Von Bad Ischl in die große weite Welt und retour
22. Januar 2024
Anlässlich der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres Bad Ischl und Salzkammergut 2024 wurde eine Operette von Oscar Straus im Kongress- und Theaterhaus in Bad Ischl aufgeführt. Obwohl das Label Operette dieser Produktion nicht wirklich gerecht wird – zum Glück.
Michaela Preiner
Foto: (Iko Freese / drama-berlin.de)

In Sichtweite des Kongress- und Theaterhauses von Bad Ischl befindet sich die ehemalige Villa des jüdischen Komponisten Oscar Straus (1870-1954). Phonetisch könnte man ihn der großen Strauß-Dynastie zuordnen, mit der er jedoch nichts zu tun hatte. Ganz im Gegenteil: Aufgrund etwaiger Verwechslungen ließ er das ursprünglich zweite s, das er am Namensende trug, sogar amtlich streichen. Anlässlich der Eröffnung der Kulturhauptstadt Bad Ischl und Salzkammergut 2024 wurde die Produktion der Komischen Oper Berlin „Eine Frau, die weiß, was sie will“ aus dem Jahr 2015 für zwei Abende nach Bad Ischl eingeladen. Ab diesem März wird das Stück in Berlin wieder aufgenommen. Die Entscheidung, Oscar Straus erklingen zu lassen und nicht auf den hier omnipräsenten Franz Lehár zurückzugreifen, macht Sinn. Denn, wie Elisabeth Schweeger, die künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt mehrfach betonte, war es ihr wichtig, auch auf die jüdische Vergangenheit der Stadt hinzuweisen. Eine Vergangenheit, die lange nicht aufgearbeitet wurde.

Villa von Oscar Straus in Bad Ischl.

Eingang der Villa von Oscar Straus in Bad Ischl (Foto. European-Cultural-News)

Die Villa, in welcher der viel gereiste Komponist seinen Lebensabend verbrachte, steht zu einem Teil heute leer. Am Haupteingang liegen verwaist Zeitungen, nur im ersten Stock ist eine aktuelle Wohnsituation zu erkennen. Doch gerade dieses Haus könnte mehrere Romane allein über seinen ehemaligen Besitzer erzählen. Oscar Nathan Straus kam schon als Kind mit seinen Großeltern jeden Sommer, wie es im 19. Jahrhundert üblich war, nach Bad Ischl zur Sommerfrische. Hier erlebte er eine Stadt voller Musik. Blasmusik, öffentliche Konzerte im Kurpark, aber auch Aufführungen im Lehár -Theater oder auch im Kongresshaus standen auf der Tagesordnung. Bald wünschte sich der Junge zwei Instrumente – eine Trompete und eine Trommel. Seine liebenden Großeltern erfüllten ihm den Wunsch und dürften sich bald danach die ehemalige Beschaulichkeit der Ischler Sommerfrische zurückgewünscht haben. Denn Oscar beherrschte bald beide Instrumente und brachte das Kunststück zusammen, sie gleichzeitig zu spielen. Von seinem Wunsch, Komponist zu werden, konnte ihn seine Familie nicht mehr abbringen. Die Jugendanekdote, welche von einer der Stadtführerinnen gerne erzählt wird, beleuchtet gut das gesellschaftliche Umfeld wieder, in welchem das Einzelkind aufwuchs. Zugleich auch jene Stimmung, die Ischl damals zu einem Zentrum des kulturellen Sommerlebens in Mitteleuropa werden ließ.

Seiner Hartnäckigkeit verdankte er es schließlich, dass sein Berufswunsch letztlich von seiner Familie doch akzeptiert wurde. Ausschlag gab ein Attest des bekannten Musikkritikers Eduard Hanslick, der darin dem jungen Mann „Frische und Einfachheit“ in zwei seiner Liedkompositionen bescheinigte. Straus studierte in Wien, später in Berlin und verdiente sein erstes Geld als Kapellmeister in Brünn, Teplitz-Schönau sowie Mainz. Für das Berliner Kabarett „Überbrettl“ schrieb er über 500 Kabarett-Lieder, geschuldet auch dem Umstand, dass fast jede Aufführung tags darauf von der Zensur verboten wurde.

