Teddybären, Bügelbretter und Buffone

Teddybären, Bügelbretter und Buffone

Schillers Räuber in einer Fassung für Kinder ab 8 im Dschungel. Atemberaubend und poetisch zugleich.

Wie klein können Puppen sein, wie reduziert ihr Körper, dass sie ihr Puppenspiel auf einer großen Bühne in einem Theatersaal noch ausüben können? Wie groß ist eigentlich ein Erklärbär? Mord und Totschlag, Brandschatzung und Plünderung, Lügen und Intrigen, sind diese Horrorszenarien Kindern zumutbar? Astrid Griesbach wagte sich mit Schillers Räubern an all diese Themen und zeigte in ihrer ganz eigenen visuellen Grammatik auf, dass es funktioniert – und wie!

Sie sind zu Dritt auf der Bühne. Mirjam Schollmeyer, Merten Schroedter, Mathias Lenz. Mit blauen Bubischnitt-Perücken, Tütüs, mal um die Hüfte, mal um den Hals, blauen und weißen Strümpfen und einem geschminkten Kaspermund. So einem, der herunterklappt, wenn er spricht. Rund um sie – Chaos. Umgestürzte Bügelbretter, Stofftiere, kleine Köpfe auf Stangen montiert. Ein Plüschtier schwebt hoch in der Luft, eine blaue Strumpfhose über dem Kopf, in einiger Entfernung auch ein kleiner Bär. Es scheint, als ob ein Kinderzimmer explodiert wäre.

Mathias Lenz erklärt ganz zu Beginn anschaulich einen kleinen Zeitstrahl. Vorne, an der Bühnenrampe ist das Hier und Heute, ein wenig dahinter war es Winter, noch weiter hinten Krieg, dann wieder Frieden. Und da, da wurde das Penicillin erfunden, noch ein wenig weiter hinten ist der 10.11.1759. Ein Kind wird geboren. Und schwups, schon erzählt er von Schillers Jugend im Internat. Und ist dabei ganz nah am jungen Publikum. Von wegen Weimarer Klassik und schwere, inhaltsschwangere Wälzer. Friedrich ist ein Junge, der schreibt und schreibt und schreibt. Und auf eines der Hefte schreibt er auch „Die Räuber“.

Griesbach setzt Schollmeyer und die beiden Männer als Buffone ein. Als Wesen, die sie in einem Interview als „Hüter der Zeit“ betitelte. Sie führen in die Geschichte des ungleichen Brüderpaares ein, verwandeln sich aber dann auch mithilfe von Masken und Puppen in verschiedene Charaktere. Sie siezen sich und fragen sich öfter: „Erinnern Sie sich noch?“, bevor sie dann gemeinsam die einzelnen kleineren und größeren Geschichten des Dramas zum Leben erwecken. Franzens Motivation, seinen Bruder Karl mittels einer Intrige vom Vater zu entzweien, wird sehr anschaulich dargestellt. Seine Verbannung in eine Dachkammer, in die es noch dazu permanent hineinregnet, erhält einen Schuss Wortwitz. „Franz war ein Bettnässer!“ erklärt einer der Buffone, „Nein, es ist nur sein Bett nass geworden!“ antwortet ihm ein anderer. Die Verhätschelung des großen Bruders führt zwangsläufig zu einem nicht enden wollenden Hass. Da muss über die Missgestalt, wie sie Schiller veranschaulicht, gar nicht weiter diskutiert werden. Bevorzugung eines anderen, dieses schlimme Gefühl, das verstehen sogar die Allerkleinsten.

Häufige Licht- und damit verbundene Stimmungswechsel, sowie ein hohes Erzähltempo, lassen keine Minute Langeweile aufkommen. Der Schmerz von Karl, als er erfährt, dass ihn sein Vater verstößt, kann drastischer nicht ausgedrückt werden. Er bricht einfach zusammen und bleibt am Boden liegen. Solange, bis er von einer ganzen Teddy-Armada zum Räuberhauptmann bestellt wird. Der Fall Spiegelbergs, dargestellt ebenfalls durch einen kleinen Teddybären, als er erfährt, dass nicht er, sondern Karl zum Räuberhauptmann erkoren wurde, ist im wahrsten Sinne des Wortes tief. Hart plumpst er von großer Höhe auf dem Boden auf. Wunderbar, wie bald darauf ein Plüschaffe einen furiosen Tanz auf einem Bügelbrett vollführt bei dem er alle und alles, was ihm in den Weg kommt, platt macht. Platt, platt, platt. Die Kinder kugeln sich vor Lachen. Und nicht nur die Kinder.

