Claudia Bosse, in Wien mit ihrem theatercombinat ein Fixpunkt in der Off-Szene, stand European Cultural News bereits zwei Mal Rede und Antwort. Lesen Sie in diesen beiden Interviews vom April 2014 und Dezember 2012 was der Theatermacherin bei ihrer Arbeit wichtig ist und was sie sich selbst vom Publikum erwartet.
Interview mit Claudia Bosse, Teil 1
Statements vom April 2014, nach der Aufführung von „What about catastrophes“:
Ich glaube, wir sind in permanent instabilen Verhältnissen.
Die Arbeit, die Sie gerade im Tanzquartier gezeigt haben unterscheidet sich erheblich von früheren.
Ja, sie ist völlig anders aufgebaut und hat einen ganz anderen Fokus.
Das Werk war direkt episch angelegt. Täuscht mich der Eindruck, dass die Interaktion mit dem Publikum dabei auf ein Minimum zurückgefahren war?
Das stimmt. Es ging mir in dieser Arbeit weniger darum, einen komplett begehbaren Raum zu schaffen, sondern eine Zeiterfahrung anzubieten. Der Zuschauer kann sich dabei durchaus mit seinem Körper anders verhalten als sonst im Theater aber es ging mir mehr um die geteilten Zeiträume, die sich im Verlauf des Abends verändert haben.
Mit den „Zeitbremsen“, die sie eingebaut haben, werfen Sie das Publikum sehr auf sich selbst zurück.
Wenn man mit dem groben Thema von Katastrophen arbeitet gibt es immer eine bestimmte Erwartung zu den Zeitlichkeiten. Mich interessierte, wie die unterschiedlichen Zeiterfahrungen in die Ökonomie des Theaters zu überführen sind, speziell in so einen Raum, der räumliche und zeitliche Erwartungen in sich trägt. Ziel war es, dass die Instabilität vielleicht in stabileren Verhältnissen stattfindet.
War der Entstehungsprozess ein anderer als bei den vorherigen Produktionen?
Sehr. Einerseits weil die Arbeit dazu nicht immer in dem Raum stattgefunden hat in dem sie dann aufgeführt wurde. Das heißt, die Arbeit daran hat in verschiedenen Räumen stattgefunden und wurde dann erst zum Schluss in den Raum adaptiert in dem sie aufgeführt wurde. Auf der anderen Seite habe ich parallel zu den Proben versucht, Material zu generieren, das in Raumelementen und Soundinstallationen zugänglich gemacht wurde, die zu kleinen Rückzugsorten in diesem Raum wurden. Was den Text betrifft, habe ich dieses Mal nicht mit Montagen gearbeitet, die miteinander verwoben wurden, sondern ich habe mich gefragt, wie kann ich eine Dramaturgie finden, die eigentlich keine Dramaturgie ist. Ist es möglich, in einem Theaterraum, in dem ich immer eine zeitliche Abfolge habe, eine Chronologie von Abläufen, so etwas wie gleichwertige Teile zu schaffen? Und wie können die kombiniert werden, dass immer die fünf Agenten, die Tänzer und Performer diese Situationen gemeinsam initiieren. Dabei sollten die unterschiedlichen Situationen für einen gewissen Zeitraum existent sein, um dann wieder zu verschwinden. Ich habe einerseits versucht, über einen großen Fluss zu arbeiten und andererseits wieder über Unterbrechungen, durch die dann wieder etwas anderes passiert. Ich habe versucht, dass diese verschiedenen Sequenzen für sich selbst sprechen, Informationen, Affekte und Emotionen erzeugen und das nicht nur über die Stellung im Gesamtablauf.
Dennoch hatte ich den Eindruck, dass es einen großen Spannungsbogen gab.
Durchaus, aber nicht mehr in dem Sinne von einer einzigen zusammenfassbaren Aussage. Das ist durchaus auch so gebaut aber dennoch könnte jedes Element alleine für sich stehen. Wenn man z.B. die Anfangssequenz hernimmt, in der es ein Ringen um einen Diskurs gab Dinge zu fassen, die man eigentlich nicht fassen kann. Dieser Teil war für mich ein sehr komödiantischer, den die Menschen unterschiedlich lesen konnten, was für mich vollkommen in Ordnung war. Es war mir wichtig, dass die verschiedenen Sequenzen unterschiedliche Energiefelder hatten, sich aber zugleich einer bestimmten Zuordnung verweigerten. Im Zusammenhang mit einer Katastrophe gibt es immer das Ringen um Kausalzusammenhänge die sich einem aber permanent entziehen. Ist so eine beunruhigende Ruhe in eine theatrale Situation zu übertragen, die keine Analyse der Funktion einer Katastrophe in der Gesellschaft abliefert, sondern einen ästhetischen Erfahrungsraum liefert in dem es unterschiedliche Zugriffe gibt auf die Fragestellung.
Stimmt mein Eindruck, dass es dennoch eine Metabotschaft gab, die man heraushören konnte? Dass Katastrophen, welcher Art auch immer, zum Menschsein gehören sich aber aus den Katastrophen auch wieder ein neues Menschsein gebiert? Aber auch, mit dem Beispiel der Apokalypse, das sie anführen, Katastrophen wie diese epische eben auch nur konstruierte Katastrophen sein können?
Ja, durchaus, sehr sogar. Ich glaube, dass wir immer wieder versuchen, Illusionen von Stabilitäten herzustellen. Ich habe aber stark den Verdacht, dass es diese Stabilitäten gar nicht gibt, sondern dass die finale Katastrophe ein episches Konstrukt ist, um sie wie eine Illusion in einer vermeintlich stabilen Gesellschaft aufrecht erhalten zu können. Ich glaube, wir sind in permanent instabilen Verhältnissen. Es gibt diese Stabilität nirgends. Eigentlich sollte die Produktivität oder die permanente Gefährdung ein Grundmotiv unserer Existenz sein. Sei es im Sinne von gesellschaftlichen Verhältnissen, von existentiellen Fragen, von politischen Zonen oder ökonomischen Verhältnissen. Ich fand auch sehr interessant, was es bedeutet, in einer Gesellschaft aufgewachsen zu sein, wo es diese Vorstellung über das letzte Gericht gibt. Wie wird hier die Angst vor der Abrechnung und dem Zusammenbruch geschult und wie versperrt das eigentlich den Moment. Wie kann man den Moment selbst anwesend machen, das war mir eine sehr wesentliche Fragestellung zu dieser Arbeit.
Wie stellen Sie sich das ideale Publikumserleben dieser Produktion vor oder anders, wer ist für Sie der oder die ideale Zusehende?
Jemand der mit kritischen Parametern sowohl analytisch als auch emotional an das herangeht, was er sieht. Sowohl körperlich als auch was bestimmte Ereignisse als Assoziationen aufrufen als auch zu schauen, was tritt mir da eigentlich wie entgegen. Mir ist es wichtig, dass die Fragen von was und wie in ein richtiges Verhältnis gesetzt werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass das Theater nicht eine Art von Vorführen von etwas ist und nicht etwas ist, wo man eine amüsante Zeit verbringt in der man pointiert Dinge sieht, die man ohnehin schon weiß. Sondern wo diese zeitlichen ästhetischen Verunsicherungen zurückgreifen sollen ins Leben oder in andere Überzeugungen. Es stellt sich die Frage, ob man es selbst schafft, im Theater „dort“ zu sein, sich mit den Dingen in einer selbst bestimmten Weise auseinanderzusetzen.
Was geschieht mit dieser Produktion weiter?
Wir werden mit der Produktion einen Abstecher nach Athen machen, die Arbeit dort in einen komplett anderen Raum anpassen. Ich überlege auch, die Arbeit vielleicht noch einmal in anderen Räumlichkeiten in Wien zu zeigen, aber erst 2015. Ab Sommer wird dann die Folgeproduktion begonnen vorzubereitet zu werden, die dann im September in Düsseldorf uraufgeführt wird. In einem ehemaligen Theater, das aber eigentlich nur mehr eine Art Ruine ist. Was sehr schön ist. Das ist die nächste Station, die dann „catastrophic paradise“ heißt.
Interview mit Claudia Bosse, Teil 2
Statements vom Dezember 2012 nach der Uraufführung von „designed desires“
Das, was eigentlich notwendig ist, ist Neugierde.
Ihre Abende mit dem theatercombinat haben in Wien schon Tradition. Wie werden diese denn vom Publikum angenommen?
Sehr gut eigentlich, wir sind oft ausverkauft.
Die Zusammenarbeit mit ihren Performerinnen und Performern stelle ich mir nicht leicht vor. Es ist ja keine wirklich homogene Truppe, sondern es sind viele Menschen, die unterschiedliche Backgrounds haben. Wie gestaltet sich so eine Arbeit eigentlich?
Es gibt eine Gruppe von Personen, die hier nicht-bezahlt und freiwillig mitmacht und die schon bei der einen oder anderen Arbeit dabei war. Die andere Gruppe sind Schauspieler, Tänzer oder Performer aus unterschiedlichen Ländern wie Australien, England oder Frankreich, die sehr bunt zusammengewürfelt sind. Das Wichtigste bei einer Arbeitskonstellation für ein bestimmtes Projekt ist ein Gefühl zu entwickeln, wer mit welchem Wissen, welche Persönlichkeiten wie miteinander was eventuell möglich machen können.
Sie gehen ja von einem Grundkonzept in ihrer Arbeit aus, das Sie mitteilen, dann mit den Leuten arbeiten und auch darauf eingehen, wie sich die Dinge entwickeln. Wie ist denn eigentlich der Anteil zwischen dieser Grundkonzeption und dem, was dann aus dem Prozess entsteht? Ist das Kollektiv stärker als die Idee, die von Haus aus da ist?
Es sind ganz grundsätzlich verschiedene Arbeitsschritte. Einerseits benötigst du ein Grundinteresse, warum du eine bestimmte Arbeit machst. Dann ist es wichtig, aus dem, was vorhanden ist, Qualitäten herauszuarbeiten. Zunächst gibt es die groben Annäherungen, dann gibt es die Phase, in der unterschiedliche Teilmaterialien entstehen, als kleine Einheiten die gesetzt sind, oder auch als Fragestellungen. Ich sage dann zum Beispiel: Zeichne deinen Körper heute auf ein Blatt Papier und setze verschiedene Elemente hin, die den Körper zu dem gemacht haben, was er jetzt ist. Das ist im Grunde ein Tool das jeder sehr unterschiedlich bearbeitet und aus dem dann Material entsteht. Das wird dann vorgestellt und von mir auch kommentiert. Daraus versteht man, wie jeder denkt und welche Möglichkeiten jeder hat. Das sind oft sehr stark dialogische Arbeiten, aus denen das Grundmaterial entsteht. Der nächste Prozess ist, aus den Einzelteilen das Stück zu bauen, in Stimmlagen, Rhythmen, Energien, Abhängigkeiten und dann die Übergänge zu erarbeiten. Das ist so ein bisschen wie ein Setzkastenprinzip. Dann probiert man das Material – das eine zu dem Punkt, das andere zu etwas anderem. Oder ich sage: Wenn sie das macht, dann machst du das. Dadurch gibt es ein starkes materielles Wissen, das aber erst im Prozess entsteht. Das Grundinteresse ist keine Idee, die über etwas steht. Wenn ich die Leute bitte, etwas zu tun, weiß ich, was mich daran interessiert, aber ich weiß nicht genau, wie es aussieht. Ich habe z.B. mit Blickchoreografien gearbeitet, im Sinne von: Wie sind die Blicke? Eher fragil und ausweichend? Das heißt, ich arbeite da über körperliche Konstitutionen. In einer Sequenz konstituiert man sich so – und wo liegt der Übergang, dass das dann wieder zerfällt und woanders hin geht. Diese Positionen sind schon sehr genau gesetzt. In diesem Durchspielen, in dem viel Feinjustierung ist, merkst du, wie das jeder auch begreift. Dann kommt wieder eine neue Phase. Das ist das Wissen über diese Gesamtökonomie. Dann definiert jeder die Lücken darin, weil jeder permanent sichtbar ist. Bei uns gibt es keinen Offstage. Das heißt, du bist nie im Off auch wenn du wie bei „designed desires“ deinen BH ausziehst oder die Schuhe anziehst – diese Handlungen sind präsent. Sie sind genauso wichtig wie der Mainact. Das bedeutet deine Präsenz zu hinterfragen, wer bist du da in dieser Präsenz, wie viele verschiedene Wechsel gibt es eigentlich von dem, wie du dich selber definierst? Und dann kommt der Prozess mit den Zuschauern, wo sich dann noch einmal Sachen verschieben. Wo man da merkt: Ok, die Leute reagieren so oder so. Die Aufführungen sind meist sehr, sehr unterschiedlich. Die Publikumsreaktionen sind ja gewissermaßen mitchoreographiert, wobei man nie weiß, was aufgegriffen wird. Dabei merkst du, wie dieser soziale Körper, der sich für zufällig für diese Aufführung zusammenfindet, Anwesenheit, Konzentration und Bedeutung erzeugt. Wenn drei Leute bei halbnackten Frauen geekelt wegschauen, macht das was anderes, als wenn alle fasziniert zuschauen. Diese Reaktionen informieren das Gesamte. Dann kommt noch dazu, dass die Darsteller alles sehen. Dadurch, dass sie nicht geschützt sind vor einem dunklen Loch, nennen wir es Zuschauerraum, ist jeder Moment sichtbar. Die Leute haben natürlich eine wahnsinnige Verantwortung, aufzunehmen, worum es gerade in dem Moment geht. Zum Beispiel ein Mann macht eine Performerin in der Aufführung an. Für sie stellt sich die Frage: Wie gehst du damit um? Wie deutest du das um, dass du Projektionen erzeugst und wie kannst du die wieder abstreifen?
