Ferdinand Schmalz erhielt 2013 den Retzhofer Dramapreis, wurde 2014 bei der Kritiker-Umfrage von „Theater heute“ zum Nachwuchsautor gekürt und wird in diesem Jahr abermals eine Uraufführung eines seiner Stücke erleben. Geboren in Graz, studiert er Philosophie und Theaterwissenschaften in Wien und freute sich über die Aufführung von „am beispiel der butter“ im Vestibül des Burgtheaters. Grund genug für ein Interview, für das wir uns in der Kantine des Burgtheaters trafen.
Wie fühlen Sie sich denn gerade? Befinden Sie sich in einer Hochstimmung?
Danke, sehr gut. Das war ein gutes Jahr, 2014.
Haben Sie sich beim Einreichen Ihrer Stücke Chancen ausgerechnet?
Es ist lustig. Ein Freund von mir sagte mir vor Kurzem, dass ich, als ich das Stück „am beispiel der butter“ beim Retzhofer Dramapreis eingereicht habe, gesagt habe: „Ich probiere es und wenn ich den Preis nicht bekomme, dann stehe ich wenigstens mit einem fertigen Stück da. Vielleicht kann ich das dann jemandem anderen anbieten.“ Ich habe mich selbst an diese Aussage aber gar nicht mehr erinnert. Dass alles so gut gelaufen ist, da ist auch immer Glück dabei. Es war das Jahr, in dem in Leipzig die Intendanz gewechselt wurde und das Stück dort uraufgeführt wurde. Das hat schon die Aufmerksamkeit auf das Stück gezogen. Und auch, dass es für Mühlheim nominiert war. Auch dass es Herr Missbach (Anm: Dramaturg am Burgtheater) gelesen und gut gefunden hat, war natürlich auch von Vorteil.
Sie sind ja auch abseits des Schreibens sehr theateraffin, haben als Komparse am Burgtheater gearbeitet aber auch Regieassistenz am Schauspielhaus und in Düsseldorf gemacht und anderes mehr.
Ja, schon. Auf jeden Fall.
Ist das von Vorteil im Sinne von Einblick haben, was muss ich machen, an wen muss ich mich wenden?
Ja und nein würde ich fast sagen. Leute, die ganz von der Literatur kommen, die mit dem Theaterbetrieb noch nichts zu tun hatten, fordern das Theater ganz anders heraus, weil sie gar nicht wissen, wie die Mechanismen funktionieren.
Inwiefern fordern sie?
Sie denken nicht in Konventionen. Denken auch nicht immer gleich die Umsetzung mit. Das ist auch ein Vorteil. Andererseits, wenn man weiß, wie Theater funktioniert, hat das auch seine Vorteile. Die Gefahr dabei ist nur, dass man betriebsblind wird. Man muss sich, auch wenn man viel mit Theater zu tun hat, immer wieder herausfordern, muss neu denken. Das Theater wächst auch immer mit den Herausforderungen. Die muss man stellen und nicht immer auch das Gefühl haben, etwas bedienen zu müssen.
Sie bedienen sich eines Pseudonyms, warum eigentlich?
Ein guter Freund von mir, Valentin Aigner, der bei Gunter Damisch Druckgrafik studiert hat, hat mich mal als Walross karikiert. Unter die kleine Skizze hat er „Schmalz“ hingeschrieben. Weil ich es in meiner Küche aufgehängt habe, ist es dann ein Spitzname im Freundeskreis geworden. Also der Name war schon lang vor dem Stück „am beispiel der butter“ da. Aber es hat schon was mit der deftigen Sprache in meinen Texten zu tun. Grundsätzlich interessiert mich an einem Pseudonym das Spiel mit der Autorenidentität. Wenn man als Autor auftritt, merkt man schnell, dass eine Geschichte gefordert wird, die zu den Texten passt. Was prägt einen? Was hat einen zum Schreiben gebracht? Wer ist man wirklich? Ich glaube, dass wir in jedem Kontext, in dem wir auftreten, Figuren von uns selbst spielen, mal weniger, mal mehr fiktive Geschichten von uns erfinden, sei es in der eigenen Familie, im Freundeskreis oder bei öffentlichen Auftritten, doch es bleibt immer ein unerzählbarer Rest von uns. Das Autorenpseudonym soll auf ironische Weise unterstreichen, dass es nur wieder eine weitere Figur von vielen ist, die man in seinem Leben spielt.
