Eine Oper, in der gelacht werden darf

Eine Oper, in der gelacht werden darf

Michaela Preiner

Foto: ( Werner Kmetitsch )

9.

Juni 2023

Die typische, dramatische Opernhandlung besteht aus Liebe, Eifersucht und zumindest einem letalen Geschehen. Im Opernhaus in Graz ist derzeit etwas ganz Anderes zu sehen.

„Endlich eine Oper, in der man herzlich lachen kann.“ Dieser Aussage eines Besuchers der Aufführung „Der Florentiner Hut“ von Nino Rota an der Oper Graz muss uneingeschränkt beigepflichtet werden. Wie der Regisseur Bernd Mottl in seiner Video-Einführung zu diesem Werk feststellte, haben wir im Moment gerade nicht wirklich viel zu lachen. Dies war, als der italienische Komponist, der hauptsächlich für seine Filmmusik zu Werken von Luchino Visconti, Francis Ford Coppola, Lina Wertmüller oder Franco Zeffirelli bekannt ist, genauso. Er begann sie in den Jahren 1944/45 mitten im letzten Grauen der Naziherrschaft. Erst 10 Jahre später, vor der Uraufführung, vollendete er den musikalischen Part.

Das Libretto schrieb er gemeinsam mit seiner Mutter nach einem Lustspiel von Eugène Labiche und Marc Antoine Amédée Michel, das 1851 erschienen war und viele Bearbeitungen erfuhr. Kein Wunder, denn eine so verdrehte und verzwickte Handlung, in der sich innerhalb von wenigen Augenblicken alles mehrfach in eine ungedachte Richtung hinentwickelt, muss man erst einmal erfinden.

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„Der Florentiner Hut“ (Foto: Werner Kmetitsch)

Die Geschichte um einen Florentiner Strohhut, der unglücklicherweise von einem Pferd in einem Wald gefressen wird, ohne welchen aber die Besitzerin nicht zu ihrem eifersüchtigen Ehemann nach Hause zurückkehren kann, ist atemberaubend konstruiert. Zugleich enthält sie viele Momente, die von Slapstick nur so strotzen und gerade ob ihrer humorvollen Unglaubwürdigkeit, gepaart mit einer höchst kunstvollen Dramaturgie, bezaubert.

Die Regie trägt der satirischen Handlung Rechnung und wartet mit mehreren unerwarteten, heiteren Details auf. Zugleich aber bleiben die Figuren psychologisch verständlich. Zum Gelingen trägt außerdem eine Besetzung bei, welche die Aufnahme einer CD rechtfertigt, die im Ticketzentrum erhältlich ist. Piotr Buszewski in der Rolle von Fadinard, dem Bräutigam, dessen Hochzeitstag zum herausforderndsten Tag seines Lebens wird, erweist sich als herausragend. Nicht nur sein komödiantisches Talent, sondern vor allem sein heller, nie aber scharfer Tenor, überzeugten das Publikum, das mit außerordentlich langanhaltendem Applaus dankte. An seiner Seite, ebenso gelungen besetzt, gibt Tetiana Miyus seine Braut Elena. Als einzige ganz in Weiß – im Gegensatz zu den anderen Schwarz-Weiß-Kostümen der restlichen Gesellschaft, verkörpert sie eine junge Frau mit vielen Facetten. Angefangen von der Freude auf die bevorstehende Hochzeit bis hin zur Panik vor der ersten Liebesnacht und der Trauer darüber, ihren Vater und ihr bisheriges Zuhause verlassen zu müssen, darf man all ihre Emotionen glaubwürdig miterleben. Stimmlich kann man sich keine bessere Interpretin für diese Rolle vorstellen. In den Höhen sicher, ohne dass man eine Anstrengung spürt, in den Duetten dynamisch perfekt ausdifferenziert, brillierte sie in jedem Augenblick.

Sowohl Anna Brull als liebessüchtige und verblendete Baronin de Champigny als auch Andzelika Wisniewska als Anaide, jene Ehebrecherin, deren Hut Anlass für alle Irrungen und Verwirrungen bot, sind wunderbare Gegenspielerinnen zur jungen Braut. Auch sie sind mit ihren Kostümen (Alfred Mayerhofer) typgerecht einerseits dem Adel verpflichtet und andererseits für einen Ausflug ins Grüne, adäquat ausgestattet. Besonders hervorzuheben ist das fulminante Bühnenbild von Friedrich Eggert. Wie er mit dem Hutschachtelmotiv die ganze Oper hindurch abwechslungsreich gestaltet, hat große Klasse und ist ästhetisch außerordentlich gelungen. Daeho Kim als Bauer und Vater der Braut und Ivan Orescanin als Beaupertuis sind an jener Seitenhandlung maßgeblich beteiligt, die immer und immer wieder neue Lacher produziert. Der unabsichtliche Tausch von Schuhen, die einmal dem einen und dann wieder dem anderen zu klein sind, ist derart humorvoll umgesetzt, dass man gar nicht genug davon bekommen kann. Dass beide in ihren Rollen stimmlich in jeder Hinsicht entsprechen, fügt sich, wie alles in dieser Inszenierung, genauso perfekt wie die musikalische Leitung von Daniele Squeo.

Musikalisch steht Nino Rota für seine Zeit völlig außerhalb des kompositorischen Kanons des 20. Jahrhunderts. Vielmehr sind seine Vorbilder, Donizetti, Offenbach und Strauss, ja sogar einige Takte Wagner aus der Oper gut herauszuhören. Herrliche Duette und Soli, vor allem, wenn der Bräutigam und seine Braut die Liebe besingen, sind ohrbeglückend. Rasante Galopps, ein schleppender Trauermarsch oder süßliche Geigenmelodien ergeben einen farbenfrohen Klangmix, völlig abseits von vielen atonalen oder seriellen Kompositionen, wie sie zur Entstehungszeit vorherrschten.

Die Idee, die Handlung in Nachthemden und Schlafmützen beginnen und einige der Personen im letzten Bild wieder in solchen auftreten zu lassen, darf als augenzwinkernder Verweis auf die Dauer der Handlung interpretiert werden, die sich im Laufe eines Tages abspielt. Zu danken ist der Noch-Intendantin Nora Schmidt, welche ‚Il cappello di paglia di Firenze‘ – so der italienische Titel – in Graz zur Aufführung brachte. Immer wieder gelang es ihr, in ihrer Zeit in Graz, die mit dieser Saison endet, kleine, wenig bekannte Opernperlen hier aufzuführen. Zur Freude des Publikums und über die Stadt hinaus beachtet.

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