Fische, Kühe und Mäuse zu tanzen ist gar nicht so leicht

Fische, Kühe und Mäuse zu tanzen ist gar nicht so leicht

Michaela Preiner

Foto: ( )

27.

Juli 2015

Den Kindern Vertrauen in sich selbst zu geben, ihre Selbständigkeit zu fördern, sie in der Gruppenarbeit zu unterstützen, damit sie lernen, zuzuhören und sich gegenseitig in der Andersartigkeit zu respektieren. Das ist das Ziel von Inge Kaindlstorfer für ihre Tanzzwerge.

Inge Kaindlstorfer leitete den ImPulsTanz-Workshop für die Allerkleinsten. Eine Woche lang lernten die „Tanzzwerge“ was es heißt, sich in einer Gruppe tänzerisch auszudrücken. Aber auch, dass man seinen eigenen Tanzschritten vertrauen darf.

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„Musst du wirklich weg, Mama?“, „Papa, wartest du draußen auf mich?“, „Warum ist die Türe noch nicht offen?“, nur drei von vielen, vielen Fragen, die die allerkleinsten Tanzbegeisterten vor der ersten Stunde – mit Inge Kaindlstorfer – stellen. Ihr Workshop, veranstaltet vom ImPulsTanz, beginnt in wenigen Augenblicken und noch ist an diesem Montag im Juli für die 4 bis 6-Jährigen alles unklar.

Nach und nach kommen sie mit ihren Mamas, Papas, Onkeln, Tanten, Omas und Opas in den Dschungel Wien und lernen gleich: „Solange die Türe zu ist, bitte noch warten“. Das erklärt ihnen eine der Dschungel-Mitarbeiterinnen und schon wissen alle: Anarchie hat hier nichts zu suchen. Auch wenn viele schon am liebsten in den Saal stürmen würden, Geduld ist eine Tugend, die man schon früh lernen muss. Umgezogen wird vor oder im Saal oder in der kleinen Kabine, die neben dem Raum liegt, in dem die tanzwütigen Zwerge morgens von 9 bis 10 eine ganze Woche Spaß haben werden. Denn, das ist schon nach der ersten Stunde klar, als sie wieder aus dem Saal stürmen, Spaß haben sie tatsächlich. Begonnen wird täglich mit einer Begrüßungszeremonie. Ein kleines, verknotetes Stofftüchlein wird von einem Kind zum anderen geworfen. Jedes, das es fängt, sagt dazu seinen Namen – klar, dass dieser von den anderen gleich wiederholt wird. So geht das mit dem Namen-Merken leichter. „Repetition ist he mother of skill“, das gilt nicht nur für das Tanzen an sich. 12 Namen zu memorieren, kann man meist erst nach einer Woche einwandfrei, dann sitzen sie aber. Auch bei Kaindlstorfer und ihrer Assistentin Romana Saibel. Sie ist nicht nur dazu da, mit den Kindern mitzutanzen, sondern hilft auch, wenn einmal die Toilette rasch aufgesucht werden muss, oder die Konzentration bei der einen oder anderen nicht ganz durchhält.

Diesen Kurs belegten ausschließlich Mädchen, ein gängiges Phänomen. Schade, denn die „Tanzzwerge“ sind nicht geschlechterspezifisch ausgerichtet. Die Freude an der Bewegung steht im Vordergrund: Hüpfen, springen, laufen, verschiedene kleine Choreografien nachprobieren. Sich auf den Boden legen und damit eine Wiese imitieren, wie eine Katze mit dem Popo wackeln oder als kleine Maus über den Boden flitzen – auch Buben würde das Spaß machen. Was am ersten Tag noch länger dauert, die Verabschiedung von den Begleitpersonen, ist ab dem zweiten Tag kein Problem mehr. Vertrauen ist gewonnen und die Kleinen wissen nun bereits, was sie erwartet.

„Miau, miau hörst du mich schreien!“, gemeinsam singen sie schon am Dienstag das Katzen-Kinderlied und bewegen sich dabei höchst kunstvoll. Sie recken und strecken sich, imitieren mit ihren kleinen Händen Katzenohren oder ein Dach über ihren Köpfen und lassen die Arme und Hände ganz in Schwanz-Manier hinter ihrem Rücken wedeln. Kaindlstorfers Ansatz für die ganz Kleinen ist ein ganzheitlicher. Sie „vertanzt“ mit ihnen Kinderlieder, die gleichzeitig von ihnen gesungen werden und deren Sinn tanzend ausgedrückt wird. „Jetzt sucht sich jeder eine Wand!“ – rasch werden die unterschiedlichen Aktionen hintereinander getaktet. So entsteht kein Leerlauf, aber auch nicht die Gelegenheit, mit eigenen Faxen den Unterricht zu kippen. „Ich arbeite mit den Gruppen so, wie ich es auch mit Erwachsenen mache. Der Unterschied liegt nur darin, dass ich mit den Kindern anders spreche. Ich liebe es, sie als gleichwertige Tänzerinnen und Kollegen zu betrachten und freue mich zu sehen, dass sich in einer Woche in der Gruppe unglaublich viel entwickeln kann.“ Es dürfte diese respektvolle Herangehensweise sein, die die Vorschulkinder instinktiv spüren und sie ganz bei der Sache sein lässt.

