Der „Junge Salon“ ist ein Theaterclub für junge Menschen, die gerne an Aufführungen aktiv teilnehmen möchten. Das ist sowohl auf als auch hinter der Bühne möglich. Die jüngste Aufführung „Geister“ hatte im April 2014 Premiere. Aufführungsort war wie immer die „Heimat“ des „Jungen Salons“ das Brick-5 in der Fünfhausgasse 5 im 15. Bezirk. Isabella Wolf, die das Projekt als Regisseurin betreut, erzählt über ihre Hochs und Tiefs mit dem Projekt und macht auch klar, warum es von der öffentlichen Hand dafür mehr Geld geben muss.
Frau Wolf, wie kamen Sie eigentlich zum „Jungen Salon“?
Ich arbeitete ursprünglich mit Anna Maria Krassnigg als Schauspielerin zusammen. Sie hat den „Jungen Salon“ initiiert und ein junger Theaterpädagoge hat damals das Unternehmen betreut. Er ging dann aber nach Deutschland, und da ich bei den Workshops zuvor dabei gewesen war, wurde ich gefragt, ob ich diese Arbeit nicht übernehmen wollte. Für mich war es von Beginn an spannend, mit Jugendlichen zu arbeiten. Das Projekt ist insofern interessant, als es ja keine Zwangsbeglückung ist. Wir arbeiten dabei nicht wie Theaterpädagogen in einer Schule, in der dann z.B. eine ganze Klasse an einem Stück mitmachen muss. Anfangs waren für mich die gruppendynamischen Prozesse fremd, die man in der Theaterpädagogik einsetzt. Dort geht es ja um einen „work in progress“, um das Prozesshafte an sich. Aber für mich klemmte das irgendwie, blieb irgendwie unfertig hängen. Für mich musste die ganze Unternehmung ein bestimmtes Ziel haben. Ich wollte eigentlich von Beginn an mit den Jungen Theater spielen. Tatsächlich, und das freut mich sehr, sind auch in dieser Produktion welche dabei, die schon zu Beginn mitgemacht haben. Es ist dabei unglaublich schön, auch ihre persönlichen Entwicklungen mitzuverfolgen. Die Matura, den ersten Freund, den Beginn des Studiums. Diese Menschen sind ja noch alle „auf dem Weg“. Bei gestandenen Schauspielern steht ja nicht die Frage „wohin mit meinem Leben“ im Vordergrund. Die ist ja schon längst gefallen. Bei den Jungen aber ist noch alles im Werden. Das finde ich sehr schön.
Zugleich aber weiß ich auch, wie wichtig diese Arbeit für die Jungen ist. So haben zum Beispiel einige auch nach Beendigung der vorherigen Produktionen geweint, weil es vorbei war. Sie erhalten dadurch ja ein besonderes soziales Umfeld und es entwickeln sich daraus auch stabile Freundschaften, die weit über das Theaterprojekt hinaus wirken. Für viele bietet dieses Projekt auch einen sozialen Halt.
Der „Junge Salon“ begann im Jahr 2010. Wer sucht denn eigentlich die Stücke aus?
Bisher haben das Johanna Jonasch und ich gemeinsam gemacht. Johanna ist die Theaterpädagogin und macht die Produktionsleitung, geht aber im Sommer nach Deutschland. Noch ist nicht sicher, wer ihr nachfolgen wird. Eines ist aber sicher: Ich alleine kann das nicht weiter betreiben. Der Part der Dramaturgie, das Einreichen des Projektes usw. usw. – das ist jetzt noch offen. Ich möchte gerne weiter machen, alleine ist es aber unmöglich zu schaffen. Ich arbeite mit der Ideenfindung zu einem neuen Stück fast ein Jahr daran. Klarerweise nicht ununterbrochen. Ich habe ja auch noch meine Engagements als Schauspielerin. Da ist für zusätzliche Aufgaben einfach keine Luft mehr drin.
Wie kommen Sie zu jungen Menschen, die mitmachen wollen?
Das hat bisher Johanna übernommen, die aus ihrer Arbeit als Theaterpädagogin an verschiedenen Schulen die Jungen rekrutierte. Interessant dabei ist, dass es zu 95 Prozent Mädchen sind, die mitmachen. Wir haben im Moment nur einen jungen Mann dabei.
