Paradise reloaded (Lilith)

Mit einem fulminanten Erfolg endete die zweite „Eötvös Station“ im Rahmen von Wien Modern. Am 25. Oktober erlebte seine einaktige Oper „Paradise reloaded (Lilith)“, im Tanzquartier seine Uraufführung. Und – man kann es fix postulieren – es war eine unglaublich Gelungene.

Der Text basiert auf einer Utopie von Albert Ostermaier, die als Ausgangspunkt Imre Madáchs Werk „Die Tragödie des Menschen“ herangezogen hat. Ostermaier titulierte sein Werk „Die Tragödie des Teufels“ in deren Zentrum nicht nur der Teufel, sondern vor allem Lilith steht, Adams erste Frau, die, so wie er, aus Lehm geschaffen worden war.

In der Librettobearbeitung, die von Eötvös und Mari Mezei stammt, geht es jedoch nicht nur um die Geschichte Liliths. Vielmehr entwickeln sie ein Weltenspiel rund um die Themen Gut und Böse, Gott und Teufel bis hin zur zeitgeistigen Religionsabwendung. Die Entwicklung von Adam und Eva, die durch Evas Sündenfall sich selbst aus dem Paradies vertreiben, bis hin zur Läuterung, die erst wieder nach einer langen Odyssee stattfindet und nur im Jenseits erlangt wird, wird von einer unglaublich differenzierten Musik getragen. Peter Eötvös charakterisiert jede einzelne Szene musikalisch intensiv und lässt seinen Figuren in ihren großen Arien genügend Spielraum, um nicht gegen ein übermächtiges Orchester ankämpfen zu müssen. Walter Kobéra dem dieses Werk gemeinsam mit der Neuen Oper Wien gewidmet ist, agiert überlegen und weiß jede musikalische Nuance zu nutzen, ohne dabei mit aufdringlichen Stimmbehandlungen aufzufallen. Eötvös sieht für jede Textpassage eine adäquate Orchestrierung vor – lässt Adam zum Beispiel seine Feststellung „Ich fühle eine grenzenlose Leere“ auf nur einem Ton deklamieren, die drei Orakel und die drei Engel jedoch in einem dichten Notensatz auftreten, der zuweilen Wagner´sche Erinnerungen hervorruft.

Herausragend ist jedoch jene Arie in welcher Lilith all ihrer Enttäuschung und Wut freien Lauf lässt und Adam dazu bringen will, Eva zu töten. Grandios in dieser Rolle – sowohl spielerisch als auch stimmlich – Annette Schönmüller, die Lucifer – David Adam Moore – eine perfekte weibliche Entsprechung bietet. Moore, der große weiße Engelsflügel mit schwarzen Federspitzen trägt und seinen Oberkörper nackt zeigen darf, verlässt in keinem Augenblick seine Stimmgewalt, die mit einer extremen Verständlichkeit gepaart ist. Auch Adam (Eric Stoklossa) – zu Beginn in grüner Badehose, am Ende in schwarzem Businessanzug – und Eva (Rebecca Nelsen) sind perfekt besetzt und halten mit ihren Rollen auch stimmlich die Menschlichkeit höher als die gottgleichen Attitüden ihrer Widersacher. Eine extrem komische Komponente bringen die drei Engel (Gernot Heinrich, Andreas Jankowitsch und Michael Wagner) ins Spiel, die als Lucifer-Getreue in beigen Glitzerhemdchen mit verrutscht sitzenden Flügeln das Geschehen in seiner ganzen Tragik nicht ernst nehmen.

Einen wesentlich Beitrag zum Gelingen der Vorstellung leistete Johannes Erath mit seiner klaren Inszenierung sowie Katrin Connan, die die Ausstattung beisteuerte. Das fast durchgängige schwarz-weiße Bühnenbild kennt ein Oben und ein Unten, verweist zu Beginn auf eine mittig platzierte Schale mit grellgrünen Äpfeln und zum Schluss auf eine Szene vor dem schwarzen Vorhang. Sinnbild eines gottesentleerten Daseins, das keine Aussicht auf ein Nachher mehr zulässt. Die schrägen Ebenen, auf welchen gleich zu Beginn die Teufelchen ihre Spielchen treiben, werden auch als Ankerplätze genutzt, auf welchen die Darstellerinnen und Darsteller nur schwerlich Halt finden. Das Paradies ist zu Beginn mit weißen Liegestühlen und Zimmerpalmen hinlänglich charakterisiert. In der letzten Szene tauchen die pflanzlichen Attribute noch einmal im von Engel bevölkerten Himmel auf, die sich mit Neon-Heiligenscheinen um einen Gottesthron scharen, der dem Publikum jedoch abgewandt platziert ist. Lilith bleibt schwanger alleine zurück – das Böse erfährt seine perpetuierende Fortsetzung. Stürmischer Applaus und viele Vorhänge zeigten die uneingeschränkte Begeisterung beim Publikum, deren Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes viele Väter hat.

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