Io sono – je suis – ich binIo sono – je suis – ich bin

Io sono – je suis – ich binIo sono – je suis – ich bin

Michaela Preiner

Foto: ( )

9.

Februar 2011

mit einer mehrschichtigen Interpretation unterfüttert. Das Göttliche möge erkennen, wer das Göttliche erkennen mag. Am Irdischen möge sich ergötzen, wer sich am Irdischen ergötzen mag. Aber – und darüber gibt es unabdingbar keinerlei Diskussion: „Io sono – je suis – ich bin“ wäre kein Stück von ihm, würde es sich nicht ganz abseits aller Religiosität […]

mit einer mehrschichtigen Interpretation unterfüttert. Das Göttliche möge erkennen, wer das Göttliche erkennen mag. Am Irdischen möge sich ergötzen, wer sich am Irdischen ergötzen mag. Aber – und darüber gibt es unabdingbar keinerlei Diskussion: „Io sono – je suis – ich bin“ wäre kein Stück von ihm, würde es sich nicht ganz abseits aller Religiosität mit wichtigen philosophischen Fragen des Menschseins auseinandersetzen.

„Als ich das Stück erarbeitet habe, geschah dies eigentlich völlig intuitiv. Ich entwickelte die einzelnen Szenen ohne vorherige Determination, um mir erst in der Retrospektive klar zu werden, welche Bedeutung sie für mich überhaupt haben“. Ein für einen Choreografen nicht üblicher Weg. Dass eine Choreografie entweder nach einer bestimmten Musik intuitiv entwickelt wird, ist bekannt; auch, dass Choreografen ihren Tänzerinnen und Tänzern in der Erarbeitung ihrer Partien freien Raum geben, ist mittlerweile üblich. Dass ein Tänzer jedoch kein bestimmtes Ziel verfolgt und keine bestimmte Musik benutzt, an welcher er sich festhalten und mit der er ein Stück erarbeiten kann, ist außergewöhnlich, so etwas wie ein Hochseilakt.

Enrico Tedde ließ sich voll und ganz auf diesen Hochseilakt ein – auf die Gefahr hin, zu scheitern, und mit dem Druck, das Stück zu einem bestimmten Zeitpunkt aufführen zu müssen. Als einziges Grundgerüst diente ihm hierzu der Text seines verstorbenen Bruders, den er – ganz tänzeruntypisch – selbst vortrug. Er erzählt keine Handlung, entführt nicht in fremde Gedankenwelten, sondern kreist um das Thema des Menschseins, um das räumliche Verorten des Menschen, sowie seinen sprachlichen Ausdruck. „Jedes Wort hat seine eigene Sprache. Man kann die Worte nicht einfach so austauschen!“ ist eine jener Erkenntnisse, die, eingebettet in das dreisprachige Konglomerat, dem Enrico Tedde auch in seinem Alltagsleben ausgesetzt ist, in den Raum gestellt werden. Verheiratet mit der deutschen Tänzerin und Choreografin Virginia Heinen, lebt der gebürtige Italiener im französischsprachigen Straßburg, in welchem er mit seiner kleinen Tochter wiederum in seiner eigenen Muttersprache spricht.

„Io sono – je suis – ich bin – hier, um zu sagen, daß…; Nein, nein, io sono – je suis – ich bin – hier nicht um das zu sagen“ erklärt er seinem Publikum gleich zu Beginn dozierend von seinem Schreibtisch aus. Immer und immer wieder nimmt er neue, teilweise groteske Erklärungsanläufe, warum er nun eigentlich an diesem Abend tatsächlich „hier“ sei, aber er verheddert sich ständig mit seinen Aussagen. Stellt sofort, nachdem er eine These aufgestellt hat dieser eine Antithese gegenüber, legt sich niemals fest und gerät dabei in einen immer stärker werdenden Zwiespalt, dem er selbst nicht gewachsen scheint. Obwohl – und das ist das Pikante an der Sache – er ihn selbst hervorgerufen hat. Ein Dilemma, mit welchem die Intelligenz immer zu kämpfen hat und für sie so etwas wie ein unumstößliches Lebensprinzip darstellt, welches nicht ausgeschaltet werden kann.

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