Wenn ich das gewusst hätte – zwar habe ich es mir gedacht, aber nicht gewusst. Und um ehrlich zu sein, auch wenn ich es gewusst hätte und nicht nur gedacht, ich hätte nichts zuhause gehabt, was ich vorab konsumieren hätte können. Nichts, was meinen Geist in psychedelische Zustände gebracht und mein Aufnahmevermögen in jene Schwingungen versetzt hätte, die notwendig gewesen wären, um eins zu werden mit jenen eigentümlichen Gebilden, die die Bühne des Akademietheaters bevölkerten.
Mush-Rooms nannten sie sich und sahen doch eher wie wild gewordene Trolle aus. Als Mush-Rooms wirbelten und krochen, fleuchten und kreuchten sie über den Boden und zogen an langen Seilen, um jene überdimensionalen Schwammerl-Lampions auf- und abzubewegen, die Lot Lemm für die neue Produktion von Grace Ellen Barkey entwickelte. So entstand nicht nur einmal ein veritables Pilz-Ballett, besonders hübsch anzusehen in kräftigem Rotlicht. Unter den schwingenden Pilzen durften Sung-Im Her, Yumiko Funaya, Benoît Gob, Maarten Seghers, Julien Faure, Mohamed Toukabri und Catherine Travelletti die Lust am Tanzen voll und ganz ausleben und sich in allerlei Mensch-Getier verwandeln. Und wie es so ist, im Menschentierreich, gemischt mit Feenzauber und Kabarettflair – da kann man schon ganz schön durcheinander kommen. Mit der Handlung, die keine ist, und dann doch wieder einen kleinen Erzählstrang aufweist. Hurra, wir freut man sich, wenn sie sich zusammentun, in bunten Trash-Verkleidungen mit selbst gebastelten Maschinenpistolen aus Papier und Flitter, um den verbissenen Pilze-Esser zu eliminieren, dessen Lebensaufgabe darin besteht, sich die überall Sprießenden einzuverleiben. So lange, bis sie schließlich aus ihm selbst herauswachsen. Aus Nasenlöchern und Ohren oder intimeren Zonen. Benoît Gobs Solo hätte ruhig länger dauern können, so fulminant, wie er es darbot. Davor gab es noch allerlei Augenfutter wie das liebestrunkene Menschenwürmchen, dessen meterlanger weißer Leib sich in alle Richtungen verbiegen konnte und das zwischen Anlehnungsbedürftigkeit und Missbrauchsopfer allerlei Daseinszustände erlebte. Der absurde, teilweise ohne Musik vorgetragene Teil, in welchem die Kreaturen mit großen metallisch blinkenden Requisiten zu agieren hatten, erinnerte an das triadische Ballett – nur eben in einer Version, die knapp hundert Jahre später entstand. Die ansonsten üppige musikalische Ausstattung steuerte die Kultband „The Residents“ bei, ohne Berührungsängste von west-östlichen Klangmischungen. Zart und beschwörend, psychedelisch und ohrwurmhaft unterstützend – besser – trugen sie das Nicht-Geschehen auf der Bühne, wenn auch nur aus der Konserve. Bis sich am Ende ganz im Sinne eines in die Erinnerung einfressenden Musical-Rausschmiss-Songs die Hymne der narrischen Schwammerl auch in die Gehörgänge des werten Publikums fraß.
The Needcompany von Grace Ellen Barkey wurde enthusiastisch beklatscht, kein Wunder ob der temporeichen akrobatischen Darbietung, fast bis zu Erschöpfung. Narrische Schwammerln vorab hätten jedoch sicherlich gut getan.
Links:
ImPulsTanz Festival Wien
ImPulsTanz bei European Cultural News
Webseite Needcompany