Die Dreigroschenoper als ungebrochener Publikumsmagnet

Die Dreigroschenoper als ungebrochener Publikumsmagnet

Aurelia Gruber

Foto: ( Jan Friese )

31.

Mai 2023

Das Spiel mit unterschiedlichen Identitäten war ein Charakteristikum der Dreigroschenoper in der geglückten Fassung am Schauspielhaus Salzburg.

Eine Oper, die weltweit fasziniert

Berlin, Hamburg, Leipzig, Freiburg, Wien, Salzburg. Das ist nur ein kleiner, unvollständiger Auszug jener deutschsprachigen Städte, in welchen „Die Dreigroschenoper“ in diesem Jahr aufgeführt wird. Auch internationale Festivals in Europa haben sie auf dem Spielplan, genauso wie Theater in Übersee.

Bert Brecht wurde durch Elisabeth Hauptmann auf den Stoff „The beggars`s opera“ aufmerksam. Kurt Weill schuf die Musik, eine ganze Anzahl von Songs, die größtenteils auch abseits der Theater- oder Opernbühnen bekannt sind. Es ist Weills ganz spezielle kompositorische Handschrift, die einerseits aus leicht merkbaren Refrains besteht, andererseits aber auch mit Dissonanzen, ungewöhnlichen Intervallsprüngen und nicht leicht zu singenden Stellen aufwartet, die der Dreigroschenoper ihren absoluten Wiedererkennungswert gibt.

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Die Dreigroschenoper in Salzburg  (Foto: Jan Friese)

Eine gelungene Fusion von Musik und Spiel

Am Schauspielhaus Salzburg wurde im Mai 2023 unter der Regie von Jérôme Junod unter großem Publikumserfolg die Oper rund um die Londoner Unterwelt-Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Die Besetzung des Orchesters wurde bewusst auf ihr Minimum reduziert. Sieben Musiker, im Bühnenhintergrund angesiedelt, begleiteten das Ensemble mit Bravour. Sowohl zart Ausgeformtes als auch üppige Klänge, die leicht größere Säle hätten füllen können, wurden unter der Leitung von Gernot Haslauer produziert. Nach der eröffnenden Moritat über Mackie Messer, gesungen nicht von einem Moritatensänger, sondern von Petra Staduan (Spelunken Jenny), erklang die Ouvertüre mit Fugen-Charakter, einer musikalischen Kunstform, die ihre hohe Blüte zu Bachs Zeiten erlebte. Häufig wird die Vielfalt der musikalischen Nummern, die Weill komponierte, überhört oder auf sie nicht weiter eingegangen. Doch gleich mit dieser Nummer verwies er direkt auf die Geschichte der Dreigroschenoper selbst.

Die Vorlage, The Beggar’s Opera stammt von John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik) aus dem Jahr 1728. Die Ouvertüre von Weill verweist, wie auch der Schlusschoral, den er von Pepusch übernommen hat, auf die Zeit ihrer Entstehung, ja mehr noch. Diese beiden Musikstücke geben der Dreigroschenoper eine Einrahmung, eine musikalisch-historische Klammer, zwischen welcher sich die neue Fassung ausbreitet.