Karl, Franz und ihr Vater werden auch durch winzige Köpfe dargestellt, die auf langen Stangen sitzen. Ein Fragment ihrer selbst, sind sie dennoch prächtige Statthalter ihrer Charaktere. Und geben auch ein Gefühl von der eigentlichen Egalität der Menschen. Einer Gleichheit, die sie selbst jedoch nicht sehen können. Der Tod des Vaters, der bei Schiller durch das bewusste Eingreifen von Franz noch rascher eintritt als auf natürlichem Wege, mutiert bei Griesbach zu einer unterlassenen Hilfeleistung. Kindgerecht muss man hinzufügen. Franz wendet sich uninteressiert ab, während der kleine Puppenkopf jammert und sich zum Sterben neigt. Der schwarze Umhang, aus dem eine Krücke bedrohlich über den Boden klapperte und der die Stange der Figur bedeckte, ist so ausdrucksstark, dass es keiner weiteren Erklärungen des Ablebens bedarf. Aber auch die Brandschatzung des Dorfes durch die Räuberbande wird durch den Einsatz von Theaternebel, rotem Licht und wenigen, prägnanten Sätzen zum absoluten Bedrohungsszenario. Im Saal ist es still, ganz still geworden. Die Gräuelbilder zur Erzählung finden jedoch nicht auf der Bühne statt, sondern formieren sich nur in den Köpfen des Publikums.

Amalias Sehnsucht, in einen einzigen, kleinen Satz komprimiert, könnte schöner nicht ausgedrückt werden: Duftet die Sehnsucht nach Rosen? Und ihr Herzschlag, sicht- und hörbar gemacht durch das rasche Zusammendrücken und Auseinanderziehen eines Topfwärmers aus Stoff, wird beinahe körperlich spürbar. Neben diesen poetischen Momenten, die runter gehen wie Samt und Seide, sind es aber auch Sponti-Sprüche wie „wir machen kaputt, was uns kaputt macht“, mit denen das Ensemble aufhorchen lässt. Herzeleid ist gut, aber allzuviel davon auch wieder ungesund. So hält Astrid Griesbach beständig die Waage zwischen Spannung und Entspannung, zwischen hoher Emotion und einem Lockerlassen, wenn die Nerven allzu lange blank gelegen waren.

Mirjam Schollmeyer zeigt sowohl in der Figur der Intrige als auch in der eines Rachevogels ihr Können. Für Erstere stülpt sie sich eine große papierene Einkaufstüte über den Kopf, die das Konterfei einer weißhaarigen, jungen Frau ziert. Ihr zappelnder und zuckender Körper gibt dabei beredt Auskunft über ihren Gefühlszustand. Als Vogel mit Maske auf dem Kopf und einem herrlichen weißen Mantel, gefiedergleich, krächzt und stolziert sie über die Bühne, dass echte Raben neidisch werden könnten.

Umverteilungsvisionen zwischen Reich und Arm, aber auch die Erkenntnis, dass so manch einer nicht zu einem anderen passt und es besser wäre, wenn manche Menschen ihre eigenen Wege gingen – auch diese Wünsche und Erkenntnisse werden gleichsam en passant mitgeliefert. Der Erklärbär, der das Ende beschleunigt – und vor allem jenes grausige Geschehen nur in wenigen Sätzen streift, das Schiller für seine Figuren vorgesehen hat, er kommt gerade zur rechten Zeit. Er entschärft die unlösbare Aufgabenstellung in der Karl sich entweder für Amalia oder für die Räuberbande entschließen muss und fungiert letztlich auch noch als weiche Unterlage. Sanft erhellt ein Sonnenstrahl den Plüschkörper, auf dem es sich Franz und Karl noch einmal gemütlich machen. Die Buffone erzählen dabei, wie glücklich sie doch einst waren als Franz und Karl, wenngleich auch immer nur jeder für sich alleine. Eine feine Akkordeonuntermalung zaubert, wie an einigen Stellen zuvor auch schon, einen zarten Hauch von Melancholie in den Saal. Dem allerletzten Satz der beiden kann nichts hinzugefügt werden: Mikroskopisch betrachtet – eine Tragödie, aber im Großen und Ganzen: Herrlich!

