ist seine knappe Antwort und auch, dass er dem Bären zum Denken eigentlich nichts übrig lassen kann. Als der Bär das kleine Wörtchen „schön“ dann noch zu einem Zahlwort für Blumen deklariert, wird es dem Pinguin zu dumm. „Schön“ ist keine Zahl“, kontert er, worauf der Bär meint, dass „schön“ eine Sonderzahl für Blumen sei, die man sich zumindest leicht merken könne.

Viel Musik und eine Taxi fahrende Schnecke

Großen Spaß haben die Kinder, als der mit einem Trenchcoat fein ausstaffierte Salamander auf der E-Gitarre einen Rock´n Roll zum Besten gibt und dabei die Kuh mit dem schönen Wimpernaufschlag sein größter Fan wird. Herrlich die Idee des Autors, eine Schildkröte als Taxi auftreten zu lassen, wobei man sich den Kopf zerbrechen muss, ob es sich um ein Schildkrötentaxi oder um eine Taxischildkröte handelt. „Nach geradeaus wollen alle!“, erklärt sie, als sich der Bär eben dort hinbringen lassen möchte. Aber auch, dass der Weg dorthin sehr, sehr weit sei und man geradeaus nur über Verirrungen erreichen könne.

Der Bär der nicht da war (c) Julia Haas

Der Bär der nicht da war (c) Julia Haas

Der Zauber der Vorführung liegt in den häufig eingesetzten Schattenspielen, aber auch in der wunderbaren „feel-good-music“, die zum Teil live auf der Bühne von Engelmayr produziert wird. Nicht zuletzt aber vor allem im grandiosen Text, in dem es dem Bären zum Beispiel möglich ist, „viele, verschiedene Arten von Stille zu hören“. Oder mit welchem das Schildkrötentaxi über den Fort- und Rückschritt direkt beim Mittagessen ankommt.

„Der Bär, der nicht da war“, beeindruckt die Kinder durch die wunderbar lebendige Puppenführung, die nichts verbirgt und dennoch spannend ist.  Die Erwachsenen dürfen sich an der Wandelbarkeit und Durchlässigkeit erfreuen, die der Text fürs Denken, egal in welche Richtung, anbietet. Wie gut, dass der Pinguin doch noch etwas zum Nachdenken übrig gelassen hat! Wer entdecken möchte, ob es dem Bären tatsächlich gelingt, sich selbst zu finden, hat noch bis zum 11. Dezember dazu Gelegenheit.

Kleiner Tipp: Das Kinderbuch gibt es an der Kasse des Dschungel zu kaufen und bereitet den Kleinen unter dem Christbaum sicherlich eine bärige Freude.

Weitere Termine auf der Homepage des Dschungel.

 

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