Das Volkstheater ist dabei, Theater nicht nur für, sondern vor allem auch mit den Menschen aus Wien zu machen. Ein Prozess, der seit einem Jahr läuft, aber einen langen Atem braucht.
„Ich wünsche mir, dass es jeden Tag regen Betrieb im schwarzen Salon gibt, der unser Probenraum ist. Morgens Workshops für Schulen, dann Spieltriebe-Clubs, dann Fortbildungen für LehrerInnen.“
Die Bemühungen, die seit der ersten Spielzeit in Zusammenhang mit dem Projekt „Junges Volkstheater“ starteten, tragen bereits erste Früchte. Constance Cauers, Leiterin des „Jungen Volkstheaters“, erzählte mit viel Leidenschaft über ihre Arbeit, die theatrale Grenzen sprengt. Ziel für sie ist es, „die Stadtrealität Wiens im Volkstheater“ abzubilden.
Und dazu gehören neben den traditionellen Theaterbesuchenden auch Menschen, die bisher keinen oder wenig Kontakt mit dem Volkstheater hatten. Hilfreich dabei sind an die 20 Kooperationspartner. Angefangen vom Mumok über die Angewandte, bis hin zur VHS Ottakring oder Flüchtlingseinrichtungen. Das Junge Volkstheater ist in erster Linie kein Theater welches für ein junges Publikum produziert – vielmehr wendet es sich an Kinder, Jugendliche, aber auch an Erwerbstätige und Senioren, die über die Selbstbeteiligung beim Theatermachen miteinbezogen werden. „Es geht in erster Linie darum, das, was wir im Theater tun, nach außen zu bringen. Auf der anderen Seite möchten wir die Meinungen und Realitäten der Menschen ins Theater zurück spiegeln.“
„Da rennen uns die Menschen förmlich die Bude ein. Spielen, mitspielen, Theaterproduktionen entwickeln, wollen alle. Da haben wir Bewerbungen von 10-jährigen bis 72-jährigen.“
Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Schienen im Haus.
„Das eine ist die ganz klassische, theaterpädagogische Schiene, nämlich die Zusammenarbeit des Theaters mit Schulen und Universitäten. Dann gibt es weitere Formate wie das Theaterfrühstück, den Theaterglobus, die Theaterkritiker/innen und den Spieltriebe-Bereich.“ Letzterer ist eines der gefragtesten Angebote des Hauses.
„Da rennen uns die Menschen förmlich die Bude ein. Spielen, mitspielen, Theaterproduktionen entwickeln, wollen alle. Da haben wir Bewerbungen von 10-jährigen bis 72-jährigen. Wer bei uns mitmacht, kommt richtig rein. Zum Beispiel die Kinder, die bei „Ausblick nach oben“ gespielt haben, irgendwo fleuchen die bei uns im Theater immer noch rum. Die eine spielt bei Medea mit, die andere ist in der Dorothea Neff-Jury gewesen, die Dritte ist bei den Theaterkritiker/innen, eine macht Hospitation.“
Das Wichtigste an all diesen Angeboten ist: Sie sind kostenlos und sehr niedrigschwellig. Jeder kann daran teilnehmen. „Wir gehen mit unserem Angebot aus dem Theater raus, raus aus dem Elfenbeinturm, weil wir wissen wollen, was die Leute draußen bewegt. Das sind die Geschichten, die wir im Theater auch erzählen wollen. Ohne dieses wechselseitige Verhältnis funktioniert das Theater nicht. Mitmachen kann jeder, egal welche finanzielle Ausstattung vorhanden ist.“
Dass diese Arbeit aber kein reiner Selbstzweck ist, erklärt Cauers so:
„Alles was wir hier tun, hat einen Rückschluss im Spielplan. Für das Stück „Der Trafikant“ arbeiten wir mit Menschen mit Fluchterfahrung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitersamariterbund. Beim Projekt „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“ mit der Angewandten und der Kinder-Uni-Kunst.“
Dass es bei so neuartigen Projekten zu letztendlich auch produktiven Missverständnissen kommen kann, zeigte ein Beispiel, bei dem mit einer Schule in der Schopenhauerstraße zusammengearbeitet wurde.
