Impro, Impro!

Impro, Impro!

Das TAG lädt bis inklusive 20.9. jeden Abend zu einer neuen Impro-Veranstaltung. Künstlerinnen und Künstler aus Europa, Australien, Süd- und Nordamerika bieten dem Publikum dabei Abende mit Schauspielpower, Überraschungseffekten und jeder Menge Spaß.

Improfestival Moment im TAG (c) Stefanie Hummer

Improfestival Moment im TAG (c) Stefanie Hummer

In der 5. Ausgabe des Festivals „Moment!“ bieten sie den Wienerinnen und Wienern nicht nur die Gelegenheit, von ihren Zuschauerplätzen aus das Geschehen mittels Zuruf mitzubestimmen. Sie können sich auch in Workshops einschreiben, in welchen die rasante Kunst der Schauspiel-Improvisation gelehrt wird. Während des Festivals bilden die Darstellerinnen und Darsteller eine eingeschworene Gruppe. Untergebracht sind sie gemeinsam im „Hotel am Brillantengrund“, einem kreativen Beherbergungszentrum, für das es noch keine adäquate Beschreibung gibt. Hotel stimmt nur bedingt, denn wer hier übernachtet, hat meistens auch jede Menge Kreativität im Gepäck, die er oder sie dort mit anderen teilt.

„Kommen Sie zu Anne und erkundigen Sie sich“, macht Rod Ben Zeev aus den Niederlanden am Eröffnungsabend Werbung für die offenen Workshops direkt von der Bühne aus. Und auch wenn man nicht als Impro-Darstellerin oder Darsteller auftreten möchte, hat man große Lust, daran auch tatsächlich teilzunehmen. Denn schließlich fragt man sich im Laufe eines Impro-Abends nicht nur einmal, woher denn Bitteschön diese Damen und Herren ihre Einfälle nehmen.

Improfestival Moment im TAG (c) Stefanie Hummer

Improfestival Moment im TAG (c) Stefanie Hummer

Als Schauspielerin oder Schauspieler auf der Bühne zu stehen, ist ein Ding. Schlagfertig sein, wiederum etwas Anderes. Beides gleichzeitig zu beherrschen – davon träumen wohl viele Menschen. Genau diese Kombination ist es, welche die Impro-Shows beim Publikum so beliebt machen. Hauptsächlich junge Leute mit guten Englischkenntnissen versammeln sich derzeit allabendlich im TAG, denn die Shows werden auf Englisch abgehalten.

Rod, der als Showmoderator durch den Abend führt, holt seine Kolleginnen und Kollegen zu zweit, dritt, viert oder fünft zu sich auf die Bühne, erklärt ihnen einen neuen Plot, eine neue Ausgangssituation, befragt das Publikum nach zusätzlichen Stichworten – und schon geht´s los.

Da dürfen die Impro-Stars gleich zu Beginn über ihre erste Liebe berichten. Wie Omar Galván aus Spanien, der noch im Kindergarten war, als er von seiner ersten Freundin für jedes ausgezogene Kleidungsstück einen Kuss erhielt. Da wird erzählt, wie Weihnachten inmitten von Familienchaos in Schweden gefeiert wird – oder auch in Australien bei Nick Byrne. Dort sitzt man kurioserweise bei Hitze im Haus und brät einen Truthahn. Nick ist ein umwerfender Impro-Spieler, der in jeder einzelnen Szene das Publikum begeistert. Seine hoch gewachsene Statur und sein trockener Humor verleihen seinen Auftritten richtig Pfeffer. Der Schwede Per Gottfredsson ist körperlich gesehen das komplette Gegenteil. Wesentlich kleiner und rundlich gebaut, darf wenig später in einer Doppelconference als Frau seine schauspielerischen Register ziehen und hat am Ende der Szene für seinen Partner sogar noch eine klatschende Überraschung parat. Wer seine eigene Persönlichkeit ins Geschehen einbringen kann, hat das Zeug zum Impro-Star. Ob groß oder klein, dick oder dünn, Hauptsache schlagfertig, denn dann klappt´s auch mit dem Publikum.

