Kaum da, schon ist sie wieder weg, unsere Erde

Kaum da, schon ist sie wieder weg, unsere Erde

Michaela Preiner

Foto: ( Bettina Frenzel )

7.

März 2023

Im Kosmostheater darf das Publikum Spaß am Mythologieunterricht haben und sich für den Untergang der Welt rüsten. Selbstverständlich auch das mit Humor.

Ist es heute noch möglich, ein Stück, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Humor, bei dem man sich richtig auf die Schenkel klopfen kann zu schreiben, das dennoch Tiefgang hat? Was sich anhört, wie die Quadratur des Kreises, ist der deutschen Autorin Nele Stuhler gelungen. Der Titel des Stückes – bitte festhalten – lautet:

Gaia rettet die Welt (Gaia rettet sich selbst) (Oder auch: (Wie alles so geworden ist Wie es ist) (Bzw. dann auch noch: Wie es vorher war Und wie es zwischendurch war)

Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der diesen Titel nach dem ersten Mal Lesen flüssig und auswendig nachsprechen kann. Das muss man auch nicht tun. Man kann ihn auch sehr stark verkürzen und kommt mit „Gaia rettet die Welt“ auch einigermaßen gut über die Runden. Was er aber tatsächlich preisgibt, ist der Sprachduktus, mit dem das Stück ausgestattet ist. Über lange Strecken darf die Sprache mäandern, um Begriffe kreisen, diese negieren, von einer anderen Warte aus betrachten, um dann doch wieder zu ihrem Ursprung zurückzukommen. Das allein macht schon Spaß. Aber nicht zuletzt sind es doch die Figuren, von welchen man gar nicht genug bekommen kann als da wären:

Gaia, die Schöpferin der Welt herself, die aus einer Laune heraus das Menschengeschlecht schaffen will. „Etwas, das einmal stirbt“.

Zeus, der an Eitelkeit und Paarungswillen nicht zu übertreffen ist, beherrscht Blitze verströmend das Anfangsgeschehen. Dabei macht er sich an alles heran, was kreucht und fleucht, um die „Päckchen seines Samens“ so breit gestreut wie möglich zu verteilen.

Mythos, ein geschlechtsneutrales Wesen, das die Dinge beim Namen nennt und weiterträgt, sodass sie nicht in Vergessenheit geraten. Zu erkennen ist es am Outfit, auf welchem in großen Lettern der Auftrittstext prangt.

Prometheus, ein junger Nachwuchsgott, der Zeus gehörig herausfordert, jedoch noch ein wenig unbeholfen mit seiner göttlichen Macht agiert.

Pallas Athene – die von ihrem Vater prompt als „Kopfgeburt“ degradiert wird und nicht zu vergessen: die Sonne – in güldenem Gewande, stets bereit, zu strahlen.

Die Gesamtheit dieser Figuren ergibt eine Gesellschaft, bei der man sich nicht wundern braucht, dass so manches aus dem Ruder läuft. Thomas Frank darf als Zeus alle Schauspielregister ziehen, die es gibt. Eitel und vergesslich, etwas unterbelichtet und jähzornig, sich ständig in andere Wesen verwandelnd, unterhält es das Publikum ohne Unterbrechung. Martin Hemmer tritt als Prometheus in Hergottsschlapfen auf und sieht aus, als käme er gerade aus einer Drehpause von Monty Pythons „Das Leben des Brian“. So verwundert es nicht, dass es ihm genauso wenig wie Zeus zuvor gelingt, ein Menschengeschlecht zu erschaffen, mit dem man zufrieden sein kann. Doch als die Götterwelt plötzlich erfährt, dass es sie eigentlich gar nicht gibt, sie nur von den Menschen erdacht wurde, wendet sie sich ungläubig und zu Tode beleidigt ab.

Ab diesem Zeitpunkt heißt es Schluss mit lustig! Jetzt muss debattiert werden. Wer bestimmt was und vor allem, wer ist Schuld daran, dass die Welt so aussieht, wie sie heute aussieht? Ein netter Regiekniff von Maria Sendlhofer bezieht das Publikum in das Geschehen auf der Bühne ein und lässt es von dort aus am Weltengeschick teilhaben. Kurz nachdem die Götterdämmerung stattgefunden hat, geht es auch schon mit großen Schritten dem Weltuntergang entgegen. Nicht, ohne zuvor noch Gaia um Hilfe gebeten zu haben. Als dies nicht gelingt, wird fröhlich der Argumentationsspieß umgedreht und sie selbst zum Übel der Weltverschmutzung abgestempelt. „Du lässt alle immer machen!“

Dass sie in einem Schlussmonolog an sich zu zweifeln beginnt und klarmacht, dass die Erde die Menschen keineswegs benötigt, löst all das, worüber vorher so herzlich gelacht werden konnte, in Luft auf. Versöhnlich und berührend ist dennoch eine ihrer letzten Aussagen: Die Widersprüchlichkeit, die sie für sich ausmacht, ist auch jene Eigenschaft, die den Menschen kennzeichnet. Nichts ist nur gut und böse, nichts nur schwarz und weiß.

Was bleibt, ist die Erinnerung an einen spritzig-witzigen Theaterabend mit einem fulminanten Ensemble und der Wunsch, den geistreichen Text ganz in Ruhe nachlesen zu können. Am besten, noch bevor die Welt demnächst untergeht.

Okan Cömert, Thomas Frank, Martin Hemmer, Hannah Joe Huberty, Aline-Sarah Kunisch, Karola Niederhuber und Helena Vogel begeistern von Anfang bis zum Ende. Tanja Maderna schuf die witzigen, zeitgeistigen Kostüme und die reduzierte Bühne, mit einigen wenigen Versatzstücken.

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