„Bei diesem Projekt entstand ein anderes Projekt, das jetzt noch in der Planungsphase ist. Wir sind in die Schule gegangen und haben mit verschiedenen Künstlern zum Mädchen mit den Schwefelhölzchen gearbeitet. Träume, Wünsche und ein gutes Leben standen dabei im Vordergrund der Interaktion mit den Kindern. Nach drei Stunden haben sie gefragt: Und wann startet das Theater? Wir hatten keine Requisiten, Masken und Kostüme, sondern präsentierten ein neues Theater. Daraus entstand eine lange Diskussion darüber, was Theater eigentlich ist. Und aus dieser Diskussion und einigen Erkenntnissen entstand die Idee, in der nächsten Spielzeit einen Theater-Kinderkongress zu realisieren. Hauptthema: Was ist überhaupt Theater? Dabei werden die Kinder auf Forschungsreise hier im Haus geschickt. Sie sollen mit Forscherfragen durch die verschiedenen Abteilungen gehen und das, was sie gesehen haben, dann ihren Mitschülern präsentieren.“
„Ein erster Theaterbesuch muss entfachen. Es ist ganz wichtig, dass wir etwas finden, was das Feuer entflammt, um dann zu sagen, jetzt kann ich den Menschen auch mal etwas zumuten, was nicht ad hoc auf der ganzen Ebene verständlich ist.“
Neben der Arbeit mit Schülern ist es dem Team um Cauers aber auch enorm wichtig, unterschiedliche Kulturen ins Volkstheater zu bringen.
„Über die VHS Ottakring ist ein Kontakt zu einer jungen Künstlergruppe aus Bagdad entstanden. Es ist eine kleine Künstlercommunity, die dort gemeinsam gearbeitet hat. Die Menschen sind zu unterschiedlichen Zeiten geflüchtet und haben sich hier wiedergefunden. Nun suchen sie Orte, wo sie Kunst machen können. Hier fragen wir, gäbe es Möglichkeiten zusammenzuarbeiten? Schließlich sind wir ein Ort für alle und suchen Mittel und Wege das zu ermöglichen.“
Eine weitere Herausforderung ist es, Erstbesuchende vom Theater zu begeistern.
„Ein erster Theaterbesuch muss entfachen. Es ist ganz wichtig, dass wir etwas finden, was das Feuer entflammt, um dann zu sagen, jetzt kann ich den Menschen auch mal etwas zumuten, was nicht ad hoc auf der ganzen Ebene verständlich ist. Unsere Meinung ist: Theater muss nicht auf der ganzen Ebene verständlich sein, sondern du kannst dir auch Momentaufnahmen heraussuchen, die dich interessieren.“
Was würden Sie sich wünschen, dass Ende der Saison stattgefunden hat?
„Ich wünsche mir, dass es jeden Tag regen Betrieb im schwarzen Salon gibt, der unser Probenraum ist. Morgens Workshops für Schulen, dann Spieltriebe-Clubs, dann Fortbildungen für LehrerInnen.
Ich liebe den Geräuschpegel, wenn eine Schulklasse die Treppe hochkommt. Junge Leute verhalten sich ja nicht so, wie man sich im Theater verhalten muss. Das bedeutet für unser Theater auch, dass wir uns anderen Sichtweisen auf das Theater öffnen müssen. Die Leute wissen nicht, dass hier tagsüber gearbeitet wird. Die jungen Menschen haben, wenn sie ans Theater denken, als erstes nicht den Billeteur, nicht die Ankleiderinnen im Kopf, sondern die Schauspieler. Aber Theater ist ein großes Ganzes, ein Kreislauf, der sich schließt, wenn der Zuschauer dazukommt.“
Eigentlich ist es ein einfacher Nenner, der für die neue Idee des Jungen Volkstheaters steht.
„Das Volkstheater soll ein Ort sein, an dem ich sein kann wie ich bin und offen meine Meinung sagen kann.“
Weitere Informationen zum Programm des Jungen Volkstheaters auf der Webseite.