Noch bevor jemand die Bühne betritt, hüpft ein Ei von rechts nach links, von links nach rechts und wieder zurück. Quer über jene weißen Projektionsbahnen, die den Bühnenraum begrenzen.
Die Kleinen, die mit ihren Eltern in den Dschungel Wien gekommen sind, sind mucksmäuschenstill. Zu quietschen beginnen sie erst, als Elda Maria und Gat die Bühne betreten und mit ihren knielangen Krinolinen, die sie über ihren Trikots tragen, versuchen, das Ei zu fangen. Krinolinen werden jene durchsichtigen Reifröcke genannt, die von den feinen Damen bis ins 19. Jahrhundert unter ihren Kleidern getragen wurden, damit diese voluminöser aussahen.
„Da!“, „Da!“, „Nein, da!“ rufen die beiden jungen Tänzerinnen, während sie mitten unter den Kindern versuchen, das Ei zu fangen und tatsächlich findet es sich schließlich – zum bunten Ball mutiert – in einem Versteck. Nun geht das Tanzstück mit dem animierenden Titel „Hüpfen“ für Kinder ab 3 erst richtig los. Elda Maria und Gat springen und hüpfen mit dem Ball, dass es eine wahre Freude ist. Wenn sie sich hinter die hellen Projektionsbahnen begeben, erscheinen sie als wunderschönes schwarz-weißes Schattenspiel, so als wären sie Scherenschnitte, wie sie im Biedermeier die Wohnzimmer zierten. Nur sehr seltsam, dass der Ball auch ein Eigenleben entwickelt. Immer wieder zieht er die Mädchen hinter sich her. Gegen diese Macht können sie sich nicht wehren und was es damit auf sich hat – wird erst am Ende der Vorstellung klar.
Hüpfen (Foto: Rainer Berson)
Bis dahin erfahren die beiden aber eine kontinuierliche Verwandlung und erleben eine ganze Reihe von Situationen, die den Kindern nur zu bekannt sind. Dabei dürfen sie Lach-Blödsinn machen, wie ein lautes Fürzchen von sich geben, oder die hüpfenden, jungen Schwänchen aus Tschaikowskis Schwanensee imitieren. Sie fordern ihr Publikum auf, laut zu trampeln und in ein Indianergeschrei einzustimmen, während sie selbst als rassiges Pferd und Reiter über die Bühne springen. Auch Rivalitäten werden sichtbar – wer ist die Stärkere, wer die Beliebtere, wer bekommt mehr Applaus? Sich selbst behaupten, gegen die andere wehren, um dann zu bemerken, dass es alleine doch nicht wirklich lustig ist, auch das zeigen Elda Maria und Gat in ihrer Choreografie deutlich. Dass dabei der Tanz, inklusive perfekter Bodengymnastik in vielen Facetten zum Hauptcharakteristikum des Stückes wird, erfreut nicht nur die jungen Zuseherinnen und Zuseher.
Hüpfen (Foto: Rainer Berson)
Bis hin zu jener Szene, in welcher die beiden Mädchen mit bunten Kreiden am Boden Trennlinien auftragen, um das eigene Revier zu markieren. Nun scheint die Freundschaft an ihrem Ende angekommen zu sein. So schnell wie Kinder aufeinander böse sind, so schnell finden sie aber auch wieder zusammen – zu sehen auch in einer der letzten Szenen des Stückes. Als beide schließlich nebeneinandersitzen und sich gegenseitig mit den bunten Kreiden bemalen, ist nicht nur die Freundschaft wieder im Lot, sondern der Bühnenboden in ein fröhliches Chaos verwandelt. Das junge Publikum steht zum Schluss auch noch selbst im Rampenlicht – Näheres muss aber schon selbst erfahren werden! Und wie löst sich das Ballrätsel?
