Violetta schwebt

Violetta schwebt

Die Liebesgeschichte des Mädchens Violetta, die Alexandre Dumas in seiner Kameliendame erzählte und die von Giuseppe Verdi als La Traviata – „die vom Weg Abgekommene“ vertont wurde, ist derzeit im Dschungel Wien zu sehen. Harter Tobak vom Inhalt her aber zauberhaft leicht umgesetzt.  „Die Legende von Verdis Violetta“ mit dem Untertitel „Dumas meets Verdi“ ist eine Inszenierung für Jugendliche ab 13 Jahren.

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Regie führte wieder einmal Astrid Griesbach von der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin , die sich in den letzten Saisonen auf Fassungen großer Weltliteratur für Jugendliche spezialisiert hat. „Die Legende von Nathan dem Weisen“ und „Die Legende von Schillers Räubern“ werden im Juni im Dschungel noch einmal zu sehen sein. Unterstützt wird sie bei der aktuellen Produktion von Viviane Podlich, Mathias Lenz und Christian Pfütze, die in mehrere Rollen schlüpfen, sowie Nataliya Stepanyak, die Violetta mit einigen Arien ihre Singstimme verleiht.

Dabei redet Griesbach nicht um den heißen Brei herum, sondern nennt die Dinge beim Namen. Violetta ist bei ihr kein gefallenes oder leichtes Mädchen, sondern eine Hure und eine Nutte, wohl wissend, dass den Jugendlichen von Heute keine dieser Bezeichnungen fremd ist, mehr noch: Die zum Teil sehr saloppe Sprache ist das Vehikel, mit dem sie die jungen Leute für einen historischen, literarischen Stoff ködern kann.

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Die Ausstattung (Vanessa Achilles-Broutin) beschränkt sich auf weiße Kostüme und weiße Perücken und einen überdimensionierten, weißen Reifrock, auf dem die zarte Puppengestalt von Violetta sitzt, nein besser – schwebt. Ein Ventilator wird dafür eingesetzt, den leichten Stoff zu einem gigantischen Ballon aufzublähen. Alfred, Violettas Geliebter, wird von Mathias Lenz gespielt, sein Vater kommt in Gestalt einer kleinen Handpuppe auf die Bühne. Ganz in schwarzes Tuch gehüllt, die Haare schneeweiß, führt ihn Christian Pfütze an seiner Hand und gibt ihm bedrohliche, nicht zuletzt aber auch humorige Konturen.

Viviane Podlich schlüpft in die Rolle von Violetta, in der sie die meiste Zeit unter dem Reifrock verschwindet. Dieser wird an einer Stelle zu einer wunderbaren Projektionsfläche der inneren Stimme der jungen Frau, die sie drangsaliert und ihr ihr Glück ausreden möchte. Dass der Vater von Alfred schließlich darauf besteht, dass Violetta von seinem Sohn ablässt, ist nach der psychologischen Visualisierung ihres bösen Alter Egos beinahe schon eine logische Konsequenz.

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Die Legende von Verdis Violetta (c) Ani Antonova

Nataliya Stepanyak, die Entdeckung des Premierenabends schlechthin, bezaubert mit ihrer jungen, zugleich aber überaus kraftvollen Stimme. Es wäre für sie sicherlich kein Problem, die Rolle vor einem großen Haus zu singen. Den Saal im Dschungel füllt ihr Sopran mit Leichtigkeit.

Dass zum Schluss auch das Theaterspielen selbst noch thematisiert wird, in dem Alfred der Technik ein Zeichen gibt, den Ventilator auszuschalten, ist typisch für die deutsche Regisseurin. Die vielen Register, die sie in diesem Stück zieht, sind so etwas wie ein Markenzeichen ihrer Arbeit. „Die Legende von Verdis Violetta“ ist ein poetisches und zugleich kraftvolles Stück, in dem Sprech- und Singtheater mit Puppenspiel eine reizvolle Einheit ergeben.

