Ein Postbeamter außer Rand und Band

Ein Postbeamter außer Rand und Band

Rudolf Widerhofer als Postbote Rudi (Foto: Barbara Pálffy)

Als der Postbeamte Rudi von einem Tag auf den anderen keine Post mehr abzuarbeiten hat, flüchtet er in eine Traumwelt. Alexander Kukelka schuf in seinem neuen Musiktheater „Rudi langt`s“ ein märchenhaftes Stück, in dem sich ein Postbote letztlich zu einem musizierenden Abenteurer verwandelt. Mit Rudolf Widerhofer als Postbote Rudi steht ihm ein Charakterschauspieler zur Seite, der erst den gelangweilten, dann gestressten und schließlich außer Rand und Band geratenen Angestellten ohne Sprache mimt.

Dabei bedient er sich der ursprünglichsten Mitteln des Theaters und verwandelt die Bühne im Laufe des Stückes von einer Postdienstelle in eine Pirateninsel. Schachtel um Schachtel, die Rudi zuvor mehr oder weniger sorgsam als Postbote abstempelte, werden geleert und die darin befindlichen Objekte in sein Spiel und seine Verwandlung mit einbezogen. (Bühne und Kostüm Maria Theresia Bartl) Nicht nur, dass bei Rudi jeder Kalendertagabriss aufs Neue einen Freitag, den 13., zeigt: Der lähmenden Routine, der Rudi täglich ausgesetzt ist, folgt eine heillose Überforderung mit nervenden Anrufen am roten Telefon und immer rascher werdenden Postsack-Zulieferungen, bis diese schließlich eines Tages von einem Schlag auf den anderen ausbleiben.

Der darauffolgenden Depression, inklusive verschiedener Suizidversuche, folgt eine Explosion von Rudis Kreativität. Diese verursacht zwar jede Menge Chaos, endet jedoch mit der Idee eines vom Himmel gefallenen Alter Egos, das sich, ganz von seinem Alltagstrott befreit, einem neuen Leben widmen kann. Der Musik gleichgestellt agiert Widerhofer in dieser Koproduktion vom „Neues Wiener Musiktheater“ und dem Theater Drachengasse wie ein Stummfilmschauspieler, nur mit dem Unterschied, dass das Publikum die Vorführung live erleben kann.

Kukelka leitet sein Ensemble live vom Klavier aus und schafft mit den weiteren Instrumenten wie einem Fagott, verschiedenen Flöten und Percussionsinstrumenten eine höchst illustrierende und atmosphärisch dichte, musikalische Begleitung. Ob sanfte Schlummermelodien, brausende Wetterstürme, ob bedrohliche Klänge während der immer schnelleren Postzulieferungen oder Bongorhythmen, die Rudi auf seinem Inseltrip begleiten – Kukelkas Kompositionen reihen sich nahtlos aneinander, um schließlich in einem Duett von Fagott und Vogelstimmengezwitscher zu enden. Dass Rudi dabei auf einer Klarinette die samtenen Fagott-Töne nachahmt, spielt dabei keine Rolle.

„Rudi langt`s“ vermittelt den Eindruck einer Produktion, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sie verwendet keine zeitgeistigen, technischen Hilfsmittel wie Videoeinspielungen oder aufwändige Bühnenumbauten. Die pantomimische Darstellung reduziert die Erzählung auf einen einzigen Menschen und dessen Nöte und Freuden und sie beeindruckt durch die Feinabstimmung zwischen dem Schauspieler und der Musik, die sich eng an dessen Bewegungsvokabular anschmiegt. Ein Theaterabend für alle, die sich von Theater und Musik gerne verzaubern lassen.

Ein Punkt in Raum und Zeit

Ein Punkt in Raum und Zeit

Kaugummikauen! Aber nicht irgendwie. Lang rausziehen aus dem Mund, ein Lasso draus machen. Über die Nase stülpen und zu einem kleinen Luftballon aufblasen. Ihn als Mini-Slip formen und vor die Hose halten. Und dabei mit dem Publikum interagieren.

