Die Stimme der zeitgenössischen Musik

Georg Nigl (c)Bernd Uhlig

Der Bariton "Georg Nigl" (c) Bernd Uhlig

Georg Nigl hatte eine einfache und doch geniale Idee: Er bat verschiedene Komponistinnen und Komponisten, Lieder für ihn zu komponieren. Und das taten diese tatsächlich. Olga Neuwirth, Peter Eötvös, Wolfgang Rihm, Pascal Dusapin, Wolfgang Mitterer und Friedrich Cerha kamen Nigls Aufforderung nach und ermöglichten so dem jungen österreichischen Bariton, sich ein eigenes, ganz spezielles Konzertrepertoire aufzubauen. Eines, das ihm sozusagen auf die Stimme geschnitten ist.

Am 22.11. gelangten Cerhas und Mitterers Kompositionen im Rahmen des Festivals Wien Modern zur Aufführung und zeigten allein anhand dieser beiden Positionen, wie groß die Bandbreite der zeitgenössischen Kompositionen in dem beinahe schon vergessen geglaubten Genre des Liederabends ist.

Friedrich Cerha griff textlich auf Gedichte des Forum Stadtpark Mitbegründers Emil Breisach zurück, den viele vielleicht noch als ORF Intendant des Landesstudio Steiermark kennen. In diesen Kurzgedichten begibt sich der Autor auf sehr lyrisches Terrain. Er beschreibt darin die abendliche Stimmung in einem Zimmer genauso wie das flüchtige Liebesgefühl oder die unsichtbaren Ketten der Unfreiheit, die viele von uns umspannen, aber nur von wenigen, als solche wahrgenommen werden. Cerha verpackte diese Texte in eine musikalische Wundertüte namens Malinconia, aus der sie sich sanft einer nach dem anderen, umschmeichelt von der warmen, samtigen Stimme Nigls und dem weichen, zarten Posaunentönen von Walter Voglmayr in die Gehörgänge des Publikums schlichen. Friedrich Cerha gelang der Zaubertrick, die menschliche Stimme den Klängen der Posaune gleichwertig danebenzusetzen und dadurch ein ausgewogenes Gleichgewicht der beiden ansonsten so unterschiedlichen Instrumente zu erreichen. Die große Könnerschaft Voglmayrs trug maßgeblich dazu bei, Nigl auch nicht ein einziges Mal zu übertrumpfen, oder hinter dem Bariton in eine simple Begleitung zurückzufallen. Eine wunderbar ausgewogene Komposition, die das Kunstlied neu und eindrucksvoll definierte.

Im zweiten Programmteil war es Wolfgang Mitterer, der klar machte, dass er einen gänzlichen anderen Zugang zu diesem Thema pflegt. In seiner Komposition „Sturm“, geschrieben für Bariton, präpariertes Klavier und Electronics war Georg Nigl mit der Herausforderung konfrontiert, einem dichten Klangteppich, resultierend aus den eingesetzten Instrumenten, die Mitterer selbst spielte und bediente, seine Stimme oft kraftvoll dagegensetzen zu müssen. Dies geschah mehrfach, indem er sich nicht des Gesanges, sondern vielmehr eines Sprechgesanges bediente, in den er kurze, gesangliche Passagen einschob. Mitterers Klangwelt, die sich vor allem zu großen Teilen aus seinen ganz spezifischen, jedoch leicht wiedererkennbaren Electronikeinspielungen speist, stellte sich dabei nur manches Mal gleichberechtigt neben die Stimme Nigls, immer jedoch gleichberechtigt neben den Text. Dieser wurde aber in den wenigsten Fällen originalgetreu übernommen, sondern vielmehr auf weite Strecken verändert. Schubert goes DADA, so könnte man so manche neue Liedkomposition auf einen kurzen Nenner bringen, was gleichzeitig bedeutet, dass Liebhaber der beiden Schubert´schen Liedzyklen und anderer Lieder des Komponisten dieses Werk wahrscheinlich in zwei Lager spalten wird. Freunde experimenteller Musik, ohne Ressentiments gegenüber der Neubearbeitung von historischem Klangmaterial, kamen jedoch auf alle Fälle auf ihre Kosten. Wie Nigl „Dein ist mein Herz“ sarkastisch von der Bühne brüllte war witzig und beeindruckend zugleich. „Der Vater und das Kind“, das kurz darauf neu interpretiert wurde, zeigte sich so lyrisch und zart sowohl im Gesang als auch von Mitterer dementsprechend begleitet, dass man sich darin sofort verlieben konnte. „Es ist so schön, du süßes Herz“ hingegen forderte Mitterer – fast möchte man sagen – klarerweise dazu auf, Gegenposition einzunehmen und nicht Schönes an diesem Schönen zu lassen, sondern vielmehr klanglich ganz höllisch dazu aufzukochen. Und so, als ob er zeigen wollte, dass er auch das narrative Element beherrscht, begann es beim Bächlein, dass beschworen wurde Ruh`zu geben, fein zu zirpen und zu schmatzen. Heftiger Applaus zeigte im beinahe ausverkauften Baumgartner Casino, dass das Publikum nicht nur verstandesmäßig, sondern auch emotional dem akustisch so bunten Treiben auf der Bühne gefolgt war und seine Freude daran hatte.

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