Toleranz muss gelebt werden

Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, besteht die Gefahr von Missverständnissen. Weil der andere etwas möchte oder tut, das einem selbst gegen den Strich geht. Weil man sich missverstanden oder übergangen fühlt, oder weil man meint, mit seiner Meinung im Recht zu sein, dieses aber nicht zu bekommen. Anlässe gibt es mannigfaltige. Das Theater ist ein Ort, an dem uns gezeigt wird, welche Konsequenzen Handlungen haben können, bei denen sich Menschen nicht auf Augenhöhe begegnen. Es ist aber auch ein Ort, der so manchen Lösungsvorschlag parat hat. Am 1. Februar wird der 4. Tag der Toleranz ausgerufen.

Initiator war ein Theatermann. Markus Kupferblum, in Wien gebürtig und hier mit vielen Aufführungen dem Publikum ein Begriff, setzte ihn ins Leben. Mit einer ganz unglaublichen Wirkung. Bereits im ersten Jahr folgten über 300 Theater seiner Idee. Dabei wird an diesem Tag vor der Vorstellung ein kurzes Memorandum verlesen. Ein Aufruf zu Toleranz und eine Mahnung, sich aktiv gegen die ersten Zeichen von Ungerechtigkeit, in welcher Form auch immer, zu wehren. 2015 rechnet Markus Kupferblum mit der Beteiligung von ca. 800 Theatern rund um den Erdball. Was mit einer kleinen Aussendung, der Initiative eines einzelnen, begann, verbreitete sich in rasanter Form. In diesem Jahr haben wir es nötiger als je zuvor, an Toleranz erinnert zu werden. An einen persönlichen Akt, der mehr bedeutet, als nur „leben und leben lassen“. Toleranz ist nicht Gleichgültigkeit. Dann wäre alles sehr einfach. Toleranz fängt dort an, wo man die eigene comfort-zone seines Denkens verlassen muss, um eine andere Position, der man nicht zustimmt, zulassen zu können. Ein schweres, aber notwendiges Stück Denkarbeit. Die Terroranschläge in Frankreich, aber auch das Aufkommen rechtspopulistischer Strömungen in Europa wie der Pegida, geben allen Anlass zur Sorge. Wir werden diesen Bedrohungen aber nur Herr werden, wenn wir verstehen versuchen, welche Kräfte dahinter stecken und welche Ziele sie verfolgen. Das bedeutet Recherche, Aufklärungsarbeit, aber auch Handreichungen. Position beziehen, aber auch zuhören und verstehen.

Mit einer allgemeinen Hetze helfen wir nur jenen, die kräftig am Zündeln der Hassflammen sind. Die rasche Verbreitung des Tages der Toleranz zeigt jedoch – und das kann nicht laut genug gesagt werden – es gibt viele, viele Menschen, die sich aktiv in die gesellschaftlichen Debatten einbringen möchten und die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeiten anzuprangern. Den ersten Schritt zu einem friedlichen Zusammenleben zu setzen ist oft schwer. Er bedeutet, den inneren Schweinehund zu überwinden, sich zu informieren und im Fall des Falles zu helfen oder den Mund aufzumachen. Und sei es nur, um mit einem Nachbarn zu reden, der gegen Ausländer und Asylanten wettert. Wer für pauschalisierte und ungerechtfertigte Anfechtungen einzelner, in welche Richtung auch immer, gewappnet ist, kann sich auch gegen große, fehlgeleitete Strömungen kerzengerade entgegenstellen. Wer Scheuklappen aufsetzt und die Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben wegdelegiert, an Regierungen oder Parteien, egal welcher Couleur, wer sich umdreht und den Mund hält in Alltagssituationen, in denen Menschen Unrecht getan wird, ist nicht tolerant, sondern nur feige.

Das Memorandum zum 4. Tag der Toleranz finden Sie hier: Memorandum zum Download

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