Bestimmte Reaktionen sind im Vorfeld wahrscheinlich gar nicht einzuüben, weil unter Umständen bestimmte Aktionen gesetzt werden die gar nicht vorgesehen waren.
Man kann im Vorfeld auf gewisse Sachen vorbereiten. Es gibt immer Performer, die in ähnlichen Gesamtraumchoreographien bereits mitgearbeitet haben, die darauf schon vorbereitet sind. Ich versuche zu sensibilisieren, was welchen Unterschied macht. Einfach um ein Unterscheidungsvermögen zu haben, was auf dich als Spieler zukommt. Möglichkeiten zu haben, die Reaktionen einzuordnen und zu verändern.
Verschwimmt hier nicht die Grenze zwischen Schauspielerin- und Schauspielersein und privatem Sein?
Nein. Es gibt ja unterschiedliche Charaktere, die sich darin zeigen, wie sie mit Öffentlichkeit oder der jeweiligen Fragestellung umgehen. Manche sind zu Beginn schamhaft mit ihrer Stimme, andere deklamieren zu Beginn, wie man ein Gedicht deklamiert. Das Verstehen ihrer Position im Ganzen, über die Reaktionen und Wiederholungen die da passieren, generiert ein Wissen, das das Geschehen von Mal zu Mal reicher macht, obwohl der Ort trotzdem immer total fragil ist. Trotzdem bist du nicht als Privatperson dort, sondern die Weise, wie du dich dort räumlich verortest, wie du auf die anderen reagierst, wie du deinen Körper in bestimmten Situationen definierst, bearbeitest und einsetzt, ist ein sehr genaues Unterscheidungsvermögen, worum es im jeweiligen Moment geht. Diese Konzentration auf eine hergestellte Situation für alle ist wie der „andere“ Ort zu sich selber, in diesem öffentlichen Herstellen, der aber immer eine bestimmte Konzentration hat.
Um noch einmal konkret nachzufragen. Sie heben sich vom herkömmlichen Theater ja bewusst ab, suchen oft Orte, die außergewöhnlich sind und gehen in die Interaktion mit dem Publikum. Spielen die Menschen in ihren Stücken eigentlich noch Theater oder bleiben sie in ihren privaten Rollen?
Ich glaube weder noch. Spielen ist ja immer ein Vorzeigen von etwas Gewusstem. Es ist eher die Methode, die ich auch als Angebot an die Zuschauer stelle, dass in diesem Zeitraum der einzelne Körper oder der Körper im Verhältnis zu dem anderen Körper in eine Ausnahmesituation gerät. Es ist einerseits klar, dass es ein Spiel ist. Ein Spiel im Sinne einer nicht alltäglichen Übereinkunft, in dem aber die Übergänge zwischen dem Alltag und dieser besonderen Situation ständig brüchig bleiben müssen oder sollen, weil es eben keine Illusion ist. Man sieht, wie jedes Element sich herstellt. Es geht nicht um einen Effekt von etwas, sondern es ist das Herstellen von Versetzungen oder Veränderungen oder Verfremdungen, von Elementen zueinander, die man aber bewusst betreibt. Das heißt, es ist ein bestimmtes Bewusstsein vorhanden, das heißt aber auch in dem Ausführen bin ich kein anderer. Ich führe aber etwas aus, was ich sonst nicht unbedingt tun würde. Ich tue es in dieser Kondition des Spiels, aber ich weiß, ich tue jetzt diese Handlung in diesem Rhythmus, in dieser Konstellation mit den anderen, in dieser Situation mit den Zuschauern.
Sie erwarten von ihrem Publikum ja nicht nur körperliche Präsenz, mit der Sie wie mit einem Leitsystem arbeiten, sondern Sie wünschen sich ja auch, dass etwas beim Publikum ankommt. Ist das von Produktion zu Produktion etwas anderes oder gibt es eine Grundintention?
Ich glaube, mit ihrer Frage hängt auch ganz stark zusammen, warum ich NOCH Theater mache. Was mich daran interessiert ist, dass ich den Eindruck habe, man kann über eine zeiträumliche Vereinbarung Dinge mit und in der Gesellschaft anders bearbeiten, als man sie in den herkömmlichen Räumen ausverhandeln kann. Grundsätzlich zum Theater: Ich habe den Eindruck, man kann immer politisch und gesellschaftlich in diesen Kippmomenten arbeiten. Was mich interessiert ist, dass man nicht Wirkungen konsumiert, sondern Haltungen provoziert oder affiziert gegenüber dem, was gezeigt wird. Es werden somit nicht Sachen gezeigt oder hergestellt, mit denen man rundherum einverstanden sein sollte, im Sinne von: Das ist so schön, oder was auch immer, sondern es entstehen immer Konstellationen die für jedes Stück versuchsweise mit einer speziellen Methode vom Betrachter Haltungen oder Entscheidungen verlangen.
Gehört dazu ganz überspitzt dargestellt nicht auch ein sehr reflektiertes und elaboriertes Publikum?
Dazu würde ich Nein sagen. Das Schlimmste ist das halb-elaborierte, von sich überzeugte Publikum, weil das selten in der Lage ist, noch zu hören und zu sehen und wahrzunehmen.
Haben Sie dieses in Ihren Vorstellungen?
Ja, da gibt’s auch immer einige. Aber die sieht man, die erkennt eigentlich jeder sofort. Das ist das Schöne, dass das sehr transparent ist. Das was eigentlich notwendig ist, ist Neugierde. Ich glaube, dass die Neugierde nicht mit einem Bildungsgrad zusammenhängt, sondern mit der Furchtlosigkeit neugierig zu sein, wahrzunehmen und dem, was man wahrnimmt, zu vertrauen. Und eben nicht auf eine Autorität zu setzten, die einem erklärt, wie was jetzt zu laufen hat. Die Variabilität der Schlüsse respektiere ich und finde ich auch wesentlich. Die ist je nach Arbeit auch unterschiedlich groß.
Fühlen Sie sich durch die Reaktionen auch manchmal missverstanden?
Es gibt immer interessante Momente. Eines meiner Schlüsselelemente war, als wir „dominant powers. was also tun?“, mit einem arabischen Chor und unter komplett anderen Bedingungen in Tunis spielten. Das war im Rahmen eines Festivals, den „Journées Théâtrales de Carthage“ – die das Motto „Le théâtre fête la Révolution“ hatten. Das war sehr interessant festzustellen, wie kulturell konnotiert die Reaktionen und die Wahrnehmung des Publikums sind. Es gab eine Zuschauerbegrenzung, aber es waren mehr als doppelt so viele Leute in der Vorstellung. Und dann hast du gemerkt, dass meine Konvention eines aufmerksamen Zuschauers dem überhaupt nicht entsprochen hat. Die selbstkörperliche Orientierung der Leute war komplett anders, aber sie waren wahnsinnig interessiert. Sie waren unglaublich direkt und konkret. Das war auch deswegen im Vergleich interessant weil man hierzulande versucht, etwas als intellektuelles Theater zu labeln, nur weil man über bestimmte Sachen nachdenkt. Ich habe nichts gegen intellektuelles Theater. Es ist interessant, dass über die verwendeten Ästhetiken versucht wird, Ausschluss zu produzieren. Ich glaube aber, dass das woanders herkommt. Und das war dort etwas komplett anderes. In einer sehr unmittelbaren und fordernden Auseinandersetzung.
Das Thema der arabischen Revolution ist dort natürlich auch noch viel greifbarer und hat wahrscheinlich auch noch viel mehr aufgewühlt.
Ja. Es war total interessant zu merken, wie sind dort die Frauenkörper präsent, wie zeigst du die oder nicht. Zeigst du die anders, oder wie konfrontierst du sie mit deinem Standpunkt, der natürlich immer der Mitteleuropäische ist und bleibt. Das war natürlich ein Konflikt mit offenem Ausgang. Das ganze Verhalten hat überhaupt nicht dem entsprochen, was ich bis dahin gekannt habe. Das war Zero aufmerksames Theaterpublikum. Aber die Diskussionen und was dann alles daraus entstanden ist, hatte eine komplett andere Qualität und Dringlichkeit.
Wie kam es zu dieser Idee mit einer Produktion in ein anderes Land, mit einer anderen Sprache und einer anderen Sozialisation zu gehen?
Als wir „dominant powers“ gezeigt haben, hat die Produktionsleitung gefragt, was ich mir denn eigentlich wünschen würde, worauf ich geantwortet habe, dass ich das am liebsten in Kairo, Alexandria oder in anderen arabischen Ländern zeigen würde, um einfach meinen naiven Blick zu konfrontieren und prompt kam die Einladung. Ich glaube aber, dass jede Ästhetik immer kulturell und ideologisch ist. Das zu kapieren, wie relativ das ist und wie abhängig das von verschiedenen Umfeldern wie politischem Kontext, Übereinkünften etc. ist, das finde ich so gesund und grundnotwendig, weil man sich der Befragbarkeit oder auch Abhängigkeit der eigenen Äußerungen bewusst wird. „dominant powers“ war in Zagreb etwas komplett anderes als in Wien oder Tunesien. Den Vorschlag des Stückes habe ich je nach Umfeld verändert, das Grundskelett aber behalten. Am liebsten würde ich nur das tun.
Nach Asien zu gehen, oder nach Südamerika zum Beispiel?
Ja, weil du konfrontiert wirst. Du musst dich mit Sachen auseinandersetzen, die mit der Organisation zu tun haben.
Sie sind, was Ihre Stücke betrifft, in einer beneidenswerten Position, weil Sie und vielleicht noch Ihr Team die Einzigen sind, welche die komplette Übersicht über das Stück haben. Das Publikum kann ja nur immer ausschnitthaft sehen und teilhaben.
Ja, das stimmt einerseits. Aber im Grunde gilt das auch für das Team und für mich auch. Ich weiß natürlich, was ich produziere und ich kenne natürlich auch das Einzelmaterial, aber ich weiß natürlich nicht, was in dem jeweiligen Moment passiert, das weiß niemand. Aber ich glaube, das Wissen schreibt sich immer ein in die nächste Arbeit.