Hüpfen (Foto: Rainer Berson)
Mit dem Bild des Balles, der die beiden Tänzerinnen hinter sich herzieht und der Verwandlung von „braven“ Mädchen aus dem 19. Jahrhundert hin zu selbstbewussten und fröhlichen Menschen, die sich gegenseitig mit Farbe anmalen, spannen die Macherinnen Elda Maria Gallo und Gat Goodovitch einen großen Bogen von der Entwicklung einer autoritären Erziehung, in der Kinder zum Spielball der Erwachsenen wurden, hin in unsere Zeit. Diese gelungene Metaebene verstehen nur die Erwachsenen, wie auch die Metapher der vielen bunten Eier, die schließlich unter dem Staunen der Kleinen am Ende auf den Leinwänden auftauchen. Vergnügen bereiten diese Darstellungen aber auch ohne tiefgründiges Hintergrundwissen. Ein Zuschau-, Zuhör- und Mitmachspaß der Lust aufs Hüpfen macht, egal wie alt man ist.Von und mit Elda Maria allo und Gat Goodovitch.
Weitere Termine auf der Homepage des Dschungel Wien.
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In der jüngsten Inszenierung des Theater der Jugend – „Der fantastische Mr. Fox“ – darf das junge Publikum vor Freude kreischen, den Atem anhalten und sich Gedanken über unsere heutigen Tierfabriken machen.
David Wood schuf eine zeitgenössisch adaptierte Fassung, in der nicht nur die Schlauheit des Fuchses, wie im Original bei Roald Dahl, gefeiert wird. Wood legt dabei auch seinen Finger in die Wunde der heutigen Massentierhaltung und macht auch auf den drastischen Rückzug von Flora und Fauna aufmerksam.
Dennoch ist es dem Regisseur Stefan Behrendt gelungen, jede Menge Unterhaltung und Spaß über den Bühnenrand schwappen zu lassen. Von Beginn an bringt nicht nur die Fuchsfamilie, sondern auch Herr Dachs und sein Sohn, Vater Hase, ein Wiesel und ein Maulwurf die Kinder herzlich zum Lachen. Leider müssen sie aus ihrem gemütlich eingerichteten Bau fliehen, da Mr. Fox für seine nächtlichen Raubzüge die drei abscheulichen Bauern Boggis, Bunce und Bean gegen sich aufbringt. Diese wollen es sich nicht länger gefallen lassen, dass der Fuchs ihre Tiere reißt und beschließen, ihn zu töten.
Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Soffi Schweighofer als Ellie Fox, Claudia Waldherr als Lottie Fox, Aline-Sarah Kunisch als Mrs. Fox (c) Rita Newman
Mit der Musik von „Mission Impossible“ umzingeln sie den Fuchsbau und holen ihre Arbeiter zu Hilfe. Das Einzige, was ihnen dabei gelingt, ist, dem Fuchs seinen Schwanz abzuschießen. Und so kommt es bei dessen Jammerei, als seine Frau ihn verarztet, zu allerlei höchst amüsanten Dialogen. Einfach köstlich ist auch jene Szene, in welcher die drei tollpatschigen Bauern sich in bester Slapstick-Manier ihre Schaufeln um die Ohren hauen. Mit Szenen wie dieser legt das Theater der Jugend-Team den Grundstein zu lustvollen Theatererinnerung bei den Jüngsten.
In einem höchst illustrativen Bühnenbild (Christian Blechschmidt) befinden sich die flüchtenden Tiere schließlich nicht nur – wie bei Dahl – inmitten der Ställe und Keller der Bauern – sondern in einer Hühnerfabrik. Dabei geht David Wood in seiner Fassung so weit, den Fuchsnachwuchs zu Vegetariern werden zu lassen.
Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Markus Feustel als Huhn (c) Rita Newman
Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Soffi Schweighofer als Ellie Fox, Claudia Waldherr als Lottie Fox, Aline-Sarah Kunisch als Mrs. Fox (c) Rita Newman
Pascal Groß als Bunce, Lukas Gabriel als Bean, Rafael Schuchter als Boggis (c) Rita Newman
Das Ensemble glänzt – wie immer – mit hoher Spielfreude und darf mehrfach auch direkten Publikumskontakt suchen. „Der fantastische Mr. Fox“ ist ein Paradebeispiel, wie Kinder- und Jugendtheater heute aussehen kann: spannend, unterhaltend und gleichzeitig informativ.