Das verletzende Netz

Das verletzende Netz

Die Bühne ist kahl, weiß, kühl. Eine Umgebung, in der man sich nicht geborgen fühlt. Sarah und Marie gehen in die Schule und tauschen im Bus gegenseitig Hausaufgaben aus. Olaf träumt von einer ersten Liebe, stellt sich aber so tollpatschig an, dass daraus nichts wird. Ein Szenario wie aus dem Leben von Millionen von Teenagern rund um den Globus. Auch, dass die Eltern von Marie geschieden sind und sie bei ihrer Mutter lebt, ist ein gängiges, zeitgeistiges Muster.

In „Netboy“ von Petra Wüllenweber , das derzeit im Theater der Jugend aufgeführt wird, scheint zu Beginn alles reibungslos zu verlaufen. Bald jedoch wird klar, dass sich Marie (Mieke Biendara) von ihren Eltern alleine gelassen und nicht ernst genommen fühlt. Ihr Vater (Frank Engelhardt), zu dem sie eine gute Beziehung hat, möchte mit seiner neuen Freundin in eine andere Stadt ziehen. Wochentags ist er mit Marie öfters virtuell verbunden, jedes zweite Wochenende ist seine Tochter bei ihm. Die alleinerziehende Mutter (Elisa Seydel), genervt aber trotzdem voller Sorge um ihre Marie, hat wenig Zeit für sie. So surft diese oft im Netz und lernt in einem Chat „Netboy“ kennen. Einen gleichaltrigen Jungen, der in der Schweiz in einem Internat lebt und bald maßgeblichen Einfluss auf das Leben von Marie ausübt. Die Klassensprecherin ist fasziniert von seinen Sprüchen, die er sich hauptsächlich von Kafka ausborgt. Eine Hass-Lehrerin wird bald das Ziel einer Mutprobe, zu der sie von Netboy angestachelt wird.

Für diese defäktiert Marie vor dem Hauseingang der Chemielehrerin, weiß aber nicht, dass sie dabei heimlich fotografiert wird. Von nun an beginnt sich eine Erpressungsspirale zu drehen, der sie nicht mehr entkommen kann. Frank Panhans inszenierte das Stück für Jugendliche ab 11 Jahren ohne Schönfärberei mit Mut zur Schonungslosigkeit. Als Marie versucht, sich aus dem Netz auszuklinken und offline zu bleiben, bricht ein Shitstorm über sie herein, der sie am Handy erreicht. Jan A. Schroeder, auch für die Bühne verantwortlich, setzte diesen mit Lichteffekten beeindrucken um.  Der Druck, an dem Maria schließlich beinahe zerbricht, wird so  stark, dass ihr letztlich nichts Anderes übrigbleibt, als die Schule und die Stadt zu verlassen.

Dem Publikum wird ein realistisches Szenario im Umgang mit unbekannten Internetkontakten geboten, das unter die Haut geht. Die Bekanntschaft zu Fremden im Netz, die ihre Köder ganz gezielt auslegen, kann in vielen Fällen fatal ausgehen. Die Inszenierung zeigt gut auf, was sich im worst case aus einer anonymen Internetfreundschaft entwickeln kann. Dennoch gibt es auch jede Menge Humor. Bernhard Georg Rusch spielt den Klassenkameraden Olaf, der in Maria verliebt ist. Einfach herrlich, wie er mit seinem inneren Alter Ego spricht, das den jungen, verschüchterten Mann ermuntert, bei den Mädels forscher zu agieren. Das junge Publikum im Saal kreischt vor Freude, als er seine ersten Annäherungsversuche an Sarah startet. Unbeholfen und ganz so, wie es die Jugendlichen tatsächlich in vielen Fällen selbst erleben.