Müssen Sie die Stücke für die jeweiligen Akteure adaptieren?
Ja klar. Ich hatte in diesem Stück z.B. 8 Rollen zu vergeben aber 14 Anmeldungen. Da muss man sich dann die Frage stellen: Nimmt man z.B. die ersten 8, die sich beworben haben, die ganz brav und akkurat sind? Dabei kann es aber vorkommen, dass gerade unter den anderen sich welche befinden, die kreativer und besser sind. Also habe ich die Rollen und Texte angepasst und über die Zeit hin auch verändert, damit alle mitmachen konnten. Angedacht war dieses Mal ja ein Serienformat, das über zwei Tage gespielt werden sollte. Aber ich musste zur Kenntnis nehmen, dass niemand zweimal hintereinander ins Theater kommen würde. Auch war es rein zeitlich und von der Kapazität her nicht zu schaffen.
Sie haben in der Produktion „Geister“ mehrere Texte miteinander kombiniert. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Es gibt in der Krankenhausserie „The Kingdom“ bei Lars von Trier, die wir als Ausgangsbasis genommen haben, eine Stelle, in der es heißt „was geschieht, wenn die Häuser weinen?“ Diese Stelle hat mich an etwas erinnert. Wir haben ja 2011 „Warum das Kind in der Polenta kocht“ von Aglaja Veteranyi aufgeführt und ich erinnerte mich an die Stimmung dieser Texte. Die viel zu früh verstorbene Autorin, die als Zirkuskind aufwuchs und Schreckliches in ihrer Jugend erlebte, war ja bis zu ihrem 18. Lebensjahr Analphabetin. Danach begann sie zu schreiben, und fürs Theater zu arbeiten. Sie hatte einen Mentor, einen alten Herren, der dann ins Krankenhaus kam und leider verstarb. Und darüber hat sie ein Buch geschrieben. Ein Buch über das Sterben im Krankenhaus. Texte also, die genau zu unserer Produktion gepasst haben. Die habe ich dann eins zu eins übernommen, nur die Namen adaptiert und in die Geschichte von Lars von Trier eingeschrieben.
Sie arbeiten als Regisseurin mit den jungen Menschen sicherlich stark über Motivation?
Ja klar, wie denn sonst! Das geht ja gar nicht anders. Es sind ja alle auch freiwillig dabei. Zum Theater kann man niemanden zwingen. Wenn die das nicht wollen, dann steigen sie ja auch sofort aus. Ich finde es z.B. auch absolut dämlich mit Jugendlichen nur Stücke zu machen aus ihrer direkten Erlebniswelt wie z.B. über die erste Periode oder den ersten Freund. Und ich halte Theaterstücke, in denen alles ausformuliert ist, für langweilig. Stücke, die zum Denken anregen, die verschiedene Interpretationen offen lassen sind hingegen interessant. Man kann mit den Jungen viel erarbeiten, auch so schwierige Sachen wie die Vorlage „The Kingdom“ von Lars von Trier. Das Einzige, was dabei schwierig ist, dass die unterschiedlichen Charaktere in ihrer Altersstruktur her auch als solche erkennbar werden. Bei manchen Charakteren, wie der alten Frau, die dann auch stirbt, geht das sehr gut. Das kleine Mädchen, das dabei mitspielt, wird durch die graue Perücke zu einer zarten, verhutzelten alten Frau. Das passt wirklich gut. Ansonsten überlege ich, bei kommenden Produktionen eine Mischung von erfahrenen Schauspielern mit den Jungen zu machen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit diesen jungen Menschen?
Das ist einerseits die Erstellung der Probenpläne. Da muss man berücksichtigen, wer wann nicht kann oder wer wann etwas vorhat, nicht da ist usw. Ich saß dieses Mal ganze 17 Stunden daran! Das ist eigentlich viel zu viel und gar nicht zu machen. Dann kommen einige ja nur zu einem bestimmten Zeitfenster zur Probe, die dann genau darauf ausgerichtet sein muss. Das bedeutet, dass man die jeweilige Szene mit ihnen nur dann probieren kann. Und andererseits ist es auch oft so, dass ich mir vorkomme wie ein Jongleur im Zirkus. Ich habe da immer das Bild von einem Jongleur im Kopf, der auf langen Stangen in einer Reihe Teller zu drehen beginnt. Wenn er beim Letzten angelangt ist, dann muss er wieder vor zum Ersten. Beim Einstudieren von Rollen kommt mir das oft so vor. Ich führe die Jungen dabei erst einmal an den Charakter heran, erkläre, warum er so ist oder so denkt oder fühlt und lasse sie darin eintauchen, bis das sitzt. Aber beim nächsten Mal kann das alles schon wieder weg sein!