Ein großer Theaterabend, vollgepackt mit Utensilien, die zu neuem Leben erweckt werden. Ein brillantes Ensemble. Die Frage, ob es für 8, 12 oder 14-Jährige passt, wird obsolet. Es ist schlichtweg Theater für alle. Vom Schulkind bis einschließlich 100 und darüber.

Empfehlung: Beine in die Hand nehmen und hinlaufen, mit Kind und Kegel.

Koko spricht Französisch!

Koko spricht Französisch!

Französisches Kindertheater in Wien! Der Kulturverein Tabarnak und Lilarum sind eine kongeniale Partnerschaft eingegangen.

Der kleine graue Bär schläft tief und fest. Angeschmiegt an seinen Lieblingsfelsen in einer kargen, aber schönen Landschaft. Der Himmel blau, der Boden ockerfärbig. Alles hat seine Ordnung. Bis ein großer Vogel mit weißem Bart dem kleinen Bären einen roten Schirm vor die Füße wirft – und kurzerhand ohne Erklärung wieder davonfliegt. Ein Cello begleitet mit einer zarten Melodie das Geschehen und lässt die Gefühle der Kinder aber auch der Erwachsenen mit leichten Schwingen in das Koko-Land fliegen.

„Koko mit dem Zauberschirm“ steht im Lilarum-Theater schon lange auf dem Spielplan. Nun hat Koko aber mit etwas Neuem aufzuwarten. Er hat Französisch gelernt und spricht es perfekt! „Koko et le parapluie“ ist der Titel der französischsprachigen Inszenierung bei der außer der Sprache alles gleichgeblieben ist. Das wunderbare Bühnenbild, die zauberhafte Musik, der poetische Text und die Magie der Puppen.

„Tabarnak“ nennt sich ein gemeinnütziger Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, in Wien frankophones Theater anzubieten. Er fand in Lilarum mit seinen Inszenierungen einen kongenialen Partner. Denn die Aufführungen werden mit einer Tonspur hinterlegt. Zwar werden die Puppen von einem Ensemble stets live bewegt, aber die Sprache und die Musik kommt vom Band. Die französische Aufführung dauert aufgrund der Sprachunterschiede einige Minuten mehr, was dazu führte, dass die Puppenspielerinnen und Puppenspieler ihr Timing neu justieren mussten. Aber bei der Premiere am 15. Mai lief alles perfekt.

Kokos roter Zauberschirm fliegt mit ihm und einer kleinen Maus durch die Nacht. Er zaubert einen Vogel hervor, der flugs der beste Freund eines Nashornes wird und er ist, das stellt Koko gleich zu Beginn fest, ein „parapluie par le pluie“. Denn er zaubert Regen innerhalb seiner Schutzhülle und rettet damit eine Schildkröte, die sich damit bedankt, dass der Schirm gar nicht normal sei, gar nicht!

Erwin Moser, Vater von Koko und seiner Freundin Kiki, schuf nicht nur den Text sondern auch die Zeichnungen. Dem Lilarum-Team gelang das Kunststück, Mosers Buch auf der Bühne richtiggehend zum Leben zu erwecken. Das bedeutet für die Kleinen noch einen zusätzlichen Benefit denn: Wenn zuhause noch im Buch geschmökert wird, dann gibt es zusätzlichen Gesprächsstoff über das, was auf der Bühne gesehen wurde. Mütter, Väter, Onkel, Tanten, Schwestern, Brüder, Freundinnen oder Freunde – Koko wartet auch euch! Und wer Lust hat, sein Französisch aufzufrischen, ist auch herzlich willkommen.

Sturm und Urlaubsgefühle

Sturm und Urlaubsgefühle

Die Plaisiranstalt bezaubert mit einer Interpretation von Shakespeares „Sturm“ Kinder ab 2 Jahren im Dschungel Wien.