Die Stücke, die sie veröffentlicht haben, haben von ihrer Titelgebung her eine Affinität zu Lebensmitteln. Wie ist das zustande gekommen?
Die Titelidee für die Butter kam daher, dass ich gefunden habe, dass sich an den Lebensmitteln gesellschaftliche Entwicklungen zeigen. Man kann so etwas wie gesellschaftliche Entwicklungen erschmecken. Das hat mich interessiert. Was für jeden haptisch erfahrbar ist, muss man nicht in eine riesige Theorie packen, sondern man kann sagen: Die Butter schmeckt nicht mehr wie früher. Das hat schon eine Aussage, dass sich in den Produktionsbedingungen etwas verändert hat oder dass sich weiter darüber hinaus auch gesellschaftlich etwas verändert. Das war die Idee. Dosenfleisch klingt nur vom Titel her, als würde es noch einmal stark um Lebensmittel gehen. Dort ist es aber auf einer Metaebene angesiedelt. Darin geht es um drei Figuren, die vom Unfall angezogen sind, bei dem es um Blech und Unfallopfer – also Dosenfleisch – geht. Aber es spielt natürlich auch mit dem Lebensmittel. Was bedeutet es, Lebensmittel zu konservieren, was bedeutet es, Leben überhaupt zu konservieren? Wie viel Leben steckt noch in unseren Lebensmitteln? Auch das kann man sich einmal fragen. Und dann denke ich auch, dass Essen und Sprache auch sehr viel miteinander zu tun haben. Aus der Öffnung, in die wir unser Essen hineinstopfen, reden wir auch. Da könnte man sich ja auch einmal fragen, warum wir nicht aus der Nase reden oder aus den Ohren, oder nur mit den Händen. (lacht) Das liegt alles nah beieindander. Das Kauen, Worte zerkauen, Sprache und Essen zerkauen, hängt auch zusammen.
Essen Sie selbst gern?
Ja!
Welchen Zugang haben Sie selbst zu Lebensmitteln?
Ich versuche immer auch, so gut wie möglich, die Massenproduktionen zu umgehen. Wenn ich in die Steiermark nach Hause fahre, komme ich meist mit einem riesigen Sack Essen wieder zurück. Ich kenne dort die Produzenten direkt, kaufe auch beim Bauern direkt das Fleisch.
Sie sind in Admont zuhause. Sind Sie dort auch ins Stifsgymnasium gegangen?
Ja, genau. Ich hab dort auch im Schulspiel die ersten Theatererfahrungen gemacht.
War das für Sie förderlich oder hinderlich?
Das war förderlich. Ich hatte eine gute Deutschprofessorin, die leider letztes Jahr verstorben ist. Sie hat uns wach gemacht für sehr viele Dinge. Hat uns auch Bücher vor der Zeit gegeben. Andere haben gesagt: „Nein, das kann der noch nicht lesen“, aber sie meinte, „das ist genau das Richtige für dich“. Mit ihr hatten wir eine Schulspielgruppe. Dann gab es einen tragischen Schülerselbstmord. Wir hatten uns vorher entschieden, dass wir Wedekinds „Frühlingserwachen“ machen wollten. Dann stand das zur Debatte, ob wir das wirklich machen können. Es war aber eine gute Aufarbeitung. Da habe ich das erste Mal kapiert, was Theater kann und welches Potential es in so einem gesellschaftlichen Rahmen hat. Es war dort viel unaufgearbeitet. Viele Leute haben nur gewusst, dass es einen Selbstmord gegeben hat, sich aber nicht damit auseinandergesetzt. Während der Probenzeit hat sich dann auch noch ein dreizehnjähriger Schüler umgebracht. Das war schlimm. (schweigt einige Sekunden)
Stand für Sie schon früh fest, dass sie Schriftsteller werden wollten?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe eine Fachbereichsarbeit geschrieben zum Thema „Das radikale Volksstück in der 68er Generation“ – hab mich mit Peter Turrini und Wolfgang Bauer beschäftigt. Aus dem heraus habe ich Lust gehabt, mich theoretisch mit dem Theater zu beschäftigen. Ich hatte Lust zu erfahren, was Theater eigentlich ist, wie es funktioniert. Aus dem Impetus heraus habe ich angefangen, Theaterwissenschaft zu studieren. Ich bin aber draufgekommen, dass ich mit dieser Motivation einer Minderheit angehöre. Sehr viele Leute wollen Regisseure werden und schaffen die Aufnahmeprüfung nicht und finden sich dann in der Theaterwissenschaft. Oder Schauspieler, oder Filmemacher. Es heißt ja Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Und ich war einer der Wenigen, der richtig an Theorie interessiert war.