Der vergnügliche und höchst gelungene Einstieg des Tanzstückes „Age Surfer`s Symphony“ von Gisela Elisa Heredia & tanz.coop, das im KosmosTheater uraufgeführt wurde, gibt die Marschrichtung der Inszenierung vor, die heißt: Tanz ist Unterhaltung. Aber Tanz kann auch viel mehr sein, erfährt das Publikum schon im nächsten Moment.

Christina Zauner kommt auf die Bühne, hängt sich mit einer Hand an ein von der Decke befestigtes Seil und schwingt ihren Körper durch den Raum. „Der Tanz ist ein Ort auf der Welt. Die Welt ist ein Ort im All. Das All ist eine zugeschissene Grube finde ich. Meine Mutter sagt: Dein Zimmer ist unordentlich! Räum es auf! Ich räume es aber nicht auf.“ Diese Sätze, die von der durch die Luft schwebenden Tänzerin kommen, stammen von Wolfram Lotz. Jenem jungen Autoren-Shooting-Star, der vor Kurzem im Burgtheater mit seinem Stück „Lächerliche Finsternis“ reüssierte. Wobei, wenn man es ganz genau nimmt, so ist bei Lotz nicht der Tanz angesprochen, sondern das Theater. Aber in diesem Fall geht es um das Medium Tanz und auf das passt das Lotz-Zitat genauso treffend. In einer späteren Szene hängt die Tänzerin rund um die Hüfte festgezurrt am selben Seil und beeindruckt noch einmal mit ihren grazilen Bewegungsmomenten in der Luft. Aber man muss auch kurzfristig den Atem anhalten, wenn sie dabei den Wänden bedrohlich nahe kommt.

Schon in ihrem Vorgängerstück „Perfect Stranger“ setzte Gisela Elisa Heredia einige jener Ingredienzien ein, die auch dieses Stück interessant machen: Eine unglaubliche Leichtigkeit im Umgang mit dem Thema Tanz an sich, spannungsgeladene Momente, in welchen heftige Emotionen aufeinanderprallen und nicht zuletzt jede Menge Humor, der ins Publikum überschwappt.

Dabei agieren Sarah Merler, Christina Zauner und Yusimi Moya Rodriguez als Tanzprofis, die mit einer Mischung aus Bodenakrobatik und zeitgenössischem Tanz die erste Hälfe des Abends fulminant bestreiten. Dafür brauchen sie auch keinen großen Plot, außer der Imagination, dass sich die drei zum Teil aus der Schule kennen und sich nicht immer nur wohlgesonnen sind. Da darf auch gerangelt werden, bis hin zu körperlicher Gewaltausübung und psychischem Druck. Da werden aber auch Bewegungsabfolgen synchron gezeigt, die aufgrund ihrer choreografischen Vielfalt atemberaubend sind. Und ein wunderbar komisches Fangspiel mit verbundenen Augen strapaziert die Lachmuskeln der Zusehenden minutenlang.

Mit der 8-jährigen Sophie Mac Gregor und Martina Varga, 1954 geboren, ergänzen zwei Tanz-Laien das Setting. Mit ihrem Auftauchen verlangsamt sich zwar das extreme Tempo, das von den drei jungen Tänzerinnen vorgegeben worden war. Zugleich jedoch erhalten alle Beteiligten individuellere Züge. Dass auch ältere Semester in einer Disco tanzen dürfen, dass auch Kinder in eine Choreografie professionell eingebunden werden können – all das bekommt das Publikum bei diesen Auftritten vermittelt. Dass Gegensätzlichkeiten zu ästhetischen Tanzabläufen wie Rangeleien und andere körperliche Übergriffe letztlich auch das Leben abseits der Bühne in das Geschehen hineinnehmen, gibt der Produktion einen besonderen Kick. Bislang galt die alte Bühnenweisheit, dass man davon absehen sollte, mit Kindern aufzutreten. In der „Age Surfer`s Symphony“ darf diese Weisheit mit der Aussage erweitert werden, dass es auch nicht ratsam ist, sich eine ältere, unerfahrene Tänzerin in eine Tanzproduktion zu holen. Noch dazu, wenn diese eine tolle Bühnenpräsenz aufweist und damit die Kolleginnen in den Schatten stellt.

