Wer sie hört, weiß, wer sie sind

16.11 Courvoisier Feldman 4tet © Patrick Landolt

Das Courvoisier/Feldman Quartett (c) Patrick Landolt

Das Sylvie Courvoisier/Mark Feldman Quartett

Das 26. Konzert im Rahmen des Jazzfestivals Jazzdor in Straßburg war ein absoluter Leckerbissen. Wie immer konnte man an diesem Abend im Pôle-Sud gleich zwei Konzerte hintereinander hören, die in diesem Falle noch dazu extrem gut aufeinander abgestimmt und ausgewählt waren.

Zu Beginn trat das Sylvie Courvoisier/Mark Feldman Quartett auf, das mit seiner Musik in ein völlig neues Universum eintaucht. Der Handschlag zur zeitgenössischen E-Musik ist unüberhörbar und was an jazzigen Elementen übrig bleibt, wird mit einer Zartheit vorgetragen, die niemals süßlich, aber dennoch ätherisch wirkt. Die Pianistin Courvoisier bespielt das Instrument nicht nur von den Tasten, sondern entlockt auch seinen Saiten, die sie kurzerhand zwischendurch mit Tapes umwickelt, neue Klangströme, egal ob gezupft oder gestrichen. Nichts so scheint es, kein einziger Ton, ist dem Zufall überlassen. Die im Jazz so üblichen Soli minimieren sich und sind völlig logisch in die gesamte Komposition eingebunden. Was hier förmlich zelebriert wird ist abstrahierter Minimal-Jazz, an der Grenze zur Entspannungsmusik, doch ganz weit von den üblichen Hörerlebnissen der pseudo-asiatischen Zen-Musik entfernt, der nicht mit klanglichen Überraschungseffekten spart. Und dies vor allem Dank dem großartigen Gerry Hemingway, der das Schlagzeug komplett neu definiert. So wie die Bläser ihre größten Schwierigkeiten normalerweise in den leisen Stellen sehen, so tun es meist auch die Schlagzeuger. Je lauter, je besser hat man gerade bei den Jazzschlagzeugern oft den Eindruck und auch das Publikum akklamiert immer jene Sessions ganz besonders, die vor Kraft und Dezibel nur so sprühen. Was Hemingway vorzeigt, ist das komplette Gegenteil. Nicht nur, dass er ein Meister des leisen Rhythmus ist, er behandelt seine Instrumente auch ganzheitlich, um einen modernen Begriff aus der Kybernetik zu strapazieren. Es gibt, so scheint es, keinen Teil an seinen Trommeln, der nicht bespielt wird, es gibt schier unzählige neue Experimente, seine Instrumente mit neuen Klangnuancen auszustatten und dies alles in so zarter Art und Weise, das man vor Spannung gerne auch mal den Atem anhält. In diese Spielweise fügt sich Thomas Morgan am Kontrabass harmonisch ein und betreibt wie alle anderen auch ein nobles Understatement, das unglaublich neuartig und schön ertönt. Einzig Mark Feldman an der Geige erdet das Quartett und verbindet es mit historischen Jazzwurzeln. Er ist es, der erkennbare Melodien anliefert, jazzige Impropassagen spielt und sich auch mal mit dem Klavier auf einen kräftigen Schlagabtausch einlässt, der schließlich wieder in einen schwirrenden Schwebezustand übergeht. Angesichts neuer Musik fehlen immer ein wenig die Worte, und auch die Bezeichnung experimenteller, überzeugender Minimalazz an der Grenze zum Trancezustand beschreibt auch nur auszugsweise dieses tolle Hörerlebnis. Wer diese kreative, musikalische Intelligenz einmal gehört hat, erkennt sie immer wieder. Die Truppe wird jedenfalls zu Recht zur New Yorker Avantgarde-Szene gezählt, was für ein Glück, dass sie in Straßburg zu hören war!

Was das Publikum noch an diesem Abend erlebte lesen Sie hier: https://european-cultural-news.com/crossover-e-jazz-oder-wie-sagt-man-dazu/4233/

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