Sven, Raoul und Karola fahren vergnüglich auf einem Boot. Wind kommt auf. Und Tropfen fangen an herniederzuprasseln. Plim, plim und tock, tock so ist es zu hören, während Raoul und Karola die kleinen Saiten der beiden Kindergitarren zupfen und Sven mit seinen Fingern auf eine Holzbank trommelt. Fffffffffhhhhhhhh, schhhhhhhhh, so imitieren die Drei schon bald den aufkommenden Sturm. Stärker und stärker wird er, bis der Schiffsmast bricht und sie über Bord gehen. Nun schwimmen sie unter Wasser, blubb, blubb, blubb vorbei an bunten Fischen, bis sie endlich wieder an die Oberfläche kommen. Doch Raoul, wo ist der geblieben? Fröhlich rudert er nach kurzer Suche zu Karola und Sven, so als ob nichts gewesen wäre, aber der Tollpatsch hat Mühe, das rettende Floß zu besteigen. Unter hellem Gelächter der Kinder. Raoul Bilten und Sven Kaschte geben den Kleinen ab 2 Jahren in dieser Inszenierung noch reichlich Gelegenheit für weitere Erheiterung und sorgen damit wahrscheinlich für die ersten Slapstick-Erfahrungen in ihrem Leben.

Zum Glück landen die Gestrandeten auf einer wunderbaren Insel mit Palmen und exotischen Vögeln. „Schau, wie schön!“ Dort fischen sie eine Flaschenpost aus dem Meer und jausnen herzhaft. Ein Apfel, der von einem zum anderen wandert, ruft nach wenigen Augenblicken Entzückensschreie beim jungen Publikum hervor und so manch einer der Dreikäsehochs krümmt sich vor Lachen im Theaterraum des Dschungel. Die Plaisiranstalt, die Shakespeares „Sturm“ für die Allerjüngsten einer freien Interpretation unterzog, macht nicht nur Lust auf Theater sondern vor allem auch auf Musik. Zum Hinknien, wie sie „Riders on the storm“ von den Doors gleich zu Beginn des Spieles interpretieren. Heruntergebrochen auf eine zarte Melodie mit Xylophonbegleitung bleibt der Song aus dem Jahr 1971 dennoch erkennbar, aber man kann sich daran gar nicht satthören. Später verwandeln sich Sven und Karola (Karola Niederhuber in der besuchten Vorstellung, alternierend dazu schlüpft Franziska Hetzel in die weibliche Hauptrolle), ganz im Sinne der Zaubereien von Shakespeares Prospero husch husch – in Ferdinand und Miranda. Die nähern sich einander in wahrem Liebesrausch in Windeseile zu dem von ihnen gesungenen Beatles-Hit  „I wanna hold your hand“, während Raoul sie dabei auf seiner Gitarre begleitet. Dieser lässt es sich auch, wie schon in der letzten Inszenierung der Plaisiranstalt „Alltag“, nicht nehmen, bezaubernde französische Chansons zum Besten zu geben. Auch wenn die Kleinsten sie nicht verstehen, haben sie doch Freude an der ungewohnten Sprache, die sich so gut singen lässt. Küsse, die auf falschen Wangen landen, geben noch einmal Anlass zu Lachanfällen. Am Schluss finden sich alle wieder friedlich vereint, ja sogar schlafend, auf ihrem Boot – und die Kinder sitzen mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen. Schließlich darf man Schlafende ja nicht aufwecken!

Ein zauberhafter Einstieg in die Welt des Theaters in der alles möglich ist und nichts verboten!

Schuhplatteln auf Afrikanisch

Schuhplatteln auf Afrikanisch

„Do you jodel?“ dieser Frage geht ab 28. Mai die Gruppe IYASA aus Simbabwe im Dschungel Wien nach. Ein Multi-Kulti-Event mit Tanz, Musik und gar nicht so neuen Erkenntnissen!

Gelbe Regenmäntel mit Kapuzen und Gummi-stiefel. Wohl behütet und beschuht geht´s auf die Bühne. „Jemand da?“ – immer wieder wird die Frage in den Raum gestellt bis einer der Darsteller ruft: „Ich hab` eine Frau gefunden!“ Und tatsächlich liegt sie da: The one and only Conchita Wurst. Oder zumindest ein hübsches Double von ihr. Ist ja auch schon was. Conchita repräsentiert seit einem Jahr Österreich weltweit. So wie es auch Falco heute noch tut. Beide kommen in der Produktion „Do you jodel?“ im Dschungel Wien auch zum Einsatz. Denn dabei gehen eine Gruppe von Männern und Frauen aus Afrika und ein „wandelbarer“ Österreicher den Fragen nach: „Was ist typisch österreichisch? Wer ist eigentlich ein Österreicher, wer eine Österreicherin?“ Muss man hier geboren sein, Deutsch als Muttersprache haben, um sich diesem Land zugehörig zu fühlen?