Netboy im TdJ (c) Rta Newman

Netboy im TdJ (c) Rta Newman

Sarah (Anna Rieser), Maries Freundin, steht ihr in der bedrängten Situation nur bedingt zur Seite. Sie sorgt auch für einen überraschenden Schluss, den man schon als Knalleffekt bezeichnen kann. „Netboy“ bietet nicht nur ein spannendes Theatererlebnis, sondern darüber hinaus jede Menge Gesprächsstoff für zuhause.

Termine auf der Hompeage des Theater der Jugend.

Sollmann weiß, was Babys wollen

Sollmann weiß, was Babys wollen

Im Dschungel in Wien erlebte ein höchst erfolgreiches Projekt der schallundrauch agency Premiere. Zielpublikum: Babys ab 6 Monaten. Wer meint, das sei ein Gag, denn was sollten denn kleine Kinder in diesem Alter schon mitbekommen?, der oder die wurde während einer Vorstellung eines Besseren belehrt. „Giraffen summen – Eine bekrabbelbare Performance für Babys“ nennt sich die neue Produktion des Wiener Ensembles für außergewöhnliche Theaterformate genau.

Giraffen summen (c) Theresa Pewal

Giraffen summen (c) Theresa Pewal

Jules Mekontchou, Michael Haller und Una Wiplinger bewegen sich inmitten des großen, runden Kreises, der mit niedrigen Sitzelementen nach außen gut abgezirkelt ist, ganz, ganz langsam. Sie sitzen am Boden und spielen ein wenig mit den dort platzierten, bunten Pölstern. Heben einen nach dem anderen hoch. Nach und nach beginnen sie mit den Fingern zu schnippen, mit dem Mund Geräusche zu machen und schließlich zu singen. Viele der Kleinen, die noch zu Beginn der Vorführung bei ihren Eltern saßen, machen sich spätesten zu diesem Zeitpunkt robbend auf Wanderschaft in die Kreismitte. Versuchen selbst, die großen, aber leichten und weichen Pölster anzugreifen, sie umzudrehen, in den Mund zu nehmen. Einige wenige, die zwar wackelig, aber immerhin schon gehen können, erkunden den Raum ein wenig forscher. Mit großen Augen bestaunen bald alle Babys die drei Unbekannten, die mitten unter ihnen sitzend, so tolle Laute von sich geben.

Bald schon verwandeln sie sich in Giraffen, stolzieren über die Kleinen, recken ihre Arme in die Luft. Ein kleines Glöckchen, das sie antippen, erweckt abermals die Neugierde des jungen Publikums und als Michael aus einem Sack lauter rasselnde, bunte Plastikeier auf den Boden wirft, kommt richtig Stimmung auf. Kaum eines der Kinder reagiert nicht auf diesen magischen Reiz. Wer kann, versucht so rasch wie möglich so ein wunderbares, buntes Spielzeug zu ergattern. Und davon ist genug für alle da. Nun darf gerasselt werden, was die kleinen Hände so hergeben.

Janina Sollmann, verantwortlich für die Idee und die Regie, weiß, was Babys wollen. Ihre Inspiration, der eigene Sohn Sebastian, ist selbst erst knapp über ein Jahr alt und schon mitten drin im Geschehen. In vielen Sessions, zu denen Eltern eingeladen waren, wurde der Aufbau der Performance Schritt für Schritt gestaltet. „Dabei sind wir musikalisch immer mutiger geworden und haben schließlich auch den Rocksong von Michael, den er für seine kleine Tochter geschrieben hat, eingebaut“, erklärte die Theatermacherin. „Jede Vorstellung ist anders, denn die Reaktionen kann man ja nie vorhersehen“, und doch haben bis jetzt alle funktioniert. „Die Eltern kommen auch, weil sie hier einen Raum vorfinden, in dem ihre Kinder so sein dürfen, wie sie sind.“ Die 30 Minuten sind gut getaktet, bieten immer wieder neue Akzente, die für das Krabbelpublikum interessant sind, aber auch genug Möglichkeiten, sich dazwischen ein wenig auszuruhen.