Die wichtigste Erkenntnis jedoch, die als Leitmotiv dieser Produktion spürbar wurde, ist, dass Tanz mehr als nur ein Bühnenvehikel ist, Ideen zu transportieren. Er ist dazu da, sich in ihm nach seinen eigenen Möglichkeiten auszudrücken. Er ist dazu da, sich in ihm professionell weiterzuentwickeln und er ist nicht zuletzt vor allem auch dazu da, dem Publikum Spaß zu bereiten.

 

Kraft und Vergänglichkeit

Kraft und Vergänglichkeit

Das Untere Belvedere zeigt die Ausstellung „Die Kraft des Alters“. Wörtlich nehmen sollte man den Titel jedoch nicht, denn neben einer ganzen Anzahl von Kunstwerken, die alte Menschen noch in höchster Virilität zeigen, gibt es auch viele, die sich mit der Vergänglichkeit und dem Tod auseinandersetzen.

Eigentlich könnte man die Ausstellung in zwei ganz voneinander getrennten Teilen zeigen. Einen, in welchem Zeichnungen und Gemälde präsentiert werden, die kurz vor und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden. In ihnen werden alte Männer meist in Portraits mit würdevollen Bärten dargestellt, alte Frauen sind, so sie sozial höher gestellt waren, eingehüllt in feinem Tuch, stoisch sitzend und lesend wiedergegeben. Aber einige Bilder, wie die eindrucksvollen, gezeichneten Selbstportraits von Paula Modersohn-Becker, die sie im vorgerückten Alter schuf, zeigen, dass Alter auch beschwerlich sein kann und oft mit Einsamkeit verbunden ist. Viel von der Kraft des Alters ist in diesem Ausstellungskonvolut, das von der Kuratorin Sabine Fellner, ausgesucht wurde, nicht spürbar.

Erst die Gegenüberstellung von zeitgenössischer Kunst eröffnet jenen Blickwinkel, welcher der Ausstellung ihren Titel gab. Von den 174 Werken von 105 Künstlerinnen und Künstlern stammt der größere Teil von zeitgenössischen Kunstschaffenden. Das Medium Fotografie sticht hier quantitativ besonders hervor, neben Installationen, Zeichnungen und Gemälden gibt es aber auch einige Videos.

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„Die Kraft des Alters“ (Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien)

Eines der berührendsten ist eine Kurzfassung des Filmes „Omsch“ von Edgar Honetschläger, das dieser 2013 seiner 101 Jahre alten Nachbarin Pauline Schürz widmete. Darin fing er nicht nur die Lebensumstände in ihrer Wiener Wohnung ein, sondern ließ ihr – bemerkbar in einer ruhigen Kameraführung mit lang andauernden Einstellungen – genügend Raum, ihre Gedanken zu formulieren. Einsamkeit aber auch das Thema Hektik und Zeit werden dabei genauso thematisiert wie die Freude der alten Dame an der Anteilnahme des jungen Künstlers an ihrem Leben. Einziger Wermutstropfen dabei ist die Präsentation im Marmorsaal, der aufgrund seiner hallenden Akustik denkbar ungeeignet für diese intimen, filmischen Momente ist.

Das Thema Alter wird in der Ausstellung in sechs unterschiedlichen Komplexen betrachtet, die sich jedoch nur durch das Lesen der Saaltexte wirklich erschließen. „Ewige Jugend / stolzes Alter“, „Vergänglichkeit“, „Einsamkeit / Verbundenheit“, „neue Freiheit“, „Muße und Erinnerung“.
Wohltuend fällt auf, dass nicht nur die Anzahl der weiblichen Künstlerinnen und der männlichen Künstler sehr ausgewogen ist. Auch in den Darstellungen werden beide Geschlechter behandelt.