[KGVID poster=“https://www.european-cultural-news.com/wp-content/uploads/2015/05/do_you_jodl_thumb0.jpg“ width=“450″ height=“253″]https://www.european-cultural-news.com/wp-content/uploads/2015/05/do_you_jodl.mp4[/KGVID]

Ganz schön knifflig! Wienerschnitzel – ja, typisch österreichisch! Spaghetti und Pizza? Logisch! Isst doch jedes Kind! „Skifoan“ von Wolfgang Ambros kennen zumindest alle Erwachsenen aber jodeln und schuhplatteln? Wer jodelt heute eigentlich noch? Und Dirndl? Ist man nur dann eine echte Österreicherin wenn man ein Dirndl trägt? Ein Bierzelt, voll mit vielen leeren, gelben Bierkisten ist wohl ein geeigneter Ort, um nachzuforschen, was denn typisch für Österreich ist

Die Gruppe IYASA aus Simbabwe stellt sich viele, viele Fragen rund um den Themenkreis „österreichische Heimat“ und hält dabei der alpenländischen Bevölkerung ganz schön den Spiegel vors Gesicht. Da wird einer jungen Frau von ihnen schon einmal der Discobesuch verwehrt. Nein, klar nicht, weil sie schwarz ist! Geschlossene Gesellschaft! Da torkeln betrunkene Festbesucher mit ihren Bierflaschen in der Hand herum und grölen, was das Zeug hält.

Aber und vor allem: Es wird viel gesungen. Afrikanische Rhythmen vermischen sich mit österreichischen Hits, und gejodelt, klar, auch gejodelt wird. Innocent Nkululeko Dube, der die musikalische Leitung inne hat, arbeitet schon seit 2001 mit dem Dschungel Wien zusammen und hat reichlich Erfahrung, wie das so ist in diesem Land. Österreichische Musik, die einen afrikanischen Touch erhält – dieses Ziel wollte der Musiker und Lehrer in einer „school of arts“ in Simbabwe erreichen. Und da Musik eine universelle Sprache ist, war das Arbeiten für das Ensemble zwar aufregend, aber nicht schwer. Gemeinsam mit dem Autor und Regisseur des Stückes Flo Staffelmayr schicken sie vier Frauen und fünf Männer auf die Bühne, um mit einem musikalischen Feuerwerk ein wenig Afrika nach Wien zu holen und ein wenig Österreich in die Gruppe selbst einsickern zu lassen. Die Außensicht der Afrikanerinnen und Afrikaner vermischt sich mit jener des österreichischen Autors und ergibt dabei eine witzige Melange. Wer hat gewusst, dass der Gambu, ein Tanz aus Simbabwe und Südafrika ganz, ganz ähnlich wie der Schuhplattler ist? Gibt es hier vielleicht sogar gemeinsame Wurzeln?

Die vermeintlich festgesetzten Grenzen verschwimmen zusehends, weichen auf. Getanzt wird in Österreich und in Simbabwe, gefeiert auch. Gibt es nun wirklich keine Unterschiede? Innocent kann im Gespräch doch mit einer Ungleichheit aufwarten: „Oft müssen Menschen aus Afrika ihren Ausweis herzeigen, wenn sie in ein Lokal oder eine Disco gehen wollen, denn sie sehen meist viel jünger aus als sie sind. Österreicherinnen und Österreicher hingegen schauen wenn sie jung sind schon älter aus!“ Das Zusammenbringen und das Verstehen unterschiedlicher Kulturen ist ihm ein Anliegen. „Wir sind in gewisser Weise alle Ausländer und ich möchte Brücken bauen, damit wir uns gegenseitig verstehen können.“ Flo Staffelmayr beginnt damit in dieser Produktion schon bei Kindern ab 6 Jahren. „Kinder in diesem Alter haben noch keine Vorstellung was typisch österreichisch ist. Sie kennen Conchita Wurst und David Alaba und sie erleben das Typische einfach ohne es wirklich zu wissen.“

„Die Welt sollte so bunt sein wie ein Regenbogen und nicht nur eine Farbe haben. Es ist egal, ob man Österreicher ist oder aus Simbabwe kommt, wichtig ist, was für ein Mensch man ist“ – O-Ton Innocent. Also alles noch einmal von vorne: Die Frage lautet eigentlich gar nicht: „Was ist typisch österreichisch“ sondern: „Was sind wir für Menschen?“ Ob schwarz oder weiß – Kinder machen keine Unterschiede in der Bewertung, wie in den Proben zu bemerken war.