Nicht nur optische und akustische Reize machen die Vorstellung so besonders. Die Babys finden vor allem auch Gefallen aneinander und so manche schließen dort im Handumdrehen neue Windelfreundschaften. Am Ende sind alle eingeladen, noch zu verweilen, so sie möchten. Und tatsächlich verlässt niemand von den Eltern den Raum. Das Sitzen, das Beobachten, wie sich die Kleinen miteinander vergnügen, die Ruhe und der geschützte Raum bieten eine Art Oase inmitten des Großstadt-Dschungels. Und außerdem muss man ja noch darüber nachdenken, was Giraffen denn eigentlich so summen.

Wegen des großen Erfolgs sind Wiederaufnahmen schon im Frühsommer und Herbst geplant.

Der Kater, der Graf und der Zauberer

Der Kater, der Graf und der Zauberer

Ein Märchenklassiker ist derzeit im Lilarum Figurentheater zu sehen. „Der gestiefelte Kater“ wird dort in einer Wiederaufnahme gezeigt und verzaubert die Kinder nicht nur mit seinen wunderbaren Puppen und dem abwechslungsreichen Bühnenbild.

Der Gestiefelte Kater (c) Lilarum

Der Gestiefelte Kater (c) Lilarum

Die Reimform, die verwendet wird, regt schon die Kleinsten zu einem kunstvollen Sprachgebrauch an und macht obendrein noch einen Riesenspaß! Charles Perrault, schuf mit dem klugen Kater im 17. Jahrhundert eine Figur, die zeigt, dass man mit Witz und Intelligenz sich von ganz unten nach ganz oben hanteln kann. Zugleich bekommt man aber auch mit, dass jene, die ganz oben sitzen, sich sehr gerne blenden lassen.

Der große Zauberer, der sich am Ende vom Kater überrumpeln lässt und sich in eine kleine Maus verwandelt, die prompt gefressen wird, jagt den Kleinen eine gehörige Portion Respekt ein. Zugleich ist sein Auftritt aber auch der Höhepunkt der Geschichte.

Die Musik von Fritz Keil formt die Puppencharaktere zusätzlich. Ein Download ermöglicht es, dass die Kinder sich auch zuhause noch beim Ausmalen mit den einzelnen Figuren vertraut machen.

Tausche Fressen gegen Freiheit

Tausche Fressen gegen Freiheit

Ein großer Bauzaun trennt das junge Publikum von der Bühne. Dahinter befindet sich Sven Kaschte. Er trägt ein Holzfällerhemd, eine dicke Cargo-Hose und schwere Schnürstiefel und ignoriert die Kinder, die auf den Zuschauer-Reihen Platz genommen haben. Seelenruhig übt er eine kleine Melodie auf seiner Melodica und bemerkt auch nicht, als Viviane Podlich sich daran macht, Obst aus einer Kiste zu stibitzen, das offenbar ihm gehört. Erst als sie in einem Bottich mit Wasser beinahe ertrinkt, erhebt er sich von seinem Sitz und zieht sie pitschnass aus dem Wasser. Nach und nach wird klar, wer die beiden wirklich sind. Sven spielt einen Grizzlybären und Viviane eine Krähe, die in seinem Gehege nach Futter sucht.

Der Dschungel Wien zeigt derzeit eine sehr gelungene Produktion für Kinder ab 8 Jahren. „Krähe und Bär oder die Sonne scheint für uns alle“ nennt sich das Spiel nach einem Text von Martin Baltscheit. In Szene gesetzt wurde es schier genial von Julia Burger. Der Bär, von dem man zu Beginn glaubt, dass er sich an diesem Ort wohl fühlt, mutiert zusehends zu einem depressiven Geschöpf, dem jede Hoffnung auf Freiheit abhanden gekommen ist. Die Krähe, die ihn täglich besuchen kommt, nimmt er nur als lästig wahr. Zwar möchte sie primär tatsächlich nichts Anderes, als sich ihre tägliche Futterration sichern, aber im Gegensatz zum Bären liebt sie es, mit anderen zu reden. Ihre Schlauheit und des Bären Wille, endlich in die Freiheit zu gelangen, drehen das Spiel plötzlich in eine ganz unerwartete Richtung.