Dass sich schließlich einige der Darstellerinnen und Darsteller mit gelesenen, dramatischen Texten abmühen müssen, die keinerlei Bezug zueinander haben, aber dennoch im Augenblick ihres Auftrittes ein stimmiges Ganzes ergeben sollen, beschert dem Publikum am Ende sogar noch einen Hauch von klassischem Theaterfeeling und so manchen Lachanfall.

Einerseits ist es der Thrill zu sehen, wie denn die Leute auf der Bühne mit spontanen Herausforderungen umgehen, welcher die Impro-Abende besonders würzig macht. Andererseits pilgert das Publikum ins TAG, um an diesen Abenden eines ganz sicher zu haben: Jede Menge Spaß! Achtung: Gute Impro-Vorstellungen können süchtig machen!

Das Festival läuft noch bis Dienstag – weitere Infos hier.

Wer dann noch nicht genug hat, bekommt bei den „Sport vor Ort“ Aufführungen sowie „Meet the masters“ noch jede Menge Gelegenheit, nach dem Festival sich Impro-Theater im TAG zu gönnen.

In Krähwinkel bläst ein wind of change

In Krähwinkel bläst ein wind of change

 

Den Krähwinklern, die sich im Despotismus ihres Bürgermeisters und Notenbankchefs ganz gut eingerichtet haben, reicht`s jetzt. Krähwinkel, ein ominöses Örtchen, das erstmals bei Jean Paul 1801 auf der literarischen Landkarte auftauchte, von Kotzebue zwei Jahre später und dann noch einmal von Nestroy nach der Revolution in Wien mit spitzer Feder auf die Theaterbühne gehievt wurde, dieses Krähwinkel lebt! Und wie! Und es ist angekommen im Neoliberalismus der schlimmsten Art, oder präziser in jenem, den wir rund um den Globus gerade erleben.

Soweit der Jetztbezug. Dass es aber auch eine Zukunftsvision gibt, dafür sorgt Gernot Plass in dem Stück „Empört euch, ihr Krähwinkler“ mit einer gedanklichen Finte. Assoziationen des Titels mit Stéphane Hessels Aufruf zur aktiven Demokratiebeteiligung sind selbstverständlich erwünscht. Umgeben ist das kapitalistisch reaktionäre kleine Nest, dieses „Wimmerl auf der Pfirsichhaut Europas“ nämlich von einem im Kommunismus vereinten Europa, oder, exakt benannt, von der Europäischen, sozialistischen Union.

Im TAG steht – ganz außergewöhnlich – ein 12-köpfiges Ensemble auf der Bühne. Und was für eines: die Abschlussklasse der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Als Absolvent des ehemaligen Kons, wie die Hochschule liebevoll bis November vergangenen Jahres noch abgekürzt wurde – lud Plass den Schauspielnachwuchs in sein Haus, um seine Überschreibung des Nestroy-Klassikers „Freiheit in Krähwinkel“ unter seiner Regie zu präsentieren.

Das Ergebnis ist schlichtweg fulminant. Nicht nur, was den Text selbst betrifft. Ein echter Plass, der von Bonmots, intellektuellen Flic Flacs, Querverweisen in die Historie und zu aktuellen soziologischen und politischen Verfasstheiten, nur so strotzt. Aber auch ein Text, der den Jungen nicht wenig abverlangt. Satz-Staccati, die in atemberaubender Abfolge gesprochen werden müssen, eingestreute, herrlich tonale und akkordlastige Gesangseinlagen (Musik Erke Duit) und ein Bewegungstempo, das erst einmal durchgehalten werden muss, werden gefordert. Wenn man das alles beherrscht, braucht man vor kommenden Engagements keine Angst mehr haben. Und der Schauspielnachwuchs der Muk beherrscht das alles.