Nie mehr grünes Fischcurry!

Nie mehr grünes Fischcurry!

„Aus Spaß wird Ernst“ – ein Paradebeispiel einer gelungenen Inszenierung für Jugendliche. Langzeitwirkung wird garantiert.

Die kalte Stimme aus dem Lautsprecher lässt einem alle Haare zu Berge stehen. „Frau Sarah Wassermann bitte in Zimmer 103, Frau Sarah Wassermann bitte“. Jede Frau kennt die beklemmenden Gefühle im Vorzimmer einer gynäkologischen Einrichtung. Die Kälte, die einen befällt, die plötzliche Enge im Hals, die Angst vor dem Stuhl, auf dem man die Beine spreizen muss. Es ist ganz still im Theaterraum. Rund 60 Schülerinnen bzw. Schüler aus der Kandlgasse packt die Szene aus dem Stück „Aus Spaß wird Ernst“, das im Brick5 uraufgeführt wurde. Zwei junge Frauen, die eine blond und langhaarig, die andere mit kurzen, schwarzen Haaren befinden sich in der soeben beschriebenen Situation. Sie warten auf ihre Untersuchungen. Bald stellt sich heraus, dass eine schon ihr zweites Kind im Bauch verloren hat und es herausoperiert werden muss. Die zweite möchte ihren Fötus abtreiben lassen. Ein überdimensional großes Taschentuch wird zum verbindenden Element, das die Trauer der beiden Frauen ausdrückt.

Flashback: Sarah befindet sich im Schlafzimmer mit ihrem Mann und überrascht ihn mit der Ankündigung ihrer Schwangerschaft. Katharina Köller, die den Text gemeinsam mit Ivana Rauchmann schrieb, baute an dieser Stelle eine skurrile Situation mit ein. Das Läuten spätnachts an der Türe stellt sich als Polizeibesuch heraus, der von Sarah kurzerhand hinauskomplimentiert wird. Was der Grund des Besuches war bleibt im Dunkel, ist für die Fortführung des Geschehens nicht wirklich wichtig. Klemens Dellacher überzeugt nicht nur in die Rolle des jungen Ehemannes, der sich über das angekündigte Baby sehr, sehr freut. Er hat auch die Lacher der jungen Burschen aus dem Publikum in jenem Augenblick auf seiner Seite, in welchem er noch gar nicht richtig realisiert hat, was ihm seine Frau gerade verkündet hat und so reagiert, als hätte ihm Sarah gerade eine belanglose Alltagssituation geschildert.

[KGVID poster=“https://www.european-cultural-news.com/wp-content/uploads/2015/05/aus_spass_wird_ernst_thumb3979.jpg“ width=“450″ height=“253″]https://www.european-cultural-news.com/wp-content/uploads/2015/05/aus_spass_wird_ernst.mp4[/KGVID]

In einer weiteren Szene wird klar, warum Anna Erde ihr Kind nicht bekommen möchte. Ihre anfängliche Freude über die Schwangerschaft wurde in wenigen Augenblicken zunichtegemacht. Ihr Freund Paul will das Kind nicht, ist er doch verheiratet und will die Affäre unter keinen Umständen auffliegen lassen. Das grüne Fischcurry, das er gerade zubereitet hat, findet an diesem Abend keine Abnehmer. Der kleine Küchentisch, der die Last des Essens nicht hält, bricht während der Diskussion zusammen – eine anschauliche Metapher für das sich anbahnende Beziehungsaus. Wenngleich dies auch einem Theater-Hoppala geschuldet war. Clara Diemling spielt trotz ihrer Jugend brillant. Das Entsetzen, das sie angesichts des raschen Abtreibungsvorschlages von Paul packt, überträgt sich spürbar auf das junge Publikum. Die Zeit, die ihr davonläuft, beschwört sie in einem feinsinnigen, sprachlich brillanten, lyrischen Song. Ihre Freunde, die Ivana Rauchmann, zuständig für die Regie, mit Halbmasken auftreten lässt, raten ihr ebenfalls von dem Kind ab und so sickert nach und nach das ursprünglich Ungewollte aber nun scheinbar Unvermeidliche ins Bewusstsein der jungen Frau.