Haben Sie abgeschlossen oder studieren Sie noch?
Ich musste das aufschieben und jetzt läuft der Diplomlehrgang aus. Ich war schon kurz vor dem Diplom, was ein bissl ärgerlich ist und den Master muss ich mir jetzt auch aufheben.
Abgesehen vom Zeitaufwand – fanden Sie das Studium förderlich oder hinderlich fürs Schreiben?
Es war schon förderlich, finde ich. Ich habe aber auch meine Schwierigkeiten mit dem Studium gehabt. Aber das hängt damit zusammen, dass ich immer selber gerne entscheide, in welche Richtung meine Lektüre weitergeht. Man hat thematische Vorgaben und bei mir war das oft so, dass, wenn ich ein Buch gelesen habe, es für mich logisch war, etwas anderes weiterzulesen als das Vorgeschlagene. Da gab´s dann aber z.B. den Rahmen Griechische Tragödie, mit der ich mich auch sehr gerne auseinandersetze, aber manchmal ist es für mich dann wichtiger, nicht im thematischen Rahmen zu bleiben, sondern etwas Anderes weiterzulesen. An sich hat das aber meine Phantasie auch angespornt.
Sie verwendeten für das Stück im Schauspielhaus „Die Agonie des Friedens“ und für „am beispiel der butter“ zwei unterschiedliche Sprachmodelle. Ist die Lust und Freude am Experimentieren mit der Sprache für Sie auch ein wesentliches Element, um zu schreiben?
Ja, das finde ich schon. Ich suche immer nach unterschiedlichen Formen, je nachdem, was ich behandle. Einerseits ist immer der Versuch da, eine größere Dichte und Konzentration oder Intensitäten zu schaffen, was auch immer über Rhythmisierungen funktioniert. Durch einen Umbau des Satzbaues schaffe ich Irritationen. Das sind kleine Störfaktoren für den Schauspieler oder Sprecher, die die Konzentration steigern. Das ist für mich eine Suche, die nie aufhört.
Wie kommen Sie zu Ihren Themen?
Das ist unterschiedlich. Ich arbeite derzeit an einem neuen Stück. Dafür erzählte mir im Zug ein Typ von einem „Herzerlfresser“, der in der Nähe von Kindberg sein Unwesen getrieben hat. So etwas trage ich dann ewig lang mit mir herum und hab es im Hinterkopf. Dann merkt man, wenn einem etwas länger nicht in Ruhe lässt, dass das eigentlich ganz gut wäre, etwas drüber zu schreiben.
Das sind dann eher exogene Faktoren.
Ja, genau. Bei der Butter war es so, dass ich mit einem Freund eine Installation machen wollte. Bevor ich zu schreiben begonnen habe, arbeitete ich in einem Künstlerkollektiv, in dem wir Installationen, die wir auch mit Texten bespielt haben, machten. Da wollten wir damals selbst ein Butterdenkmal bauen. Wir haben das bei einer Off-space-Galerie in Wien eingereicht. Aber die waren nicht wirklich begeistert, 20 Kilo Butter in der Galerie über ein Monat stehen zu haben, die dann ranzig wird. Dann habe ich das wieder fallen lassen später aber wieder aufgegriffen. Es sind Themen, an denen ich schon dran war und zu denen ich später wieder zurückkomme. Es braucht oft ein, zwei Anläufe dass ein Stück draus wird.
Ihre Stücke sind mit sozialkritischen Komponenten versehen.
Ja, das sind oft Sachen, die mich beschäftigen und nicht in Ruhe lassen. Zum Beispiel die soziale Gerechtigkeitsvorstellung von Hans in „am beispiel der butter“ und seine Erfahrungen mit einem Souverän. Dorfsouveräne, das habe ich selbst am eigenen Leib miterlebt. Da gibt es Landfürsten, die über den Dingen stehen. Dass das auch mit einer größeren gesellschaftlichen Ordnung zu tun hat, finde ich ganz spannend zu verfolgen. Auch das noch einmal höher zu heben und zu fragen: Wie ist unsere Gesellschaft eigentlich aufgebaut, dass es das gibt?, finde ich spannend.