„Ich unterrichte Kinder schon seit 10 Jahren und habe da natürlich eine Sicherheit und Routine darin“, erklärt die Tanzpädagogin, Tänzerin und Choreografin in einem Gespräch. Aber man merkt ihr das in ihrem Unterricht auch an. Wenn das Geschnatter laut wird, senkt sie die Stimme. Rasch wird es wieder ruhig. „Fersen an die Wand!, Haare an die Wand!, Ellbogen an die Wand! Kopf an die Wand!“. Es ist erstaunlich, wie Kinder die einfachen Aufforderungen unterschiedlich ausführen können. Allein „Kopf an die Wand“ wird in viererlei verschiedenen, persönlichen Interpretationen ausgeführt und Kaindlstorfer lässt alle gelten. „Da ich selbst von der Kontakt-Improvisation komme, versuche ich auch, die Kinder selbst frei tanzen zu lassen.“ Die Kreativität, die hier ausgelebt werden darf, macht nicht nur den Kindern Spaß, sondern auch ihr selbst. „Die tollsten Momente sind die, in denen Kinder Bewegungen ganz aus sich heraus zeigen, die einzigartig sind. Das hat etwas Magisches an sich. In einer Choreografie der Tanzzwerge habe ich zum Beispiel einen Sprung eingebaut, den ich von einem Kind in einem früheren Kurs abgeschaut habe.“


Die obligatorische Frage der Eltern, was denn in der Stunde gemacht worden sei, wird von den Tanzzwergen ganz simpel und effektiv beantwortet: „Das ist ein Geheimnis!“. So kann man sich die lästige Fragerei auch vom Leib halten! Umso größer ist das Erstaunen der Erwachsenen schließlich am allerletzten Tag bei der Vorstellung selbst. Lia, Mascha und Izza, drei Mädchen, die sich jeweils nach der Übungsstunde zusammengefunden haben, um gemeinsam noch zu jausnen und zu spielen, zeigen sich, wie alle anderen auch, von ihrer bravsten Seite. So kennen sie Mama und Papa gar nicht. Still wie die Mäuschen empfangen sie das Publikum im Sitzkreis mit Tüchern ausgestattet und schon geht es los. Kaindlstorfer gibt kurze Anweisungen, die Tücher werden in die Luft geworden, im Laufen wieder aufgefangen, sie werden im Takt zierlich bewegt und schließlich ruck zuck wieder abgegeben. Die „Köpfe-Fersen-Haare-an-die-Wand“ Choreografie funktioniert wie am Schnürchen, sehr zur Belustigung des Publikums. Dabei steckt die Idee dahinter, den Kindern ganz spielerisch und natürlich die einzelnen Körperteile bewusst zu machen. Als Höhepunkt singen und tanzen sie alle schließlich gemeinsam Schuberts Forelle.

Auf die Frage, was Kaindlstorfer denn in einer Woche Tanz mit den Kleinsten wichtig ist, kommt die Antwort prompt: „Den Kindern Vertrauen in sich selbst zu geben, ihre Selbständigkeit zu fördern, sie in der Gruppenarbeit zu unterstützen, damit sie lernen, zuzuhören und sich gegenseitig in der Andersartigkeit zu respektieren.“ Ziel erreicht!, kann man nach der für alle höchst aufregenden Show nur hinzufügen. „Unglaublich, was sie in dieser Woche gelernt haben“, einer der Väter drückt im Anschluss an die Vorstellung seine Bewunderung auf diese Art und Weise aus. Ein allerletztes Mal verabschieden sich die Nachwuchstänzerinnen von ihrer Mentorin und ihren neu gewonnen Freundinnen.  Dann geht es wieder hinaus in den Alltag. In 15 oder 20 Jahren werden sie sich einmal dank der neuen Handytechnologie mit Kamerafunktion, die alle Zusehenden während der Schlussaufführung perfekt beherrschten, an diesen aufregenden Tag und die intensive Tanzwoche zuvor zurückerinnern können.

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