Die fünf Männer und sieben jungen Frauen spielen frech, spritzig, witzig, aufwieglerisch und vor allem durch und durch komödiantisch – von den gefärbten Haarspitzen bis zu den Zehennägeln. “Was recht is is recht, was zvü is is zvü!“, die Eingangsparole, die von der Krähwinkler Bevölkerung noch im Untergrund beschworen wird, bildet das erste Aufflammen jener Revolution, die am Schluss des Geschehens die Machtelite w.o. geben lässt. Burak Uzuncimen steht als unerschrockener Nachtwächter Dunkelgraus der unzufriedenen Gemeinschaft vor, die sich jedoch nicht wirklich im Revoltieren auskennt, da es keine Studierenden in diesem Land gibt. Da braucht es nicht nur die zusätzlichen, insurgierenden Gedanken von Eberhard Ultra, dem Gesandten aus dem fernen Wien, in dem schon längst Freiheit und Einigkeit herrscht, sondern auch seinen strategischen Kopf. Stanislaus Dick, der diesen Charakter unglaublich fulminant auf die Bühne zaubert, agiert, als ob er ein alter Schauspielhase und mit allen komödiantischen Wassern gewaschen wäre. In keiner Sekunde ist er unglaubwürdig, in keinem Augenblick ist eine handwerkliche Unsicherheit spürbar und das Beste: Dieser Ultra hat nicht nur die Krähwinkler, sondern auch das Publikum fest im Griff. In seinen vielen Verkleidungen und Charakterverstellungen wird in dieser Inszenierung dennoch klar: Uneigennützig agiert diese menschliche Lunte, die das revolutionäre Pulverfass in Krähwinkel schließlich zum Zünden bringt, auch nicht. Die Aussicht auf eine reiche Partie in der Gestalt von Frau von Frankenfrey beflügelt ihn nicht nur in politischer Hinsicht. Maria Strauss agiert in dieser Rolle souverän und bleibt auch dann noch ganz unabhängige Herrin, als ihre Felle durch Korruption davonzuschwimmen drohen.

Ultras saturierter Gegenspieler, der Bürgermeiser, wird, je länger sich die Revolten zuspitzen, von Albträumen geplagt, die ihm keine Sekunde Nachtruhe vergönnen. Stefanie Darnesa weiß, wie Despoten ticken. Sie brüllt, sie kommandiert und delegiert und schiebt ihren ausgestopften Embonpoint vor sich her, dass man fürchtet, die Knöpfe ihres zu engen Wamses unversehens ins Auge zu bekommen. Ein Nestroytalent der Sonderklasse ist auch Marta Kizyma, die in der Rolle der verliebten Cecilie wie aus einer Commedia dell`arte Inszenierung herausgesprungen zu sein scheint. Gemeinsam mit Verena Maria Bauer, die ihr Freundinnen-Gegenstück mimt, springt sie über die Bühne, zerfließt beim Anblick ihres Angebeteten und versucht, ihren Vater von der Feindschaft zu ihrem zukünftigen Bräutigam abzuhalten. Benedikt Paulun lässt mit einem Schlagstock bewaffnet die Gewaltbereitschaft des herrschenden Systems spürbar werden und trägt gleichzeitig seine Feigheit zur Schau: „Wo ein anarchisches Krawallerl ist, bin ich schon die Wolke!“ Maria Magdalena Mund stößt als seine Frau, während des Besuches eines angeblichen Geistlichen, ein wunderbares Jammergeschrei an, in dem sie beklagt, dass nun der jüngste Tag anbreche und das, obwohl sie nicht Staub gesaugt habe. Alle Beteiligten sehen sich an diesem Abend mit der Herausforderung konfrontiert, dass sie nicht nur einen, sondern mehrere Charaktere zu spielen haben. Rasche Kostüm- und ebenso rasche Szenenwechsel machen das möglich. Andreas Gaida und Florian Appelius als subalterne Beamte Sigmund und Willibald sind das Salz in der Schnellsprech-Suppe. Köstlichst, wie sie sich ducken und aufmucken, wie sie buckeln und treten und sich gegenseitig stets im Zaum halten, oder auch befeuern.