Zur allergrößten Freude der Kinder schlüpfen die beiden in die Haut des jeweils anderen und erleben so ein gänzlich neues Lebensgefühl. Die Regisseurin greift dazu in die Licht-Trickkiste und bewirkt dabei ein Lust-Gekreische ihres Publikums der besonderen Art. Wunderbar, wie Kaschte vom behäbigen Bären in ein gefiedertes Wesen mutiert, das keine Ahnung davon hat, dass in der Freiheit um jeden Bissen gekämpft werden muss. Einfach herrlich, wie Podlichs Bauch ob der vielen Leckereien im Zoo anschwillt und ihr Unternehmungsgeist proportional dazu abnimmt. Die beiden sind das Salz in der Suppe der Geschichte und tragen diese mit Witz, Spielfreude und enormem Können bis an den Schluss. Dafür brauchen sie weder eine Bären- noch eine Krähenmaske. Das Flügelschlagen des Vogels und das Brummen des Bären werden von den beiden derart kunstvoll wiedergegeben, dass Verkleidungen dafür überhaupt nicht notwendig sind.

Krähe und Bär (c) Ani Antonova

Krähe und Bär (c) Ani Antonova

Ganz nebenbei bekommt man mit, dass das Leben in einem Zoo nichts Anderes ist als brutale Freiheitsberaubung. Mit Sicherheit werden die Kinder nach dieser Aufführung ihre zukünftigen Zoobesuche aus einem anderen Licht sehen. Dass die Geschichte nach einem dramatischen Höhepunkt, der virtuell vor die Türe des Theaterraums führt, gut ausgeht, ist Balsam, nicht nur für die Kinderseelen.

„Krähe und Bär – oder die Sonne ist für uns alle da“ ist eine wunderbare Aufführung mit einer tollen Regie und großartig gespielt. Sie gehört zu den gelungensten dieser Saison. Unsere Empfehlung: Wann immer möglich Kinder an die Hand nehmen und rein in den Dschungel!

Ein Märchen wie aus 1001 Nacht

Ein Märchen wie aus 1001 Nacht

Ein Flaschengeist, das wäre etwas! Einfach drei Mal an der Lampe reiben, und schon ist er da. Im alten Bagdad, jener Stadt, in der man in friedlichen Zeiten noch unbeschwert über den Basar schlenderte, konnte man mit Glück eine Lampe erstehen, in der sich so ein dienstbarer Bote befand. Zumindest über Umwege.

Wie das ging, erzählt die neue Produktion des Theater der Jugend. In „Die automatische Prinzessin“ mit dem Untertitel „Fantastische Fabeln aus 1001 Nacht“ erleben die Schwestern Shadiyyah und Mabubah ein Abenteuer nach dem anderen. Unter der Regie von Henry Mason, der zugleich auch Autor des Stückes ist, dürfen sie in einem höchst fantasievollen Bühnenbild (Michaela Mandel) vom Basar auf ein Schiff wechseln, von dort auf eine Insel verschleppt werden, ins Meer eintauchen, in eine Schlangenhöhle klettern und, und, und. Dabei entpuppt sich ein alter Campingbus als unglaublich wandelbares Requisit. Er mutiert vom Auto zur Basarbude und vom Prinzengemach zum Höhleneingang.

