Was wäre die Vorweihnachtszeit ohne Musik, die Liebe und Mitgefühl beschreibt?
Das Ensemble Vivante präsentierte bei einem Jeunesse-Konzert seine dieses Jahr bei harmonia mundi eingespielte CD mit dem Titel „Bella è la Donna mia“. Eine musikalische Raritäten-Schatzkiste, vollgepackt mit Emotionen wie Liebe, Leidenschaft, Trauer oder Sehnsucht.
„Bella“ war an diesem Abend tatsächlich alles, was die zwei Musikerinnen und drei Musiker zu Gehör brachten. Das normalerweise als Sextett auftretende Ensemble war um Christopher Dickie dezimiert, der krankheitsbedingt fehlte. Welch großartige Arbeit Daniel Pilz (Viola da Gamba und Barockgitarre), Reinhild Waldek (Barockharfe) und Anne Marie Dragosits (Cembalo) ablieferten, konnte man daran ermessen, dass das Fehlen ihres Kollegen in den kurzfristig geänderten Arrangements so kompensiert wurde, dass es nicht auffiel. Eine tolle Leistung, der ein Extra-Beifall gebührt.
Das insgesamt 13 Nummern umfassende Programm brachte Werke von Biagio Marini, Pietro Andrea Ziani, Sigismondo D`India, Flamminio Corradi, Giovanni Paolo Foscarini, Giovanni Girolamo Kapsperger und Claudio Monteverdi zu Gehör. Allesamt Komponisten, die im 17. Jahrhunderts in Italien dem „stile nuovo“ frönten. Jener musikalischen Kunstform, in der die zuvor praktizierte formvollendete Vielstimmigkeit zugunsten einer emotional stärkeren Liedhaftigkeit, interpretiert von ein oder zwei Stimmen, aufgegeben wurde. Nicht mehr die artifiziell aufs Höchste getriebene Verschränkung der einzelnen Stimmlinien war gefragt, sondern eine bessere Verständlichkeit des Textes und damit einhergehend eine stärkere Emotionalität.
Damit bezauberten die beiden Tenöre Tore Tom Denys und Erik Leidal. Ihre Stimmen harmonieren perfekt. Denys, von berückender Sanftheit und klar in der Artikulation zugleich und Leidal, eine winzige Nuance dunkler gefärbt und in den Tiefen ein klein Wenig voluminöser, sind eine absolute Traumbesetzung für diese Art von Musik. Dass dem Ensemble Bläser fehlen, erlaubt dem Gesang, ohne Druck und Parforceakte im Mittelpunkt zu stehen. Die Natürlichkeit des stimmlichen Ausdruckes der beiden sympathischen Sänger ist bestechend. Ihre Liebesschwüre, das Klagen ihrer Liebesnot aber auch das innere Ringen um eine Liebesoffenbarung wirkten in keinem Augenblick gekünstelt.
Ausgelassene fröhliche Tänze, traurige Balladen, kleine Reigen oder auch die Erinnerung an wohlige Küsse, wie in „Baci cari e graditi“, wechselten einander ab. In letztgenanntem Stück vibrierte Denys Stimme voll zartem Schauer. In „Langue al vostro languir“, in dem das Liebesfeuer beschworen wird, wurde in den Instrumenten ein flackerndes Flammengeloder hörbar. Im „Amante addolorato“, dem schmerzensreich Liebenden, eröffneten die beiden Tenöre das Stück wie in einem Echo um dann solistisch, aber auch im Duett das Leiden stimmlich höchst kunstvoll zu zelebrieren.
In einem Zwischenspiel, das Christopher Pilz allein an der Barockgitarre intonierte, rivalisierten liedhaft und leichtfüßig zwei Stimmen miteinander. Der kleine Tanz, den er in Begleitung mit der Harfe zum Besten gab, brachte das Cembalo mit seinem späteren Einstieg voluminös zur Geltung; ein Hörerlebnis der seltenen Art, denn nur allzu oft geht es in einer mehrstimmigen Besetzung unter.
Bei Erik Leidals Solo in „Le Rugiade“ – die Tautropfen – wechselte Pilz zur Viola da Gamba, in jenem von Tore Tom Denys tauschte die Harfinistin ihr Instrument gegen eine Barock-Altflöte. „Variatio delectat“, dessen ist sich das Ensemble Vivante durchaus bewusst.
„Bella è la Donna mia“, das dem Konzert seinen Titel lieh, führte das Publikum im Geiste zum Abschluss noch einmal in die Runde einer ausgelassen tanzenden Renaissancegesellschaft. „Ich bin Dein, du bist mein. Nicht mag´s geschehen, dass ein anderer Liebhaber Dir treuer sei.“ Liebesbekundungen, die ihren Zauber schon vor vierhundert Jahren nicht verfehlt haben dürften und noch heute mit allergrößter Freude gehört werden.
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