Die atemlose Jagd nach Geld

„Das Geld“ von Emile Zola ist derzeit am Theater Spielraum zu sehen. Gerhard Werdeker inszenierte das Spiel um die Hausse und Baisse eines Bankhauses in Paris im 19. Jahrhundert als Parallele zu unserem heutigen börsendominierten Finanzgeschehen.

Reich zu sein hat seine Vorteile. Man hat zwar oft genug versucht, das Gegenteil zu beweisen, doch so recht gelungen ist dies nie.

Dieses Bonmot stammt von John Kenneth Galbraith, einem der ersten Kritiker des Turbokapitalismus. Er war es auch, der – wie man im Programmheft des Theater Spielraum nachlesen kann – widerlegte, dass Reichtum und Intelligenz etwas miteinander zu tun haben müssten. Sieht man sich die Literatur genauer an, so ist diese Aussage nichts Neues, fühlt man aber ins Herz unserer Gesellschaft, so könnte dies wie eine unsittsame Provokation klingen. Gelten doch Reiche, „the upper class“, Wirtschaftskapitäne oder wie immer man finanziell bestens situierte Menschen auch bezeichnen mag, als Vorbilder unserer Konsumgesellschaft.

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Theater „Spielraum“ zeigt derzeit „Das Geld“ von Emile Zola. Gerhard Werdeker sorgte für die Übersetzung und Dramatisierung des Stoffes. Immer wieder ist man erstaunt, welch wunderbare, aktuelle Bezüge sich in den historischen Werken der Literatur auffinden lassen und vom Team des Theaters auf die Bühne gebracht werden.

„Das Geld“ wartet mit einer großen Besetzungsliste auf – im Roman einer noch wesentlich größeren als im Theaterstück. Die Charaktere, die Werdeker dafür ausgesucht hat, reichen jedoch völlig, um das Geschehen rund um einen Börsenspekulanten, dessen Aufstieg zum Bankdirektor und tiefen Fall darzustellen. Mit dem Geräusch des historischen „Börsentickers“ beginnt das Spiel. Daniel Ruben Rüb schlüpft darin in die Rolle von Aristide Saccard, jenen zu Beginn von allen geächteten Börsenspekulanten, der zu seinem Bruder, dem Minister, keinen guten Draht hat.

Ausgerechnet diese Beziehung ist aber notwendig, um Investoren für ein neues Projekt zu gewinnen. Sein Nachbar, Georges Hamelin (Martin Purth), ist Ingenieur. Dessen schöne Schwester Caroline (Dana Proetsch) hat es Saccard angetan und so lässt er sich von ihr überreden das Geld aufzutreiben für die Pläne ihres Bruders, den nahen Osten mit einer umfassenden Infrastruktur auszustatten und eine Silbermine zu kaufen.

Dass er dafür eine eigene Bank gründen muss, ist ihm bald klar. Aber auch, dass er Investoren im großen Stil braucht. Gunderman, gespielt von Gunter Matzka, hat dieses Geld in Hülle und Fülle. Die Geschichte, die Zola erzählt, hat sich tatsächlich zugetragen und Gunderman ist ein Pseudonym für Rothschild, jenem legendären Banker, der durch kluges Verleihen und besonders kluge Geldanlage zu sagenhaftem Reichtum gelangte.

Er war Gegenspieler der Herren von Bontoux und Feder, die sich mit ihrer Banque l`Union générale auf höchst spekulative Finanzgeschäfte einließen. Sie wurden von Zola im Charakter von Saccard subsummiert. Bis dieser Gunderman in seinem Roman zu einem Aktienkauf seiner Bankanleihen überreden kann, benötigt es noch allerlei Finten, clevere Ideen, aber auch Bestechung und Drohungen. Diese gehen in Richtung Huret (David Czifer), einem Abgeordneten und Vertrauten des Ministers und Jordan (Julian Sark), einem Journalisten der „Hoffnung“. Wunderbar, wie Zola sich hier immer wieder Wortspiele in doppeltem Sinn erlaubte und unglaublich, wie scharfsinnig auch in der Dramatisierung die Verzahnung zwischen den Medien und dem Kapital aufgezeigt werden.