Gleich zu Beginn nimmt Alfred Hrdlicka den geschlechtsbedingten Männerwahn ins Visier. In seiner Zeichnung „Der goldene Winkel“ steht das männliche Glied – ganz nach dem stilistischen Vorbild des Vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci – im Mittelpunkt der Komposition. An der Wand gegenüber beeindrucken Fotos der 1947 geborenen Martha Wilson, in welchen sie mithilfe von Fotos ihr eigenes Altern nicht nur humoristisch, sondern auch extrem gesellschaftskritisch aufzeigt.

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Joyce Tenneson, Christine Lee, 2002 (© Joyce Tenneson)

Wenige Schritte davon entfernt, entdeckt man das Plakatsujet der Ausstellung. Es zeigt Christine Lee im Alter von 67 Jahren, fotografiert von Joyce Tenneson. Das Foto war zugleich Titelbild des Buches „Wise Women“ der Künstlerin, in welchem sie Frauen zwischen 65 und 100 Jahren portraitierte. Die Sepia-Färbung, in welche die Bilder getaucht sind, verknüpft die Wahrnehmung automatisch mit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts und gibt somit einen ganz subtilen, zusätzlichen Hinweis, auf das höhere Alter der Fotografierten.

Neben Selbstbildnissen von Max Liebermann und Oskar Kokoschka findet sich auch ein imposantes Foto in Übergröße von Shirin Neshat. Es trägt den Titel „Bahram (Villains) „und stammt aus der Serie The Book of Kings. Neshat, Persona non grata im Iran, bezog sich in dieser Serie auf den Arabischen Frühling und portraitierte darin Männer und Frauen, zum Teil mit Bemalungen, die wie Tattoos wirken.

Die Vielzahl der ausgestellten Objekte erlaubt auch völlig subjektive Ausstellungserlebnisse, wie anhand der hier besprochenen Arbeiten aufgezeigt wird.

Drei Bilder und fünf Fotos des 2011 verstorbenen Roman Opalka zeigen in einem kleinen Nebenraum den höchst persönlichen Zugang des französisch-polnischen Künstlers zum Thema Zeit und Vergänglichkeit. Opalka schuf ein in sich geschlossenes Werk, in dem er über Jahrzehnte Leinwände mit fortlaufenden Zahlenreichen in weißer Farbe beschrieb, die Zahlen beim Malen aussprach, seine Stimme dabei auf Tonband aufnahm und den Hintergrund des neuen Bildes kontinuierlich aufhellte, sodass die Bilder an seinem Lebensende fast ganz weiß sind und die Zahlen darauf nur mehr schwer lesbar erscheinen. Jeden Tag fotografierte sich der Künstler zusätzlich in derselben Position und hielt auch damit sein eigenes Altern fest.

Einem so komplex durchdachten Zugang stehen andere gegenüber, die vor allem mit ihrer handwerklichen Präzision auffallen. Ron Mueck, englischer Bildhauer mit deutsch-australischen Wurzeln, arbeitete in den 80er-Jahren als Marionettist für die Sesamstraße und die Muppet Show. Berühmt wurde er durch seine hyperrealistischen, gigantischen Menschenskulpturen. In der Ausstellung ist er mit der Arbeit „Man in a Sheet“ aus dem Jahr 1997 vertreten. Einer kleinen, auf einem hohen Podest sitzenden Männerfigur, die gebeugt, ganz in weißes Tuch gehüllt ist. Nur das Gesicht mit feinen Bartstoppeln vermittelt den Eindruck eines alten Mannes, der sich offenbar in Meditation ganz aus dem Weltgeschehen ausgeklinkt hat. In diesem Werk verkehrt sich völlig jene Intention, die der Künstler mit seinen übergroßen, figürlichen Skulpturen erreicht, denn der kleine, beinahe zerbrechlich wirkende Mensch strahlt auch eine gehörige Portion Hilfsbedürftigkeit aus.