Herrlich jene Szene, in der sich die Gattinnen der Honoratioren und Stadtverantwortlichen „Tüllschleier-behütet“ beim Café Gedanken um ihre Zukunft machen. Höchst originell, wie Plass immer wieder auch Originalzitate von Nestroy unterbringt, wie jenes, in dem die Rute für die Kinder, als Äquivalent zur Knute der Erwachsenen bezeichnet wird. Oder auch der Ausspruch von Frau Klöppl, in dem sie froh darüber ist, dass der ihrige schon tot ist, „sonst könnt er sich bei der G´schicht ja noch wehtun!“ Seine Verweise auf die kapitalistische Weltherrschaft in Form einer „westatlantischen Erhabenheit“, bei Nestroy ist es noch ein russischer Gesandter, oder auf sogenannte RUP – Rebellions-Versicherungs-Papiere, die aus der Rebellion ein Derivatgeschäft machen, stehen dem Nestroy´schen Witz, der zu seiner Zeit politisch auch hoch aktuell war, in nichts nach. Und auch, dass sich Intellektuelle, wie der Dichter Sperling, oder der Redakteur Pfiffspitz nicht immer auf der Seite der Guten befinden müssen, wird in diesem Stück klar aufgezeigt. Elisabeth Merkens agiert als Quotenliterat pseudodichterisch „ei, ei, ei, wie sind wir so frei“ und machtanbiedernd auch mit so manch musikalischer Einlage. Rebekka Reinholz verkörpert den opportunistischen Redakteur der Krähwinkler Zeitung, der sich im Verfassen von Gastrokritiken schon höchst rebellisch vorkommt.

Empört euch, ihr Krähwinkler (c) Wolfgang Simlinger

Empört euch, ihr Krähwinkler (c) Wolfgang Simlinger

Die schrille Revue, die sich trotz der Länge von 2 Stunden in keiner Minute langweilig anfühlt, bietet nicht nur eine intellektuell anspruchsvolle Kost. Sie macht auch unglaublich Spaß. Es ist sehr wahrscheinlich, dass anlässlich der Reise zum Intendantenvorsprechen im deutschsprachigen Raum so manche und so mancher dieses Ensembles ein Engagement bekommen werden.

Unsere Empfehlung: Da es nur wenige Vorstellungen gibt, rasch Karten sichern!

Jetzt verlassen wir die Gitterbett-Atmosphäre der Schule

Jetzt verlassen wir die Gitterbett-Atmosphäre der Schule

Der Abschlussjahrgang der Studienrichtung Schauspiel der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien zeigt sein Können im TAG. „Empört euch, ihr Krähwinkler!“ ist eine Gernot Plass-Umschreibung der Komödie „Freiheit in Krähwinkel“ von Johann Nestroy. Plass ließ es sich nicht nehmen, das Stück mit dem Schauspielnachwuchs auch selbst in Szene zu setzen. Als ehemaliger Absolvent der Hochschule hat er sich mit dieser Inszenierung viel vorgenommen. Denn es stehen insgesamt 12 Personen auf der Bühne. „So viel, wie noch nie in einer meiner Produktionen“, wie der Leiter des TAG konstatierte.

Stefanie Darnesa, die in die Rolle des Bürgermeisters schlüpft und Stanislaus Dick, der den Ultra spielt, erzählten kurz vor der Premiere ein wenig über die Zusammenarbeit mit dem TAG, aber auch über ihre Pläne und Hoffnungen.

StefanieDarnesa_c_WilliKubica

Stefanie Darnesa c) Willi Kubica

Das gemeinsame Arbeiten mit Gernot Plass fanden die jungen Leute toll. „Ich fand es spannend, welche Welt er in dem Stück erschaffen hat“, meinte Stefanie Darnesa, “dass in Europa der Kommunismus herrscht und ich das noch bestehende System, den Kapitalismus darstelle. Aber ich habe auch viel nachgelesen und recherchiert. Denn man muss sich schon mit den Dingen auseinandersetzen, um zu verstehen, was da gerade passiert. Die Stücke von Gernot Plass sind so angelegt, dass man sich freut, wenn man etwas wieder erkennt, aber ich glaube, dass es unmöglich ist, als Zuschauer alles auf einmal zu verstehen, was in dem Stück drin ist.“

In der Überschrift „Empört euch, ihr Krähwinkler“, hat Plass auch Stephane Hessel mit seinem Welterfolg zitiert. „Ja, den habe ich gelesen, als er herausgekommen ist und das hat mich und mein Umfeld natürlich beeinflusst“, ergänzt Stanislaus Dick.

