Von der Isolation in die Interaktion

Von der Isolation in die Interaktion

Lesezeit: [lesezeit]

Michaela Preiner

8. Oktober 2025

Von der Isolation in die Interaktion

Michaela Preiner

8. Oktober 2025

Lesezeit: [lesezeit]

Foto: (ORF musikprotokoll/Martin Gross )

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Das Musikprotokoll 2025, das in Koproduktion mit dem Steirischen Herbst veranstaltet wird, präsentierte sich schon an seinem 1. Abend im Dom im Berg von seiner allerfeinsten Seite.

Zwei von insgesamt vier Produktionen waren dem Thema Gehörloseninklusion gewidmet, wie auch noch weitere Programmpunkte des Musikprotokolls.

Den Auftakt machte eine Performance von Marco Donnarumma, einem Komponisten und Performer, der nicht gehörlos geboren wurde, sondern sein Gehör erst allmählich im Erwachsenenalter verliert. Er beschäftigt sich nicht nur auf der kreativen Seite mit dem Thema Gehörlosigkeit, sondern auch mit der Weiterentwicklung von Hörhilfen, die heutzutage mit KI gesteuert werden.

Ex silens“, so der Titel seiner 70-minütigen Performance, ist eine Arbeit, die nicht nur technisch innovativ und ausgefeilt ist. Sie verbindet Hightech mit emotionalen Erlebnissen der Sonderklasse. Der italienische Künstler tritt im Kostüm eines Cyberborgs auf, der sich zögerlich unter das Publikum mischt und mit diesem interagiert, daran Gefallen findet, es in seinen Kosmos einbindet und sich schließlich nach einer guten Stunde melancholisch wieder von ihm verabschiedet.

Der Sound, der die Performance begleitet, stammt ebenfalls von ihm und wird teilweise live durch Verstärkung seiner eigenen Körperfunktionen erzeugt. Mit den Verkabelungen, die von Tonabnehmern auf seinen Oberarmen kommen, weiß er geschickt umzugehen. Sie erwecken den Eindruck, dass das von ihm verkörperte Wesen stellenweise fremdgesteuert agiert und nur bedingt seinem eigenen Willen folgen kann. Die Interaktion mit den Menschen in der ersten Sitzreihe erfolgt durch körperliche Kontaktaufnahme. Und sie hat es in sich. Wer zu Beginn von ihm berührt wird, spürt seine zarten Hände und Finger und bemerkt schnell, dass, entgegen seinem bedrohlichen Aussehen, viel Wärme, aber auch eine gewisse Portion Zurückhaltung und Ängstlichkeit in ihm steckt.

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„Ex silens“ Foto: ORF musikprotokoll/Martin Gross

Erst im weiteren Verlauf gewinnt dieses hybride Wesen sichtbar an Vertrauen und zeigt einzelnen im Saal, wie sich der Schall auch körperlich mithilfe von kleinen Apparaturen, die vibrieren, fühlen lässt. Rhythmus und Bewegung, der Einsatz von Licht – all das fügt sich zu einer Einheit, die von Donarumma geschickt in Szene gesetzt wird. Als er sich schließlich auf den Rückzug macht, zurück in seine eigene Körperkapsel, aus der er sich anfangs langsam geschält hat, lässt man ihn nur mit Wehmut ziehen. Zu elegant waren seine Bewegungen, zu berührend seine Versuche, mit den Menschen in einen Austausch zu geraten.

Seine Performance wird beim Publikum unterschiedliche Assoziationen auslösen. Sie darf aber auch metaphorisch und edukativ zugleich gelesen werden. Sein Auftritt macht in Bezug auf Menschen, die nicht hörend sind, deutlich, dass sie sich ungewollt in einer Isolation befinden und es in den meisten Fällen an ihnen liegt, mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten. Selten geht die Initiative zur Kontaktaufnahme von Hörenden aus. Mithilfe neuer Technologien wird eine Teilhabe am Leben der jeweils anderen jedoch immer stärker möglich. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass dafür alle Beteiligten bereit sein müssen.