Die deutsche Collagekünstlerin der Body Art, Annegret Soltau (geb. 1946) hat auf beeindruckende Weise in ihrer Arbeit „generativ – Selbst mit Tochter, Mutter und Großmutter“ vier Generationen der weiblichen Linie ihrer Familie festgehalten. Angefangen von ihrer Tochter bis hin zu deren Urgroßmutter, vereinte sie alle nebeneinander, nackt, in stehender Position. Die Oberkörper tauschte sie jedoch in Collagetechnik aus, sodass die älteste Frau den Busen des Urenkelin trägt und umgekehrt. Mit zusätzlichen, grafischen Überarbeitungen, die wie grobe Narben wirken, verstärkt die Künstlerin das Moment des ohnehin sichtbaren, körperlichen Verfalles.

Vom österreichischen Fotografen Harry Weber (1921 – 2007) wird ein kleines, aber umso beeindruckenderes Foto gezeigt. Das „Paar im Altersheim“, in Lainz 1960 aufgenommen, zeigt ein Ehepaar in bodenlangen, gestreiften Morgenmänteln. Die Frau, neben ihrem Mann sitzend, knöpft diesem fürsorglich seinen Mantel zu. Nicht nur, dass die liebevolle Geste in Zusammenhang mit dem Alter der Personen sehr berührt. Es ist auch der Umstand, dass beide offensichtlich „Anstaltskleidung“ tragen. Weiß man um die Geschichte des Fotografen selbst, der als Jude unter den Nazis nach Palästina fliehen musste, 1946 nach Österreich zurückkehrte und für den Spiegel, Stern und den Gruner & Jahr-Verlag arbeitete, erhält dieses Foto eine zusätzliche Bedeutungsebene.

Das große Plus der Ausstellung „Die Kraft des Alters“ besteht nicht darin, ein einziges, bestimmtes Narrativ über den letzten, menschlichen Lebensabschnitt vermitteln zu wollen. Vielmehr beeindrucken die vielen künstlerischen Zugänge und Positionen, die das Altersphänomen von so unterschiedlichen Seiten beleuchten.

„Die Kraft des Alters“ läuft noch bis 4. März im Unteren Belvedere. Weitere Infos auf der Homepage.

Von Katzen, Füchsen, Vögeln und menschlichen Schweinereien

Von Katzen, Füchsen, Vögeln und menschlichen Schweinereien

Von Katzen, Füchsen, Vögeln und menschlichen Schweinereien

Von Elisabeth Ritonja

„SaTierisches mit Saitenzunder“ (Foto: Peter Reichert)

09.

Jänner 2018

Wie man im Wartezimmer eines Arztes ins Gespräch kommt, oder wie man die Nachbarinnen beim Einkaufstratsch ordentlich ausrichtet; wie ein alter Schürzenjäger dem Sohn seines verstorbenen Freundes Ezzes fürs Leben gibt, oder wie ein Möchtegern-Schauspieler bei einem Werbe-Casting einer jungen Schauspielanwärterin den Kopf verdreht.

All das und noch wesentlich mehr vereint Linde Prelog in ihrem Buch „SaTierisches“, in dem allerlei Getier in fabelhafter Manier allzu Menschliches widerfährt, in welchem selbiges Getier jedoch auch allerhand Viehisches von Menschen zu erdulden hat.

Im Theater Drachengasse lud die Autorin und Schauspielerin gemeinsam mit dem Quartett eXtracello zu einer Matinee vor ausverkauftem Haus. „SaTierisches mit Saitenzunder“, so der Titel der Vorstellung, lebt gleichermaßen von Prelogs Texten und der Musik von Edda Breit von Breitenfurt, Melissa Coleman, Margarethe Deppe und Gudula Urban.