Sarah hingegen, die einst so verliebt in ihren Mann war, verändert sich zusehends. Sie wird ihm gegenüber aggressiv und wünscht sich nur mehr, alleine zu sein. Eine Situation, die ihr Ehemann nur schwer erträgt. Sophie Wegleitner erlebt das volle Wechselbad der Gefühle zwischen der immensen Freude schwanger zu sein und dem Horror, ein abgestorbenes Kind im Bauch zu tragen. Immer wieder wechseln realistische Dialoge mit kleinen, beinahe intimen Liedern, vom Band mit Klavier und Cello begleitet. Sowohl Anna als auch Sarah nehmen das junge Publikum dabei in ihr innerstes Gefühlsleben mit und drücken so anschaulich ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte aus.

Das grüne Fischcurry und die gynäkologische Ambulanz – sie sind die Konstanten in diesem Spiel um Leben und Tod. Paul, der sich vom anfänglichen Traumpartner zum Befürworter einer raschen Abtreibung verändert und ebenfalls von Klemens Dellacher dargestellt wird, dieser Paul sorgt noch für gehörig Überraschung. Die wunderbare Klimax, bei der einem der Atem stockt, ist so kunstvoll wie in den allerbesten psychologischen Dramen gestrickt. Dieser Höhepunkt soll hier nicht verraten werden, denn es ist zu hoffen, dass „Aus Spaß wird Ernst“ noch häufig aufgeführt werden kann. Ein Stück, das aufgrund seines klugen, sparsamen und zugleich doch anschaulichen Bühnenbildes mit geringem Aufwand auf Tour geschickt werden könnte, von Schule zu Schule in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Mit Dellacher, Diemling und Wegleitner, alle drei im letzten Jahrgang der Schauspielschule Krauss, wurde eine Optimalbesetzung für dieses Stück gefunden. Authentisch und in keinem Augenblick aufgesetzt wirkte ihr Spiel mit dem sie richtig große Klasse bewiesen. Im Zusammenwirken mit dem cleveren Text und der unglaublich umsichtigen, stringenten und kreativen Regie von Ivana Rauchmann kann, nein muss diese Inszenierung aufs Wärmste weiterempfohlen werden.

Die Diskussion, die sich im Anschluss unter Einbeziehung der Mädchen und Burschen entwickelte, zeichnete sich durch viele, viele Wortmeldungen aus. Ein Beweis der großen thematischen Brisanz.

Musik: Angelika Haas
Autorin: Katharina Köller
Technik: Andreas Bogner
Konzept, Idee, Regie, Co- Autorin: Ivana Rauchmann

Das Leben im All ist heftig und prall

Das Leben im All ist heftig und prall

Die Volksschule der Wiener Sängerknaben erfreut ihr Publikum mit „Leben im All“ im Muth. Einem flotten Kindermusical mit vielen Ohrwürmern.

„Das Leben im All ist heftig und prall.“ „So ein Ring wär ein Ding! So ein Ring bringt `nen Swing.“ „Mich plagt eine große Not, denn ich werde ständig rot“. Planeten, Sterne, schwarze Löcher und Sternschnuppen stehen dicht an dicht auf der Bühne des Muth. Sie stecken zum Teil in bunten Kugel-Glitzerkostümen aus denen lediglich der Kopf, die Beine und Arme ragen und singen, was das Zeug hält. Die kurzen Reime sind Songtitel aus dem Kindermusical „Leben im All“. Geschrieben wurde es von Gerhard A. Meyer und avancierte rasch zu einem Dauerbrenner in den deutschsprachigen Volksschulklassen. Vor allem in jenen, in denen Musikerziehung einen Schwerpunkt bildet. Meyer, der selbst Musik unterrichtet, hat sich seit 1999 auf das Komponieren von Kindermusicals spezialisiert wobei das hier gezeigte bislang sein erfolgreichstes ist.

