Ob Jägerlegende, Wildwestdrama, Science-Fiction-Epos oder Ritterspiele – auf dem Mathans-Hof in der Südsteiermark wird seit sechs Jahren sommerliches Hoftheater gespielt. Hemmungslos, schonungslos und Lachmuskeln stärkend.
Die fürstliche Angst vor der Bedrohung aus dem Osten
In dieser Saison darf das Publikum den Ereignissen rund um Fürst Sebastian folgen, der in seinem Greither Fürstentum mit eiserner Hand herrscht. Die Grenzen müssen scharf bewacht werden, denn Eindringlinge aus dem Osten bilden eine große Gefahr. Schließlich muss der Fürst sein Zaubereisen-Monopol verteidigen. Aber schon nach wenigen Augenblicken Spieldauer, inmitten eines idyllisch gelegenen Bauernhofes mit romantischem Fernblick auf die Kirche von St. Ulrich im Greith, kommt es zu ersten Grenzüberschreitungen.
Der Hofnarr probt den Aufstand
In der Regie von Johann Wolfgang Lampl, seines Zeichens auch zu huldigender Fürst, taucht sein Hofnarr plötzlich aus dem Weinberg auf und begeht einen Kardinalfehler. Anstatt den Fürsten aufzuheitern, entwickelt er eine Utopie, in der alle im Fürstentum Lebenden Nutznießer des fürstlichen Zaubereisens werden können. Tim Breyvogel brilliert in der Rolle als intellektueller Hofnarr, der später in aussichtsloser Position einen Aufstand initiiert.
Sprachwitz strapaziert die Lachmuskeln
Johannes Schrettle, Grazer Autor, der schon mehrfach auch in der Nachwuchsschiene für das Burgtheater tätig wurde, schuf einen Text, bei dem die Kapitalismuskritik nicht nur unterschwellig spürbar wird. Dabei steuert sein Sprachwitz eine kräftige Prise humorige Würze bei. Da ist die Rede von Jung- und Altfern, von der Drohung, eine „Lügenpresse“ einzusetzen, von einem Haupt- oder Haupt-ab-Gewinn und, und, und. Die Sprach-Gag-Dichte ist so hoch, dass man mit dem Zuhören kaum nachkommt. Schrettle und Lampl sind – O-Ton des umtriebigen Regisseurs – „seit Kindertagen die besten Freunde.“ Jährlich erarbeiten sie gemeinsam mit Carina Pilko ein neues Stück, das hinter der lustigen Fassade zum Teil bitterböse, aktuelle Gesellschaftsbezüge aufweist.
„Jeder, der zu uns kommt, kann das Stück auf seine ganz eigene Art und Weise lesen“, sagt Pilko, die auf der Bühne Renate, des Fürsten gar schröckliche Frau mimt. Und tatsächlich ist der Text mit so vielen Interpretationsschichten ausgestattet, dass sowohl der Zufalls-Theater-Gänger, bei dem der Spaß an vorderster Stelle steht, bis zum Kritiker, der Meta-Ebenen bevorzugt, zufrieden von dannen ziehen.
Seitenverweise auf zukünftige Wirtschaftsmonopolisten
Das Grundstoff-Monopol für das Zaubereisen, das dem ortsansässigen Schmied seinen Job kostet, sowie die Belieferung des Fürstentums mit Waren durch die Amazonen – welch wunderbarer Seitenhieb auf das wachsende Amazon-Imperium – schürt weitere Konflikte und so steht bald fest, dass es irgendwann in diesem Treiben zu einem Showdown kommen muss. Zuvor dürfen jedoch noch der Minnesänger Matthias vom Reim, Gwendolyne vom Hack, Larissa, der schwarze Ritter, sowie Kuno, Herr vom schwarzen Eck, zu einem Hofnarr-Wettbewerb antreten. Ganz nach dem Motto „Greith sucht den Supernarren“. Tony Marossek als wunderbar tuntiger Minnesänger, Helene Stupnicki als emanzige Schmiedin, Simone Leski als aufmüpfige Barmaid, Ivan Haring als schwarzer Ritter und als atemberaubender Akrobat, sowie Boris Popovic als lamentierender, pensionierter Soldat mit ehrgeizigen Zukunftsplänen ergeben ein Ensemble, das mit viel Herzblut spielt.
Theater als Familienunternehmen
Das Theaterereignis funktioniert jedoch nur, weil Familie Lampl samt und sonders hinter diesem Projekt steht und dabei auch voll im Einsatz ist. Neben Wolfi Lampl, dem Regisseur und Produzenten, agiert sein Vater Johann Wolfgang Lampl sen. nicht nur in einer Nebenrolle als alter, blinder Schmied. Gemeinsam mit seiner Frau Agnes stellt er auch die Location zur Verfügung und beherbergt während der Spielzeit auch die Schauspielerinnen und Schauspieler, für die die Anreise nach St. Ulrich im Greith sonst zu weit wäre. „Wir haben ein großes Haus mit vielen Zimmern, da ist genug Platz“, so der lapidare Kommentar des Hofbesitzers zu einer generösen Geste, ohne die das Unternehmen „Theater am Mathans-Hof“ nicht denkbar wäre.
Auch dass Agnes Lampl mit regionalen Köstlichkeiten für das leibliche Wohl, nicht nur des Ensembles, sondern auch des Publikums, sorgt, scheint selbstverständlich zu sein. Brigitta Lampl, Schwester von Wolfgang, kümmert sich als ausgebildete Kostümbildnerin um die Kostüme und tritt zusätzlich in der Rolle eines Zwerges auf und Harry Lampl, Bruder der beiden, kommt nach einer kurzen Vaterschafts-Auszeit zu den Vorstellungen zum „Rostfest“ am Erzberg, um auch selbst wieder mitzuspielen. Obwohl er in der Filmbranche sehr gut gebucht ist, lässt er sich diese Produktion nicht entgehen.
Das Rostfest in Eisenerz als zusätzlicher Spielort
Über die Rostfest-Kooperation herrscht große Freude, denn damit gehen die Theatermacher das erste Mal mit einem ihrer Stücke auf Tour. Dass sich der Erzberg, auch dank der Unterstützung der VA-Erzberg, als idealer Spielort erweist, steht jetzt schon fest, denn das Unternehmen wird die Aufführungen mit einem Regie-Effekt unterstützen, der noch nicht verraten wird, es aber wahrlich in sich hat.
Eine tragende Säule der Vorstellung ist Roli Wesp, der als Harfinist und Drehleierspieler gemeinsam mit Daniel Kern an der E-Gitarre einen rockigen Sound beisteuert. Von zärtlichen Liebesliedern bis Heavy-Metal reicht die musikalische Bandbreite, die bis weit in die umliegenden Dörfer zu hören ist.
Die sich zuspitzenden Ereignisse am Ende des Dramas haben wahrlich antike Dimensionen. Ein weiblicher Ödipus und die List des Trojanischen Pferdes dürfen dabei nicht fehlen und setzen dem Geschehen noch eine zusätzliche literarische Krönung auf. Dass sich der Aufstand der Zwerge gegen die Amazonen letztlich als letal erweist, zeichnet ein düsteres Zukunftsbild. Da tut es gut, dass ein allerletzter Rocksong die bei einem letzten Kampf Verblichenen wieder auf die Beine holt.
Weitere Termine auf der Website der „Vitamins of Society“