Dunkles, virtuos gespielt

Von Michaela Preiner

 

„Two Whiskas“ (Foto: Markus Bruckner)

22.

November 2017

„Two Whiskas“ beeindruckten nicht nur mit sieben zeitgenössischen Kompositionen, sondern auch mit einer klugen Klang- und Lichtregie.

Zwei Konzerte des Festivals Wien Modern zeigten exemplarisch die ganze Bandbreite zeitgenössischer Musik auf. Bernhard Günther, Festivalleiter, meinte sinngemäß zu Beginn, dass es ihm lieb sei, wenn das Publikum nach Ende der Konzertreihe nicht behaupten könne zu wissen, was denn zeitgenössische Musik nun wirklich ausmacht. Tatsächlich kann man alleine in der Gegenüberstellung von zwei Konzerten den Umstand der damit postulierten Vielfalt absolut bestätigen. An dieser Stelle lesen Sie über das Konzert der „Two Whiskas“ in der Galle G des Museumsquartiers am 17. November. Hier folgt eine Rezension eines musikalischen Ausfluges in die Wohnparkkirche Alt-Erlaa.

Bei einem im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden Auftritt der „Two Whiskas“, Ivana Pristasova an der Violine und Caroline Mayrhofer an verschiedenen Flöten, ließen die beiden virtuosen Interpretinnen zeitgenössische Musik in einer ausgeklügelten Regie (Peter Jakober) erklingen. Dabei waren sie in ein dunkles Bühnensetting getaucht, das nur die Musikerinnen – zum Teil im Halbdunkel – ein wenig beleuchtete. Die sieben Stücke von sechs unterschiedlichen Komponierenden wurden durch diese Licht- bzw. Klangregie so voneinander abgesetzt, dass kein Zwischenapplaus hervorgerufen wurde. Dadurch erhielt die Nachtvorstellung ein ganz eigenes Flair.

Due di Uno

Agostino di Scipio eröffnete mit dem zarten, einprägsamen Stück „Due di Uno“. Das hinterließ den Eindruck von leise, zirpenden Geräuschen in einer Waldumgebung, an das sich bald ein Flattern und Piepsen anschloss. Der Sound, der zusätzlich durch die Live-Electronic Ferne und Nähe suggerierte, blieb in der Geige artifizieller als in der Flöte. Sie war es auch, die einen gut erkennbaren Rhythmus produzierte und dem organisch-lebendigen Klangspektrum der Flöte und der Live-Elektronik einen artifizielleren Gegenpart entgegenstellte.

capriccio per goldner

Wolfram Schurigs „capriccio per goldner“ hinterließ schon bald das Gefühl, sich in einer musikalischen Endlosschleife zu befinden. Eine Flöte, die sich nicht beirren und aus der Ruhe bringen lässt, steht dabei einer Geige zur Seite, die beinahe fugenhafte Züge entwickelt.
Die beiden Instrumente präsentierten sich als zwei ergänzende Stimmen, die trotz ihrer unterschiedlichen, musikalischen Persönlichkeiten zum Schluss zusammenfinden. Neben jeglicher zeitgenössischer, kompositorischer Freiheit verweist Schurig darin auch auf musikhistorische Vorbilder, ohne diese jedoch mit dem Holzhammer zu bemühen.

003 TWO WHISKAS HalleG C MarkusBruckner

„Two Whiskas“ (Foto: Markus Bruckner)

Ohne Titel (Membrane)

Thomas Amann lässt gleich zu Beginn seine elektronischen, wabernden Klänge körperlich spürbar werden. Zu einem dunklen, dumpfen Ton gesellen sich bald andere Schwingungen, wie ein deutlich vernehmbares Flattern und eine Art Rauschen. Der Raum erhält dabei eine ganz eigene Dimension und eröffnet unterschiedliche Assoziationen wie das Gefühl, sich im Laderaum eines großen Transportschiffes zu befinden. Sowohl die Geigentöne als auch jene der Paetzold Kontrabassblockflöte sind kaum zu vernehmen, zu stark ist der sie umgebende Geräuschpegel, den immer wieder Störfrequenzen unterbrechen. Ivana Pristasova verlässt dabei auch ihren Platz, verschwindet ganz im Dunkel und visualisiert damit auch, wie untergeordnet Amann die menschliche Klangproduktion hier behandelt. Ein düsteres Stück, das zugleich aber jede Menge Kopfkino evoziert.

High piercing

Auf besondere Weise war Caroline Mayrhofer im Solostück „high piercing“ von Julien Feltrin gefordert. In der sechs Minuten langen Komposition für Sopraninoblockflöte hielt sie dank ihrer fulminanten Technik durchgehend einen Ton in Schwingung und unterlegte diesen mit anderen Stimmen. Erinnerungen an weite, karge Balkanfelder wurden wach, auf welchen Hirten noch vor nicht allzu langer Zeit mit ihren Flöten auch ihre Tiere lockten. Mit dieser Komposition wurde abermals der Beweis gefestigt, dass die Interpretation von zeitgenösssicher Musik vor allem auch live gesehen werden muss. Ohne Mayrhofer gesehen zu haben, wäre man sicherlich der Täuschung erlegen, mehrere Musizierende zu hören.

tintoretto: erste übung

Ivana Pristasova bewies mit Wolfram Schurigs „tintoretto: erste übung“ ihr unglaubliches Talent, Zeitgenössisches zu interpretieren. Das technisch anspruchsvolle Stück erweckt den Eindruck, mehrere Stimmen zu vernehmen. Dabei hat es den Anschein, als ob der Komponist sämtliche, möglichen Spieltechniken vereint hätte, die für Geige nur möglich sind. Kräftige Läufe wechseln dabei mit zartesten, gezupften Pianissimopassagen, Rede und Gegenrede schälen sich immer wieder gut heraus. Beeindruckend, dass es der Virtuosin zugleich gelang, ihr Verständnis der Komposition klar und deutlich hörbar zu machen.

geschiebe

Hannes Kerschbaumer schuf in seinem „geschiebe“ für Viola und Tenorblockflöte eine Reihe von Klängen, die zusätzlich durch die elektronische Verstärkung an Percussioninstrumente denken ließ. Die immer wieder abrupt abbrechende Rhythmik unterteilt das sich widerspenstig gebärdende Stück in kleinere Einheiten. Der krachende Diskant der Viola und die Windgeräusche der Flöte setzen zusätzliche, markante Hörerlebnisse.

azadi

Judith Unterpertingers „azadi“ für Violine, Blockflöten und Tape setzte den Schlusspunkt des Konzertes, das so übervoll mit unterschiedlichen Klangerlebnissen ausgestattet war. Immer wiederkehrende, anschwellende Klangwellen vom Tape begleiten die beiden Musikerinnen, die auf ihren Instrumenten Geräusche produzieren. Ein Knistern, aber auch der Eindruck von leichtem Regenprasseln taucht an unterschiedlichen Stellen auf, dazwischen vermeint man eine leise Melodie zu vernehmen, dann wieder eine menschliche Stimme, bald darauf ein Zirpen von Geige und Flöte.

„Two Whiskas“ boten mit ihrem Konzert nicht nur einen gekonnt programmierten Überblick über zeitgenössische Kompositionen für ein sehr kleines Ensemble. Sie überzeugten auch mit ihrer High-end-Performance, die auf diesem Gebiet Maßstäbe setzt.

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