Würmer, Körperverständnis und Volkstanz

Würmer, Körperverständnis und Volkstanz

Michaela Preiner

Foto: ( )

15.

Juni 2016

Jasmin Hoffer, Evandro Pedroni und Laura Unger präsentierten im Tanzquartier das Ergebnis ihrer eigenen Arbeiten.

Werkstücke sind für gewöhnlich Arbeiten, die junge Handwerkerinnen und Handwerker im Laufe ihrer Ausbildung fertigen. Aus diesem Grund ist der Titel der gleichnamigen Reihe – „Werkstücke“ im Tanzquartier vielleicht ein wenig ungewöhnlich, aber nicht irreführend. Sind doch die Arbeiten, die dort alljährlich gegen Ende der Saison gezeigt werden, solche, die vom Choreografie- und Tanznachwuchs itself präsentiert werden. Von Menschen, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen.

In diesem Jahr fand die Vorbereitung dazu unter der Leitung von Philipp Gehmacher statt. Jasmin Hoffer, Evandro Pedroni und Laura Unger suchten sich dafür Themen, die ihnen am Herzen lagen und präsentierten eine Palette von kurzen Performances, die breiter nicht angelegt werden hätte können.

Jasmin Hoffer (c) Oleg Soulimenko

Jasmin Hoffer (c) Oleg Soulimenko

Die aus Graz stammende Jasmin Hoffer beschäftigte sich in einer Art Körper-lecture in ihrer Arbeit „little worms can trigger big changes“ mit dem Phänomen von Würmern. Wer meint, dass es dabei abstoßend zuging, irrt. Selbst Wurmphobiker durften sich kein einziges Mal vor Ekel schütteln, denn Hoffer benutzte das Medium der Zeichnung, verbale Erklärungen, eine Filmeinspielung eines russischsprechenden Jungen, der allerhand über Regenwürmer gefragt wurde und nicht zuletzt ihren eigenen Körper, um das Publikum mit dieser besonderen Spezies vertraut zu machen. Die Mini-Projektion, die von einem Regenwurm auf den Boden geworfen wurde, durften alle, die es nicht wollten, geflissentlich übersehen. Interessant dabei war nicht nur ihr ganzheitlicher, pädagogischer Ansatz, sondern vor allem jene empathischen Beschreibungen, mit welcher sie sich in den Körper eines Regenwurmes einfühlte.

Der Brasilianer Evandro Pedroni zeigte mit „the eye oft he beholder“ eine hoch komplexe Choreografie auf einem niedrigen, tief blauen Podest. In mehrere Teile untergliedert, hatte das Publikum dabei jede Menge Gelegenheit zu Eigeninterpretation. Eine anschauliche Einfühlung in eigene Bewegungen, Wiederholungen von Alltagsgesten, eine nicht enden wollende Bewegungsspirale und eine Reihe von Micro-Bewegungen legten den Fokus ganz auf den Körper und seinen Ausdruck, ohne dabei einem narrativen Element zu folgen. In Pedronis Arbeit, welche an diesem Abend die körperintensivste war, konnte man eine breite Palette an neuen Bewegungsmustern erkennen und erhielt damit zahlreiche ästhetische Anreize.

Mit „einmal hin, einmal her“ präsentierte Laura Unger ein Werk, zu dem sie von ihrer Großmutter angeregt worden war. Darin ging sie deren Tanzlust nach, die die Dame in den 50ern in einem Volkstanzkurs am Land ausleben durfte. Unger begleitete sich bei ihren Erzählungen selbst auf einem Akkordeon und veranschaulichte, dass die Möglichkeit, sich mit Tanz Abwechslung im ruralen Alltag zu schaffen, eines der Highlights im Leben ihrer Großmutter war. Ihre Abschlussperformance, bei der man sich eine Volkstanzgruppe im Reigentanz vorstellen durfte, hatte große Klasse. Ein wunderbarer Gegenpol zu den allseits aufflammenden Dirndl-Holodrio-Exzessen, in dem Unger ohne falschen Pathos der Faszination Volkstanz nachspürte.

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