Ravel, Bernstein, Mussorgsky oder Stravinsky. Große Namen, allesamt verbunden mit der Idee von einer großen Klangfülle – das ist es, was man mit den genannten Komponisten zuallererst assoziiert. Wer meint, dass man den Bolero oder die Suite der West Side Story ausschließlich mit einer Besetzung von mindestens 60 Musikerinnen und Musikern aufführen muss, hat noch nie das Ensemble „piano meets percussion“ live erlebt.
Johanna Gröber und Veronika Trisko, die schon länger als Klavierduo auftreten, haben sich mit Flip Philipp und Thomas Schindl, beide als Schlagwerker unter anderen bei den Wiener Symphonikern tätig, zwei außergewöhnliche Musiker an ihre Seite geholt. Zu viert schaffen Sie, was sonst eigentlich nur ein großer Orchesterapparat imstande ist zu leisten. Die Möglichkeit, die ein Klavier an sich schon bietet, um eine maximale Stimmenanzahl wiederzugeben, wird durch das zweite Instrument nicht nur verdoppelt, sondern vor allem mit den Xylophonen, Metallophonen und den Glockenspielen, welche die beiden Herren perfekt beherrschen, vervielfacht. Dazu kommen noch die Pauken und Trommeln, Zymbeln und was es sonst noch an Schlagwerk gibt, die zusätzliche klangliche Unterstützung bieten. Diese Kombination macht es für ein kammermusikalisches Ensemble tatsächlich möglich, nicht zu kleckern, sondern zu klotzen, wie es unsere deutschen Nachbarn ausdrücken würden. „Think big“ ist also das Motto von „piano meets percussion“ und so kommt das Publikum in den Genuss, große Orchesterliteratur in kleiner Besetzung zu hören, ohne jedoch dabei einen klanglichen Mangel fühlen zu müssen.
Eine Probe ihres Könnens gaben die vier Klangfeinspitze am 18. Juni im Muth. Dort stand neben Ravel und Bernstein gleich zu Beginn Flip Philipps Komposition „Overture for Hands“ auf dem Programm. Im Titel verbirgt sich schon die Besetzung, die ganz ohne Blas- oder Streichinstrumente auskommt. 8 Hände, mehr braucht es nicht, um Philipps abwechslungsreiches und ideenstrotzendes Stück aufzuführen. Tanzrhythmen, aber auch symphonische Klänge, die über den großen Teich aus Amerika herüber zu wehen scheinen, vereinigen sich mit der typischen Klangkraft von Khatschaturjans Säbeltanz. Ein kleines musikalisches Universum, das sich nicht scheut, querbeet die letzten 100 Jahre Musikgeschichte zu durchforsten und neuartig in Szene zu setzen. Philipp bewies damit abermals, dass er ein wahrer Meister in der Beherrschung schwieriger Rhythmen ist, die er in seinem Stück jedoch schonungslos auch seinen Kolleginnen und Thomas Schindl zumutete.
Im Anschluss daran durfte in Ravels Auffassung von Walzerseligkeit eingetaucht werden. „La Valse“, in der Bearbeitung für 2 Klaviere und 2 Schlagwerker, beeindruckte gleich zu Beginn. Durch das zarte Hocharbeiten der Melodie aus den dunklen Anfangsklängen, hin zu einem wilden, fast ungestümen Walzerrhythmus, wurde deutlich, wie intensiv ein Dreivierteltakt erlebt werden kann. Die Melodieaufteilung, die sich in allen Instrumenten findet und die abschließenden furiosen Pauken- und Trommelschläge gestalteten ein ganz besonderes Hörerlebnis. Mit großer Treffsicherheit, was die Programmauswahl betrifft, erklang im Anschluss Ravels Bolero, dessen charakteristischer Ostinato-Rhythmus 169 Mal exakt von Thomas Schindl performt wurde. Kaum zu glauben, dass es in dieser kleinen Besetzung möglich ist, dieses bekannte Werk so zu interpretieren, dass die Abwesenheit von Streichern und Bläsern keine Rolle spielt. Und doch funktioniert dieses Experiment hervorragend. Einzig die so typischen Bläserschreie im letzten Abschnitt der Komposition wären durch den Einsatz der Xylophone wahrscheinlich besser zur Geltung gekommen als durch die pianistische Klangimitation.
Das Programm nach der Pause war ganz Leonard Bernstein gewidmet. Mit der Ouvertüre zu Candide und der Suite aus den symphonischen Tänzen der West Side Story versetzten die Musikerinnen und Musiker ihr Publikum in das Amerika des vorigen Jahrhunderts. Abermals unterstrichen sie, dass es möglich ist, die Besetzung eines großen Symphonieorchesters glaubwürdig auf vier Schultern zu verteilen. Wie schon bei den Werken zuvor wurde auch hier die besondere Spielfreude deutlich, die sich vor allem im Gesichtsausdruck von Flip Philipp widerspiegelt. Ob solistisch erklingende Rhythmen oder einfach nur „schöne“ melodische Passagen, Philipps Freude am Spiel und am Wunder des Klanges an sich ist unübersehbar und zugleich immens ansteckend. Die Aufforderung von Thomas Schindl, die Mambo-Rufe der Sharks und das Fingerschnippen der Jets kräftig ins musikalische Geschehen einzubringen, ließ sich das Publikum nicht zweimal sagen. Nach einer kurzen Probe, in der die dementsprechenden Einsätze geübt wurden, durfte dann tatsächlich aktiv „mitmusiziert“ werden – eine pfiffige Idee, die in dieser Art praktiziert, immer zum entsprechenden Erfolg führt. Intensiver, langer Applaus und Bravo-Rufe belohnten das Ensemble für sein dichtes Programm. Die „logische“ Zugabe, wie Johanna Gröbner den abschließenden Bernstein-Song „America“ betitelte, brachte noch einmal auf den Punkt, was die Attraktivität von „piano meets percussion“ ausmacht: Spaß am Musizieren, der sich auf das Publikum überträgt, ein hohes musikalisch-technisches Niveau aller Beteiligten, gepaart mit intelligenten Arrangements, die ein unglaubliches Klangvolumen erzeugen.
Mehr Infos unter: www.pianomeetspercussion.at