Ungesühnte Taten verjähren nicht
Von Michaela Preiner
Bei der Buchvorstellung im Brucknerhaus in Linz im Jänner las Wilfried Steiner nicht nur aus seinem Roman. In einer sehr poetischen, gelungenen musikalischen Verschränkung wurden auch Lieder von Viktor Jara gesungen. Jenem vom chilenischen Volk verehrten Protestsänger, dessen Lieder bis heute unvergessen sind und der von der Militärjunta umgebracht wurde. Der in Linz lebende Musiker Roberto Morales lieh Jara seine Stimme und ermöglichte mit drei vorgetragenen Jara-Nummern dem Publikum eine ganz besondere, sinnliche Anteilnahme an dem vom Autor selbst gelesenen Text. Darin präsentiert sich der Ich-Erzähler Adrian als ein zögerlicher, bedachter Mann, der das Leben eher aus einer Zuhörer- und Zuseherposition aus verfolgt denn als Draufgänger. Im Laufe des Geschehens entwickelt aber gerade er sich zu einem Helden wider Willen. Am Kulminationspunkt schreitet er ganz unerwartet zu einer Tat, die ihm niemand – auch nicht er selbst – zugetraut hätte. Damit hinterfragt Steiner auch die unterbewussten Motivatoren eines Menschen, seine tief liegenden, charakterlichen Eigenschaften, denen er sich selbst gar nicht bewusst ist.
Obwohl Steiner ein Autor ist, der sich dem Realismus verpflichtet fühlt und obwohl in seinem Text jede Menge gut recherchierte, historische Fakten angeführt sind, zeichnet sich die Lektüre durch verschiedene Erlebnisschichten aus. Man findet bald Gefallen an der Selbstironie, die Adrian an den Tag legt. Saras rätselhafte Familiengeschichte entwickelt einen Spannungsbogen, dem man gerne folgt. Der blutige Putsch in Chile und das jahrzehntelange Versagen der Justiz machen sprachlos und wütend und der unerwartete Handlungsdreh, kurz vor Schluss, versetzt die Leserinnen und Leser in eine Welt, in der Chaos und Gerechtigkeit nur einen Augenaufschlag entfernt zu sein scheinen.
„Der Trost der Rache“ ist ein Buch, das sich einer genauen Genre-Zuschreibung entzieht. Es ist sowohl ein unterhaltsamer Roman, aber auch ein spannender, politischer Krimi. Trotz aller Lese-Leichtigkeit, die es in sich trägt, bleibt letztlich die schwierige, ethische Frage nach einem selbst judizierten „Trost der Rache“ eine, die jeder und jede letztlich für sich selbst beantworten muss. Zu beziehen über Amazon oder Thalia.