Es spielen: Jakob Elsenwenger als schlauer und höchst eitler Mr. Fox, Aline-Sarah Kunisch – seine kluge Frau, Claudia Waldherr und Soffi Schweighofer – ihre rivalisierenden Töchter, Frank Engelhardt als Dachsvater, Zeitungsherausgeber und –reporter, sowie Markus Feustel – sein verliebter Sohn.
In Doppelrollen glänzen Rafael Schuchter (Boggis und Hase), Pascal Groß (Bunce und Ratte), Lukas Gabriel (Bean und Wiesel), sowie Felicitas Franz als zerstörerisch-heimtückische Mabel und Frau Maulwurf, mit dunkler Brille und Nerzmantel.
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Worüber reden Freunde, wenn sie zusammenkommen? Über Gott und die Welt und kommen dabei gerne vom Hundertsten ins Tausendste.
Gabi Wappel von der „schallundrauch agency“ ist es gelungen, ein Stück für Kinder ab 6 auf die Bühne des Dschungels zu bringen, in dem über gaaaaanz viel geredet wird, über Gott und die Welt eben. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen.
Denn sie selbst, René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax erzählen nicht nur von diversen, meist humorigen Kindheitserinnerungen, sondern auch von ihren Ausflügen und Erkundungen der monotheistischen Religionen und des Buddhismus in Wien anlässlich der Stückvorbereitung. Sie überlegen sich, wie man mit Gott Kontakt aufnehmen kann, was sie selbst an Gottes oder Göttinnen Stelle alles unternehmen würden und berufen sogar ein Konzil ein. Mithilfe des Publikums wird dort über so schwierige Fragen demokratisch abgestimmt wie jener, ob René, wie er behauptet, wirklich Gott gesehen haben kann, ob Gott schwimmen kann, am Anfang wirklich der Urknall stand oder das Butterbrot immer auf die Butterseite fällt.
Gott und die Welt (Fotos: Theresa Pewal)
Keine einzige Minute, in der das Quartett auf der Bühne agiert, ist langweilig oder theoretisch. Da wird Tante Käthe, die immer wusste, wo es die meisten Schwammerl und Blaubeeren im Wald gab, mit einer rot karierten Decke hervorgezaubert. Da ist Gabis kräftig gebaute Oma mit einem grauen Wollplaid präsent und auch ihr Opa nimmt in Form eines Gehstockes am Geschehen teil.
Der Kater Iwan darf nicht fehlen, unter dem sich Gabi aus ihrem Bett schälen musste, wollte sie nachts das Klo besuchen. Und – selbstverständlich wird gesungen, getanzt, gegroovt und geklatscht, dass die Kinder dabei zum Teil vor Freude quietschen. Als ob das alles nicht genug wäre, treten die vier auch noch zu den epischen Klängen der Filmmusik von Robin Hood als Retter und Retterinnen unserer Welt auf. Mit fliegenden Capes, auf denen das Peace-Zeichen aufgemalt ist, verwandeln sie dabei das Theater in eine Super-Dolby-Sourround-Manege, dass einem die Luft wegbleibt.
„Gott und die Welt“ ist zum einen ein wunderbares Beispiel, dass unterschiedliche Glaubensanschauungen völlig friktionsfrei nebeneinander bestehen, gelebt und diskutiert werden können. Und zum anderen zeigt das Team auch auf, was modernes Kindertheater par excellance ausmacht: In ihm werden lebendige Geschichten aus dem Alltag in einer perfekten Taktung erzählt und die Kinder miteinbezogen. Eine leicht fassbare Musik mit Ohrwurmcharakter und Tanzeinlagen – bis hin zu einem auf der Spitze getanzten Solo von Martin Wax – und nicht zuletzt jede Menge Humor machen das Theaterereignis zu einem Erlebnis.
Das Zerplatzen eines großen Lebenstraumes, Gefängnis, ein bestechlicher Minister und eine Demonstration. Das hört sich zwar nicht wirklich nach einem Theaterstück für die Allerkleinsten an. Im Lilarum jedoch erlebt das kleine Monster Monstantin all diese Episoden in seinem Leben und das junge Publikum fiebert mit ihm heftig mit.