Halten Sie diese Erfahrungen, die sie in den unterschiedlichen kulturellen Kontexten machen, irgendwie fest, schreiben Sie darüber?
Ja, natürlich. Für Lehrtätigen und Vorträge kommt der Moment, das zu ordnen. Dafür muss man sich selber ganz anders denken.
Anders denken im Sinne von: In die einzelnen Rollen, die man spielt, schlüpfen, je nach sozialem Kontext, in dem man sich befindet. Sich eines seiner vielen Ichs zu bedienen?
Ja, sich auch ganz verschiedener Grammatiken zu bedienen und auch mit ihnen zu spielen. Ich hatte da einen Vortrag in Schweden gemacht, in einem Institut für Rhetorik, mit verschiedenen Zugriffen. Und du merkst, dass von den Leuten nichts kommt. Da denkst du dann: Hallo, was ist hier eigentlich los? Und danach kamen sie alle und sagten, wie toll es war. Da merkst du, wie die Konventionen eben anders sind, das Setting ein anderes und eine total andere Mentalität. Und mir wurde dann gesagt, dass es total sensationell war, weil drei Leute etwas gesagt haben! Für mich sind auch Vorträge toll, oder unterrichten, weil es immer eine Chance ist, das ganze Material zu orten und so wiederzugeben, dass Leute, die das nicht erlebt haben, damit etwas anfangen können.
Ist permanentes Lernen, was Sie ja durch Ihre Arbeit erfahren, für Sie ein Motivator?
Ja, schon. Es ist ja der unfassbare Luxus, in diesem Chaos von Welt oder Politik oder Gegenwart oder Geschichte, in dem man sich befindet, einen Punkt herauszunehmen. Zu sagen, ich erlaube mir jetzt den Luxus, von diesem Punkt aus alles zu situieren. Ich kann für den Zeitraum einer Arbeit eine bestimmte Perspektive einnehmen, und wenn ich alles über diese Perspektive betrachte, stellen sich Verhältnisse anders her. Darin lernst du permanent über das, was wir Wirklichkeit nennen, über Arbeitsprozesse, wie etwas entsteht, wie man etwas zusammensetzt oder auch wieder entkleidet. Darüber passiert Erkenntnis, die aber eine andere ist als eine Bucherkenntnis, wenn man liest. Es ist ein anderes Wissen. Es geschieht auf einer Ebene von Körper, Zeit, Raum und Intellekt und die Verschränkung daraus. Und es ist immer eine Arbeit in der Gruppe, die auch dann auf die Gruppe der Zuschauer trifft.
Ihre Theaterarbeit ist eine sehr starke Körperarbeit.
Ja eine Körperarbeit, aber auch eine Denkarbeit. Und es ist ein bestimmter Handlungsraum in der Gesellschaft. Es ist nicht etwas, das man schön anmalt, sondern es ist eine Möglichkeit, Dinge nur in dem Medium des Theaters in seiner Existenz und Widersprüchlichkeit zu formulieren. Das ist in der Linearität z.B. eines Textes nicht machbar. Und es hat etwas damit zu tun, Bruchstellen aufzuarbeiten, die zueinander etwas eröffnen. Ich liebe das Theater, so wie ich es begreife. Mit all den tollen Leuten mit denen ich arbeiten kann und darf. Ich liebe es, das Theater neu zu erfinden und immer wieder neu definieren. In Wien ist es möglich, lustvolle Forschungsprojekte in diesem Medium zu entwickeln und sie auch zu zeigen. Aber zugleich ist man auch mit dem, was man macht, abgestempelt. Es ist ja langweilig, immer dasselbe zu machen. Die Arbeit bekommt dann auch einen gewissen Stil. Aber ich muss immer wieder mein Interesse infrage stellen und weiterentwickeln.
Der „Junge Salon“ ist ein Theaterclub für junge Menschen, die gerne an Aufführungen aktiv teilnehmen möchten. Das ist sowohl auf als auch hinter der Bühne möglich. Die jüngste Aufführung „Geister“ hatte im April 2014 Premiere. Aufführungsort war wie immer die „Heimat“ des „Jungen Salons“ das Brick-5 in der Fünfhausgasse 5 im 15. Bezirk. Isabella Wolf, die das Projekt als Regisseurin betreut, erzählt über ihre Hochs und Tiefs mit dem Projekt und macht auch klar, warum es von der öffentlichen Hand dafür mehr Geld geben muss.
Frau Wolf, wie kamen Sie eigentlich zum „Jungen Salon“?
Ich arbeitete ursprünglich mit Anna Maria Krassnigg als Schauspielerin zusammen. Sie hat den „Jungen Salon“ initiiert und ein junger Theaterpädagoge hat damals das Unternehmen betreut. Er ging dann aber nach Deutschland, und da ich bei den Workshops zuvor dabei gewesen war, wurde ich gefragt, ob ich diese Arbeit nicht übernehmen wollte. Für mich war es von Beginn an spannend, mit Jugendlichen zu arbeiten. Das Projekt ist insofern interessant, als es ja keine Zwangsbeglückung ist. Wir arbeiten dabei nicht wie Theaterpädagogen in einer Schule, in der dann z.B. eine ganze Klasse an einem Stück mitmachen muss. Anfangs waren für mich die gruppendynamischen Prozesse fremd, die man in der Theaterpädagogik einsetzt. Dort geht es ja um einen „work in progress“, um das Prozesshafte an sich. Aber für mich klemmte das irgendwie, blieb irgendwie unfertig hängen. Für mich musste die ganze Unternehmung ein bestimmtes Ziel haben. Ich wollte eigentlich von Beginn an mit den Jungen Theater spielen. Tatsächlich, und das freut mich sehr, sind auch in dieser Produktion welche dabei, die schon zu Beginn mitgemacht haben. Es ist dabei unglaublich schön, auch ihre persönlichen Entwicklungen mitzuverfolgen. Die Matura, den ersten Freund, den Beginn des Studiums. Diese Menschen sind ja noch alle „auf dem Weg“. Bei gestandenen Schauspielern steht ja nicht die Frage „wohin mit meinem Leben“ im Vordergrund. Die ist ja schon längst gefallen. Bei den Jungen aber ist noch alles im Werden. Das finde ich sehr schön. Zugleich aber weiß ich auch, wie wichtig diese Arbeit für die Jungen ist. So haben zum Beispiel einige auch nach Beendigung der vorherigen Produktionen geweint, weil es vorbei war. Sie erhalten dadurch ja ein besonderes soziales Umfeld und es entwickeln sich daraus auch stabile Freundschaften, die weit über das Theaterprojekt hinaus wirken. Für viele bietet dieses Projekt auch einen sozialen Halt.
Der „Junge Salon“ begann im Jahr 2010. Wer sucht denn eigentlich die Stücke aus?
Bisher haben das Johanna Jonasch und ich gemeinsam gemacht. Johanna ist die Theaterpädagogin und macht die Produktionsleitung, geht aber im Sommer nach Deutschland. Noch ist nicht sicher, wer ihr nachfolgen wird. Eines ist aber sicher: Ich alleine kann das nicht weiter betreiben. Der Part der Dramaturgie, das Einreichen des Projektes usw. usw. – das ist jetzt noch offen. Ich möchte gerne weiter machen, alleine ist es aber unmöglich zu schaffen. Ich arbeite mit der Ideenfindung zu einem neuen Stück fast ein Jahr daran. Klarerweise nicht ununterbrochen. Ich habe ja auch noch meine Engagements als Schauspielerin. Da ist für zusätzliche Aufgaben einfach keine Luft mehr drin.
Wie kommen Sie zu jungen Menschen, die mitmachen wollen?
Das hat bisher Johanna übernommen, die aus ihrer Arbeit als Theaterpädagogin an verschiedenen Schulen die Jungen rekrutierte. Interessant dabei ist, dass es zu 95 Prozent Mädchen sind, die mitmachen. Wir haben im Moment nur einen jungen Mann dabei.
Müssen Sie die Stücke für die jeweiligen Akteure adaptieren?
Ja klar. Ich hatte in diesem Stück z.B. 8 Rollen zu vergeben aber 14 Anmeldungen. Da muss man sich dann die Frage stellen: Nimmt man z.B. die ersten 8, die sich beworben haben, die ganz brav und akkurat sind? Dabei kann es aber vorkommen, dass gerade unter den anderen sich welche befinden, die kreativer und besser sind. Also habe ich die Rollen und Texte angepasst und über die Zeit hin auch verändert, damit alle mitmachen konnten. Angedacht war dieses Mal ja ein Serienformat, das über zwei Tage gespielt werden sollte. Aber ich musste zur Kenntnis nehmen, dass niemand zweimal hintereinander ins Theater kommen würde. Auch war es rein zeitlich und von der Kapazität her nicht zu schaffen.
Sie haben in der Produktion „Geister“ mehrere Texte miteinander kombiniert. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Es gibt in der Krankenhausserie „The Kingdom“ bei Lars von Trier, die wir als Ausgangsbasis genommen haben, eine Stelle, in der es heißt „was geschieht, wenn die Häuser weinen?“ Diese Stelle hat mich an etwas erinnert. Wir haben ja 2011 „Warum das Kind in der Polenta kocht“ von Aglaja Veteranyi aufgeführt und ich erinnerte mich an die Stimmung dieser Texte. Die viel zu früh verstorbene Autorin, die als Zirkuskind aufwuchs und Schreckliches in ihrer Jugend erlebte, war ja bis zu ihrem 18. Lebensjahr Analphabetin. Danach begann sie zu schreiben, und fürs Theater zu arbeiten. Sie hatte einen Mentor, einen alten Herren, der dann ins Krankenhaus kam und leider verstarb. Und darüber hat sie ein Buch geschrieben. Ein Buch über das Sterben im Krankenhaus. Texte also, die genau zu unserer Produktion gepasst haben. Die habe ich dann eins zu eins übernommen, nur die Namen adaptiert und in die Geschichte von Lars von Trier eingeschrieben.
Sie arbeiten als Regisseurin mit den jungen Menschen sicherlich stark über Motivation?
Ja klar, wie denn sonst! Das geht ja gar nicht anders. Es sind ja alle auch freiwillig dabei. Zum Theater kann man niemanden zwingen. Wenn die das nicht wollen, dann steigen sie ja auch sofort aus. Ich finde es z.B. auch absolut dämlich mit Jugendlichen nur Stücke zu machen aus ihrer direkten Erlebniswelt wie z.B. über die erste Periode oder den ersten Freund. Und ich halte Theaterstücke, in denen alles ausformuliert ist, für langweilig. Stücke, die zum Denken anregen, die verschiedene Interpretationen offen lassen sind hingegen interessant. Man kann mit den Jungen viel erarbeiten, auch so schwierige Sachen wie die Vorlage „The Kingdom“ von Lars von Trier. Das Einzige, was dabei schwierig ist, dass die unterschiedlichen Charaktere in ihrer Altersstruktur her auch als solche erkennbar werden. Bei manchen Charakteren, wie der alten Frau, die dann auch stirbt, geht das sehr gut. Das kleine Mädchen, das dabei mitspielt, wird durch die graue Perücke zu einer zarten, verhutzelten alten Frau. Das passt wirklich gut. Ansonsten überlege ich, bei kommenden Produktionen eine Mischung von erfahrenen Schauspielern mit den Jungen zu machen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit diesen jungen Menschen?
