Quo vaditis, Rabtaldirndln und toxic dreams?

Quo vaditis, Rabtaldirndln und toxic dreams?

Michaela Preiner

Foto: ( )

10.

Juni 2022

Grazer Hausfrauen gegen Wiener Hausfrauen - eine erstaunlich ermüdende Kombination

Es gab eine Zeit, da blieb einem bei einigen ihrer ausformulierten Gedanken beinahe im Minutentakt das Herz stehen. Es gab eine Zeit, da wusste man: Wo Rabtaldirndl draufsteht, ist Witz, Esprit und Intelligenz drin. Aufmüpfigkeit und demonstrative Selbstermächtigung, aber auch intelligente Fragen zur weiblichen Befindlichkeit liefen leichtfüßig neben dem großen Plot des jeweils ausgesuchten Titels einher. Ob Marmelade zu einem „Goldenen Satz“ veredelt wurde, oder man hinter der „Uschi Kümmernis“ im Freien mit prozessieren durfte, stets sprühten die Geistesblitze und immer regte das Ensemble zum Nach- und Umdenken an.

Der Name Toxic dreams steht für unkonventionelle Theatererlebnisse. Er steht dafür, gesellschaftliche Zustände in ein theatrales Licht zu setzen, das enthüllt, was ohne dieses schier unsagbar erscheint.

In der Produktion „The unreal Housewife of Vienna vs. The unreal Housewives of Graz” haben sich die beiden Companies zusammengetan, um sich dem Thema der „vermögenden Hausfrauen“ zu widmen. Als Vorlage dazu diente das Reality Format „The real housewives“, in welchen die Zusehenden in das vermeintliche Innen- aber auch Außenleben der Schönen und Reichen blicken dürfen.

Die aktuelle Inszenierung unter der Regie von Yosi Wanunu, dem künstlerischen Leiter von toxic dreams und erfahrenem Theatermann, kann jedoch den Erwartungen dieser Kollaboration nicht wirklich standhalten. Dieser Umstand hat mehrere Ursachen. Die Übersetzung eines TV-Formates ins Theater ist keine leichte Aufgabe, zumal es gerade für diese Serie bereits Bühnenparodien gibt.
Zweitens mag es sein, dass der eine oder die andere es unterhaltsam finden, wenn Frauen sich psychologisch demaskieren und wie Krähen aufeinander losgehen. Diese Art von Unterhaltung riss das anwesende Publikum aber nicht wirklich von den Sitzen.

Drittens stellt sich die Frage nach dem Sinn, Wiener und Grazer Frauencliquen aus dem begüterten Milieu gegenüberzustellen und sie wie in einer Arena in einem Showdown gegeneinander antreten zu lassen. Die schwarz-weiße Großstadt-Eleganz, versus der bunten, modischen Tracht stellt klar, welche Haifischfrauen hier international und welche maximal national das Sagen haben. Wobei die Kostüme von Susanne Bisovsky, einer Wiener Modegröße, die absoluten Highlights der Produktion darstellen. Dass sich die Grazerinnen mehr über ihr Hab und Gut definieren und darüber schwadronieren, die Wienerinnen sich von Beginn an stärker Introspektionen hingeben, um sich dann aber ebenfalls abfällig über das jeweils Gehörte zu äußern – dieser Unterschied macht allein den Abend nicht spannend.

Ob schickes, weißes Hausinterieur einer Ruckerlberger Villa oder gediegene braune Ledersofas im Appartement mit Blick auf den Stephansdom (Bühne Götz Bury, Paul Horn), ob die Damen sich in Tennisoutfits oder Saunamäntel beflegeln – die Nabelschau der Grazer Hautevolee oder der Wiener Highsociety ermüdet relativ rasch. Möglicherweise wurde dieses Gefühl auch durch die permanent steigende Hitze im Saal des Kristallwerks noch zusätzlich verstärkt.

Da helfen auch die musikalischen Einlagen nicht weiter, die gegen Ende hin live performt werden. Der Text, der dabei verwendet wird, gibt nichts anderes wieder, als man vorher schon erfahren durfte. Wer reich und schön ist, darf sich alles erlauben, wer reich und schön ist, egal wie er oder sie dazu kam, braucht sich um andere nur der Form halber zu kümmern. Und – nicht zu vergessen: Wer reich und schön ist, der leidet unter seinem sinnentleerten Leben. Die eine etwas mehr, die andere etwas weniger, aber leicht, ja leicht haben sie es bitte schön ja wirklich auch nicht!

Was fehlt, ist der beißende Witz, der gesellschaftlich toxische Strukturen bloßstellen kann, die ausschließlich nach dem Prinzip mein Haus, mein Auto, meine Jacht, ausgerichtet sind. Was fehlt, sind sprachliche Finessen, für die vor allem die Rabtaldirndln stehen. Ihre oft so salopp hingeworfenen steirischen Mundartbrocken sind in ihrer Prägnanz dem Hochdeutschen meist weit überlegen und lassen so manche vermeintliche Nebenbemerkung zu einem lange funkelnden, gedanklichen Diamanten werden.
Es fehlt aber auch das Gespür, wie viele Plattitüden ein Text verträgt, ohne in Langeweile, Wiederholung und Voraussagbarkeit zu münden.

Kurz, was fehlt, ist jener Moment, bei dem der Funke ins Publikum überspringt und dessen Emotionen anzündet. Wer zu jener Bevölkerungsschicht gehört, die hier mit nicht besonders tauglichen Mitteln aufs Korn genommen wird, wird sich nicht wirklich angesprochen fühlen. Und wenn, sich dann in einer Art Verteidigungsposition heftigst dagegen verwehren. Jene, die nicht zur Schickeria dazugehören, dürfen sich keine tiefgründigen, psychologischen Einblicke in die Damen erwarten, die auf der Bühne verkörpert werden. Ihnen allen bietet der Text zu wenig persönliche Kontur, als dass man eine Identifikation mit ihnen herstellen könnte.

Die zweite Spielserie findet ab Herbst im brut in Wien statt. Vielleicht gibt es bis dahin Adaptionen, die dann einen Besuch lohnenswerter erscheinen lassen. Ausrutscher dürfen sein und gehören zum Theatergeschäft dazu. „The unreal Housewife of Vienna vs. The unreal Housewives of Graz” sollte auf keinen Fall dazu beitragen, die kommenden Inszenierungen der Rabtaldirndln und von toxic dreams nicht zu besuchen. Die Besinnung auf die jeweils eigenen Kernkompetenzen und vor allem auf spannende Themen werden dem Publikum sicher auch wieder interessante und hochemotionale Theaterabende bereiten.

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