Dystopisches von der Sonne

Dystopisches von der Sonne

Lesezeit: [lesezeit]

Michaela Preiner

8. Dezember 2025

Dystopisches von der Sonne

Michaela Preiner

8. Dezember 2025

Lesezeit: [lesezeit]

Foto: (Evelyn Bencicova )

Foto:

Unter dem Begriff ‚sungazing‘ versteht man den direkten Blick in die Sonne, von Menschen zum Teil als spirituelle oder religiöse Praxis ausgeübt. Colin Hacklander und Farahnaz Hatam, die als Duo LABOUR bereits bei einigen Festivals für zeitgenössische Musik auftraten, zeigten im Rahmen von Wien Modern im Tanzquartier ihre Arbeit „Sungazing“.

Sowohol die Musik (Farahnaz Hatam) und die Live-Percussion (Colin Hacklander) stammen von ihnen, als auch die Idee und das Konzept. Gespickt war die Performance mit einem Packen an unterschiedlichen, allesamt beeindruckenden Visuals, welche das Publikum zum Teil in Weltraumsphären , aber auch dystopische Landschaften eintauchen ließen. (Enes Güc, Evelyn Bencicova, Zeynep Schilling)

Die Tanzperformance selbst wies eine große Bandbreite unterschiedlichster Stile auf. Bewegungen aus dem klassischen Ballett waren ebenso eingeflochten, wie ausdrucksstarke moves, die bis hin zur völligen Erschöpfung reichten. (Vivian Assal Koohnavard, Samuel Pereira und Johnny McMillan)
european cultural news.com dystopisches von der sonne 251108 2025 festivalgalerie sungazing 1 c Evelyn Bencicova
Mit der Aufforderung, die Augen zu schließen, erfuhren viele aus dem Publikum eine neue Art der Performance-Partizipation: Zusehen, ohne zu sehen, war angesagt sowie die Konzentration auf die starken Lichtreize, die sich vor dem eigenen inneren Auge entwickelten. Ausgelöst wurden diese durch Stroboskop-Blitze, die direkt in den Zuschauerraum gefeuert wurden.

Der auf weite Strecken intensive Sound, mit peitschenden Rhythmen versehen, verlangte förmlich eine körperliche Verausgabung, die von den Performenden tatsächlich geleistet wurden. Das rasche Heben und Senken ihres Brustkorbes, während sie nach schier endlosen Drehungen um die eigene Achse, erschöpft am Boden lagen, war ein Indiz dafür.

european cultural news.com dystopisches von der sonne 251108 2025 festivalgalerie sungazing 2 c Evelyn Bencicova Dass die Sonne für das Leben auf unserem Planeten essenziell ist, ist bekannt, aber auch, dass sie einmal dafür verantwortlich sein wird, dass die Erde nicht mehr existieren wird. All diese Botschaften schwangen in „sungazing“ wohl mit. Wer sich jedoch eine durchgehende Erzählung erwartet hatte oder eine Handlung mit einem nachvollziehbaren Strang, lag falsch. LABPOUR setzte stärker auf Einfühlungsvermögen und Eigeninterpretation, die trotz aller Erklärungsmodelle im Künstlergespräch, absolut gefordert waren.

Alle einzelnen Performance-Bestandteile waren für sich von herausragender Qualität. Sowohl die Musik, die Visuals und die Kostüme (Marcelo Alcaide) als auch die Choreografie waren zeitgeistig untadelig. Vielleicht war es ein Zuviel an Interpretationsmöglichkeiten, das letztlich kein in sich geschlossenes Performance-Erlebnis gewährleistete. Wenn dies gewollt war, darf man sagen: mission completed.