Das ist einerseits die Erstellung der Probenpläne. Da muss man berücksichtigen, wer wann nicht kann oder wer wann etwas vorhat, nicht da ist usw. Ich saß dieses Mal ganze 17 Stunden daran! Das ist eigentlich viel zu viel und gar nicht zu machen. Dann kommen einige ja nur zu einem bestimmten Zeitfenster zur Probe, die dann genau darauf ausgerichtet sein muss. Das bedeutet, dass man die jeweilige Szene mit ihnen nur dann probieren kann. Und andererseits ist es auch oft so, dass ich mir vorkomme wie ein Jongleur im Zirkus. Ich habe da immer das Bild von einem Jongleur im Kopf, der auf langen Stangen in einer Reihe Teller zu drehen beginnt. Wenn er beim Letzten angelangt ist, dann muss er wieder vor zum Ersten. Beim Einstudieren von Rollen kommt mir das oft so vor. Ich führe die Jungen dabei erst einmal an den Charakter heran, erkläre, warum er so ist oder so denkt oder fühlt und lasse sie darin eintauchen, bis das sitzt. Aber beim nächsten Mal kann das alles schon wieder weg sein!
Macht Ihnen das Regieführen an sich Spaß?
Sehr sogar. Regiemachen ist ungeheuerlich. Es ist etwas „Göttliches“ wenn eine Idee zur Materie wird. Das ist das Größte, was man auf der Welt machen kann, wenn man eine Idee in die Welt bringt. Dabei besteht ein großer Unterschied zwischen der Arbeit einer Schauspielerin und einer Regisseurin. Ein großer Unterschied in der Inspiration und ein großer Unterschied im Denken. Eine andere Art zu denken. Man braucht dazu einen analytischen Verstand und die Fähigkeit ausdrücken zu können, warum etwas funktioniert hat oder warum eben auch nicht. Bei den Jugendlichen muss man die Idee in den Kopf und in das Herz verpflanzen. Man muss Geschichten erzählen können, warum die Figuren so sind, wie sie sind. Das ist manchmal mühsam, aber es macht auch Spaß.
Wie sieht es mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand für dieses Projekt aus?
Sie war eigentlich so, dass man kein Theaterprojekt damit machen kann. Ich muss sagen, dass ich oft ein Jahr als Schauspielerin arbeite, damit ich mir die Produktion mit den Jugendlichen überhaupt leisten kann. Das ist der reine Wahnsinn. Letztes Jahr waren wir durch einige Cofinanzierungen viel besser finanziell aufgestellt, aber dieses Jahr ist einiges weggebrochen. Wir kämpfen damit, weil sich die Stadt Wien dem Projekt gegenüber nicht wirklich verpflichtet fühlt, was sehr schade ist. Die MA7 fühlt sich nur für Profis zuständig, das Amt für Jugend und Familie wiederum sagt, wir könnten alles machen, nur kein Theater.
Welche Gründe würden Sie anführen, warum der „Junge Salon“ weiterbestehen und gefördert werden sollte?
Da gibt es viele.
1. Es ist sehr wichtig, dass es im 15. Bezirk eine Anlaufstelle gibt, in der sich Jugendliche und junge Menschen außerhalb der Schule zum Theaterspielen treffen können. 2. Theater aber auch Sport sind ausgezeichnete Mittel, um junge Menschen über soziale Grenzen hinweg an einem Projekt zu beteiligen. 3. Das Projekt erlaubt es, eine soziale Zugehörigkeit zu empfinden. Eine Zugehörigkeit, die oftmals sonst gänzlich fehlt. 4. Die Jungen sind das Theaterpublikum von morgen, die bei dieser Arbeit dafür begeistert werden können. 5. Sie beschäftigen sich dabei intensiv über eine längere Zeit mit einem ganz bestimmten Thema. 6. Es ist dabei möglich, sich selbst auszutesten und zum Beispiel auch fragwürdigen Gefühlen einen bestimmten Platz zuzuweisen. 7. Bis es zu einer Premiere kommt, ist es ein langer, steiniger Weg. Alle, die dabei durchhalten, lernen etwas Wichtiges fürs Leben. Wenn man etwas anfängt und durchhält, dann führt das auch zum Erfolg. 8. Wir gehen mit den Jungen auch oft ins Theater um uns andere Stücke anzusehen und sprechen danach auch darüber. 9. Es besteht bei uns auch die Möglichkeit, in anderen Bereichen, z.B. backstage mitzumachen. 10. Ich glaube, dass wir auch auf einem richtig guten Niveau arbeiten.
Das sollten eigentlich Gründe genug sein!
Nachbemerkung: Der 10-Punkte-Katalog war für das Interview nicht schriftlich vorbereitet, sondern sprudelte aus Isabella Wolf in einem Schwall heraus. Ein deutliches Zeichen für den hohen Grad der Identifikation mit dem Projekt „Junger Salon“ – einer Identifikation, die tatsächlich allen Beteiligten innewohnt.
Gespräch mit Siegrun Appelt Künstlerin und Entwicklerin des Projekts Langsames Licht / Slow Light
Siegrun Appelt, in Wien lebende Künstlerin, arbeitet seit vielen Jahren mit dem Medium Licht. Im Frühling 2012 wurde in Spitz an der Donau eine Promenade mit einer Wegebeleuchtung von ihr eröffnet, 2013 eine permanente Intervention bei der Fundstelle der Venus von Willendorf. In diesem März wurde ein neuer Teil dieser Arbeit Langsames Licht / Slow Light für Kirchen eröffnet. Appelts Herangehensweise ist sowohl eine raumbezogen-ästhetische als auch eine energiesparende. In vielen ihrer Slow-Light-Arbeiten gelang es ihr, den Energieverbrauch von beleuchteten Objekten drastisch zu senken und gleichzeitig die Ästhetik der Bauten oder Räume künstlerisch hervorzuheben. Wir nahmen das Slow-Light-Projekt in der Wachau zum Ausgangspunkt eines interessanten Gespräches mit der Künstlerin.
Sie arbeiten schon seit geraumer Zeit mit dem Medium Licht. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen, als Lichtdesignerin?
Nein, ich bin Künstlerin. Es ist interessant, dass ich diese Frage oft gestellt bekomme. Aber tatsächlich arbeite ich mit Licht und Schatten, einer alten Tradition in der Kunst. Außerdem ist es eine Tätigkeit in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, was in der Kunst auch eine lange Tradition aufweist. Darüber hinaus habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen. Ich bezeichne meine Arbeit aber nicht als Lichtkunst, sondern ich arbeite mit den Elementen, räumlich bezogen und installativ. Es sind vor allem große Räume, die ich gerne bearbeite und in denen ich herausfordernde Themen finde. Man verortet Kunst oft mit Museen, Galerien und Kunsthallen. Die Kunst, die sich darin findet, kenne ich sehr gut. Vieles davon sind permanente Wiederholungen und ich finde es oft sehr banal, wie mit Raum umgegangen wird. Allerdings gibt es auch eine neue Generation, die nicht ausschließlich business- und erfolgsorientiert ausgerichtet ist. Mir ist es wichtig, etwas zu machen, das berührt, Dinge weiterzubringen, auf Dinge hinzuweisen, die andere nicht wahrnehmen.
Vor Kurzem wurde der dritte Teil ihres Slow-Light-Projektes in der Wachau eröffnet. Wie kam es zu diesen Projekten?
Der Ausgangspunkt war das Projekt Wachau 2010+ in Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich mit dem Hintergrund dass die Wachau energieautark werden möchte. Das bedeutete für mich, dass ein nachhaltiges Denken schon da war, was für ein Slow-Light-Projekt eine gute Basis ist. Außerdem ist die Wachau eine Weltkulturerbe-Region in welcher der Blick der Touristen auf die dort vorhandenen Bauwerke gelenkt werden sollte.
Sie sind, was die Auftragserteilung betrifft, in einer eher atypischen Situation für eine bildende Künstlerin, denn Sie werden von einem Projekt zum nächsten sozusagen weiterempfohlen.
Ja, das stimmt. Die Leute kommen auf mich zu, fast immer. Wenn ich von mir aus aktiv werden müsste, dann würde das bedeuten, dass ich mit Leuten sprechen müsste, die das Verständnis für die Thematik, in der ich arbeite, gar nicht haben. Das ist dann sehr mühsam und eigentlich nie zufriedenstellend zu realisieren und geht dann direkt an die Überlebensfrage.
Wie kamen Sie überhaupt zu dem Thema Licht?
Die Initialzündung dazu erhielt ich in Berlin. Licht ist nicht nur ein visuelles Phänomen, sondern auch ein emotionales und körperliches. Ich erlebte in Berlin eines Tages ein ganz besonderes, schräg einfallendes Licht, war davon geblendet. Das war ein rein physischer Vorgang. Mit Licht und Schatten kann man Räume gestalten und in meinen früheren Fotografien war Licht für mich ohnehin immer ein wichtiges Thema. Mich haben auch die künstlichen Lichtwelten in der Stadt interessiert, wie z.B. ein Fußballfeld das umringt ist von Plattenbauten, von welchen die Leute wie in einer Arena zuschauen. Die Beleuchtung mit dem starken Scheinwerferlicht, die ja etwas Bestimmtes mit den Menschen macht, die sich in diesem Licht befinden, war für mich sehr interessant. Es macht einen Unterschied, ob man in dem Licht steht, oder außerhalb. Dieser Wechsel zwischen beobachten und beobachtet werden war ein wichtiger Bestandteil meiner ersten Lichtarbeiten. Neben dem emotionalen Aspekt meiner Arbeit gehört aber auch die Auseinandersetzung mit der Technologie und dem jeweiligen Fortschritt dazu.
Es gab eine Lichtinstallation im Museumsquartier in Wien von Ihnen.
Ja, ich habe dort im Auftrag des MUMOK eine Installation mit 64 kW Verbrauch mit 32 Scheinwerfern gemacht und dieses starke Licht vorab im „A9 forum transeuropa“ komprimiert auf eine Wandfläche projiziert, um die Intensität des Lichts erleben zu können. Dabei stellte sich für mich sofort die Frage nach dem Energieverbrauch. Im Vergleich: Ein Fußballfeld benötigt zwischen 144 und 250 kW für die Beleuchtung. Oder ein anderes Beispiel: Zum damaligen Zeitpunkt, im Jahr 2005, wurden für die Schaufensterbeleuchtungen einer 1 km langen Einkaufsstraßen ähnlich der Mariahilfer Straße rund 400 kW benötigt. Da kann man schön ein Einsparungspotenzial erkennen, Diese Vergleiche habe ich damals bei der Arbeit im MQ angeführt. Es gab auch ein Lichtprojekt in der Kunsthalle Schirn, in welchem ich das Licht von 57 starken Scheinwerfern auf eine kleine Fläche am Boden bündelte. Die Wäremeabstrahlung war zu spüren und das helle Licht erzeugte eine ganz eigene Stimmung, die Leute wurden förmlich angezogen davon und tauchten teilweise in eine Art kindliche Ebene der Ehrfurcht. Nach dieser Arbeit mit dem hellen Licht wollte ich wissen, wie wenig Licht ich denn eigentlich benötige, um dennoch gut sehen zu können. Ich begann Lichttests zu machen. Und in Folge wurden dann von der Firma Zumtobel Leuchten mit wenig Watt und Bewegungsmeldern konstruiert. Durch das An- und Ausgehen des Lichtes erzeugt man allein schon eine sinnliche Komponente. Das war die Basis für Langsames Licht / Slow Light.
Das bedeutet, sie begannen, die Konsumation von Licht von der anderen Seite her zu betrachten.
Ja, das ist wie der Wechsel von Ernährungsgewohnheiten. Vergleichbar mit der Konsumation von Fleisch, mit der Umgewöhnung auf fleischloses Essen. Interessant dabei ist, dass das viele Fleischessen ja auch vor nicht allzu langer Zeit erst erlernt wurde. Vor 200 Jahren war fleischloses Essen ganz normal. Mit dem Lichtkonsum verhält es sich da ganz ähnlich.
Inwieweit beziehen Sie die Umwelt in Ihre Planungen mit ein?
