Sprache trifft auf Kunst
Von Michaela Preiner
Gemeint ist mit diesem – zugegeben etwas botanischen Vergleich – die Spezies der Galeristinnen und Galeristen, die ganz im Eigeninteresse darauf aus ist, ihre Künstlerinnen und Künstler zumindest regional oder national an sich zu binden. Daraus folgt, dass es, abgesehen bis auf Auftritte mit Tuchfühlung bei Messen, relativ wenig Berührungspunkte untereinander gibt. Die Wiener Wirtschaftsagentur versucht einmal im Jahr die Marschrichtung durch den Wald vorzugeben und begleitet die Wiener Galerienszene dabei auf ihrem gemeinsamen Ausflug. Dabei lanciert sie jeweils ein bestimmtes Motto. „image / reads / text“ lautet das diesjährige, das von insgesamt 21 Galerien aufgenommen wurde. Die Ausstellungen wurden allesamt von Kuratoren und Kuratorinnen gestaltet, die von den Galerien selbst bestimmt wurden.
Für das kunstinteressierte Publikum ist das Format dieses Jahr besonders interessant. Denn kaum ein Thema zuvor wurde so stringent von den Beteiligten aufgegriffen und bietet zugleich eine so enorme Variabilität. Die Untersuchungen der Bedeutung von Sprache in der zeitgenössischen Kunst erzeugen einen großen Bogen von unterschiedlichsten Formaten. Film, Video, Installationen, Performances, klassische Malerei und Grafik sind dabei vertreten. Es gibt keinen Bereich der bildenden Kunst, der nicht präsentiert wird.
Bei einem ersten Rundgang durch sechs Galerien fiel auf, dass die große, thematische Klammer samt und sonders eingehalten wurde.
Uri Arans Kosmos in der Galerie König