Auf die Frage, ob sie in ihrem Beruf politische Einflussnahme ausüben werden können oder ob sie das eventuell den Regisseurinnen und Regisseuren alleine überlassen, kommen sehr reflektierte Antworten.

Darnesa findet es sehr wichtig, dass man mit dem Theater auch etwas sagen will und dass man daran glaubt, dass Theater mehr bewirken kann als die Leute einfach nur zu unterhalten, und weiter: „Was mich, wenn ich ins Theater gehe überhaupt nicht interessiert ist, wenn da Leute oben stehen, die feiern, wie toll sie spielen. Ich will, dass mir was erzählt wird, und wenn es eine politische Relevanz hat, dann auch das.“

Stanislaus Dick (c) Willi Kubica

Stanislaus Dick (c) Willi Kubica

Für Dick ist der Theaterbegriff an sich nicht der, der Unterhaltung, sondern einer, der in Beziehung zu Aktuellem oder zu Grundsätzlichem steht. „Das ist das, was mich am Theater immer schon interessiert hat. Auch, dass man in jahrhundertealten Texten Themen findet, die noch immer sehr aktuell sind.“

Zur Zeit „post TAG“ befragt, erklärt Dick, wie das ehemalige „Kons“ versucht, seine Studierenden auf die Bretter der deutschsprachigen Theaterbühnen zu bringen.

„Unser Studium ist so aufgebaut, dass wir als Ensemble im vierten Jahr auf Intendantenvorsprechreise gehen. Das heißt, wir fahren durch den deutschsprachigen Theaterraum und stellen uns da als Ensemble vor. Das dient dazu, Kontakte zu knüpfen und gesehen zu werden. Einige von unserer Klasse haben schon ein Engagement, andere sind noch auf der Suche. Ich werde ab der nächsten Spielzeit fix im Ensemble in St. Pölten beginnen.“ Darnesa hingegen ist noch auf der Suche nach einer Anstellung.

Warum der Beruf faszinierend ist, wird ganz individuell ausgelegt.

„Ich finde es immer total spannend, verschiedene Welten zu erschaffen und die zu zeigen, auch, dass man Sachen machen darf, die man sonst nicht machen darf und ich wünsche mir, dass das Theater Leute auf ganz viele, verschiedene Arten bewegt. Was ich auch ganz wichtig finde, ist der Kontakt sowohl zu den Spielpartnern als auch zum Publikum. Wir haben einen Beruf, der das fordert und in dem man das auch darf.“ Darnesas Anworten kommen ungefiltert, schnell und wie aus der Pistole geschossen.

Stanislaus Dick: „Ich glaube, ich darf da ganz egoistisch an diese Frage herangehen. Ich erhoffe mir, dass ich damit glücklich werde, dass es mich in meiner Entwicklung bereichert und dass ich mich bestmöglich entfalten kann. Und das sind Fragen, die wir bis jetzt noch gar nicht richtig beantworten konnten. Wir sind in einer Umbruchphase und verlassen die Gitterbett-Atmosphäre der Schule nun tatsächlich für immer und werden jetzt in die harte Realität geschmissen. Ich glaube, dass wir da jetzt mit viel Neugier aber auch Contenance an die Sache herangehen müssen. Die Welt da draußen ist nicht unbedingt eine sehr leichte, vor allem in diesem Beruf. Und was ich mir noch erhoffe, ist Menschen zu berühren. Im Beruf des Schauspielers habe ich immer mehr gesehen als nur eine Marionette des Regisseurs zu sein, die gut sprechen kann. Mir geht es um die Aufgabe, Menschen aus ihrem Alltag in Geschichten hineinzubringen und zu verführen und ihnen gewisse Dinge näher zu bringen. Sei es das, was in einem Stück verhandelt wird, oder sei es das, was in einem selbst brennt. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, die, so glaube ich, kaum jemand in dieser Gesellschaft so erfüllt wie ein Schauspieler oder vielleicht noch ein Lehrer in einer Schule.“