Antipoden und ihr theatralisches Spiel

Mit der idealen Besetzung, die im Schauspielhaus Salzburg getroffen wurde, und der permanenten Präsenz der Musiker auf der Bühne selbst, kamen Musik und Spiel gleichbedeutend zu ihrem Recht. Mackie Messer und Jonathan Jeremia Peachum erwiesen sich mit Theo Helm und Olaf Salzer von Beginn an schon optisch als Antipoden. Der Draufgänger und Haudegen Macheath, getrieben von seiner Libido, wurde als zierlicher Mann präsentiert, der in Junods Interpretation seinem Schwiegervater, dem Bettlerkönig Peachum, schon von seiner Körpergröße her nicht das Wasser reichen kann. Um in die am vorderen Bühnenrand bereitgestellten Mikrofone zu singen, musste er jeweils ein Stockerl verwenden, um auf die gleiche Höhe zu kommen, die für Peachum zuvor passend gewesen war. Auch Petra Staduan und Tanja Kuntze, Letztere verkörperte die Ehefrau von Peachum, waren von der Ausstattung gut erkennbar als Gegenspielerinnen angelegt. Staduan agierte im elegant schimmerndem Kleid im Stil der mondänen 20er-Jahre als Femme fatale. Tanja Kuntze hingegen gab wesentlich biederer die alternde Möchte-Gern-Gesellschaftslady, die jedoch genau weiß, wie das Gaunergeschäft aufgebaut und zu bedienen ist. Das aufwendige, weiße Brautkleid, das Polly Peachum (Johanna Egger) kurz vor der Verurteilung ihres Mannes Mackie Messer gegen eine schwarze Trauerrobe tauscht, stand in krassem Gegensatz zum Outfit ihrer Rivalin Lucy (wunderbar humorvoll Magdalena Oettl). Ragna Heiny schuf die Ausstattung und griff dabei für die Rolle des Polizeichefs Tiger Brown, dargestellt von Marcus Marotte, besonders in die Vollen. In einem Rollstuhl sitzend, an dem ein Blaulicht angebracht war und selbst kurzatmig mit einem Sauerstoffschlauch verbunden, löste jeder einzelne seiner Auftritte Publikumslacher aus. Aber auch Johanna Klaushofer, Simon Jaritz-Rudle und Florian Stohr, allesamt in Mehrfachrollen zu sehen, waren mit einer höchst beachtlichen Lumpen-Kollektion ausstaffiert, die zugleich auch rasche Kostümwechsel ermöglichten. Ihre komödiantischen Einlagen als tölpisches Gauner-Gefolge von Mackie Messer setzten immer wieder humorvolle Höhepunkte.

Die komplett offene Bühne, nur mit wenigen Sitzgelegenheiten akzentuiert, wandelte sich nur durch die Beleuchtung in unterschiedliche Raumsettings. Der rollbare Wäschekorb, wie man ihn aus der Hotellerie oder auch Krankenhäusern kennt, diente Mackie Messer als Gefängniszelle. Herrlich jene Szene, in welcher Mackies Hut vor seinem „Gefängnis“, darin und darüber wandert, bis der schon Verurteilte schließlich selbst das Weite suchen kann.

Ernst und Satire in der Salzburger Fassung

Das Spiel mit unterschiedlichen Identitäten war ein Charakteristikum in der Salzburger Fassung und verwies mit viel Humor auf die Wandelbarkeit der Menschen, zugleich aber auch auf das Spiel im Theater an sich. Den satirischen Touch, den Weill seiner Dreigroschenoper angedeihen ließ, dieser schiefe Blick mit viel Augenzwinkern auf das eigene Tun, kam in der Junod-Inszenierung besonders gut zur Geltung. So tragisch die Geschichte jeder einzelnen Existenz auf der Bühne auch sein mag, die Absurdität ihres Tuns und Lassens überwiegt auch die schärfste Sozialkritik. Es ist gerade diese gelungene Mischung aus Humor und Ernst, welche die Dreigroschenoper seit Jahrzehnten als Publikumsmagnet ausweist. Trotz allem Klamauk blieb einem letztlich durch eine gekonnte Regie-Idee dennoch ein Klos im Hals stecken. Nach der wundersamen Opernerrettung von Mackie Messer und einem langen Black nach dem Endchoral, setzte Junod ein emotional starkes Finale. Dafür stieg Petra Staduan Schritt für Schritt mit gebanntem Blick in das Flämmchen ihres Feuerzeuges, das sie knapp vor ihr Gesicht hielt, die Treppe zwischen den Publikumsreihen empor und sang die letzen beiden Strophen der Mackie-Messer-Moritat. „Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“, ist jener Brecht`sche Schlussvers, der vor ihrem endgültigen Saalabgang noch zu vernehmen war.  Bis heute verfehlen diese Worte, wenn sie, wie in dieser Inszenierung, gekonnt eingesetzt werden, nicht ihre psychologische Wirkung.

 

 

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