Die neueste Produktion des Puppentheaters (Regie Karin Koller) folgt wie immer einem bewährten Schema. Eine spannende Geschichte (Christian Berg), viel Musik (Gilbert Handler) und originelle Puppen in einem bezaubernden Bühnenbild (Andrea Gergely) ergeben ein stimmiges Ganzes, an dem das jüngste Theaterpublikum seine Freude hat.
Dieses Mal ist es ganz besonders die Lichtführung, die nicht nur die Kleinen bezaubert. Ob blau oder orange, Monstantin erlebt seine Abenteuer in einem Surrounding, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Eigentlich soll er als kleines Monster in einer Wiener Geisterbahn die Menschen erschrecken. Aber er widmet sich viel lieber seinem Keyboard und singt selbst komponierte Lieder. Da liegt es auf der Hand, dass der Geisterbahnbesitzer das kleine Monster feuern muss. Monster Monstantin ist darüber aber nicht traurig. Vielmehr macht es sich an einem Ort gemütlich, an dem auch andere seltsame Wesen hausen. Wie die Hexe Ene-meine Helene mit ihrer spitzen Karottennase, die nicht fliegen kann und der Drache Schluck, der zwar von Schluckauf geplagt wird, aber leider nicht Feuer speit.
Die Hexe Enemeene Marlene (Foto:LILARUM)
Als Monstantin zu Ohren kommt, dass der König des Landes einen Gesangwettbewerb für all seine Untertanen ausgeschrieben hat, gibt es kein Halten für ihn. Bis das sangesfreudige Monster jedoch die ihm gebührende Anerkennung erreicht, hat es so manche Abenteuer zu bestehen, denn seine aufmüpfige Art gegenüber dem König, bringt ihn ganz schön in Bedrängnis.
In Nebenrollen tauchen auch die Bremer Stadtmusikanten, der Gestiefelte Kater, kluge Roboter und eine hilfreiche Spinne auf. Ein empfehlenswertes Augen- und Ohrenfutter.
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Die Gegenüberstellung zeigt deutlich, wie breit das Kindertheaterhaus im Museumsquartier unter Corinne Eckenstein aufgestellt ist.
Wasserkesselpauken-Pfeifensinfonie
Wasserkesselpaukenpfeifensinfonie (c) Peter Ketturkat
Im dunklen Raum zu sitzen ist für 3-Jährige gar nicht so einfach. Umso erstaunlicher, dass Peter Ketturkat mit seiner Teebeutelgeschichte es schafft, die Kinder über 45 Minuten ruhig zu halten. Ein Zeichen, wie spannend das Abenteuer rund um den Tyrannen in Espresso-Maschinen-Gestalt für das junge Publikum ist. Bei den ersten Sätzen meint man, Ketturkat hätte eine Persiflage auf jenen Mann geschrieben, der derzeit als Präsident nicht nur Amerika in Atem hält. „Ein böser Geist war in die Welt gekommen“, heißt es da und weiter „Ich, ich, ich haben!“ Aber bald schon merkt man, dass es sich um eine allzeit gültige Geschichte handelt. Um das Böse, das einmal an der Macht, die Menschen mit ihrer Poesie zum Verstummen bringt.
Da werden kleine Teebeutel aus aller Herren Länder auf Miniaturwäscheleinen aufgehängt und ganz frech gestohlen. Da fiebern die Kinder mit den kleinen Geschirrtuch-Figürchen mit, die sich gegen das große Monster behaupten müssen. Und schließlich entpuppt sich so mancher Teekessel als kleines, künstlerisches Universum in dem es grünt und blüht. Wie schön, dass am Ende die Welt der kleinen Püppchen nicht mehr auf dem Kopf steht und das Monster mit Häkeldeckchen unschädlich gemacht werden konnte. Da kann man einmal sehen, wofür eine gediegene Handarbeit gut sein kann!