Eine Woche vor der Premiere möchte ich noch gerne wissen, welche Hoffnungen sie mit der Aufführung im TAG verknüpfen: „Den Text können“ antwortet Dick prompt und Darnesa fügt nahtlos hinzu: „Es gibt eine hohe, sprachliche Virtuosität in dem Stück und wir müssen daran arbeiten, dass es einfach läuft. Meine Hoffnung ist, dass es von vorne bis hinten eine runde Sache wird und auch wenn man etwas verpatzt, am Ende die Leute rausgehen und davon nichts gemerkt haben.“

„Das Stück, so wie es geschrieben und aufgebaut ist, ist sehr ungewöhnlich für den normalen Theaterbesucher. Zu irritieren, die Leute auch zu inspirieren aber sie auch wirklich zu erreichen, das ist meine große Hoffnung. Dass wir uns nicht in der Form verlieren, sondern dass diese auch aufgeht und überlebt.“ Dicks Antworten sind – sehr erstaunlich für jemanden, der gerade mit dem Studium am Fertigwerden ist – druckreif.

Stefanie_Darnesa_und_Stanislaus_Dick (c) European Cultural News

Stefanie_Darnesa_und_Stanislaus_Dick (c) European Cultural News

Lampenfieber konnten die beiden nicht ganz ausschließen, denn zwar hat sich in den vier Ausbildungsjahren schon eine gewisse Routine eingeschlichen, die aber bei dieser speziellen Produktion nicht zum Tragen kommt. Vielmehr freuen sie sich auf die Vorstellung. „Das ist immer ein gutes Zeichen für eine Premiere“, so Dick und „mit jedem Durchlauf freuen wir uns mehr, dass es jetzt endlich losgeht und wir das Stück vor Publikum spielen dürfen!“, das letzte Wort hatte in diesem Interview die Dame.

Raffsucht und Despotismus ergeben eine unheilige Allianz

Raffsucht und Despotismus ergeben eine unheilige Allianz

„In deinem Alter kann man schon Jules Verne lesen!“ Diesen Satz, so erklärt Jens Claßen dem Publikum im TAG, sagte Elias Canetti zu ihm auf einer Parkbank am Zürichsee als er ein 9 Jahre alter Junge war. Damals wusste Claßen weder wer Canetti war, noch dass dieser für ihn einmal zu einer bestimmenden Figur in seiner künstlerischen Laufbahn werden würde.

„Die Blendung“, der erste Roman des Autors, ist nun in einer Bühnenfassung von Margit  Mezgolich im TAG zu sehen. Genauer gesagt in einer Fassung, die von Jens Claßen zum Teil lesend begleitet, aber auch moderiert wird.

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Die Blendung im TAG (c) Anna Stoecher

In einem bedrückenden Bühnenbild von Alexandra Burgstaller, die einen großen, mit dunkelbraunem Holz vertäfelten Raum wiedergibt, in dem sich riesige, grellrote Folianten befinden, agieren Alexander Braunshör als Hauptfigur Kien sowie Petra Strasser als Hausgehilfin und seine spätere Frau. Die absurde Szenerie, die sich durch Verschieben der Wände in späteren Szenen als höchst wandelbar erweist, unterstreicht den ebenso absurden Charakter der Figuren aus dem Roman.

Kien, ein blutleerer, aber von seinen Büchern besessener Gelehrter, heiratet seine Haushälterin, da er glaubt, dass diese ein Herz für seine Bücher habe. Dass er in seinem sozialen Gehabe ziemlich unterbemittelt ist, kann man aus seiner Aussage gut ablesen, wonach kein Mensch so viel Wert sei wie seine Bücher. Schon kurz nach der Hochzeit stellt sich heraus, dass sich Kien in der Charaktereinschätzung seiner Frau geirrt hat und das Geschehen nimmt seinen unaufhörlichen Lauf bis hin zu seinem bitteren Ende.

Die Regie von Mezgolich rückt das Tragik-Komische der einzelnen Charaktere in den Vordergrund. Die übertriebenen Kostüme und Masken erinnern, wie auch die Spielweise mit ausladenden Gesten und lauten Deklamationen, teilweise an Commedia dell´arte-Figuren. Georg Schubert und Elisabeth Veit agieren gleich in mehreren Rollen, wobei Schubert als proletiger Ex-Polizist und Veit als verkrüppelter Gauner besonders beeindrucken.