Macht Ihnen das Regieführen an sich Spaß?
Sehr sogar. Regiemachen ist ungeheuerlich. Es ist etwas „Göttliches“ wenn eine Idee zur Materie wird. Das ist das Größte, was man auf der Welt machen kann, wenn man eine Idee in die Welt bringt. Dabei besteht ein großer Unterschied zwischen der Arbeit einer Schauspielerin und einer Regisseurin. Ein großer Unterschied in der Inspiration und ein großer Unterschied im Denken. Eine andere Art zu denken. Man braucht dazu einen analytischen Verstand und die Fähigkeit ausdrücken zu können, warum etwas funktioniert hat oder warum eben auch nicht. Bei den Jugendlichen muss man die Idee in den Kopf und in das Herz verpflanzen. Man muss Geschichten erzählen können, warum die Figuren so sind, wie sie sind. Das ist manchmal mühsam, aber es macht auch Spaß.
Wie sieht es mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand für dieses Projekt aus?
Sie war eigentlich so, dass man kein Theaterprojekt damit machen kann. Ich muss sagen, dass ich oft ein Jahr als Schauspielerin arbeite, damit ich mir die Produktion mit den Jugendlichen überhaupt leisten kann. Das ist der reine Wahnsinn. Letztes Jahr waren wir durch einige Cofinanzierungen viel besser finanziell aufgestellt, aber dieses Jahr ist einiges weggebrochen. Wir kämpfen damit, weil sich die Stadt Wien dem Projekt gegenüber nicht wirklich verpflichtet fühlt, was sehr schade ist. Die MA7 fühlt sich nur für Profis zuständig, das Amt für Jugend und Familie wiederum sagt, wir könnten alles machen, nur kein Theater.
Welche Gründe würden Sie anführen, warum der „Junge Salon“ weiterbestehen und gefördert werden sollte?
Da gibt es viele.
1. Es ist sehr wichtig, dass es im 15. Bezirk eine Anlaufstelle gibt, in der sich Jugendliche und junge Menschen außerhalb der Schule zum Theaterspielen treffen können.
2. Theater aber auch Sport sind ausgezeichnete Mittel, um junge Menschen über soziale Grenzen hinweg an einem Projekt zu beteiligen.
3. Das Projekt erlaubt es, eine soziale Zugehörigkeit zu empfinden. Eine Zugehörigkeit, die oftmals sonst gänzlich fehlt.
4. Die Jungen sind das Theaterpublikum von morgen, die bei dieser Arbeit dafür begeistert werden können.
5. Sie beschäftigen sich dabei intensiv über eine längere Zeit mit einem ganz bestimmten Thema.
6. Es ist dabei möglich, sich selbst auszutesten und zum Beispiel auch fragwürdigen Gefühlen einen bestimmten Platz zuzuweisen.
7. Bis es zu einer Premiere kommt, ist es ein langer, steiniger Weg. Alle, die dabei durchhalten, lernen etwas Wichtiges fürs Leben. Wenn man etwas anfängt und durchhält, dann führt das auch zum Erfolg.
8. Wir gehen mit den Jungen auch oft ins Theater um uns andere Stücke anzusehen und sprechen danach auch darüber.
9. Es besteht bei uns auch die Möglichkeit, in anderen Bereichen, z.B. backstage mitzumachen.
10. Ich glaube, dass wir auch auf einem richtig guten Niveau arbeiten.
Das sollten eigentlich Gründe genug sein!
Nachbemerkung: Der 10-Punkte-Katalog war für das Interview nicht schriftlich vorbereitet, sondern sprudelte aus Isabella Wolf in einem Schwall heraus. Ein deutliches Zeichen für den hohen Grad der Identifikation mit dem Projekt „Junger Salon“ – einer Identifikation, die tatsächlich allen Beteiligten innewohnt.