„Der Trommler“
Der Trommler (c) Reinhard Werner
Ganz anders hingegen „Der Trommler“, die Geschichte eines jungen Mannes und einer auf einem Eisberg gefangen gehaltenen Prinzessin. Bis er diese aus den Fängen der unbarmherzigen Hexe befreien kann, muss er einige Abenteuer bestehen. Inszeniert von der Wiener Taschenoper, die – wie es aus ihrem Namen zu erkennen ist – ausschließlich Opern produziert, handelt es sich dabei um eine Aufführung mit Live-Musik. War bei der vorangegangenen Produktion Wolfgang Mitterer für die Musik von „Schneewittchen“ verantwortlich, die im Muth zur Aufführung kam, ist es dieses Mal Martin Brandlmayr. Er sorgt auch am Schlagzeug neben Melissa Coleman am Cello und Bernhard Höchtel am Klavier für das musikalische Live-Erlebnis. Dafür schuf er ein durchgehend atonal klingendes Oeuvre. Erst in der allerletzten Nummer, in der das Ensemble einen kleinen Chor bildet, darf man vereinzelt Humperdinck´sche Klänge erhaschen. Interessant ist seine Arbeit vor allem, weil sich das zeitgenössische Kompositionsgeschehen der Atonalität nur mehr als einer von vielen Ausdrucksmöglichkeiten bedient. Es entsteht beinahe der Eindruck, als ob Brandlmayr mit seiner Komposition ganz bewusst einen Rückgriff auf eine musikalische Tradition gemacht hat, die nun schon auf eine rund 100-jährige Geschichte zurückblicken kann.
Der Trommler (c) Reinhard Werner
Dennoch hat er es geschafft, die einzelnen Figuren mit unterschiedlichen, musikalischen Charakteren zu besetzen. Das sparsame, aber zugleich durch gekonnten Lichteinsatz sehr effektive Bühnenbild (Harald Thor), ist zugleich eine Herausforderung für die Sängerinnen und Sänger. Denn eine Schräge zu bespielen erfordert noch ein wenig mehr an Konzentration als dies sonst der Fall ist. Bestens disponiert zeigten sich Andrés Alzate als furchtloser Trommler, Katharina Adamcyk als verführerische Königstochter, Andreas Jankowitsch als furchteinflößender Riese und Tina Drole als bestialische Hexe. Heftige Reaktionen gab es vom jungen Publikum als sich die Hexe dem Trommler gefährlich näherte, schließlich aber doch – Ende gut, alles gut – von den roten Flammen verschluckt wurde. Dass die Musik in diesen aufregenden Augenblicken im Kindergeschrei unterging zeigt, dass Jefgenij Sitochin mit seiner Regie ganze Arbeit leistete.
Der Boden des Raumes ist mit warmem Schaumstoff rot ausgelegt. Im Karree stehen unterschiedliche, kleine Lümmel-Inseln, auf denen es sich die Allerkleinsten mit ihren Eltern gemütlich machen. So lange sie wollen und wie sie wollen. Ob sie beim Theater für Kinder ab 12 Monaten auch aktiv mitmachen oder nicht, bleibt ganz ihnen überlassen.
Sanja und Till lieben Wien
„Baja Buf“ nennt sich die Produktion von Vrum, einem Künstlerkollektiv, das schon seit vielen Jahren mit seinen Jugendproduktionen international unterwegs und nun in Wien angekommen ist. Die kroatische Choreografin und Tänzerin Sanja Frühwald und ihr Mann Till, aus Deutschland stammend, haben sich beim Studium in Salzburg kennengelernt. Seither ist einige Zeit vergangen, eine Familie wurde gegründet, das jüngste Mitglied ist gerade einmal 2 Monate alt. Und nun leben sie in Wien. Nicht nur ein Kompromiss zwischen Kroatien und Deutschland, sondern sie fühlen sich hier sehr wohl, wie sie betonen.
Sanja Frühwald (c) Petar Borovec
Till agiert in dieser Saison gleich mehrfach im Dschungel. Einerseits ist er in interschiedlichen Rollen in der Pinocchio-Produktion zu sehen, andererseits performt er mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen bei Baja Buf. In dieser Inszenierung geht es nicht darum, den Allerkleinsten einen Plot vorzuspielen, was auch nicht funktionieren würde. Vielmehr nehmen Till Frühwald, Ana Mrak,
Raphael Nicholas und Asher O’Gorman Bewegungsmuster ihres quietschfidelen Publikums auf und spiegeln diese. Dabei wechseln sie zwischen dem einen und dem anderen Winzling. Zum Beispiel jenem, der es sich auf dem roten, weichen Kunststoffboden bequem gemacht hat, dann plötzlich zu laufen anfängt und die kleinen Arme weit nach oben reckt. Und dorthin zeigt, wo die hellen Scheinwerfer zu sehen sind.