Die ungeheuren Verwicklungen des Geschehens kommen dadurch zustande, dass Kien und seine Frau eine gänzlich andere Sprache sprechen. Kien ist von der Idee getrieben, der Menschheit als größter Sinologe seiner Zeit, wie er sich selbst bezeichnet, eine außergewöhnliche Bibliothek zu hinterlassen und verliert ob dieser Beschäftigung jeglichen Realitätsbezug. Er geht sogar so weit, Menschen, die ihre Bücher in einer Pfandleihanstalt versetzen wollen, Geld zu geben, damit die Bücher nicht einer solchen Schmach ausgesetzt werden. Wunderbar, wie Braunshör, im Aussehen beinahe Nosferatu-gleich, sich seine Ehefrau mit größtem Despotismus vom Leib hält und im Handumdrehen einem Schwindler auf den Leim geht, dessen Tun mehr als durchsichtig ist. Herrlich, wie Petra Strasser in ihrem blauen Bauschrock durchtrieben ihren Mann betrügen und sein Geld an sich reißen will. Ihre stereotypen Antworten kann man schon nach wenigen Auftritten mitsprechen und sich köstlich dabei unterhalten.

Mezgolich hat den Text geschickt gekürzt und dabei Figuren weggelassen, ohne dass die Hauptaussage von Canetti darunter leidet. Dass sich Claßen gegen Ende hin plötzlich selbst mitten im Geschehen findet, ist ein intelligenter Kunstgriff. Die Vorstellung zelebriert auch das Theater selbst, denn wo sonst dürfen heute noch Objekte und Menschen in der Versenkung verschwinden oder plötzlich unterwartet aus dem Boden auftauchen?

Ein Abend, der all jenen zu empfehlen ist, die einen amüsanten und zugleich intelligenten Theaterabend erleben möchten. Oder all jenen, welche „Die Blendung“ von Canetti mit ihren über 500 Seiten nicht zu lesen gewillt sind, aber dennoch einen unvergesslichen Eindruck von dem Roman bekommen möchten.

Infos zu weiteren Terminen auf der Website des TAG

Jetzt wird einmal gefeiert!

Jetzt wird einmal gefeiert!

Am 13. Jänner 2016 lud das TAG zu einer großen Feier.  Am Tag genau vor 10 Jahren wurde das Theater an der Gumpendorfer Straße gegründet.

Ein gewichtiger Grund, das Publikum einzuladen und gemeinsam auf das bisher Geleistete anzustoßen. Vor allem, wenn man die Entstehungsgeschichte kennt. In einer humorigen Moderation vom künstlerischen Leiter Gernot Plass und dem kaufmännischen Geschäftsführer Ferdinand Urbach durfte das Publikum Anekdoten rund um die Gründungsgeschichte erfahren. Kulturstadtrat Mailath-Pokorny konnte mit eigenen Erinnerungsmomenten mithalten und plauderte aus dem Nähkästchen. „Das wird nie was“, war die Meinung vieler am Beginn der nun so erfolgreichen Geschichte des TAG.

Das Ensemble, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sonst nicht auf der Bühne zu sehen sind, formierten sich für den feierlichen Anlass zu einem Chor, der einen Querschnitt von musikalischen Einlagen zum Besten gab. 10 Jahre TAG – gespiegelt in der Musik, die aus ausgewählten Produktionen verwendet wurden – das war eine tolle Idee, die das Publikum zu Ovationen hinriss. Eine Sport-vor-Ort-Impro und musikalische Gigs im Anschluss zeigten einmal mehr, die Lebendigkeit dieses Hauses. Die Stimmung war fröhlich, ausgelassen und familiär – und spiegelte die tiefe Verbundenheit des Publikums mit diesem Theater wider.

Mit einem kurzen Blick hinter die Kulissen möchten wir dem TAG unsere Reverenz erweisen. Viel Spaß bei dem 3-minütigen Video in dem Sie alles erfahren, was Sie schon immer übers TAG wissen wollten!

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