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Mit den Figuren der Gräfin (Claudia Marold) und Dejoie (Gunter Matzka) zeigt Zola sowohl die Mechanismen der ungebremsten Geldgier als auch das Los der Verlierer auf, die doch genau wissen, dass sie am Verlust ihres Geldes maßgeblich selbst beteiligt waren. Mit Siegmund (Maximilian Gruber-Fischnaller) kommt jene Stimme zum Zug, die marxistisches Gedankengut verbreitet. Der rachitische junge Mann, der kurz vor dem Sterben noch die Idee der Abschaffung von Eigentum und Kapital formuliert, bringt in Werdekers Fassung Saccard mehrfach im wahrsten Sinne des Wortes in Bedrängnis. An die Wand gedrückt fühlt sich der Börsenspekulant von diesem Habenichts aufs Äußerste bedroht. Ein wunderbares Bild, das zeigt, wie sehr ein einziger scharfer Verstand das Kapital das Fürchten lehren kann. Auch die Anspielung an „Das Kapital“ von Marx und Engels darf Siegmund an seinem Lebensende noch anbringen. Er übergibt seine Papiere in einem roten (sic!) Ordner noch vor seinem Ableben mit den Worten, „ein anderer wird es für mich veröffentlichen.“ Dass damit Pierre-Joseph Proudhon gemeint ist, der von Marx eigentlich in sein Boot geholt werden sollte, sei hier nur ergänzend erwähnt.

Werdekers Inszenierung ist durch die Kostümwahl (Anna Pollack) ins Hier und Jetzt übersetzt. Dunkle Anzüge, weiße Hemden für die Börsianer, Spekulanten und Bankiers. Helles Leinen und Sommbergeblümtes für den Rest der Schauspielerinnen und Schauspieler. Auditive Einspielungen, die das Ansteigen und Fallen von Aktien kommentieren, geben dem dramatischen Geschehen eine Zeitgeistigkeit, die durch die heutige Computertechnologie, die im Börsengeschäft eingesetzt wird, dennoch schon wieder überholt ist. Die raschen Szenenwechsel, nur durch Auf- und Abgänge markiert, symbolisieren kraftvoll das atemberaubende Geschehen, in dem den Beteiligten keine Sekunde Zeit für Reflexionen gelassen wird. Das rasche Aufbauen eines Vorstandbüros – durch ein köstliches Verschiebeballett von Bürostühlen und Schreibtischen, gehört hier auch dazu.

Die Mitläufer, wie die Vorstandsvorsitzenden der Bank, die genau wussten, wann das Geschäft sich zu einem unreellen wandelte, aber dennoch nicht dagegen auftraten, als auch die Nutznießer des Crashes – Gundermann und Caroline Hamelin, auch sie werden im Stück skizziert.

Die schauspielerische Leistung ist in dieser Inszenierung extrem homogen. Vor allem die vielen Auf- und Abgänge stellen sicherlich eine große Herausforderung dar, wie man sie sonst nur von Verwechslungskomödien her kennt. So flapsig, rasch und unterhaltsam das Stück auch inszeniert wurde, so bitter bleibt doch auch dessen Nachhall. Der schon zu Beginn zitierte John Kenneth Galbraith schrieb von einem extremen, wirtschaftlichen Kurzzeitgedächtnis. „Finanzielle Pleiten werden einfach schnell vergessen“. Das Theater Spielraum trägt dazu bei, diesem Übel, mit all dem, was ihm zur Verfügung steht, entgegenzutreten.
Wie immer, dieses Mal aber extrem empfehlenswert: Das Programmheft!

Theater Spielraum im Internet

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