Zeitgenössischer Tanz ohne Schwellenangst

Zeitgenössischer Tanz ohne Schwellenangst

Michaela Preiner

Foto: ( )

30.

September 2019

Das diesjährige Tanzfestival „Pelzverkehr“ begab sich mit einem Teil seiner Programmatik auf neues Terrain in Kärnten. Sowohl im öffentlichen Raum als auch in den Sälen des MMKK fanden dieses Mal mehrfach Tanzveranstaltungen statt.

Das diesjährige Tanz- und Performance-Festival „Pelzverkehr“ begab sich mit einem Teil seiner Programmatik auf neues Terrain in Kärnten. Sowohl im öffentlichen Raum als auch in den Sälen des MMKK – des Museum Moderner Kunst Kärnten – fanden dieses Mal mehrfach Tanzveranstaltungen statt.

Auf dem Neuen Platz zeigte an insgesamt 9 Veranstaltungstagen der Kärntner Tänzer und Choreograf Thales Weilinger, wie sich zeitgenössischer Tanz als morgendliches Ritual ins Leben aufnehmen lässt. Dabei startete er jeweils auf einem leicht erhöhten Podest mit kleinen Aufwärmübungen, um diese im Laufe der Morgenstunde letztlich zu einer Gesamtchoreografie zusammenzuführen.

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Tanzfestival „Pelzverkehr“ in Klagenfurt (Foto: ECN)

„Ich bin sehr überrascht, dass ich schnell ein Stammpublikum gewinnen konnte“, erklärte der Tänzer bei einem kurzen Gespräch. Und tatsächlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Damen, die mittanzten, sich im Laufe der Veranstaltungsreihe auch persönlich nähergekommen waren. Aber nicht nur Klagenfurterinnen tanzten sich allmorgendlich glücklich. Es war auch schön zu beobachten, dass sich von Touristengruppen immer wieder Menschen lösten, um zumindest für eine kurze Zeit auf dem Platz vor dem Lindwurm mittanzen zu können. Allen voran asiatische Besucherinnen und Besucher, bei denen die Hemmschwelle mitzumachen sichtlich niedriger ist als bei Einheimischen. Das ist nicht verwunderlich, denn öffentliche, morgendliche Bewegungseinheiten aus dem Qigong oder Tai-Chi-Bereich sind im Osten auf vielen Straßen allgegenwärtig.

„Hätten wir die Veranstaltung unter Break-Dance oder Hip-Hop Labels angekündigt, dann wären wahrscheinlich auch viele Jugendliche gekommen“, so Weilinger weiter, „aber der Begriff zeitgenössischer Tanz schreckt noch viele Menschen ab, auch junge.“ Leicht möglich, dass im kommenden Jahr, so die Veranstaltungsreihe wieder stattfinden kann, sich zum bisherigen Stammpublikum auch neues gesellen wird. Vielleicht sogar die eine oder andere Schulklasse.

Für zwei bestand die Möglichkeit, sich im MMKK anlässlich einer gekoppelten Führung und Tanzperformance die Ausstellung „Touch Wood“ zu erleben. Die Klagenfurter Tänzerin und Choreografin Anna Wieser schuf dafür die Arbeit „Gretel ohne Hänsel“. Ausgestattet mit Wanderschuhen, Dirndl und einem Korb mit grauen Steinen, schritt sie der Kinderschar voran und legte dabei ihre Steinspur aus, damit sich die Schülerinnen und Schüler am Ende der Vorstellung Steine einsammelnd alleine zum Ausgang zurückbegeben konnten.

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Imitatorisches stand dabei im Vordergrund des Bewegungsrepertoires. So schlüpfte sie in die Rollen eines Hirsches oder einer Eule, zerlegte Baumstämme mit einer knatternden Motorsäge, aber tanzte auch zierlich als Elfe vor den Bildern von Igor Oleinikov. Dessen Werke schufen eine surreale, verwunschene Landschaftskulisse und korrespondierten bestens mit Wiesers zarten Sprüngen und Gesten. Am Ende ihrer Performance wurden die Kinder zum Mittanzen eingeladen. Gekoppelt war diese Performance mit einer kindgerechten Führung, bei der ein niederschwelliger Zugang zu den zeitgenössischen Kunstwerken erreicht wurde. Erwachsene begleiteten die Tänzerin mit einer „Giselle“-Interpretation durch die Räume des MMKK und kamen dabei ebenfalls in einen neuartigen, mehrdimensionalen Kunstgenuss.

Vielleicht gelingt im kommenden Jahr eine höhere Subventionierung dieser Schiene, denn vier weitere Schulklassen, die gerne gekommen wären, konnten nicht an diesem Programmpunkt teilnehmen. „Was, es ist schon aus?“, war von einem 9-Jährigen nach der Performance prompt zu hören. Ein schöneres Kompliment kann sich Ingrid Türk-Chlapec, Intendantin von „Pelzverkehr“, Anna Wieser und Anna Hoisl-Srienc, die empathisch die Kinderfürhung leitete, wohl kaum wünschen.

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