Der steinige Weg der Erkenntnis

Der steinige Weg der Erkenntnis

Elisabeth Ritonja

Foto: ( )

7.

Februar 2017

„Das Rauschen der Flügel“ des Serapionsensemble im Odeon trägt das Publikum von Wien in den Orient und wieder zurück.

Es ist wie es war und doch ein wenig anders. Das Serapionsensemble, bekannt für seine Inszenierungen, die sich den allgemeinen Fragen des Menschseins widmen, erlebt gerade eine kleine Kurskorrektur. Schon in der Produktion „…am Abend der Avantgarde“ kam neben dem charakteristischen Tanzstil, für den das Ensemble berühmt ist, auch die Sprache ein wenig zum Einsatz. Im „Rauschen der Flügel“ erlebt sie nun jedoch einen noch höheren Stellenwert. Dabei sorgt eine vielfältige Textkomposition – angefangen von griechischen Philosophen über arabische Erzähler, dem Gilgamesch-Epos, Johann W. von Goethe bis hin zu Karl Valentin – für jede Menge Weisheit aber auch Humor. Verantwortlich dafür ist neben Erwin Piplits nun auch Mario Mattiazzo und Ivana Rauchmann.

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Serapions-Ensemble im Odeon, „Rauschen der Flügel“ (c) Harald Jahn

Bunt und abwechslungsreich ist die Musik

Wie immer ist die Musik (Hans Wagner, Julio Cesar Manfugas Foster, Angelika Haas u.a.) eine wichtige Erfolgssäule der Inszenierung. Und was es da zu hören gibt, ist äußerst gelungen. Es gibt einige Songs, die Musical-Charakter aufweisen und live mit Mikrofon-Verstärkung gesungen werden und viele verschiedene Instrumentalnummern. Von arabischen Klängen hin zu einem jüdischen Reihentanz bis zu einer Akkordeonnummer, die sich als wahrer Ohrwurm herausstellt, ist dabei eine große Bandbreite vertreten.

Ein weiter Weg ins eigene Selbst

Die Geschichte, die erzählt wird, ist die Adaption einer Erzählung von Suhrawardi, einem persischen Sufi-Gelehrten aus dem 12. Jahrhundert. In der Serapions-Fassung macht sich ein junger Mann auf den Weg, zu erforschen, was die Welt bewegt. Dabei lässt er seine Geliebte zurück, denn schließlich fühlt er sich zu Höherem berufen.

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Serapions-Ensemble im Odeon, „Rauschen der Flügel“ (c) Harald Jahn

Begleitet wird er von einem Führer, der ihm auf seinem Weg hilfreich zur Seite steht, ihn aber auch in die dunkelsten Abgründe seiner Seele blicken lässt. Ein abwechslungsreiches Bühnenbild und Figuren, die mit prallem Leben erfüllt sind, hauchen dem Stück eine unglaubliche Virilität ein. Egal ob dies Gerwich Rozmyslowski und Erwin Piplits als originelles Wiener Bühnenarbeiter-Duo mit einem wunderbar adaptierten Valentin-Text sind, oder die tanzenden Vargas Iríbar-Zwillinge, die einen außerordentlich sympathischen Draht zum Publikum spinnen – um nur exemplarisch vier Ensemblemitglieder zu nennen.

Zugleich macht es auch unglaublich Spaß, die einzelnen Tänzerinnen und Tänzer in ihren vielen, verschiedenen Charakteren, die sie darstellen, immer wieder neu zu entdecken und ihnen auf ihren verschlungenen, abenteuerlichen Wegen zu folgen.

Die Herzensbildung, um die es letztlich in dieser Inszenierung geht, ist auch als Überbau einer Trilogie zu sehen, die das Serapions-Ensemble gerade erarbeitet. „Das Rauschen der Flügel“ ist der erste Teil und führt ganz bewusst den westlichen und arabischen Lebensstil zusammen, um einer ansteigenden Islamophobie etwas Kreatives entgegenzusetzen. So zumindest die Intention des primus inter pares Erwin Piplits.

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Das Rauschen der Flügel im Odeon (c) Stefan Smidt

Viel Herz, viel Schmerz, aber auch jede Menge Humor unterhalten dabei das Publikum. Wenn es aufmerksam ist, weiß es nach Ende der Vorstellung auch, dass der junge Mann seine lange und gefährliche Reise eigentlich nicht antreten hätte müssen. Denn das, was die Welt im Inneren zusammenhält – zumindest auf naturwissenschaftlich-philosophischer Ebene, bekommt er ganz zum Schluss von einem leicht angeheiterten Gast im Caféhaus erklärt. Dass das Liebespaar nicht zusammenfindet, zumindest nicht an diesem Abend, hinterlässt keinen bitteren Beigeschmack, höchstens die Möglichkeit, sich selbst ein Happy-Ende zu imaginieren und über die wahren Werte von Beziehungen im eigenen Leben vielleicht ein wenig nachzudenken.

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Das Rauschen der Flügel im Odeon (c) Max Kaufmann

Die unverkennbare Serapions-Handschrift

Die Kostüme aus dem Fundus von Ulrike Kaufmann, die Bühne (Erwin Piplits, Max Kaufmann, Mirjam Salzer, Julius Lankes) und die Choreografie hinterlassen den Eindruck, als hätte man einer höchst lebendigen Erzählung aus einem Märchenbuch, gewürzt mit einer großen Prise Musik, beigewohnt. Was auf einem großen, arabischen Teppich beginnt, endet in einem Café, das in Wien sein könnte. Egal jedoch ob Orient oder Okzident, alles zusammen trägt die unverwechselbare Handschrift des Serapions-Ensembles, das sich mit seinen Inszenierungen schon seit über 40 Jahren immer wieder neu erfindet.

Weitere Termine auf der Webseite des Serapions-Ensemble.

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