Die Chronobiologie ist für Langsames Licht / Slow Light sehr wichtig. Licht in der Nacht verändert z.B. das Wachstums- oder auch das Paarungsverhalten von Tieren, Pflanzen usw. Und auch der Mensch wird davon beeinflusst. Die Chronobiologin Anna Wirz-Justice, mit der ich zusammenarbeite, hat die Chronobiologie vor 30 Jahren nach Europa gebracht. Wir sind seit Millionen Jahren auf die natürlichen Tages- und Nachtrhythmen des Lichts konditioniert. Licht beeinflusst uns alle. Wir sprechen ja auch von „Lichtverschmutzung“ gegen welche die Naturschützer und Astronomen auftreten. Mein Part ist es, auf die visuell-ästhetischen Dinge zu schauen. Im Idealfall reduziert sich durch meine Arbeit die Lichtverschmutzung. Dabei muss man bedenken, welche Hauptausrichtung im Blickfeld der Menschen steht. Das ist nicht die Richtung gegen den Himmel, die Richtung hin zu den Sternen, sondern erst einmal geradeaus. Ich setze in meiner Arbeit bei der Kognitionspsychologie an. Wenn es dunkel wird, nehme ich mehr über die Ohren wahr, wenn man bei Nacht Licht einsetzt, reagiert das Auge aufs Licht, um sich zu schützen, der Umraum wirkt dadurch dunkler. Licht macht also sichtbar und unsichtbar zugleich. Hier beginnt ein Bewusstseinsprozess, den ich mit den Menschen in der Wachau direkt umgesetzt habe. Die Menschen schätzen die Dunkelheit, ja sie sehnen sich sogar danach. Wenn man Orte stark ausleuchtet, so tut man das, um einem vermeintlichen Sicherheitsgefühl nachzugehen. Tatsächlich ist aber rund um den erleuchteten Raum alles umso dunkler. Das hat wenig mit realer Sicherheit zu tun. Die Projekte, die ich durchführe, dienen dazu, auf all das hinzuweisen.
In Frankreich gibt es z.B. in Lyon das Fête des Lumières, bei welchem ganze Häuserzeilen in Licht getaucht werden und choreographische Lichtprojektionen stattfinden.
Ja, ich wurde kürzlich von 2 Städten eingeladen, die solche Projektionen wie in Lyon wollten, das steht aber ganz im Widerspruch zu meiner Arbeit. Ich will und kann damit nichts zu tun haben. Das hat für mich nichts mit anspruchsvoller Kunst, sondern mehr mit touristischen Attraktionen zu tun.
Ist es für Sie ein Problem, dass es Ihre Arbeiten irgendwann einmal nicht mehr geben wird, weil sich die Ansprüche oder die technischen Gegebenheiten zum Beispiel verändert haben werden?
Nein, gar nicht. Man weiß im Moment auch nicht wie es mit dem dezenten Einsatz von Licht weitergehen wird, weil das eigentlich gegen das Interesse der Industrie ist. Aber es gibt diese Sehnsucht nach Dunkelheit, weil wir mit Licht übersättigt sind. Ich bin bei meinen Arbeiten technologisch abhängig von den Angeboten der Industrie und man wird sehen, welche Entwicklungen es dort gibt. Ein Problem sind zum Beispiel die EU-Normen nach welchen alle Bodenflächen eines Ortes nachts flächendeckend hell sein sollten. Das ist aus meiner Sicht kein guter Umgang mit dem nächtlichen Raum und arbeitet gegen das Adaptionsverhalten des Auges. Gerade der angenehm zu erlebende nächtliche Raum aber ist eines meiner Ziele in den Projekten. Gerade deswegen ist der Rückhalt der Bevölkerung für mich sehr wichtig, wie eben in dem Projekt in der Wachau. Klar gibt es auch immer Gegner, aber auch solche, die aktiv mitmachen.
Gibt es schon neue Projektpläne?
Ja, als Nächstes soll der Viadukt in Emmersdorf in Niederösterreich beleuchtet werden. Die Menschen dort haben eine genaue Vorstellung davon, ich helfe ihnen dabei, die Beleuchtung in ihrem Sinne umzusetzen. Ich habe ja in Emmersdorf schon die Pfarrkirche und die Magdalenenkapelle beleuchtet, das heißt, dort ist das Bewusstsein für einen überlegten Umgang mit Licht schon vorhanden.
Wie können Sie dieses im Voraus vermitteln?
Mit Bildern. Indem ich zwei Beleuchtungssituationen aufzeige. Menschen, die im Schauen nicht geübt sind erkennen auf den ersten Blick oft nicht den Unterschied. Das hängt von ihren jahrelang geprägten Sehgewohnheiten ab. Ich erreiche mit Licht- und Schattenführung eine Dreidimensionalität bei den Gebäuden und erzeuge kaum Streulicht, wodurch sich der Energieverbrauch stark verringert. Die Kirche in Schwallenbach, gegenüber von St. Johann im Mauerthale kommt z.B. mit nur 64 Watt Verbrauch aus. Diese beiden an der Donau gegenüberliegenden Kirchen bilden im neuen Licht ein schönes Ensemble.
Gibt es ein Projekt, das Sie gerne machen möchten?
Ja, ich möchte gerne ein Projekt nur mit Luft machen. Mit Luft und leeren Räumen, das sich auf nicht-visuelle Wahrnehmungen konzentriert. Bislang hat sich da noch kein Kurator drüber getraut.
Wir sind schon sehr gespannt! Herzlichen Dank für das Gespräch.
Im März kamen auf der Studiobühne des Max Reinhardt Seminars zwei Stücke zur Aufführung, die im Sommer zuvor bereits in Reichenau anlässlich der Internationalen Sommerakademie der mdw gezeigt worden waren. „Phallstricke“, so der Titel des einen und „Ego“, so der des zweiten Werkes – beide aus der Feder des Autors Carl Djerassi. Erarbeitet wurden sie von Studierenden des Institutes für Gesang und Musiktheater in Zusammenarbeit mit dem Max Reinhardt Seminar. Der Autor, ein in den Naturwissenschaften hoch dekorierte Herr, dessen Familie jüdischen Ursprungs einst aus Österreich vertrieben worden war, lebt seit fünf Jahren zeitweise wieder in Wien. Wobei diese Stadt seine Anwesenheit mit London und San Franzisco abwechselnd teilen muss. Ein Vielflieger, ein Workaholic und – wie er sich selbst betitelt ein „intelektueller Polygamist“ ist dieser Mann, der in den letzten 28 Jahren insgesamt 261 literarische Werke verfasste. 9 davon für die Bühne. Und dennoch ist er im deutschsprachigen Raum nur für seine chemischen Leistungen aber nicht für sein schriftstellerisches Werk wirklich bekannt. Warum dies so ist, ob sich das ändern lässt und warum die Theaterstücke Djerassis dem Publikum ans Herz zu legen sind – über all diese Fragen gab der Autor bei einem Frühstück in einem Wiener Café charmantest Auskunft.
Carl Djerassi (Foto: Karen Ostertag)
Herr Djerassi, was sagen Sie zu den beiden Aufführungen, die in Wien derzeit gezeigt werden? Gefallen sie Ihnen?
Sie gefallen mir sehr. Ich habe sie ja schon im Vorjahr in Reichenau sehen können wobei ich feststellen muss, dass der Schluss von „Ego“ der schon in Reichenau abweichend von meinem Text gespielt wurde, hier abermals verändert wurde. Die „Phallstricke“ sind mir persönlich das wichtigere Stück, da ich es ja explizit für Österreich geschrieben habe. Und ich war sehr enttäuscht, dass es bislang von keiner großen deutschsprachigen Bühne aufgeführt wurde. Bisher wurde es ja schon in drei Sprachen übersetzt und in London, New York und Portugal aufgeführt , aber ich freue mich dennoch, dass es zumindest nun in Wien in der Neuen Studiobühne gezeigt wird. Interessant dabei ist, dass der Text extrem gekürzt werden musste – über 50% sind den Strichen zum Opfer gefallen – aber dass die Aussage dennoch klar und deutlich geblieben ist. In meinem Buch geht es ja um die ursprünglich vermeintlich römische Bronzestatue des Jünglings vom Magdalensberg. Allerdings kommt diese Statue im Buch nur als Idee vor. In der Theaterversion, die die junge Regisseurin Lucia Dedic gestaltete, ist die Skulptur jedoch auf der Bühne vorhanden. Nicht als Jüngling, sondern als junge Frau, die auch noch dazu singt. Das finde ich wirklich wunderbar. Das Thema des Stückes ist das „Sich-Verlieben“ in eine bestimmte wissenschaftliche These, die man für so schön befindet, dass man alles, was nicht dazu passt, einfach ausblendet. Wobei das Attribut „schön“ in der Naturwissenschaft etwas anderes bedeutet als in der Kunst. Sowohl der Chemiker Rex als auch Regina, die Kunsthistorikerin, tappen in diese Falle.
Das versöhnliche Ende, in dem sich die beiden ihre Schuld eingestehen, wissenschaftlich nicht korrekt gearbeitet zu haben und Regina den Naturwissenschafter doch noch für die Schönheit des Kunstwerkes begeistern kann – ist das eine Anspielung auf Sie selbst? Auf die beiden Zugänge, die Sie sowohl als Wissenschafter in der Chemie als auch als ehemaliger Sammler und Autor für die Kunst in sich vereinen?
Ja klar ist es das. Ich habe im Laufe der Zeit, oft erst nach Jahren, nachdem ich ein Buch geschrieben habe, bemerkt, dass ein jedes von ihnen autobiographische Züge trägt. Interessant war auch, wie Kai Anne Schumacher das Stück Ego verändert hat. Ein solcher Eingriff wäre im angelsächsischen Raum nicht möglich, denn das greift zu stark in die Urheberrechte des Autors ein. Eine jede Änderung muss mit dem Autor abgesprochen und genehmigt werden. Dieses Stück wurde aber schon mehrfach verändert. In Wien spielen drei Charaktere ergänzt durch ein Quartett von Musikern, in einer anderen Inszenierung in Jerusalem kamen zu den drei Figuren aus meiner Theaterversion noch drei weitere dazu. Mich stört das aber nicht, da ja jeder, der will, die Originalgeschichte in meinem Buch nachlesen kann. Ich schreibe nämlich eigentlich immer umgekehrt – zuerst kommt das Theaterstück als Buch heraus, dann wird erst die Bühnenfassung gemacht. Allerdings ist es so, dass man zwar gewöhnt ist, klassische Bühnenwerke zu lesen, wie zum Beispiel den Faust oder den Wallenstein. Die Bücher von diesen Werken und vielen anderen, die auf der Bühne gespielt werden, wurden oft erst nach der Bühnenversion verfasst, aber bei modernen Stücken ist das selten der Fall. Das Hauptthema in Ego ist die Obsession einer Person, konkret des Schriftstellers. Er möchte unbedingt wissen, wie im Falle seines Todes seine Nachrufe aussehen werden. Dieses Thema ist für mich persönlich ja auch sehr wichtig.
Es gibt einige Prominente, die entweder zu früh für tot erklärt worden waren oder aber selber das Gerücht ihres Todes verbreiteten wie in Österreich zum Beispiel der Pianist Friedrich Gulda im Jahr 1999. Kennen Sie diesen Fall?
Nein, davon habe ich nichts gehört. Ich kenne die falsche Todesmeldung über Hemingway nach einem Flugzeugabsturz und jene von Agatha Christie, die sich an ihrem Mann rächen wollte und sich eine Woche lang in einem Hotelzimmer versteckt hielt. Allerdings hatte sie dann keine gute Idee, wie sie sich wieder ins Leben zurückbringen konnte.
Sie haben als Erfinder der Pille weltweite Bekanntheit erlangt, sind nun aber schon 28 Jahre als Autor tätig. Warum nimmt man Sie nach wie vor als Schriftsteller nicht so wahr wie Sie es sich wünschen würden? Ist das auf das Schubladendenken der Menschen zurückzuführen?