Es gibt ein Videointerview mit Ihnen, da fahren Sie mit einem Einkaufswagen durch einen Supermarkt. Darin sagten Sie, dass das, was in einer Kleinstadt passiert, auf die Gesellschaft im Allgemeinen umgelegt werden kann.
Auf jeden Fall. Ich wollte auch schon einmal ein Stück in Kaindorf spielen lassen, weil ich finde, dass das einen so guten Namen hat. Man könnte es ja auch mit „e-i“ lesen. Kein-Dorf. Mich interessieren eben Modelle. Manche sagen, wenn man zu modellhaft denkt, dann vereinfacht das alles. Aber die Vereinfachung finde ich auch ganz gut, weil sie wie eine Lupe funktioniert. Man kann dann schon genauer hinschauen, wie Mechanismen funktionieren. Gerade das lässt sich im Kleinen ganz gut erforschen. Das Theater ist für das modellhaft Beispielhafte oft ganz gut, weil es selbst auch einen Laborrahmen darstellt.
Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie ein Stück in einer Art Kindesweglegung an einen Regisseur oder eine Regisseurin übergeben. Haben Sie damit ein Problem?
Grundsätzlich nicht. Ich sehe das vielleicht etwas lockerer als andere Kollegen. Weil ich mir auch denke, dass der Text ein gewisses Gerüst ist, das einmal steif, einmal weniger steif ist. Dann muss das erst mit Leben und Fleisch gefüllt werden. Eine ziemlich arge Erfahrung als Autor ist, dass man zuhause in seinem Kämmerlein sitzt und dann muss die Idee durch dieses Nadelöhr der Schrift. Man sitzt zuhause und hat eine Welt vor sich. Dann muss das auf Schwarz-Weiß ins Zweidimensionale herunter gebrochen werden, um dann wieder eine Riesenwelt zu schaffen. Das macht das aber auch wieder wahnsinnig spannend. Da muss man auch gewisse Tricks finden, wie man etwas in anderen Leuten auslöst. Man versucht ja auch, durch den Sprachgebrauch eine gewisse Körperlichkeit auf die Bühne zu bringen. Eine Körperlichkeit in ein absolut unkörperliches Medium hineinzuschreiben, ist auch eine lustvolle Aufgabe. Wenn unabgesprochen viel Fremdtext mit hineingenommen wird, ohne Autorenabsprache, was mir noch nicht passiert ist, dann verstehe ich, wenn Verbote herausgegeben werden, oder wenn man sagt: Gut, aber da bitte nicht mehr meinen Namen drüberschreiben.
In Amerika gibt es viel stärkere Regeln und härtere Gesetze, die den Autoren erlauben, viel stärker einzugreifen.
An sich finde ich es gut, dass es noch einmal einen Interpretationsspielraum für die Regie gibt und dass sie damit eine neue Perspektive auf den Stoff werfen. Ich kann mir schwer vorstellen, meine eigenen Texte zu inszenieren. Vielleicht muss ich mich da einmal widerrufen. Aber die Angst, die ich da hätte, ist, dass ich mich selbst dem Text gegenüber nicht fremd genug machen könnte. Gerade dass ein Text auch ein Geheimnis hat, ist auch wichtig für die Umsetzung. Manche Regisseure legen dann noch einmal einen ganz anderen Rahmen drüber und dann kommt noch eine Dimension dazu. Das macht das noch spannender.
Ist das für Sie dann wie ein Aha-Effekt?
Schon, auch, auf jeden Fall. Das war so beim Retzhofer Dramapreis. Der wird ja mit Workshops begleitet und das Eigenartige oder das Gute dort ist auch, dass man mit einem Text hinkommt und die anderen den Text lesen. Man darf nicht mitlesen, es wird einem selbst vorgelesen. Und dann diskutieren die anderen drüber und man darf nichts dazu sagen. Da ist man radikal aus dem eigenen Werk rausgeworfen und dabei ist es spannend zu sehen, was da überhaupt erst ankommt. Da muss man erst einmal umgehen lernen wie explizit man gewisse Sachen machen muss und auch wie wenig wahrgenommen wird. Oder manches, das man selbst nur als Detail erachtete, wird wieder von anderen als riesig wahrgenommen. Ich habe gerade ein Buch mit dem Titel „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahnemann gelesen. Es geht darum, wie Aufmerksamkeit funktioniert. Ich hab das auch im Zuge eines Schreibworkshops gelesen, weil es ja auch darum geht, dass man ja nur immer zwei Stunden Zeit hat. Und in diesen zwei Stunden muss man das Publikum maximal bei Aufmerksamkeit halten. Der Autor sagt, dass es grundsätzlich ein schnelles und ein langsames Denken gibt. Das schnelle Denken ist das reflexhafte Denken, bei dem man sofort in eingefahrenen Spuren ist. Dass man aber das langsame Denken zum Beispiel für komplexe, mathematische Funktionen braucht. Und da fällt dann eine gewisse Aufmerksamkeit weg. Er hat Versuche gemacht, dass er Leuten gesagt hat, sie müssen beim Basketballspielen zählen, wie oft der Ball wechselt. Und währenddessen ging einer mit einem Gorillakostüm über das Spielfeld. Das haben die Leute aber gar nicht wahrgenommen.
