Der Tod als immerwährende Rätselaufgabe

Der Tod als immerwährende Rätselaufgabe

Elisabeth Ritonja

Foto: ( Lex Karelly )

6.

Mai 2023

Expert:innen des Alltags kamen im Schauspielhaus in Graz auch in der letzten Bürger:innenbühne der Saison zu Wort.

„Death and all his friends“ – eine Bürger:innenbühne über das Leben – widmete sich dem Tabuthema Tod in vielen Facetten. Mit Otto Just, Hermann Leiner, Charlotte Eissner-Eissenstein, Brigitte Pivoda, Renate Formanek, Andrea Kalloch und Albin Sampel durfte man Menschen auf der Bühne des Hauses 2 erleben, die entweder ganz persönliche Erfahrungen mit dem Tod teilten, oder berufsmäßig damit ständig konfrontiert sind. So unterschiedlich die einzelnen Persönlichkeiten, so unterschiedlich ihre Geschichten, so unterschiedlich erwies sich auch ihr Zugang zu diesem Thema, das viele gerne ständig aus ihrem Leben ausklammern. Anders das Ensemble dieser Inszenierung, welches die Regisseurin Anja M. Wohlfahrt in ihrem Projekt vereinte:

Zu Wort kamen ein Soldat, bekennender Christ, der keinen Grund hat, sich vor dem Tod zu fürchten, da er sich sicher ist, dass das, was danach kommt, noch viel schöner sein wird, als wir uns es vorstellen können. Eine Notfallärztin, die neben medizinischen Erklärungen einen tiefen, emotionalen Einblick in ihren tagtäglichen Kampf gegen den Tod aufzeigte. Eine junge Studentin, die völlig unerwartet ihren Vater verlor und sich nicht mit den allgemeinen Floskeln vermeintlicher Tröstungen zufriedengibt. Eine ältere Dame, die alljährlich am Tag der Wiederkehr ihres Fahrradunfalles, bei dem sie nur knapp dem Tod entkommen war, zum Unfallort zurückkehrt. Eine in der Palliativmedizin arbeitende Krankenschwester, die Sterbende und ihre Angehörigen begleitet. Ein junger Mann mit einer ausgeprägten Katzenliebe, der als Fahrer des Transportmittels, in dem sich die Menschengruppe befindet, via Lautsprecher Zahlen, Daten und Fakten zum Sterben auf dieser Welt beisteuerte. Ein Angestellter eines Bestattungsunternehmens, selbst Krebspatient, der in seinen musikalischen Einlagen zu Hochform auflief. An seiner Seite schufen Patrick Dunst & Grilli Pollheimer mit Saxofon- und Hohnerklängen einen unkomplizierten, aber stets passenden Soundlayer.


Aufgrund eines unglaublich intelligenten Bühnenbildes von Kathrin Eingang befand man sich entweder im Waggon einer Schnell- oder U-Bahn. Manches Mal auch außerhalb, mit dem Kopf wortwörtlich genommen, hoch in den Wolken. Das Verkehrsmittel als Metapher sowohl für unsere Lebensreise als auch als Übergang zum Tod bot mannigfache Möglichkeiten von unkomplizierten Szenenwechseln. Katia Bottegal schuf mit ihren Kostümen feinfühlige, charakterunterstützende Outfits, die jedoch auch immer das theatrale Geschehen betonten und nicht verleugneten. Momente, voll mit Humor, wechselten mit solchen ab, die eine ganze Menge an Informationen bereithielten. Wie verhält man sich, wenn man eine Todesnachricht überbringen muss? Wie spricht man adäquat über den Tod? In keinem Augenblick glitten die Texte ins Pietätlose. Nie gewann Dozierendes Überhand. Immer wohnte man dem Geschehen im Bewusstsein einer Theateraufführung bei, deren Thema sich jedoch so nah an unserer Lebensrealität befindet, dass die Grenzen zwischen Realität und Schauspiel zwangsläufig verschwimmen.

Wer sich vor dem Tod fürchtet, dem sei dieser Abend besonders empfohlen. Vermittelt er doch auch eine große Menge an Zuversicht und Menschlichkeit.

Besonders betont werden soll die Tatsache, dass im Programmfolder auch alle Musiknummern angeführt sind. Ein Umstand, der hoffentlich bald in jedes Programmheft der Bühnen unseres Landes und darüber hinaus Aufnahme finden wird, bis dato jedoch noch viel zu selten anzutreffen ist.

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