Dabei reicht die Bandbreite von Astor Piazzolla über Johann Sebastian Bach bis hin zu jeder Menge unterschiedlich inspirierter Eigenkompositionen. Klar, dass auch Katzenmusik dabei nicht fehlt. Unterhalten sich doch Lili – mit einem L wohlgemerkt, Sissi und Nunzo vor ihrem Castingauftritt in Katzisch. Aber auch das alte Wiener Kater-Urviech Charly gibt dem jungen Kärntner Streuner Max Aufklärungsunterricht in Sachen Katzen-Gefügigmachung. Nicht zu vergessen die beiden alten Katzendamen, eine schwerhörig, die andere schwerneugierig, die von dementsprechenden Saitenklängen begleitet werden.

von katzen linde prelog

„SaTierisches mit Saitenzunder“ (Foto: Peter Reichert)

Linde Prelogs Schauspielkunst zeigt sich dabei in mimischen Äußerungen und ihrer sich rasch verändernden Stimme. Ob alte Katze, kleines, schlaues Füchschen, ob krächzender Kakadu oder jammernde Legehenne – alle bekommen sie von ihr eine ausgeprägte Individualität verpasst. Nicht hoch genug zu bewerten ist das Kunststück, Kritik an der Massentierhaltung, an Legebatterien oder der Fuchsjagd so geschmeidig in die humorigen Texte zu verpacken, dass diese bitteren Pillen vom Publikum anstandslos begierig geschluckt werden. Und – so bleibt es zu hoffen – auch eine Langzeitwirkung auslösen.

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Also, ich fange wieder an

Also, ich fange wieder an

„Hinsichtlich der Frage“ ist der Titel von Loulou Omers Soloshow. Darin liefert sie einen eindringlich-poetischer Abend ab, der im Off-Theater einen guten Platz gefunden hat.

Auf ihrer Homepage präsentiert sich die Künstlerin als Autorin, Musikerin, Choreografin und Tänzerin. Und all das, was Menschen aus diesen unterschiedlichen Kunstsparten produzieren, findet sich tatsächlich auch in ihrem neuen Programm. Mit Simon Wachsmuth, Paul Wenninger oder Claudia Bosse – um nur auszugsweise einige Kulturschaffende in Wien zu nennen – hat Omer schon zusammengearbeitet. Nun steht sie alleine auf der Bühne.

„Hinsichtlich der Frage“ zeigt Loulou Omer als zarte, träumende Frau, aber auch als hoch begabte Pianistin und Texterin ihrer eigenen Songs. Mit zwei weißen Wand-Bühnenelementen und einem schwarzen Flügel ist ihre Bühne ausgestattet. Auf die Wandflächen werden ihre Song-Lyrics in verschiedenen Sprachen, aber auch unterschiedliche Räume projiziert. Die berauschende Begleitung am Klavier kommt von Omer selbst.

In einer Mischung aus tonalem Wohlklang und atonalen Kompositionen schlägt sie einen großen Bogen vom Heute zurück an den Beginn des 20. Jahrhunderts. Und das mit einem präzisen, kraftvollen Anschlag, den man der zarten Frau gar nicht zutrauen würde. Auch die Texte scheinen wie aus der Zeit gefallen und pendeln zwischen dadaistischen Anklängen und freien Assoziationsketten, die viel Interpretationsspielraum lassen. Erklärungsmodelle zu ihren Texten liefert sie jedoch zu Recht nicht mit. An einer Stelle unterlegt sie ihr Klavier mit einem herzschlagähnlichen Sound, an anderer Stelle krabbelt sie in kleinen Mini-Schrittchen auf allen Vieren auf dem Boden herum. Auch sprach- und musiklose Pausen bauen Spannung auf, entschleunigen aber zugleich auch das Geschehen enorm.

Ohne Rücksicht auf andere Mainstream-Theaterproduktionen zieht sie mit dieser Inszenierung ihr ganz eigenes Ding durch. Und das ist es auch, was den Abend sehenswert macht. Das uneingeschränkte Bekenntnis zur Möglichkeit, auch Persönliches so zu verwandeln, dass es für das Publikum interessant wird.

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