Ja, einerseits ist es tatsächlich dieses Schubladendenken, das man ja überall im Leben vorfindet. Was meine chemischen Entdeckungen anlangt, so werde ich auch ausschließlich auf die Entdeckung zur Entwicklung der Pille reduziert obwohl ich diese schon mit 28 Jahren machte. Bis zu meinem 70. Lebensjahr habe ich aber über eintausend wissenschaftliche Artikel geschrieben, die teilweise ganz andere Forschungsinhalte betrafen, aber darüber redet außer Chemikern niemand. Andererseits sitze ich tatsächlich zwischen zwei Stühlen. Ich kenne auch keine anderen Chemiker, die auch Theaterautoren sind. Mediziner wiederum gab es, die schrieben – wie Schnitzler und Tschechow. Der Unterschied zwischen mir und ihnen ist aber, dass sich Mediziner mit dem Menschen beschäftigen, Chemiker aber mit Molekülen. Dazu kommt, dass die meisten Chemiker eigentlich außer Fachliteratur nichts anderes lesen. Und Theater bedeutet für die meisten Menschen Spiel. Da heißt es dann also: „Der Djerassi spielt ja nur so herum. Warum verbringt der nicht seine Zeit mit seriösen Sachen?“ Ich habe in meinem ersten Roman „Cantors Dilemma“ zwanzig lebende Chemiker angeführt, mit deren richtigen Namen, die als Nebenfiguren darin vorkommen. Die Hälfte davon weiß das aber bis heute noch nicht, weil sie sich auch gar nicht dafür interessieren was da ein Kollege von ihnen literarisch schreibt. Andererseits wieder haben Literaten und Theaterleute eine pathologische Angst vor Naturwissenschaften. Bis vor Kurzem gab es auch nur wenige Werke, die sich mit Naturwissenschafter auseinandersetzen. „Das Leben des Galilei“ von Brecht und „Die Physiker“ von Dürrenmatt, das ist alles, was auf die deutschen Bühnen kommt. Die Kulturschaffenden haben Angst davor, dass die Technologie und die Wissenschaft die Welt übernehmen, was ich auch verstehen kann. Und jetzt kommt noch dazu einer von diesen Naturwissenschaftern und will das Theater auch noch. Das wird von ihnen niemals angenommen.
Wie sahen Ihre Kontaktaufnahmen zur Theaterszene in Österreich bisher aus?
Ich habe zum Beispiel die „Phallstricke“ an das Burgtheater geschickt da ich es ja extra für Österreich geschrieben habe. Ich wollte sozusagen meine Hand ausstrecken als versöhnliche Geste für das Unrecht, das mir zugestoßen war. Aber es kam nichts zurück. Keine Absage, keine Information, dass man das Stück im Moment nicht spielen könne oder etwas Ähnliches. Das irritierte mich sehr, denn das ist eigentlich ein Affront. Dass man es scheinbar nicht einmal gelesen hat, das hat mich wirklich getroffen. Die Regisseurin Isabella Gregor hat es dann direkt im Kunsthistorischen Museum vor dem Original des Jünglings in einer dramatischen Lesung aufgeführt was wirklich sehr schön war. Der damalige Direktor des KHM, Seipel, hat sogar mitgespielt – aber es wurde von der Presse überhaupt nicht erwähnt. Von anderer Seite her wurde mir gesagt, dass das Publikum Stücke wie meine nicht sehen wollte. Was ich auch nicht verstehe. Umgekehrt ist es aber so, dass einer meiner Lieblingsautoren, der in London sehr viel gespielt wird, Tom Stoppard, in Wien kaum gespielt wird. Wenn in London angekündigt wird, dass ein neues Stoppard Stück aufgeführt wird, ist es bis zum Ende der Saison sofort ausverkauft. Hier in Wien aber gab es, soweit ich weiß, erst einmal eine Aufführung von ihm. Auf meine Frage, warum das so sei wurde ich belehrt, dass man Thomas Bernhard in London auch nicht spielen würde und dass der Unterschied der Akzeptanz von Stücken zwischen England und Europa ein Kultureller wäre. Ich kann mir aber vorstellen, dass mein Stück „Vorspiel“, das ich 2011 geschrieben habe, ideal für das Theater Nestroyhof Hamakom wäre. Ein Stück das nun im Mai in London seine Weltpremiere erleben wird. Die Figuren darin sind alle bekannte jüdische Europäer und das Interessante daran ist, dass ich dieses Buch zugleich an drei verschiedene literarische und nicht Theaterverlage sandte. Das macht man normalerweise nicht, aber ich habe es einmal für Spanien, dann für den englischen und den deutschen Sprachraum an Verlage in unterschiedlichen Ländern geschickt – und alle drei haben beinahe zeitgleich zugesagt, sodass es zugleich in drei Sprachen als Buch im Jahr 2011 erscheinen konnte. Mit dem Hamakom verbindet mich, dass ich als Kind und Jugendlicher dort ins Kino ging, das damals in den Räumen des jetzigen Theaters installiert war. Ich wuchs ja in jenem Haus auf, das dort stand, wo jetzt der Uniqua-Tower steht, also ganz nah am Hamakom. Zeit ist in meinem Alter jedoch das Wichtigste. Und ich musste erkennen, dass meine Bemühungen in Österreich gespielt zu werden, nicht in Erfüllung gingen. Eigentlich habe ich es hier in Österreich mehr oder weniger aufgegeben, vor allem auch, da ich in dieser Theaterszene hier nicht verankert bin und keine guten Kontakte habe obwohl meine Stücke schon in 20 Sprachen übersetzt sind.
Sind ihre für die Bühne geschriebenen Stücke nicht auch für den Film interessant?
Viele meiner Stücke wurden mehrfach als Hörspiele aufgeführt, auch im ORF. Ich gehe aber sehr selten ins Kino und sehe auch nicht fern deshalb habe ich da keinerlei Erfahrung. Beim Theater kenne ich mich aber sehr gut aus da ich auch leidenschaftlicher Theatergänger bin und sehr viel gesehen habe. Da weiß ich, wie das funktioniert. Denzel Washington war einmal als Schauspieler im Gespräch für die Filmversion meines Romans Cantors Dilemma. Er sollte darin die Hauptrolle spielen. Aber dann hat ein Drehbuchautor ein schreckliches Drehbuch daraus gemacht das weder mir noch dem Filmstudio gefallen hat. Dann hat man es ein zweites Mal versucht, aber auch das gelangt nicht. Jedes Mal aber habe ich für die Option, daraus einen Film zu machen, verdient, obwohl gar nichts daraus geworden ist.
In Phallstricke lassen sie die Hauptfiguren über die Notwendigkeit von Kunst philosophieren. Glauben Sie, dass Kunst tatsächlich unerlässlich ist?
Nein, Kunst ist nicht unerlässlich aber sie sollte unerlässlich sein. Das hat aber auch viel mit den derzeitigen tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu tun. Ich habe erst unlängst in der N.Y. Times einen Artikel über die unterschiedliche Freizeit in den Ländern auf der Welt gelesen. Am schlimmsten ist es in China, da arbeiten die Menschen ja 7 Tage die Woche ununterbrochen. Dann kommt aber schon Amerika, wo sie nur 1 Woche geregelten Urlaub haben und die Leute sogar zu wenig Zeit zum Schlafen haben. In Österreich und Deutschland hat man hingegen die meisten Ferien. Wenn hier wieder einmal ein Feiertag ist frage ich immer nur: „Wo ist die Maria heute?“ Es gibt ja so viele Marienfeiertage – einmal steigt sie in den Himmel, einmal kommt sie von dort herab, einmal ist sie irgendwo dazwischen – das amüsiert mich richtig. Aber Fakt ist, dass die Menschen hier viel mehr Freizeit haben und in dieser Zeit zumindest lesen können. Von meinen rund 20 Kollegen am chemischen Institut in Stanford gehen maximal 3 von ihnen ins Museum. Alle anderen kommen ganz gut ohne Kunst aus. Dann kommt noch dazu, dass es für die Frauen immer noch die drei Ks gibt. Zwar nicht mehr Kirche, Kinder und Küche dafür jetzt aber Karriere, ein oder maximal zwei Kinder und Küche. Daran hat sich leider nichts geändert. Frauen, die gut ausgebildet sind, möchten auch Karriere machen und gute Jobs in leitenden Positionen innehaben. Zugleich aber sollen sie sich auch noch um die Kinder kümmern. Da fehlt einfach die Zeit. Und dann glaube ich auch, dass es etwas mit der Bildung auf diesem Gebiet zu tun hat. Zu meinem 80. Geburtstag hat mich Eberhard Büssem in die Volksschule am Czerninplatz gebracht in der ich Anfang der 30er Jahre ein Schüler war. Büssem hat einen Film über mich gedreht und mich ein Jahr lang begleitet. Der Ausflug in die Schule war eine Überraschung. Dort habe ich dann erlebt, dass jedes Jahr ein anderer Künstler im Mittelpunkt des Unterrichtes steht. In jenem Jahr war es Paul Klee, mein Lieblingskünstler. Alles war voll mit Bildern von den Kindern und ich bekam sogar von der ersten und zweiten Klasse eine Torte mit einem Kleemotiv oben drauf. Am nächsten Tag besuchte ich die Albertina. Ich war in ein Gespräch mit Klaus Albrecht Schröder vertieft, als plötzlich diese Kinder mit ihrer Lehrerin an mir vorbeimarschierten mich dabei freudigst begrüßten. So eine geniale Auseinandersetzung mit der Kunst finde ich wunderbar. Ich denke, dass so etwas auch prägend ist.
Weil wir gerade über Paul Klee gesprochen haben. Warum sammelten Sie ausgerechnet diesen Künstler so intensiv? Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe nicht mit Klee begonnen Kunst zu sammeln. Am Anfang stand präkolumbianische Kunst. Das war zu einer Zeit, als man diese noch ausführen durfte. Dann, in den 60er Jahren, begannen mich Künstler mit Mehrfachbegabungen zu interessieren. Solche, die Bildhauer und Maler waren. Marino Marini, Picasso, Degas. Einer meiner Lieblinge war auch Giacometti. Ich kaufte Kunst, die damals viel Geld gekostet hat, aber heute teilweise vollkommen unerschwinglich geworden ist. Ich habe immer Sachen gesammelt, für die die Künstler nicht bekannt gewesen sind. Klee hat mir schon immer gefallen, aber ich habe ihn nicht gesammelt, weil er nicht in diese Klassifikation gepasst hat. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von seinen Puppen. Meine ersten beiden Blätter habe ich dann anlässlich einer Ausstellung in London erworben.
Am Anfang sammelten sie hauptsächlich die grafischen Arbeiten von Klee. Kam das aufgrund eines besonderen Auges für die Kunst zustande oder aus anderen Gründen?
Was mich interessierte waren jene Werke, die für Klee nicht typisch waren, für die er nicht bekannt war. Ich habe die Bilder auch im Hinblick auf die Ausstellung in einem Museum angekauft, weil mir klar wurde, dass, als ich ca. 150 Arbeiten besaßt, diese den Menschen gezeigt werden müssen. Deshalb ging ich beim Ankauf von einem pädagogisch-didaktischen Ansatz her aus und auch von einem historischen. Ich habe z.B. Werke gekauft, die innerhalb weniger Wochen entstanden sind, die aber so unterschiedlich erscheinen, dass man nicht meinen möchte, dass sie von ein und demselben Künstler stammen.
War Ihnen zum damaligen Zeitpunkt schon bewusst, dass auch Sie eine Doppelbegabung haben? Haben Sie aus diesem Grund die Sammlung in diese Richtung hin aufgebaut?
Nein, überhaupt nicht. Vielleicht war es Intuition. Aber damals habe ich noch nicht geschrieben, war nur als Wissenschafter tätig.