Bei Senn wird`s intellektuell


Ferdinand Kriwet eine DER Entdeckungen – bei Kargl





Eine Melange der Mélange bei Unttld Contemporary


Spannende, südamerikanische Positionen bei Krinzinger Projekte

Erick Meyenberg (Foto: European Cultural News)
Der Mexikaner Erick Meyenberg verweist in seinem Werk „Aspirantes“, einer Videoarbeit mit einer aufwändigen Sechskanal-Technik, tief in die Vergangenheit von Mexiko und verknüpft diese zugleich mit der Gegenwart. Dafür hat er eine Gruppe von 230 Performern vor einer der bedeutendsten, prähistorischen Ruinenstädte, Teotihuacán, Aufstellung nehmen lassen. Neuen Untersuchungen zufolge, wurden dort während der Aztekenzeit 230 junge Männer gemeuchelt.Mit einer Atemübung, die von allen Teilnehmern auf eine Tonspur zusammengefasst wurde, verweist der Künstler auf den „lost breath“, das letzte Atmen der Delinquenten, das er mit seiner Intervention aus der Vergangenheit ins Heute transferiert. Es ist aber bei Weitem nicht nur die Historie, die Meyenberg hier beschwört. Die hochkant gestellte Drohnenkamera, die das Geschehen überflog, zeigt die Männer vor der „pyramid oft he moon“ in einer Riefenstahl-ähnlichen Aufstellung. Von oben nach unten gleitet dabei der Blick, um das Göttliche des Himmels mit dem menschlichen auf der Erde sichtbar zu verbinden und wieder in eine Einheit zusammenzufassen. Die co-partizipative Performance musste ohne Schnitt in 45 Sekunden abgedreht werden, die schließlich zu einem Endlos-Loop zusammengefügt wurde. Meyenberg verweist mit seiner Arbeit an das quer durch die Geschichte sich ziehende Phänomen in Mexiko, Menschen zu töten und verschwinden zu lassen. Er möchte damit auch an die vielen Menschen in Mexiko erinnern, die in der jüngsten Vergangenheit verschwunden sind, wie zuletzt 43 entführte und ermordete Studenten, deren Körper bis jetzt aber nicht aufgefunden wurden. Das vielschichte Werk, in dem der Künstler auch mit der überlieferten Idee aufräumt, dass Teotihuacán ein friedlicher Ort war, steht einem weiteren gegenüber, das dagegen wie ein historisches Leichtgewicht erscheint. In einer Reihe von Bildern, in welchen mexikanische Fußballer während ihres Spieleinsatzes zu sehen sind, hat Meyenberg diese auf schwarzen Hintergrund gesetzt und die einzelnen Fotos zu einer barocken Assemblage an zwei Wänden zusammengefügt.Es ist das Aufeinandertreffen von männlichen Körpern in der Öffentlichkeit, das sich sonst nur höchst geregelt zeigen darf, das den Künstler dabei reizt. Dabei setzt er dem non-contact zwischen Männern im öffentlichen Raum dem body-contact der Spieler gegenüber, die auf seinen Bildinterventionen förmlich zu tanzen beginnen. „Wir dachten, dass man der barocken Stadt Wien, in der Rubens stark vertreten ist, mit dieser Arbeit eine Hommage entgegenbringt“, so die Erklärung der Kuratorin, die auch für die Auswahl des Duos Nascimento/Lovera verantwortlich ist.Nascimento / Lovera (Juan Nascimento und Daniela Lovera`s, beide aus Caracas) beschäftigt sich in ganz spezieller Art und Weise mit der Fort- oder besser Neuschreibung der Geschichte ihres Landes Venezuela. In der Arbeit „Resistencia“ nehmen sie direkt Bezug zum derzeit höchst fragwürdigen Präsidialsystem, das sich zunehmend als diktatorisches Regime erweist. Ein Video zeigt die Aufnahme zweier Orchester aus dem Jahr 2013, die in einen Wettstreit gegeneinander angetreten sind. Dabei begegneten sich das Orchester der Peruanischen Luftstreitkraft und das José Maria Arguedas Orchestra, das mit Instrumenten aus den Anden bestückt ist. Basierend auf einem dramatischen Text von Jean Paul Sartre – Les mains sales oder Die schmutzigen Hände – spielen sie verschiedene populäre und symbolisch aufgeladene, musikalische Themen simultan. Der Clash der unterschiedlichen ideologischen Infrastrukturen bleibt dabei nicht aus und wird schmerzhaft hörbar.
Juan Nascimento und Daniela Lovera (Foto: European Cultural News)
Die zweite Werkserie zeigt Aufnahmen von architektonischen Ausformungen quer durch die Jahrhunderte und über den Globus verteilt, die Nascimento/Lovera in Bezug zu Naturgebilden ihrer Heimat setzen. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen formieren sich zu einem neuen Atlas einer alternativen Geschichtsschreibung und wurden zum größten Teil aus dem Internet generiert. Auffallend ist dabei eine Ästhetik, das in den einzelnen Serien ähnliche architektonische Formen miteinander in Bezug setzt und höchst willkürlich voneinander ableitet. Doch nicht nur die formalen Ähnlichkeiten werden von dem Duo angesprochen. Auch die Geschichten der einzelnen Bauwerke sind mit einem roten Faden verbunden. Ein Entwurf des russischen Konstruktivisten El Lissitzky steht neben einem formal ähnlichen Bauabschnitt einer nicht vollendeten Zugstrecke in Venezuela, die von der Kuratorin bei der Vorstellung des Werkes als ein Monument der Korruption bezeichnet wurde. Ein sowjetisches Bauwerk ist neben dem jenem des Justizministeriums in Mexico platziert, das wiederum in Bezug zu einem Entwurf für ein Museum moderner Kunst steht, das in Caracas jedoch nicht gebaut wurde. Diese Arbeit verdeutlicht zugleich, dass jegliche Geschichtstradierung ein Narrativ darstellt, das mit der jeweiligen Machtposition einhergeht.Die Präsentation bei Krinzinger Projekte erweitert den Blick auf die südamerikanische Kunstproduktion weit abseits von folkloristischen Genesen. Zugleich weist sie aber einen direkten Geschichtsbezug auf, der sich nicht nur auf Südamerika beschränkt. Vielmehr verspürt man eine heftige Wechselwirkung, ausgehend von der europäischen Kolonisierung bis zur Übernahme europäischer, politischer Strukturen des 20. Jahrhunderts in Mexiko und Venezuela. Die Schau ist nicht nur aufgrund der Komplexität der ausgestellten Werke höchst empfehlenswert. Sie gibt auch jede Menge Anstöße, mehr über die aktuelle, südamerikanische Kunstlandschaft zu erfahren und sich intensiver damit auseinanderzusetzen. Für eine Galerie, deren Hauptmotivation darin besteht, die Kunstwerke zu vermarkten, extrem mutig und höchst gelungen!Frauenpower im Raum mit Licht

