Gibt es eine Kunst-Aura?

Gibt es eine Kunst-Aura?

Aurelia Gruber

Foto: ( )

17.

Februar 2014

Ein interessantes Experiment, das an gewissen Stellen die Entzauberung des Kunstwerkes deutlich vor Augen führte.

Im Titel dieses Artikels ist sie auf den Punkt gebracht. Jene Frage, die sich Elke Pichler und Alexander Nantschev in der neuesten Produktion von „Feinsinn“ stellten. [A]ura – WYSIWYG mit dem erklärenden Untertitel „What you see is what you get“ betitelten sie etwas sperrig ihre Arbeit und ergänzten den Abend noch mit dem Erklärungsmodell „Performance-Galerie mit Open-Source-Choreografie“. Schon im Vorfeld waren die Kreativen bemüht, in Austausch mit ihrem Publikum zu gelangen. Dafür entwickelten sie einen sogenannten „ChoreoMixer“ mit dem man die endgültige Choreografie via open-source aktiv mitgestalten konnte. Was dabei herauskam, war eine Choreografie, die der Tänzerin Elke Pichler sicherlich einiges an Energie bei der Einstudierung gekostet hat.

Das Publikum war aber nicht nur im Vorfeld an einer Beteiligung aufgerufen, sondern gestaltete den Abend auch aktiv mit. Ohne Bestuhlung wurde der Raum im Kosmostheater so bespielt und betanzt, dass die Zuschauenden neben den Akteuren zu stehen kamen und oft ihre Position wechseln mussten, um die jeweilige Aktion gut zu erfassen. Weibliche und männliche Computerstimmen erklärten die unterschiedlichen Definitionen des Wortes Aura, begonnen von Walter Benjamins Begriffsdefinition und erklärten auch Karl Reichenbachs Zugang zu dem Thema, der ehemals das Schloss Cobenzl besaß und in Wien wegen seiner Experimente den Beinamen: „Der Zauberer vom Cobenzl“ erhielt.

Der Frage, ob denn ein Kunstwerk durch seine unendliche Reproduzierbarkeit seine Aura verliert, näherte sich „Feinsinn“ nicht nur historisch mit vielen interessanten, an die Wände projizierten Fotos. Vielmehr spannte sich der Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Jetztzeit. Der Hinweis auf jene kulturellen Beispiele, welche die Voyager 1 während ihrer Reise durch das All für Außerterrestrische an Bord bereithält, wurde von Nantschev an der Geige und Pichler als 70th-Sängerin plakativ unterstrichen. Tatsächlich gelang es dem Team in dieser Sequenz deutlich aufzuzeigen, wie sehr auch der soziale Kontext für das Verständnis einer kulturellen Leistung notwendig ist. Im selben Gedankenexperiment wurde auch klar, dass der Begriff der Aura in Zusammenhang mit Kunst in einem weit größeren Kontext zu verstehen ist als nur in jenem der sogenannten „Unnahbarkeit“. Vielmehr ist es tatsächlich das Vermögen, eine kulturelle Leistung entweder auf intuitiv-emotionaler Ebene oder aber intellektuell zu erfassen, was aber beides an Bedingungen geknüpft ist, die sich gerade aus dem sozio-kulturellen Umfeld speisen, aus welcher eben diese Leistung entstammt. Nun mag sich diese Beschreibung sehr trocken anhören. Die Performance selbst war dies jedoch ganz und gar nicht.

Ein langer Teil war jener Choreografie gewidmet, die durch die im Programmheft namentlich angeführten UserInnen des ChoreoMixers zustande gekommen waren. Bewegungen, die sich mit kleinen Veränderungen immer wieder und wieder aneinanderreihten, wurden mit Schwarz-Weißen Videoprojektionen höchst ästhetisch zu einem optischen Erlebnis umgesetzt, welches mit dem Beginn des Abends ästhetisch korrelierte. Nun waren es aber keine Doppelbelichtungen oder Tricks aus der Dunkelkammer, sondern der zeitgemäße Einsatz der Computertechnik, der den bewegten Körper und sein Abbild gleichzeitig in den Raum stellte. Sinnfällig wurde diese Choreografie auditiv durch jene kurzen Formeln unterstützt, welche den einzelnen Bewegungen in Abbreviationen zugeschlüsselt wurden. Die Einstudierung dieser Bewegungsabfolge dürfte aufgrund ihrer abstrakten Benennung nicht einfach gewesen sein. Die Performance, die nicht nur elektronisch wiedergegeben, sondern von Elke Pichler live dem Publikum gezeigt wurde, ließ kein Mangelgefühl aufkommen. Erst der an den Schluss gesetzte Dialog zwischen Nantchev und einer computergenerierten Frau, mit der er sich zu unterhalten begann, machte klar, dass eine Aura, betrachtet man sie im menschlichen Umfeld, bislang zumindest tatsächlich nur von einem Humanum in Fleisch und Blut gebildet werden kann.

Bei Kunstwerken – das machte der Abend auch deutlich – gibt es zu viele produktions- und interpretationsbedingte Ebenen, die eine allgemeingültige Aussage zur auratischen Ausstrahlung desselben nicht möglich macht. Ein interessantes Experiment, das dennoch an gewissen Stellen die Entzauberung des Kunstwerkes deutlich vor Augen führte.

Links:

Webseite FeinSinn
Webseite Kosmostheater
YouTube-Video zum Projekt

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