Spiegeln bedeutet nicht, sich lustig machen
„Uns ist es wichtig, ganz bei den Kindern und ihren Aktivitäten zu sein, sonst würde die Performance nicht funktionieren“. Till hat uneingeschränkt Recht, denn die Gratwanderung zwischen einer subtilen Interaktion und einer reinen Vergrößerung des Bewegungskanons ist schmal.
Till Frühwald (c) Henrik Pfeifer
„Es geht darum, den Kindern die Bewegung ihres eigenen Körpers aufzuzeigen. Was macht mein Arm, meine Hand? Wie werde ich wahrgenommen?“ Sanja hat ein feines Sensorium für die Allerkleinsten und dirigiert das Geschehen vom Hintergrund aus. „Wir haben das Stück sicher schon 250 Mal aufgeführt. Aber es verändert sich ständig, ist nie dasselbe.“ Dabei gibt es, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht wirklich zu erkennen ist, auch eine stringente Choreografie. Mit ihr versuchen die Performenden die Kinder alleine, zu zweit, aber auch zu dritt zu begleiten. Dass es dabei zu höchst atmosphärischen Szenen kommen kann, durfte man bei einer Vorstellung im Dschungel erleben. Als ein kleines Mädchen am Schluss der Dreiviertelstunde zur leisen, aber ins Ohr gehenden Kindermusik begann, diese imaginär zu dirigieren. Ohne Worte, nur durch Blickkontakt und ihrem Gespür hatte sich das Ensemble um die kleine Dirigentin versammelt und tat dasselbe wie sie – es leitete ein imaginäres Orchester durch feine Gesten.
„Das Schönste ist, wenn Kinder die Hand einer er Performer ergreift. Einen größeren Vertrauensbeweis gibt es nicht.“ Sanja Frühwald benennt diese Momente, die nicht oft, aber doch vorkommen, als Highlights ihrer Shows.
Baja Buf (c) Rainer Berson
„Das ist das lustigste Theater, das ich je gesehen habe“, ruft die fünfjährige Izza während der Vorstellung laut und kugelt dabei auf einem der Kissen herum, dass man alleine vom Zuschauen schon mitlachen muss. Und tatsächlich ist die Wahrnehmung der größeren Kinder und auch die der Erwachsenen, die zusehen, meilenweit von jenen der allerkleinsten Aktivisten entfernt. Für die das zwar auch ein Spaß und manches Mal auch zum am Boden Kugeln lustig, kann aber dann auch wieder ganz schön aufregend sein.
Theater für die Kleinsten ist schweißtreibend
„Es gab Vorstellungen, da waren wir nach einer halben Stunde nass geschwitzt“, erzählt Till und Sanja ergänzt: „Die Kleinen haben einen völlig unverbrauchten Körper. Sie haben Körper, die noch nicht traumatisiert sind. Sie sind biegsam, in alle Richtungen, wohingegen die Erwachsenen diese Bewegungsmuster erst einmal wieder erlernen müssen. Weich zu werden in seinen Bewegungen ist das Allerschwierigste.“ „Und sich von 1 Meter siebzig und noch ein paar Zentimetern auf den Bauch werfen, ist auch etwas Anderes, als von einer Fallhöhe von 50 oder 60 Zentimetern.“, ergänzt Till.
Im Februar gibt es einen zweiten Durchgang von Baja Buf, womit das Haus sich auch unter seiner neuen Leitung für die Allerkleinsten verstärkt offen präsentiert. Mit „Giraffen summen“ der Schall und Rauch agency, einer Inszenierung aus der vergangenen Saison, dürfen die Winzlinge im kommenden Mai Anregungen des Ensembles aufnehmen und weiterentwickeln. Das ist eine andere, aber nichts desto trotz genauso spannende Herangehensweise an Theater für die Allerkleinsten.