Im Muth in Wien präsentierten nun die beiden 4. Klassen der Volksschule der Wiener Sängerknaben dieses Singspiel ganz im Stil einer musikalischen Revue. In der bunten Mischung aus unterschiedlichen Songs wird gerockt, geswingt, ein flotter Cha-Cha-Cha intoniert, aber an einer Stelle auch gerappt. Da beklagen sich die sonst so frechen Sternschnuppen-Mädchen in einer traurigen Ballade über das Verglühen eines alten Sternes, da fegt ein schwarzes Loch aus zwei grimmig dreinschauenden Buben in bodenlangen schwarzen Gewändern nicht nur über die Bühne, sondern auch zwischen den Zuschauerreihen herum. Die ständig schwitzende Sonne bekommt ein Zitroneneis geschenkt, der Saturn freut sich über einen Ring und die eitle Venus fordert alle auf, doch auf ihre Frisur und ihre Figur zu schauen. Das alles mit viel Spaß, der sich auch auf die Kinder im Publikum überträgt. Bei einer der Nummern ist sogar Mitmachen angesagt. Also alles hoch von den Plätzen und dann wird getanzt! Zwar nur um die eigene Achse, aber immerhin mit einer kleinen Choreografie, die die meisten in Sekundenschnelle draufhaben. Danach braucht es ein kleines Weilchen, bis der Lärmpegel im Saal wieder zurückgeht, aber die Allbewohner auf der Bühne sind Profis und warten gelassen ab, bis es ruhig ist. Dann geht es erst weiter.

Die Begleitung am Klavier kommt von Arnold Schlechter, dem musikalischen Leiter der Volksschule. Gemeinsam mit Ursula Müller hat er das Stück adaptiert und mit den Kindern erarbeitet. In raschem Wechsel, ganz im Stil einer musikalischen Revue, folgen Nummern, die genauso gut aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts sein könnten auf solche, die auch zum Tanzen bestens geeignet wären. Bei vielen macht der Text richtig Spaß. Wie zum Beispiel in jenem Song, in dem Saturn über seinen gerade geschenkten Ring räsoniert, dieses Ding, das soviel Swing mit sich bringt. Max Raabe hätte seine wahre Freude daran. Schlechter ersetzt am Klavier ein ganzes Orchester und wenngleich nicht wirklich gut in Sichtweite des Kinderensembles, gibt es keine Probleme bei den Einsätzen. Obwohl die Volksschule in ihrem Namen nur Sängerknaben auflistet, sind auch jede Menge Mädchen mit dabei. In den vierten Klassen verbringen die Buben die Woche über im Internat. Damit werden sie auf die Gymnasialzeit vorbereitet, in der sie oft über mehrere Wochen lang auf Tournee gehen. Dadurch soll der Abschiedsschmerz von zuhause so gering wie möglich gehalten werden. Auf der Bühne bemerkt man nichts von etwaigem Heimweh. Einige der kleinen Sängerinnen und Sänger kommen aus den Bundesländern, aber auch aus Japan oder Amerika. Zum Glück gibt es Skype! Bei den Wiener Sängerknaben in die Schule gegangen zu sein bedeutet eine Referenz fürs Leben. Und dafür nehmen die Mädchen und Buben so manche Kommunikationslücke mit ihrer Familie in Kauf.

Die frechen Sternschnuppen (c) Lukas Beck

Die frechen Sternschnuppen (c) Lukas Beck

Neben einfachen Nummern kommen auch Lieder vor, deren Harmonien für dieses Alter ganz schön knifflig sind. Aber auch die vielstimmigen Chöre werden mit Bravour gemeistert. Während der einstündigen Vorstellung gab es kein einziges Hoppala, alle waren mit Feuereifer bei der Sache und man merkte einigen an, dass sie sich jetzt schon eine musikalische Karriere wünschen. So professionell agieren sie bereits. In einer Szene dienten bunte Plastikbecher als moderne Schlagwerkinstrumente. Das regt an zum Nachprobieren! Eine tolle Leistung, klarerweise auch vom Lehrerteam.

Am Ende des Stückes klagt auch unsere gute Mutter Erde über ein beständiges Kitzeln, das mit den Jahrtausenden zunimmt. Die Rede ist von uns Menschen. Unsere Winzigkeit rührt vor allem die Sternschnuppen. So beschließen alle unisono, uns doch eine Freude zu bereiten und kreieren flugs die Sternbilder. „Kleiner Bär und großer Bär, Sterne malen ist nicht schwer“ erklingt, während in einer Videoanimation zwei fleißige Hände einen Stern nach dem anderen in den Himmel zeichnen. Auf diesen letzten Song folgt noch ein wunderbares Medley aller zuvor gehörten Melodien. Mit diesen Ohrwürmern wird das Publikum nach Hause entlassen. Der große Beifall mit nicht enden wollenden Zugabe-Rufen ist redlich verdient.