Beim Rezensieren von Stücken funktioniert das genauso. Ich weiß von mir, dass ich einen sofortigen Reflex habe, aber dass ich dann gerne auch einmal eine Nacht darüber schlafe. Dann kommen auch andere Assoziationen – wie zum Beispiel bei Ihrem Stück, das Sie für das Schauspielhaus geschrieben haben und das ja viele Anspielungen verschiedener Art enthält. Werden Sie eigentlich beim Stückeschreiben bleiben? Es gibt ja auch andere Texte von Ihnen.
Ich würde auch gerne ein bisschen Prosa schreiben, aber zur Zeit tun sich Möglichkeiten auf, die will man natürlich auch nutzen.
Sie erleben ja gerade einen richtigen Hype.
Ja, aber irgendwie hoffe ich auch, dass ich einmal Zeit habe, einen Roman zu schreiben.
Was ist für Sie die größere Königsdisziplin, der Roman oder das Theaterstück?
Schwer zu sagen, weil das so unterschiedliche Medien sind. Man kann auch nicht sagen, dass der Roman mehr Zeit braucht. Manche schreiben einen Roman in einem halben Jahr und es wird super. Aber ich glaube, wenn man sich eingehender mit einem Thema befasst, dann sind zwei, drei Jahre keine unrealistische Zeit. Man kann aber ganz anders erzählen, weil es nicht nur so diese komprimierte Zeit ist, die man im Theater zur Verfügung hat. Nach zwei Stunden ist ja auch die Aufmerksamkeit vom Zuschauer schon ein bisschen weg. Ich kann da fast keine Wertung machen.
Sie sind, so wie ich Sie gerade erlebe, ein sehr kommunikativer Mensch. Das Schreiben ist ja etwas Einsames. Finden Sie für sich eine schöne Balance?
Es geht. Ich glaube, es war früher noch viel schlimmer. Diese Schreibkammer, die abgeschottete, oder der Hölderlinturm, das ist nicht mehr ganz aktuell. Auch die Dramatiker haben früher ein Stück erst fertig geschrieben und sind dann zu den Theatern gegangen. Heute ist man viel mehr in Arbeitskontexten mit eingebunden, wenn man das will. Es gibt schon auch da wieder eine Bandbreite von Arbeitsweisen, aber ich bin z.B. mehrmals in der Woche in Gesprächen mit Dramaturgen, teilweise mit Schauspielern, die auch Ideen haben, dann mit der Lektorin, die Feedback gibt. So einsam, wie man sich das so romantisch vorstellt, ist es nicht mehr. Es gibt auch die Tendenz zu kollektiven Schreibmethoden. Das würde ich auch gerne mehr machen. Gerade im Internet gibt es jetzt neue Werkzeuge wie zum Beispiel das Google Docs, das von vielen Kollegen genutzt wird. Dabei hat man ein Dokument, auf das verschiedene Leute Administratorenrechte haben. Da kann man auch ein wenig changieren. Man kann jemanden einsetzen, der nur Kommentarfunktion hat oder Leute, die mitschreiben können. Dabei entwickeln sich ganz andere Arbeitsmethoden, die ich sehr spannend finde. Da würde ich eigentlich gerne mehr ausprobieren. Da schreibt man dann wirklich im Kollektiv. Mir wurde erzählt, dass man, während man einen Satz hineinschreibt, diesen z. B. jemand anderer, der auf der anderen Seite der Erde sitzt, gleich darauf wieder löscht. Der tippt den raus und überschreibt ihn wieder. Das ist eine ganz neue Arbeitsweise, die auch spannend ist.