Ganz nach der Erzählweise von 1001 Nacht schuf Mason mit Versatzstücken aus diesem arabisch-indisch-persischen Klassiker ein Kaleidoskop von verschiedenen Geschichten, die höchst kunstvoll ineinander verwoben sind. Dabei verströmen die farbenprächtigen und zugleich witzigen Kostüme von Anna Katharina Jaritz mehr als nur einen Hauch orientalischer Romantik. Alleine das Bühnenbild und die Kostüme sind einen Besuch der Vorstellung wert. Sie sind reinstes Augenfutter, von dem man nicht genug bekommen kann.

Die beiden Schwestern, die sich durch einen Zauber in Männer verwandelten, werden von Sandra Lipp und Claudia Kainberger gespielt. Wobei sie, wie auch alle anderen des Ensembles, in Mehrfachrollen zu sehen sind. So spielt Lipp zum allgemeinen Gaudium auch Prinzessin Bahar Banu, eine völlig ausgeflippte, männerringende und –bezwingende junge Kampfwütige. Wie sie einen Verehrer nach dem anderen mit ihren Sportkünsten flachlegt, erheitert das junge Publikum sehr. Kainberger wiederum hat ihren großen Auftritt in einer Schlangenhöhlen-Szene, in der sie auch die Wunderlampe mit jenem Dschinn findet, der ihr von da weg helfend zur Seite steht.

Christian Graf als Subaah, der Dschinn (c) Rita Newman

Christian Graf als Subaah, der Dschinn (c) Rita Newman

Christian Graf ist in dieser Rolle einfach umwerfend. Mit einem Hauch von Travestie-Gehabe, das ihn unglaublich sympathisch macht, tänzelt er ihm gelben Fransen-Tanzkleid beständig um Mabubah und hat die Lacher auf seiner Seite. Er bietet dem fest entschlossenen Mädchen, das getrennt von seiner Familie wieder zu seiner Mutter, Schwester und zu ihrem Vater zurück möchte, einen Widerpart, der die Leichtigkeit des Lebens verkörpert. Seine Bonmots, wie die Antwort auf die Frage, ob er sich denn auch in andere Wesen verwandeln könnte, „ja klar, zum Beispiel Gin-Tonic!“ oder „Sofa, so good!“, in dem er auf Baba, den Vater verweist, der in ein Sofa verwandelt wurde, sind gerade wegen ihrer Subtilität einfach grandios. Auch als völlig unerschrockene Mutter der beiden Schwestern, die ihren Kindern alles zutraut, macht er eine gute Figur. Sein bzw. ihr Auftritt auf einem „fliegenden Teppich“ mit darauf überkreuzten Fake-Beinen unterbricht die Spannung des Geschehens auf höchst humorige Art und Weise.

Der Subtext, in dem die Überzeugung transportiert wird, dass Mädchen und Frauen dem männlichen Geschlecht in nichts nachstehen und ihre Unterdrückung reine Willkür ist, kommt nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger daher. Eingebettet in das turbulente Geschehen, das dem Ensemble ungezählte Rollenwechsel abverlangt, sind die Unternehmungen der beiden Kinder, die darauf abzielen, ein freies und unabhängiges Leben führen zu können, völlig plausibel. Stefan Rosenthal und Frank Engelhardt ergänzen nicht nur mit ihren Interpretationen der dicken Latifaa oder des sprechenden Baba-Sofas ihre Kolleginngen und ihren Kollegen Christian Graf wunderbar. Auch als Palastbote und Palastwachenkommandant – mit Kelimtaschen auf dem Kopf – tragen sie wesentlich dazu bei, das junge Publikum köstlichst zu unterhalten.

„Die automatische Prinzessin“ entführt in eine versunkene Welt ohne elektronische Gadgets, die so kraftvoll und pur wirkt, wie ihre schillernden Charaktere. Die Inszenierung macht Lust, selbst Abenteuer zu erleben und sei es auch nur beim Schmökern in den Geschichten von 1001 Nacht.

Weitere Informationen und Termine auf der Seite des Theater der Jugend.