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Oscar Straus: „Eine Frau, die weiß, was sie will“ (Foto: Iko Freese / drama-berlin.de)

Der finanzielle Erfolg stellte sich bei dieser Tätigkeit jedoch nicht ein, erst mit „Ein Walzertraum“, 1907 in Wien aufgeführt, gelang Straus sein großer Durchbruch. Sosehr Straus für seine „Operetten“ auch bekannt wurde, sosehr sollte man auch seine kritischen Lieder aus Berlin und die ersten Operetten wie „Die lustigen Nibelungen“ nicht vergessen. Letzte trug einen derart deutsch-kritischen Unterton, dass es bei einer Aufführung in Graz zu Tumulten kam und diese vom Spielplan abgesetzt werden musste. Untersuchungen, welche Straus und seinen Librettisten Fritz Oliven, einen Berliner Rechtsanwalt, der unter dem Pseudonym Rideamus Texte für ihn schrieb, zu Beginn des 20. Jahrhunderts beleuchten, zeigen einen Komponisten, der sich damals schon bewusst war, dass Zeiten anbrechen würden, die Gefahr für ihn bedeuten könnten. Ein Umstand, der sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bewahrheiten sollte.

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Oscar Straus: „Eine Frau, die weiß, was sie will“ (Foto: Iko Freese / drama-berlin.de)

Vor den Nazis floh der Straus zuerst von Berlin aus nach Bad Ischl, anschließend in die Schweiz, danach nach Paris und Südfrankreich und letztlich in die USA, wo er für Hollywoodfilme Musik komponierte. Ein Sohn starb an der Front im 1. Weltkrieg, ein weiterer wurde 1944 im Konzentrationslager in Auschwitz ermordet. Nur zwei seiner fünf Kinder überlebten den Vater. Kurz nachdem er 1948 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, kehrte Oscar Straus nach Bad Ischl zurück.

Als „Operette“ angekündigt, erwies sich „Eine Frau, die weiß, was sie will“ in der Fassung des Regisseurs Barrie Kosky, viel eher als eine rasante Nummern-Revue mit atemberaubenden Kostüm- und Charakterwechseln. Dagmar Manzel und Max Hopp schlüpften in insgesamt 20 Figuren, zum Teil sogar gleichzeitig in zwei verschiedene. Die Inszenierung, musikalisch geleitet von Adam Benzwi, versetzte das Geschehen in das Berlin der 30-er Jahre, also in jene Zeit, in welcher das Werk auch entstanden war. Ausgestattet mit einem einzigen Bühnenbild wird die Geschichte einer jungen, verwöhnten Frau erzählt, die nicht weiß, dass eine berühmte

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Oscar Straus: „Eine Frau, die weiß, was sie will“ (Foto: Iko Freese / drama-berlin.de)

Operettendiva ihre Mutter ist. Vielmehr lebt sie in der irrigen Annahme, dass ihr diese Soubrette ihren Mann ausspannen will. Erst in der letzten Szene lösen sich die psychologischen Verwicklungen auf. Es sind die schnellen Rollenwechsel, aufgrund der Minimalbesetzung mit zwei Personen und die überzeichneten Figuren, die keinen verkitschten Operettenstaub erkennen lassen. Aber nicht nur die aberwitzige Spielfreude, die von Manzel und Hopp gezeigt wurden, sondern auch der Witz der Liedtexte selbst, bescherte dem Publikum Heiterkeit. „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ ist eines der wohl berühmtesten Lieder, das, aus dem Werk ausgekoppelt, in vielen Chanson-Abenden des deutschsprachigen Raumes zu hören war und auch wieder zu hören ist. Oscar Straus kann in diesem Werk als jemand wahrgenommen werden, der bestens auf der Unterhaltungsklaviatur des Musiktheaters seiner Zeit spielen konnte. Die Chance, dass seine Ohrwürmer auch zuhause nachgesungen werden konnten, hatte er genauso zu nutzen gewusst, wie die subtile Sichtbarmachung von moralischen Anforderungen, welchen die Menschen sowohl in den 30er-Jahren als auch heute nicht gerecht werden können.

2021 wurde anlässlich des „Festivals der Regionen“ ein Projekt in Angriff genommen, in dessen Verlauf eine Landkarte mit „Stecknadeln der Erinnerung“ für die Stadt Bad Ischl erstellt wurde. Das Straus-Haus ist darauf nicht markiert, vielleicht auch, da es in jener Zeit, welche die Spazier-Route „Jüdisches Ischl“ beleuchtet – nämlich die 30er- und 40er-Jahre – noch nicht in Besitz von Oskar Straus war. Es wäre jedoch an der Zeit, die Geschichte des Komponisten einem größeren Kreis von Interessierten bekannt zu machen, nicht nur Musikbegeisterten, die in den meisten Fällen selbst nicht darüber Bescheid wissen.

Die Aufführung in Bad Ischl darf man deshalb als Aufforderung zu weiteren, eigenen Recherchen ansehen. Was wir hier mit weiterführenden Links gerne unterstützen:

Oscar-Straus-Beiträge zur Annäherung an einen zu Unrecht Vergessenen. Im operetta-research-center.org
Oscar-Straus-Beiträge-zur-Annäherung-an-einen-zu-Unrecht-Vergessenen
Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen – Uni Hamburg
https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002671
Webseite Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut</a>