Den Burgtheaterdirektor kennt keiner!
13. September 2024
Thomas Bernhards Text ‚Holzfällen. Eine Erregung‘ erhält durch ein geglücktes Format an der Burg eine Neuinterpretation. So, als hätte man endlich jenen Staub abgewischt, der das Werk von Beginn an nur sehr eindimensional interpretieren ließ.
Michaela Preiner
Nicholoas Ofczarek & Franui im Burgtheater im Stück "Holzfällen" von Thomas Bernhard
Foto: (Tommy Hetzel)

Was für eine wunderbare Programmierung der ersten Saison des neuen Burgtheaterdirektors Stefan Bachmann! Neben einer Hamlet-Neuinterpretation unter der Regie von Karin Henkel, mit welcher die neue Saison eröffnet wurde, brillierte Nicholas Ofczarek in einer äußerst gelungenen Fassung von Thomas Bernhards ‚Holzfällen‘ gemeinsam mit der Musicbanda Franui.

Vor 40 Jahren evozierte „Holzfällen“. Eine Erregung‘ tatsächlich heftigen Reaktionen des Wiener Publikums, galt der Text doch nicht nur als Angriff auf das Burgtheater, sein Ensemble und seine Direktoren. Vielmehr schilderte Bernhard in diesem Werk penibelst auch die gesättigte Wiener Gesellschaft unter Heranziehung bösartigster Charakterbeschreibungen.

Was damals jedoch völlig übersehen wurde, ist jene Selbstbezichtigung, welcher sich Thomas Bernhard aufs Heftigste in diesem Text auch selbst aussetzte. Ein Umstand, der durch Ofczarek auf der Bühne genial vermittelt wurde. Damit verbunden ist zugleich aber auch jene große Portion Humor, mit der sich der Autor selbst aufs Korn nahm.

Mittig auf einem Stuhl platziert – keinem Ohrensessel wie jenem, den Bernhard als seinen Beobachterposten im Stück häufig zitiert – hinter ihm die 10-köpfige Musicbanda Franui im Halbkreis angeordnet, las Ofczarek Bernhards Sozialbeobachtung feinst abgestimmt mit den Musizierenden.

Nicholoas Ofczarek & Franui im Burgtheater im Stück "Holzfällen" von Thomas Bernhard

Nicholoas Ofczarek & Franui im Burgtheater im Stück „Holzfällen“ von Thomas Bernhard

Bekannt für das „Zelebrieren von Trauermärschen und Trauermusik“, wie es dem Programmfolder zu entnehmen ist, erwies sich die musikalische Untermalung der Musicbanda Franui aber als weitaus vielschichtiger. Sie unterlegt einzelne Personen mit einem für sie charakteristischen Sound, der aber auch zur jeweiligen Erzählung matcht. So wird der Salzburger Lebensgefährte der Selbstmörderin Joana bei deren Begräbnis vom Autor mit langem, schwarzem Mantel und breitkrempigem Hut beschrieben und sein Auftritt mit Klängen von Mahlers Trauermarsch aus seiner 1. Symphonie begleitet.

Die Erzählung über Joana, einer ehemaligen Freundin des Autors und deren Selbstmord, wird mit einer zarten Melodie von Schubertschem Gepränge, vorgetragen auf der Violine, untermalt.

Die Beschreibung des „künstlerischen Abendessens“, an welchem der Autor bei der Familie Auersberger teilnimmt, beinhaltet Rückblicke auf sein Leben, aber auch auf jenes einiger Anwesender. Dies führt zu einem bunten Kaleidoskop einer Schar von Menschen, die spätabends der Einladung folgte, um einem Burgschauspieler nach dessen Auftritt in Ibsens „Wildente“ zu huldigen.

Dieses Setting gab Bernhard die Gelegenheit, sich über das Burgtheater auszulassen, jener „Dichtervernichtungs- und Schreianstalt“, wie er es nannte, dessen Publikum sich prompt aufs Äußerste über diese vermeintliche Ungebührlichkeit erregen konnte. Eine der wunderbarsten Szenen ist jene, in welcher Ofczarek als deklamierender Burgschauspieler seine Größe und Bekanntheit weitaus höher ansetzt als jene der Direktoren, deren er schon unzählige kommen und gehen sah. „Burgschauspieler kennt man, aber einen Burgtheaterdirektor?“

Es sind Sätze wie diese, welche das Publikum erheitern und zu Zwischenapplaus animieren und zugleich auch klarmachen: Stefan Bachmann ist einer, der nicht nur mit viel Humor auf sein eigenes Wirken blicken kann, sondern auch einer, der genau weiß, wie es ihm gelingt, nicht schon „nach Vertragsunterschrift gleich tot oder gar ein Idiot zu sein“, wie Bernhard den Zustand von unzähligen Burgtheaterdirektoren in seinem Text beschrieb.

Neben der großen Portion Humor, welche durch die musikalische Begleitung richtig zum Ausdruck kommt, ist es vor allem auch die Erkenntnis, wie rhythmisch-musikalisch der Text von Thomas Bernhard selbst ist. Dazu trägt auch der Vortrag von Ofczarek bei, der sich wie eine Solistenstimme in das musikalische Geschehen einfügt. Deutlich wird dies beim Zusammenklang von Stimme und einem Bolero, welcher sich zwar rhythmisch, aber nicht melodisch mit jenem von Ravel vergleichen lässt. Aber auch eine Polka, ein Landler, sowie ein herrlicher Galopp, welcher die Beschreibung des Suppenessens begleitet, in welchem der Burgschauspieler nach jedem zweiten Löffel ebenso nur zwei Worte eines Satzes zum Besten gibt, statten die Lesung in kräftigsten, auditiven Farben aus.

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Nicholoas Ofczarek & Franui im Burgtheater im Stück „Holzfällen“ von Thomas Bernhard

Es sind zum Teil Eigenkompositionen, dann wieder verfremdete, aber auch direkte musikalische Zitate, wie Didos Lament von Henry Purcell, welche dem Abend eine große Portion Atmosphäre einhauchen. Zum Teil so stark, wie es für gewöhnlich nur Filmmusik imstande ist zu leisten. Ganz intensiv wird dies kurz vor Ende der Aufführung noch einmal spürbar, als Ofczarek Bernhards gehetzten Lauf durch die Straßen Wiens nachempfindet, unterstützt vom 2/4 Takt, der ihn weg von der Gentzgasse, in welcher das Abendessen stattfand, führen sollte.

Die Bernhard-Referenz erscheint wie eine direkte Verbeugung der neuen Direktion vor diesem außergewöhnlichen Autor, der Österreich spaltete, wie selten jemand vor ihm. Eine Referenz, die aber auch den Eindruck erweckt, dass sich Bachmann zum Wiener Publikum hinbewegen und es animieren möchte, sich mit seiner Programmatik auf einen lustvollen Theaterweg zu machen.

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