Stefko wie Star Wars
28. Oktober 2024
Stefko Hanushevsky erzählt mit atemberaubender Verve „Der große Diktator“, eine – fast – wahre Geschichte über sein Leben, bis auf jene Teile, die Fiktion sind.
Michaela Preiner
Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)
Foto: (Tommy Hetzel)

Was für eine Entdeckung! Man muss keine großen Wahrsagekünste haben, um vorauszusagen, dass Stefko Hanushevsky ein Publikumsliebling der Burg werden wird. Denn nach der Aufführung seines Stückes „Der große Diktator“ am Akademietheater ist er es schon für all jene, die ihn in dieser Inszenierung gesehen haben. Der aus Oberösterreich gebürtige Schauspieler kam mit dem jetzigen Burgtheaterdirektor von Köln nach Wien und – möge seine Bitte erhört werden – soll er hier bis zu seiner Frühpensionierung auch bleiben. Ganz zur Freude des hiesigen Publikums.

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

Unter der Regie von Rafael Sanchez erzählt er im Plauderton, gesteigert bis zur höchsten Schauspielattitüde, von seiner Kindheit und Jugend in der Provinz. Er wuchs in einem kleinen Ort in Oberösterreich auf, in dem es von Altnazis nur so wimmelte und dem er dank eines reichen Onkels aus Amerika schließlich entkommen konnte. Dabei treibt er Storytelling auf höchstem Niveau mit der Erzählung seines Auftrittes in einer Künstlergarderobe, in welcher er Adenoid Hynkel – den Friseur aus Charly Chaplins „Der große Diktator“ zum Besten gab. Stefko weiß aber auch mit dem jähen Platzen des Traums zu fesseln, am Broadway eine große Karriere zu machen.

Alles, was er auf der Bühne tut, trieft nur so von Authentizität und das, was beim Triefen an schillernden Tröpfen verspritzt wird, darf man getrost als Surplus seiner ausufernden Fantasie bewerten, die einfach nur mitreißt. Er schlüpft in unterschiedliche Rollen wie jene von Herrn Otto Grauberger, einem Kriegsversehrten, der einen veritablen Nazi-Hausaltar sein Eigen nennt. Diese Figur, so böse er sie auch ansetzt, sowie jene des Bürgermeisters der Stadt, haben es in sich, denn von beiden zeigt er offen ihre menschlichen Schwächen. Letzterer hat bei seinen Reden Mühe, seinen erhobenen Hitlerarm unter Kontrolle zu bringen und erleidet regelmäßig schmerzhafte, psychische Flashbacks, wenn der Schützenverein seine Salven abschießt. Beide werden ohne Pathos oder Schönrederei so glasklar charakterisiert, dass verständlich wird, warum diese Männer –stellvertretend für viele andere, die im Krieg an der Front das Grauen erlebt haben – so vergangenheitsorientiert leben. Die intelligente Dramaturgie, die dahintersteckt, ist bewundernswert.

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

Die amüsante Rahmenhandlung einer Busreise mit blasenschwachen und unterzuckerten amerikanischen Touristen zu den schönsten und interessantesten Nazi-Stätten in Deutschland ist gespickt mit sprachübergreifendem Wortwitz. Nach einem technischen Gebrechen rettet er sich mit der Ansage: „Go out, we have a Reifenplatzer, but we can now „frische Luft schnappen“. Ob seine Selbstbeschreibung stimmt, ignorant, intrigant, neurotisch, selbstsüchtig und skrupellos zu sein, kann man nicht bewerten. Wohl aber stimmt seine Aussage, lustig und nie langweilig zu sein zu hundert Prozent an diesem Abend.

Hinter dieser Fröhlichkeit und seinem unbändigem Spielwillen, der auf hohe Schauspielkunst trifft, verbergen sich im Text jedoch zugleich auch die tiefsten Abgründe, mit welchen unsere Gesellschaft derzeit zu kämpfen hat: Eifersucht, Bösartigkeit, Sadismus sowie das Erstarken rechtsradikalen Gedankenguts. Es ist nicht nur das performative Können Hanushevskys, das so fesselt. Der Aufbau seiner „Erzählung“, die er in eineinhalb Stunden abhandelt, sodass man am Ende das Gefühl hat, sich doch eben gerade erst auf seinem Platz bequem gemacht zu haben, ist schlichtweg atemberaubend. Die Mischung aus Comedy, grandiosen musikalischen Nummern, vorgetragen in gänzlich unterschiedlichen Stimmcouleurs, seine auf Schenkelklopfen angelegten Witze, die schwärzer als schwarz nicht sein können – all das fügt sich zu einem Theatererlebnis der Sonderklasse. Selbst der Höhepunkt, die Rede Charly Chaplins als großer Diktator, bekommt unter seiner Interpretation keinerlei epigonenhaften Touch. Hoch über der Bühne auf der Plattform eines kleinen Hebekrans schmettert er eine martialische, dadaistische Verballhornung nieder, in der gut die „Strrrrrrafffe“ und der „Volkskanzlerrrr“ hörbar werden. Charly Chaplin würde nicht nur diese Szene laut akklamieren.

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

Der große Diktator (Foto: Tommy Hetzel)

So schillernd und skurril seine Figuren auch sind, so fantastisch erfunden so manche Szene, so beeindruckend ist letztlich Stefko Hanushevsky mit seiner Performance selbst. Er produziert sich nicht als Überkünstler, sondern als bescheidener Alleinunterhalter, allerdings auf einem Niveau, das einer Burgtheaterinszenierung würdig ist. Einen besseren Einstieg in die Wiener Theaterlandschaft hätte er sich nicht bereiten können. St-efko, nicht Sch-tefko, Stefko, so wie Star Wars ergänzt die Reihe an Soloabenden an der Burg in dieser Saison nach Nicholas Ofczareks „Holzfällen“ und Nils Strunks „Schachnovelle“ auf demselben hohen Niveau und trägt dazu bei, die Vorstellungen des Hauses wieder mit dem Attribut „ausverkauft“ zu versehen.

Kleiner Nachspann: Auch das Programmheft ist es wert, gekauft und gelesen zu werden. Es bietet höchst Interessantes zur Vermarktung und Verdrängung des Obersalzbergs, inklusive eines weiterführenden QR-Codes eines Artikels von Margarete Stokowski.

Text: Stefko Hanushevsky, petschinka und Rafael Sanchez
Bühne: Sebastian Bolz
Kostüme: Melina Jusczyk
Musikalische Komposition: Cornelius Borgolte
Licht: Jan Steinfatt.

Hier ein kleiner Vorgeschmack