Was ist in der nächsten Zeit geplant? Sowohl was das Schreiben angeht, aber auch die Umsetzung im Theater? 2015 kommt „Dosenfleisch“.
Ja, die Autorentheatertage haben das ausgeschrieben und es wurden drei Autoren ausgewählt. Wien, Zürich und Berlin bringen dann jeweils einen dieser Texte. Dosenfleisch wird wahrscheinlich in Wien am Burgtheater gemacht werden. Die Uraufführung ist während des Festivals in Berlin, und dann geht es nach Wien. Ich schreibe außerdem an einem neuen Stück, das „der Herzerlfresser“ heißen wird.
Ja, darüber haben Sie schon kurz erzählt. Die Steiermark ist für Menschenfresser offenbar ein guter Boden. Ich erinnere mich an einen Fleischhauer in Graz, bei dem vor ca. 30 Jahren zwei Briefträger verschwanden. Man fand Teile von ihnen in seinen Kühlanlagen, andere dürfte er verwurstet haben.
Grauslich und ich hab gehört, das jetzt auch wieder dieser Haarabschneider unterwegs ist.
Das ist ja auch etwas ganz Eigenartiges. Das Aneignen von etwas Originärem, Körperlichem von jemand anderem, vielleicht auch noch das Horten bedeutet ja eine extreme Machtausübung, die aber trotzdem ganz subtil bleibt.
Ich habe mich gerade in den Kannibalismus eingelesen. Das geschieht auch oft aus dem Wunsch und aus der Angst heraus, die Teile am sichersten Ort zu verwahren, den es gibt. Dabei gibt es auch Rituale, bei denen man die bösen Geister bannen möchte, indem man die Stücke auch zu seinem Eigenen macht.
Ich habe aber dennoch den Eindruck, dass es in ihren Arbeiten nicht am Einzelschicksal hängen bleibt. Sondern es geht ja zugleich immer ums Hinschauen, was sich in der Gesellschaft tut. Wir sind ja gerade noch unter dem Eindruck der Attentate die in Paris passiert sind. Glauben Sie, dass unsere Demokratien bestehen werden oder sehen Sie Gefahr in Verzug?
Ich glaube, dass wir gerade an einem Entscheidungspunkt sind, an dem alles offen ist. Es ist noch nicht alle Hoffnung verloren, aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Leute an gewissen Punkten wieder Selbstvertrauen bekommen. Das hängt ganz stark mit Solidarität zusammen. Das hängt ganz stark damit zusammen, dass man nicht nur alles vom Individuum aus denkt, weil das ein wahnsinnig großes Problem wird, das auch systemimmanente Folgen hat. Das reicht schon in so viele Bereiche der Gesellschaft. Die Lebensmittelindustrie, die ich aufgegriffen habe, ist ja nur ein Teilbereich. Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Einkaufszentren und Gewerbeparks beschäftigt. Daran merkt man, dass die Strukturen so ausgerichtet sind, dass wir nur als Einzelwesen dort existieren dürfen. Nur als Individuum uns wahrnehmen dürfen. Diese Räume, in denen man sich eigentlich begegnen kann, wo auch eine öffentliche Meinung entstehen kann, dieser öffentliche Raum wird nach meinem Gefühl knapper. Da braucht es in nächster Zeit ein starkes Bewusstsein, dass das sehr wichtig ist, auch dass Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Gerade wenn wir über Migrationsfragen sprechen. Ich finde, das wird sofort auf eine Angstschiene gebracht, die aber auch wieder vereinzelt. Nach dem Motto – alles wird unsicher und man muss vor den „kriminellen Migranten“ sein Eigentum schützen. Dabei wird viel zu wenig auch von politischer Seite hingewiesen, dass das ein Problem ist, das wir gemeinsam lösen müssen. Das kann nicht durch irgendwelche Gesetze geregelt werden. Sondern da muss jeder irgendwie mithelfen und sich auch gegenüber den Leuten, die zu uns kommen, aus schlimmsten Verhältnissen, aus Kriegsgebieten kommen, solidarisch zeigen. Es gibt viele Probleme, auch den Umweltschutz, die man nur wieder über eine starke Gemeinschaft wird lösen können. Da braucht es, glaube ich, Grundkenntnisse darüber wie man miteinander umgeht, die verloren gegangen sind.