Lassen Sie uns noch einmal auf Ihre Theaterstücke zurückkommen. Was würden Sie sagen, warum sollte man sich diese Stücke ansehen?
Ich schreibe sehr gerne sehr unterschiedliche Stücke. Dabei ist mir zuallererst der Text wichtig, dann, wie sie aufgeführt werden. Mein Stück „Kalkül“ behandelt den Streit zwischen Leibniz und Newton. Da sich das Ganze im 18. Jahrhundert ereignete, war ich bemüht, auch die Sprache dementsprechend einzusetzen. Ich habe, bis auf Füllwörter, jedes einzelne Wort in der Encyclopedia Britannica nachgeschlagen, um sicher zu gehen, dass es zu jener Zeit auch schon verwendet wurde. Darauf bin ich sehr stolz. Die Sprache, die ich für gewöhnlich verwende, kann sich mit jener, die heute oft eingesetzt wird, nicht vergleichen. Bei mir gibt es das so häufig vorkommende Wort f… nicht, ich verstehe aber, warum es in zeitgenössischen Stücken so oft gebraucht wird – es wird ja auch so oft ausgesprochen! Ich würde sagen, meine Stücke sind gut geschrieben und sie sind intelligent. Das ist der Grund, warum man sie sich ansehen sollte. Und wenn man neugierig geworden ist, dann kann man anschließend das Buch kaufen und nachlesen, ob die Inszenierung so war, wie ich das Stück geschrieben habe. Wenn diese Neugier geweckt wurde, dann freue ich mich sehr darüber.
Schreiben Sie an einem neuen Buch?
Nein, ich bin gerade dabei einen Roman zu beenden, der schon zu 99% fertig geschrieben ist.
Worum geht es darin?
Um Sex. Es geht dabei um ein kleines Baby das in einen Autounfall verwickelt wird. Und um die Geschichte dieses späteren jungen Mannes. Um dessen geistige aber auch sexuelle Entwicklung. Mehr will ich aber dazu noch nicht verraten. Das sollten Sie dann schon selbst lesen!
Die Schauspielerin und Theatermacherin Anita Zieher beeindruckt in der neuen Produktion des Portraittheaters in einer Dreifachrolle. Als Mme. Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr bringt sie dem Publikum dabei komplexe wissenschaftliche Sachverhalte im wahrsten Sinn des Wortes spielend bei. Deswegen baten wir sie zum Interview.
Sie haben Politikwissenschaften und Publizistik studiert bevor Sie Schauspielerin wurden. Warum eigentlich?
Ich war immer schon politisch interessiert. Politik war auch in meiner Familie immer ein Thema. Ich finde z.B. die Hintergründe einer Gesetzgebung sehr spannend, aber ich wollte schon als Kind Schauspielerin werden. Meine Eltern waren Landwirte und ehrlich gesagt wollte ich ihnen nach der Matura nicht sagen, dass ich Schauspielerin werden möchte – deswegen habe ich mich für diese beiden Fächer entschieden. Als ich dann einige Jahre später in New York war, habe ich mich entschlossen, eine Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule zu machen. Der Geist in New York und das Selbstbewusstsein, das man dort hat, haben mich direkt beeinflusst.
Sie sind keine Schauspielerin, die auf ein Engagement wartet, sondern Sie verfolgen sehr selbständig Ihre Ziele.
Ja, ich bin jetzt schon seit 10 Jahren selbständig. Vielleicht kommt das auch vom Einfluss meiner Familie, die ja immer selbständig war. Nach dem Studium war ich zwar auch in verschiedenen Organisationen und Firmen angestellt, aber der Wunsch, kreativ zu arbeiten, wurde immer stärker. Ich biete ja auch Kommunikationstrainings an. Das macht mir sehr viel Spaß, weil ich es liebe, mit Menschen zu arbeiten und dabei Theatermethoden anwenden zu können. Es ist einfach schön zu sehen, dass bei dieser Arbeit etwas aufgeht. Ich möchte z.B. nicht an einer großen Bühne ein Hausmädchen spielen müssen, das nur ein Tablett hereinträgt. Ich finde es immer eine Vergeudung von Ressourcen, wenn gute SchauspielerInnen lediglich in kleinen Nebenrollen agieren.
Sie waren Mitbegründerin des Portraittheaters. Wie kam es eigentlich dazu?
2006 war der 100. Geburtstag von Hannah Arendt. Ich habe mich umgesehen und festgestellt, dass es keinerlei Veranstaltungen diesbezüglich gab. Deswegen habe ich mich gemeinsam mit der Regisseurin Brigitte Pointner zu einem Hannah-Arendt-Stück entschlossen. Von Beginn an kam das Portraittheater gut an, weil es einen anderen Zugang zu einer Biographie bietet als z.B. eine Lesung. Dabei verfolgen wir auch den Ansatz, Wissen verständlich zu vermitteln und ein lebendiges Portrait der jeweiligen Person zu schaffen. Ich finde, dass das Privatleben von berühmten Frauen auch immer interessant ist und dass die weibliche Gedächtnisarbeit eigentlich verkümmert ausgeprägt ist. Nach Arendt kam der 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir und dann haben wir uns entschlossen, etwas zu Bertha von Suttner zu machen. Letztere wird immer als strenge, alte Witwe dargestellt, aber sie war eigentlich eine lebenslustige Person, die einen um 7 Jahre jüngeren Mann heiratete und mit ihm 9 Jahre lang in den Kaukasus ging. Erst nach der Veröffentlichung ihres Buches kam sie in die Friedensbewegung.
Ist Frauenförderung für Sie eine Herzensangelegenheit?
Ja, das ist mir ein generelles Anliegen. Auch die Zusammenhänge zwischen Frauen, Technik und Wissenschaft finde ich spannend. Dafür war ich schon immer sensibilisiert. Leider gibt es ja die vielzitierte gläserne Decke tatsächlich, da muss noch viel geschehen. In meiner schauspielerischen Arbeit interessiere ich mich besonders für Frauen, die es wert sind, dass man sich an sie erinnert. Ich brauche keine Auseinandersetzung mit Eva Braun oder Sissi. Unglücklich sein ist ja kein Verdienst! Solche Charaktere finde ich einfach nicht spannend. Aber eine Leistung, die gegen massiven Widerstand entsteht und wenn jemand gleichzeitig etwas für die Gesellschaft tut, das finde ich interessant. Für mich stellt sich auch immer die Frage, was von einer Person im kollektiven Gedächtnis bleibt. Im Theater, aber noch mehr im filmischen Bereich setzt man sich gerne auf die Liebesgeschichten von Frauen, auch wenn diese nur spekulativ sind. Dabei gibt es aber genügend Frauenleben – wie jenes von Lise Meitner – die auch ohne eine spektakuläre Liebesgeschichte spannend sind.
Sie arbeiten ja auch mit Schulklassen zusammen.
Ja, über die Vorstellungen hinaus bieten wir mit der Drachengasse auch das sogenannte „Klassenzimmertheater“ an. Dabei kommt z.B. Marie Curie in eine Klasse, in der dann die SchülerInnen Fragen an sie richten und dazu arbeiten.
Die Arbeit, die sie gerade beschrieben haben, hat ja auch viel mit Improtheater zu tun.
Ja, das ist auch immer ein Thema in meiner Arbeit. Wir hatten z. B. bei unserem Stationentheater über Bertha von Suttner eine Podiumsdiskussion, bei der das erwachsene Publikum Fragen an mich in dieser Rolle stellen konnte. Udo Bachmair, den man als ORF Journalist kennt, hat das moderiert, wie man es vom Mittagsjournal her gewohnt ist. Es war spannend, wie sehr sich das Publikum auf dieses Spiel eingelassen hat. Menschen haben ja grundsätzlich einen Spieltrieb und wenn der einmal geweckt wird, dann können sie sich richtig hineinsteigern.
Interessieren sich für diese Art von Theater mehr Frauen oder mehr Männer?
Das Portraittheater hat sicher mehr weibliche Besucher, aber es gibt zwischen Männern und Frauen dabei generell keinen Unterschied in der Reaktion. Mich freut es, wenn ich danach direkte Rückmeldungen bekomme. So kam einmal nach einer Vorstellung ein Mann zu mir, der war Friseur. Der sagte: „Jetzt will ich mehr von Hannah Arendt wissen“. Es sind Reaktionen wie diese, die mir wichtig sind. Wenn das Publikum emotional berührt ist, das ist mir das Wichtigste.
Registrieren Sie bei den jungen Menschen Unterschiede, die genderbedingt sind?
Zum Glück ist das Selbstbewusstsein der Frauen stärker geworden. Ich glaube auch, dass Frauen eine bewusstere Entscheidung treffen, was ihren Arbeitsbereich betrifft. Die Frage „Wie lebe ich als Frau“ hat ja mittlerweile schon eine Tradition von 40 – 50 Jahren. Junge Männer hingegen sind oft schwer verunsichert. Das Vätervorbild passt ihnen oft nicht mehr. Arbeitszeiten von 70 – 80 Stunden wollen sie nicht mehr mitmachen, aber es gibt wenig neue Vorbilder für sie. Ich habe den Eindruck, dass man im Moment mit den Burschen viel mehr arbeiten müsste.
Hatten Sie Vorbilder?
Bei mir waren es – wie auch bei vielen anderen – Lehrerinnen, die mich beeinflusst haben. Ich war im Gymnasium im naturwissenschaftlichen Zweig und die Biologie- und Chemielehrerin hat mich sicher geprägt. Ich gehe gerne ins Technische Museum gern ins Ars Electronica Center. Dort benehme ich mich fast wie ein Kind. Ich bin unglaublich neugierig und möchte immer wissen, wie etwas funktioniert. Da ist wieder dieser Spieltrieb. Den finde ich grundsätzlich sehr wichtig, auch im alltäglichen Leben. Ich bin sehr dagegen, dass alles, was man macht, sofort einen gewissen Output erzeugen muss. Vieles im kreativen Bereich aber auch im Alltag braucht einfach Zeit um zu reifen, um durch einen kreativen Prozess zu gehen.
In der neuen Produktion Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar schlüpfen Sie gleich in drei unterschiedliche Charaktere hintereinander. War das eine Herausforderung?
Ja, auf alle Fälle, wobei ich den Aufwand unterschätzt habe. Es sind ja drei Frauen, die in drei unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gearbeitet haben. Das bedeutete auch, dass die Recherche drei Mal so intensiv war wie bei einem Stück über eine Person. Mir ist es auch wichtig dabei zu zeigen, dass es im Laufe des Lebens bei diesen Frauen auch viele Niederlagen gegeben hat die sie überwinden mussten. Diese Art des Theaters ist sehr aufwändig, auch wenn man das vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so sieht. Es ist ja auch eine ganze Reihe von Menschen daran beteiligt. Die Regisseurin Sandra Schüddekopf und ich haben gemeinsam den Text erarbeitet. Dabei muss man um jeden einzelnen Satz kämpfen. Jede Aussage, jeder Satz wird hinterfragt, ob er notwendig ist oder nicht. Da kann schon auch einmal ein wilder Diskurs entstehen, aber das ist ja auch das Spannende daran. Als Ausgleich zu einer so intensiven Arbeit habe ich als zweites Standbein das Improtheater, das mir großen Spaß macht. Diese beiden Standbeine sind für mich sehr wichtig. Dem Improtheater fehlt oftmals die Tiefe, dafür arbeitet man mit der spontanen Reaktion der Spielpartner und des Publikums, das mag ich sehr. Das erfordert auch viel Vorbereitung, die man dann an dem Abend gar nicht mitbekommt. Und dann mache ich ja auch noch Improkabarett im Duo „Zieher & Leeb“. Grundsätzlich freue ich mich, wenn ganz unterschiedliche Menschen ins Theater kommen, so wie es derzeit in der Drachengasse der Fall ist. Da kommen Menschen, die sich für das Theater selbst interessieren und wieder andere, die über die Naturwissenschaften angelockt werden.
