Die postdramatische Bearbeitung dieses Themas bot notabene reichlich Stoff für unterschiedlichste Betrachtungsansätze. Einerseits präsentierte das Ensemble Schnipsel, die in persönliche Erb-Umstände Einblick gewährten. Andererseits beleuchteten einige Texte auch die gesellschaftliche Dimension des Phänomens in Bezug auf die spezifisch österreichische Ausprägung und Situation.
Theater im Bahnhof und Das Planetenparty Prinzip, ERBEN – Wer kriegt das Haus? (2025), Performance, Foto: steirischer herbst / Johannes Gellner
Verbunden wurden all diese kleinteiligen Streiflichter durch die Musik von Jakob Kolb aka ON BELLS, der das Geschehen mit einem basslastigen, elektronisch pulsierenden Soundteppich begleitete. Er verlieh dem Thema, trotz seiner Schwere, eine virile Leichtigkeit, die im Gegensatz zu dem steht, worüber in der Produktion gesprochen wird.
Mag es die große Anzahl an Personen sein, die auf der Bühne steht, mögen es nur wenige emotionale Highlights sein, die dieser Abend bietet – ein richtig zündender Funke kann bis auf eine Geschichte nicht wirklich ausgemacht werden. Es ist dies die Erzählung von Eva Hofer, die sich an einen Onkel in Kitzbühel erinnert, der während der NS-Zeit zwangssterilisiert wurde. Obwohl sie die tragische Liebesgeschichte dieses Mannes ohne große Theatralik wiedergibt, dies vielmehr in reportageartigem Stil tut, ist man von dieser Erzählung zutiefst berührt. Es ist auch diese Szene, die sehr deutlich macht, wovon richtig gutes Theater gespeist wird: von Geschichten. Ob sie nun erfunden sind oder auf Tatsächlichkeiten beruhen spielt dabei keinen Unterschied. Wenn diese emotional berühren, hat sich der Besuch einer Vorstellung gelohnt.
Wer wie viel einst von wem erben wird oder schon geerbt hat, wer von seinen Erberfahrungen erzählen möchte oder mehr oder weniger unfreiwillig von Kollegen und Kolleginnen dazu genötigt wird, verblasst angesichts dieser Geschichte rasch. Auch die aufklärerische Rezitation von Pia Hierzegger über den Vorteil einer Erbschaftssteuer, die hinlänglich allen bekannt sein sollte, die sich mit diesem Thema auch nur ansatzweise beschäftigen, bietet keinen theatralisch-erinnerungswerten Augenblick. Die Offenlegungen von kohärenten Probensituationen, übertragen in perpetuierende Textpassagen, ausgeführt an unterschiedlichen räumlichen Positionen, erscheinen wie Programmpunkte, die im postdramatischen Theater unbedingt abgehandelt werden müssen.
Theater im Bahnhof und Das Planetenparty Prinzip, ERBEN – Wer kriegt das Haus? (2025), Performance, Foto: steirischer herbst / Johannes Gellner
Über die Einbindung des Publikums, durch Summen seinen eigenen Erbstatus bekanntzugeben, hätte sich Bernhard Ludwig, seines Zeichens Psychologe, Psychotherapeut und Kabarettist, sehr gefreut. Wandte er dieses Stilmittel doch gerne bei seinem Programm ‚Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit‘, geschrieben 2002, an. Bis heute, wie man erleben konnte, bleibt es, im Kontext von anonymisierten Outings, noch immer aktuell.
Mit Nora Winklers Beschimpfung von Ed Hauswirth, in welcher sie ihm ein ‚studentisches Testament‚ und ein sentimentales Getue vorwirft, blitzt so etwas wie der Anflug einer angehauchten Theatersubversität auf. Mehr von dieser Bühnenqualität hätte der Inszenierung unter Garantie gutgetan. Das Regieduo Nora Köhler und Helmut Köpping stand sehr auf der emotionalen Inszenierungsbremse, ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt.
Regie: Nora Köhler & Helmut Köpping
Ensemble: Alexander Benke, Leonie Bramberger, Juliette Eröd, Victoria Fux, Ed. Hauswirth, Pia Hierzegger, Gabriela Hiti, Eva Hofer, Elisabeth Holzmeister, Moritz Ostanek, Miriam Schmid, Alexandra Schmidt, David Valentek, Nora Winkler, Martina Zinner
Bühne & Kostüm: Heike Barnard & Christina Helena Romirer
Musik: Jakob Kolb
Licht: Martin Schneebacher
Tontechnik: Tom Grassegger
Regieassistenz: Marlen Weingartmann
Produktion: Monika Klengel
Produktionsleitung: Sarah Mueller
In Auftrag gegeben von steirischer herbst ’25
Produziert von Theater im Bahnhof und Das Planetenparty Prinzip
in Koproduktion mit steirischer herbst ’25 und Theater am Werk