Wow, wumm und bravo!

Wow, wumm und bravo!

Michaela Preiner

Foto: ( Thomas Steineder )

11.

Mai 2023

Das E3 Ensemble zeigt in seiner neuen Produktion „In Arbeit“, wie wirklich gutes, zeitgenössisches Theater ausschauen soll. Griffig, knackig, auf den Punkt gebracht. Witzig, bissig und tiefschwarz zugleich. Kreativ, spielfreudig ohne Ende und mit einem Live-Soundlayer aus einem Guss.

Hier könnte die Kritik enden, denn viel mehr an Lob kann man eigentlich nicht mehr versprühen. Für all jene aber, die noch nicht in der White Box des Off-Theaters waren, hier eine Kurzzusammenfassung, die als Appetitmacher für ein gelungenes Theatererlebnis gelten soll. Seit bereits 10 Jahren besteht die Theaterformation, die immer wieder mit unterschiedlichen Menschen zusammenarbeitet. Mit der jetzigen Jubiläumsproduktion wird ein mehr als kräftiges Lebenszeichen gesetzt.

Die Schlagzeilen sind voll von Nachrichten über die Klimakrise. Unwetter stehen genauso an der Tagesordnung wie Dürre- oder Hitzeperioden. Die Frage des Energiesparens bewegt uns so richtig erst seit der Teuerung von Gas und Strom und das Mülltrennen hat – zumindest in Wien – auch so seine Tücken. Die Ausgangslage ist klar. Niemand kann vor den dramatischen Veränderungen, die uns das Klima bereithält, die Augen verschließen. Aber was ist zu tun? Was ist richtig, was ist falsch?

Diesen Fragen geht das Ensemble, bestehend aus Isabella Jeschke, Rina Juniku, Leon Lembert und Gerald Walsberger auf den Grund. Oder vielmehr versuchen die Vier in die Untiefen der unübersichtlichen Fragestellungen einzutauchen, wäre da nicht der spiegelglatte Boden, auf dem es sich kaum gerade auf den Beinen halten lässt. Zwei große Windmaschinen steuern ein Übriges bei, dass sich keine Gemütlichkeit im Raum ausbreitet, der mit weißen Segelwänden rundum begrenzt ist. (Bühne: Sebastian Spielvogel) Dominik Essletzbichler, Daniel Neuhauser und Tobias Pöcksteiner bedienen live ihre E-Gitarren samt Loop-Maschinen und unterfüttern das aberwitzige Geschehen, das sich vor ihnen abspielt, mit abwechslungsreichen Klängen.

Die temporeiche Inszenierung wartet mit einer eigenen Dynamik auf, der sich niemand entziehen kann.
Sie ist ausgestattet mit einer großen Portion Slapstick, die sich bis ins Absurde auswächst und einem verbalen Feuerwerk, bei dem sich niemand auch nur ein kleines Blatt vor den Mund hält. Ist eine Frage erst einmal ausgerollt – wie jene nach dem Sinn des Mülltrennens – bekommt man zwar so ziemlich jeden Gedankengang ausgesprochen, der einen selbst schon beschäftigte, auf eine befriedigende Antwort aber wartet man vergebens. Ist es sinnvoll, Biomüll vom Restmüll zu trennen oder wird auf der Mülldeponie „eh alles zusammengeschmissen?“ Wie viel darf man als Einzelperson an Strom verbrauchen? Sind vermögende Leute nicht wie Junkies konsumabhängig und damit therapiebedürftig? Wie schaut es mit der Frage nach Kindern aus? Sind diese eine Zumutung für die Welt oder ihre Rettung? Und nicht zu vergessen: Ist es heute noch vertretbar, Bananen zu essen? Um dieses Thema entwickeln sich zwei großartige Szenen, bei welchen man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt und dennoch weiß: Hier gibt es eigentlich keine wirkliche Lösung, denn in unseren Breiten gedeihen Bananen einfach nicht. Gerald lässt nicht den geringsten Widerspruch zu, wenn es um seine geliebten Bananen geht und einem witzigen Regieeinfall sei Dank – darf man sich etwas später an einer umwerfenden Bananen-Ess-Nummer ergötzen.

Im Laufe des Abends wird deutlich, dass es nicht ein Dilemma ist, in dem wir alle stecken, sondern eine schier unüberschaubare Zahl an Dilemmata. Oder wie Isabella Jeschke es mehrfach auf den Punkt bringt: „Es ist alles so kompliziert!“

Neben all dem Klamaukhaften, das hier fröhliche Urstände feiert – da wird gerangelt und gestritten, da lässt man sich fallen und zieht alle anderen mit – steht immer wieder auch die Erkenntnis, dass wir selbst viel zu wenig tun, um kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Auf die Klimademo kann Gerald nicht gehen, weil er sich dann nicht ausreichend auf den Auftritt am Abend konzentrieren kann. Isabella nimmt davon Abstand, weil sie zu großes Mitleid mit den kleinen Kindern hat, die dort von ihren Eltern mit von der Partie sind. Rina wiederum ist aktiv geworden und wird ob ihres Einsatzes bei der Hausverwaltung beklatscht, der in der Installation eines Bewegungsmelders im Hausgang mündete, um Strom zu sparen. Dass sie später zugibt, gelogen zu haben, verschlägt Isabella den Atem, aber was machen Fake News im Kleinen schon aus! Leon würde nur allzu gern ein Vögelchen anlocken, doch seine Lockrufe bleiben unerhört.

Sosehr man diesen Abend mit viel Lachen genießt, man weiß zugleich auch, dass es so nicht weitergehen kann. Dass man sich nach der Vorstellung erst recht viele Fragen zu diesem Thema stellt, darf dem E3 Ensemble als großes Verdienst angerechnet werden. Nichts ist schwerer im Theater, als gesellschaftliche Missstände, die ins Lebensbedrohende ausarten, so zu vermitteln, dass darüber dennoch des Lachens kein Ende zu sein scheint. Und das ist mit dem Stück „In Arbeit“ mehr als gelungen.

Wow, wumm und bravo, sowie auf weitere 10 Jahre E3 Ensemble!

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