Gehen Sie mit den Stücken auch auf Tournee?
Ja, das ist gerade in nächster Zeit ein großes Thema. Wir werden mit der Bertha von Suttner nach Ungarn und Polen gehen und dort, weil es so gewünscht ist, auf Deutsch spielen. Wir bereiten auch schon eine englische Version für Gastspiele im Herbst vor. Das ist zwar noch einmal eine Herausforderung beim Text lernen, weil der Duktus, der Sprachrhythmus ja ein ganz anderer ist – aber auf diese Art und Weise wird mir zumindest in meinem Leben nie fad. In meinem Beruf wandle ich immer zwischen den beiden Polen der Ruhe und dem Drang etwas zu tun. Nur sitzen und warten, dass mich wer anruft, das kann ich nicht!
Auf die Frage, wo Alfredo Barsuglia denn interviewt werden möchte, kommt die Antwort mehr als prompt: „Im Café Korb, das ist ja praktisch mein verlängertes Wohnzimmer!“ Also treffen wir uns in dem bekannten Wiener Café, wenige Schritte vom Stephansdom entfernt. Gleich rechts neben dem Eingang – zugegebenermaßen in etwas luftiger Höhe – hängt ein großes Portrait von der Chefin des Cafés, Susanne Widl. Der Künstler: Alfredo Barsuglia.
Wie er sie denn kennengelernt habe möchte ich wissen. „Sie war bei einer meiner Ausstellungen und als ich viel später einmal ins Café kam, hat sie mich wieder erkannt. Mittlerweile hat sich eine Freundschaft ergeben und ich wurde durch sie sogar in den Kreis der bereits hoch dekorierten österreichischen Kunstelite aufgenommen.“ Barsuglia meint damit Peter Weibel, Günter Brus, Peter Kogler und Manfred Wollf-Plottegg, die sich auf beeindruckende Weise in der „Art Lounge“ im Souterrain des Cafés selbst ein Denkmal setzten. Das minimalistische WC-Design des Letztgenannten ist längst Kult in Wien. Inmitten all dieser Arbeiten sticht auch das Werk Barsuglias ins Auge. Eine Videoinstallation (Cloud, 2010), so in die Decke montiert, dass man meint, direkt vom Keller in den Himmel sehen zu können. Leise bewegen sich begrünte Zweige an den Bildschirmrändern, in der Mitte beleben stetig ziehende Wolken den blauen Himmel. „Das war für mich tatsächlich eine große Anerkennung“ führt der 1980 geborene Künstler weiter aus. Susanne Widl scheint eine Nase für gute Kunst zu haben. So auch im Fall von Alfredo Barsuglia.
In Wien sowohl an der Angewandten als auch an der Akademie der Bildenden Künste ausgebildet, ist Barsuglia, 1980 in Graz geboren, in der Szene kein Unbekannter mehr. Bereits mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, kann er seinen Lebensunterhalt durch seine Kunstproduktionen bestreiten. Ein Umstand, der in seinem Alter alles andere als üblich ist. „Ich hatte bisher immer Glück, dass es sich ausgegangen ist“ kommentiert er diesen Umstand bescheiden. Die Liste seiner Auszeichnungen ist dennoch beeindruckend:
Vom Jahr 2006 bis Anfang 2014 sind es gezählte 10 Auszeichnungen bzw. Stipendien, darunter ein Walter Koschatzky Anerkennungspreis, ein BMUKK-Stipendium für das heurige Jahr in Rom, aber auch zwei Artist-in-residence Stipendien in Kalifornien. Barsuglia ist mit seinen Werken in verschiedenen Galerien vertreten – aber immer nur temporär, denn er entwickelt für jede Ausstellung ein eigenes Szenario, das danach gänzlich wieder abgebaut wird. Aber auch im öffentlichen Raum kann man Werke von ihm finden. Vorausgesetzt, man ist reisefreudig. In der Wüste von Kalifornien steht seine Arbeit Oderfla Beauty Resort, die Wind und Wetter ausgesetzt ist und eines Tages vielleicht völlig verschwunden sein wird. Eines seiner jüngsten Werke ist noch bis Mitte Februar vor dem Museum Ferdinandeum in Innsbruck zu bestaunen und bewohnen. Das Hotel Publik. Ein kleines Häuschen, das an einfache Kinderspielhäuser erinnert, in seinem Inneren aber voll funktionsfähig als Einraumübernachtungsmöglichkeit ausgestattet ist. Ein frisch bezogenes Bett, ein kleines Bücherregal, Licht, eine Heizung – mehr braucht es nicht, um sich der Erfahrung des Wohnens an einem öffentlichen Platz hinzugeben. „Das Zimmer ist jeden Tag belegt. Es sind Touristen, Obdachlose oder auch Neugierige, die einmal ihre Erfahrungswelt gegen eine andere eintauschen möchten“ – das bedeutet, dass Kunst hier direkt auf den Alltag trifft, ein Umstand, den Barsuglia auch radikal in seiner Kunstauffassung umsetzt.
„Für mich ist Kunst kein Heiligtum. Ich vergleiche meine Kunst auch gerne mit einem guten Essen. Wenn man es genossen hat, ist es nicht mehr, aber man kann sich an seinen Geschmack immer erinnern.“ Was hier so leichtzüngig gesprochen wird, erstaunt umso mehr ob der Kunstfertigkeit, die in vielen von Barsuglias Arbeiten steckt.
Der junge Künstler spielt damit auf ein Charakteristikum seiner Kunstproduktion an, nämlich auf die Verwendung von Kunstwerken, die er eigenhändig hergestellt hat und die dennoch meistens der Zeitbegrenzung zum Opfer fallen. Das können illusionistische Räume sein, die perspektivisch so verblüffend gemalt wurden, dass man versucht ist, in sie hineinzugehen; Das kann aber auch ein kleiner, feiner Schmetterling an der Wand sein, den man einfangen und ins Freie geleiten möchte. Ganz abgesehen davon, dass einfaches Mobiliar wie ein Tisch oder ein Stuhl von ihm nicht im Möbelhandel gekauft wird, sondern in Zusammenarbeit mit Tischlern als Einzelstücke gebaut werden. „Ich male gerne, aber malen alleine ist mir zuwenig. Ich schließe in meiner künstlerischen Arbeit kein Medium aus, bin immer am Überlegen was ich noch machen könnte und möchte mich selbst damit überraschen was ich nächstes Jahr machen werde. Klar sind meine Arbeiten zum Teil lange im Voraus schon geplant. Wann ich diese dann aber realisieren kann, ist nie gewiss. Vieles erarbeite ich dann aber auch spontan, orts- und kontextbezogen. Es macht mir großen Spaß, an Installationen zu arbeiten, weil ich dabei mit einer ganzen Reihe von Menschen zusammenarbeite und gleichzeitig auch für mich immer etwas Neues dazulerne. Für eine Ausstellung in einer Galerie habe ich im Durchschnitt ein Jahr Vorlaufzeit. Mir macht die Komplexität der Ausstellungsarchitektur, die ich entwerfe und dann gemeinsam mit anderen zusammen baue, großen Spaß.“
Barsuglias malerisches Können, die Realität so abzubilden dass sie diese noch übertrifft, geriet kurioserweise aber auch zum Bumerang. „Schon des Öfteren haben Juroren bei Wettbewerbseinreichungen bei mir nachgefragt, ob eingereichte Werke tatsächlich gemalte Originale seien oder nicht doch Drucke. Für mich ist das auch ein Teil der Realitätsfrage mit der ich mich gerne beschäftige. Für viele Menschen ist es aber völlig unverständlich, wenn ich Arbeiten, die eine große Zeitspanne in der Erzeugung benötigten, kaputt mache. Auf die Spitze getrieben habe ich das mit Collagen von fotorealistischen Malereien von mir. Ich habe diese ausgeschnitten und neu zusammengesetzt, also bewusst mit der üblichen Behandlung und Umgangsweise einer fertigen aufwändigen Malerei gebrochen – das war dann für die Betrachter überhaupt nicht mehr nachvollziehbar weswegen ich diesen Weg nicht weiter verfolgt habe.“
Diese Einstellung zeigt deutlich auf, dass Barsuglia auch ständig sein eigenes Tun hinterfragt. Der Umstand, dass er nicht nur Bilder malt, sondern sich gleich ganzen Rauminstallationen verschrieben hat erfordert auch am Markt ein anderes Auftreten.
Denn diese Art von Kunst ist wesentlich sperriger im Verkauf als sogenannte „Flachware“. Deswegen sind gerade die Stipendien für den jungen Mann auch so wichtig. Jede Arbeit wird dokumentarisch festgehalten – wenn sie nicht mehr besteht, bleiben noch die Fotos und Videoaufnahmen und die begleitenden Texte. Die Kombination von Malerei, Videoarbeiten und dreidimensionalen Räumen, die mit allerlei Requisiten bestückt sind, macht den Reiz und die Unverkennbarkeit seiner Arbeiten aus. Thematisch beschäftigt sich Barsuglia gerne mit Illusion und Realität und den oszillierenden Stadien dazwischen. Dabei nimmt er gerne eine Metaposition ein, betrachtet soziale Umstände von außen, um wie mit einem Seziermesser scheinbar normale gesellschaftliche Mechanismen bloßzustellen und deren vermeintliche Normalität so zu hinterfragen. Er erzählt darin gerne Geschichten, welche die Betrachtenden jedoch selbst in ihren Gedanken zusammensetzen und weiterspinnen können. Oft schlägt uns unsere Wahrnehmung beim Betrachten seiner Arbeiten ein Schnippchen und wir sind dadurch automatisch mit der schon angesprochenen Realitätsfrage konfrontiert. Es sind jedoch nicht nur Einzelarbeiten, mit denen der Multikreative auf sich aufmerksam machte.
Mehrfach hat er auch schon mit Oleg Soulimenko zusammengearbeitet und für den Choreografen ein Bühnenbild und die Kostüme geschaffen. Die jüngste Produktion „The dance I don`t want to remember„, die vor Kurzem im Tanzquartier in Wien lief trug unverkennbar seine Handschrift. „Auch wenn die Entlohnung im Kulturbereich manches Mal nicht der Rede wert ist stecke ich all meine Energie in das jeweilige Projekt wie zum Beispiel bei diesen Tanzproduktionen. Ich kenne die Situation nicht, vor einer leeren Leinwand zu sitzen über darüber zu sinnieren, was ich denn machen solle. Ich fühle mich auch dann nicht erschöpft, wenn ich rund um die Uhr arbeite, weil mir meine Arbeit eine so große Freude bereitet.“
Trotz der relativ kurzen Zeit, die Alfredo Barsuglia im Kunstbetrieb aktiv tätig ist hat er sich bereits eine überaus pragmatische um nicht zu sagen weise Einstellung zu seiner Arbeit angeeignet. „Ich bin der Meinung, dass, egal was man tut, es in irgendeiner Art und Weise einmal zurückkommt. Man muss nur einen langen Atem haben.“
Die nächste Ausstellung von Alfredo Barsuglia findet in der Galerie Zimmermann Kratochwill in Graz statt und wir dort am 7. März 2014 eröffnet. Sie trägt den Titel Land und beschäftigt sich mit dem Thema Grenzen. Dafür hat er in der kalifornischen Wüste ein Schwimmbecken gebaut, einen Social Pool wie er ihn nennt, wobei er in der Dokumentation nicht nur das Endergebnis präsentiert, sondern vor allem auch den Weg zum Endprodukt. Wer Kunst mit all seinen Sinnen, einer Portion Neugier sowie der Freude am Kombinieren und Assoziieren genießen will kommt bei seinen Ausstellungen voll auf seine Kosten.
Für den nächsten Auslandsaufenthalt in Rom muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich die Arbeiten des Österreichers auch dort bewähren werden – nicht der einzige Grund, ihn auch weiterhin im Auge zu behalten.