St-Art – Die Straßburger Messe für zeitgenössische Kunst
28. November 2009
Derzeit findet noch bis inklusive 30. November die St-art, die Messe für zeitgenössische Kunst in Straßburg statt. 80 Galerien aus 12 Ländern sind vertreten, das Gros davon kommt aus Frankreich. Gegenüber den vorigen Messen fällt auf, dass sich das Galerienangebot gelichtet hat, was wohl auch mit der Finanzkrise in direkte Verbindung gebracht werden kann. Die […]
Michaela Preiner
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st-art 2009

st-art 2009

Derzeit findet noch bis inklusive 30. November die St-art, die Messe für zeitgenössische Kunst in Straßburg statt. 80 Galerien aus 12 Ländern sind vertreten, das Gros davon kommt aus Frankreich. Gegenüber den vorigen Messen fällt auf, dass sich das Galerienangebot gelichtet hat, was wohl auch mit der Finanzkrise in direkte Verbindung gebracht werden kann. Die Messe unter der neuen Leitung des Kunsthistorikers Patrick-Gilles Persin lockt in diesem Jahr mit dem Sonderthema „Kunst aus Istanbul“. Die Ausstellung „Rencontrer l’Europe – Istanbul“, organisiert von der Gesellschaft für europäischen Kulturaustausch Apollonia, zeichnet Anfänge, Entwicklungen und aktuelle Tendenzen türkischer Videokunst nach. Leider konnten nur drei Galerien aus Istanbul nach Straßburg gelockt werden, was auf den übervollen Terminkalender der türkischen Galerien zurückzuführen ist, die ab dem 3. Dezember in Istanbul selbst auf einer Messe vertreten sein werden.

Der Gang durch die Kojen bestätigt mehrere Trends, die in den letzten Jahren sichtbar wurden. Fotokunst mit übergroßen, aufgeblasenen Formaten ist nicht zu finden, die Malerei – und hier die gegenständliche – boomt. Eine sehr wohltuende Ausnahme bildet die Galerie Frank Pages, die mit Arbeiten des Österreichers Peter Weibel auffällt. Er nimmt in einer kleinen Fotoserie die derzeitige Finanzkrise unter die satirische Lupe. Da ist die österreichische Nationalbank zu sehen, mit einem davor stehenden Polizeiauto. Quer über den Aufgang zu dem Gebäude ist ein Band gespannt mit der Aufschrift: Nicht betreten, Ort einer kriminellen Handlung. Weibel führt mit dieser Arbeit ein Werk fort, dass sich mit der Infragestellung und Absurdität von Autoritäten auseinandergesetzt. Eine große Installation des Künstlers hat Pages inmitten seines Standes aufgebaut. Das „Dach der Welt“ – ist ein langer Glastisch auf einem breiten Sockel, bestehend aus Karlsruher Telefonbüchern. Auf ihm sind an den Stirnseiten zwei Teller platziert, die anstelle eines Bodens einen Bildschirm aufweisen, der Afrika und Europa aus der Weltallperspektive zeigt. Zwei Löffel, deren Stiele so lang sind wie der komplette Tisch, verdeutlichen, dass ein Essen nur dann möglich ist, wenn das Gegenüber auch mithilft. Eine komplexe Arbeit, welche auf die Thematik der Globalisierung und dem Nord-Süd Konflikt anspielt. Dass der mit Preisen und Auszeichnungen hochdotierte Weibel, seit 1999 auch Professor am ZKM in Karlsruhe noch die Zeit zu neuen Arbeiten findet ist erstaunlich. Eine weitere Arbeit, die eigentlich ihren Weg in ein Museum finden sollte ist „Der Revolutionstisch – eine soziale Plastik – Leipzig 1989“ zusammengestellt von Edith Tar und Radjo Monk. Hier handelt es sich um ein Ready-made, den Tisch, der während des Mauerfalls vor 20 Jahren von 13 Personen umlagert war, die über die Öffnung der DDR und die daraus folgenden Konsequenzen diskutierten. Frank Pages geht mit seinem Programm ein hohes Risiko ein, umso mehr ist sein Auftritt auf dieser Messe zu bewundern.

Neben diesem galeristischen Hochseilakt fallen vereinzelte Positionen auf, wie zum Beispiel die Künstlerin Anne-Valérie Dupond am Stand von Dufay / Bonnet aus Paris. Sie zeigt Büsten von berühmten Männern wie z.B. Beethoven aber auch historischen Politikern – aus weißem Stoff, mit grobem, schwarzem Garn genäht. Diese Plastiken erhalten etwas dämonisch Lebendiges und fordern auf, sich über die Funktion von Denkmälern Gedanken zu machen. Die Casart Gallery aus Paris vertritt den belgischen Künstler Pierre Devreux, der ausgestopfte und präparierte Arbeitsoveralls als Skulpturen in den Raum stellt. Sein bestes Werk sind zwei kleine Kindergewänder auf einem Sockel vor drei Zeichnungen, die sich mit dem Thema des Kleidungsstückes auseinandersetzen. Hier sei mir der kleine Hinweis erlaubt, dass unter anderen der Österreicher Erwin Wurm schon an anderer Stelle vorgezeigt hat, wie man sich künstlerisch mit dem Ausgangsmaterial Bekleidung geistreich auseinander setzen kann. Mit Kim Eungki wiederum findet sich ein leises, subtiles und sehr ästhetisches Werk in der Koje der koreanischen Galerie Han. Er setzt seine auf schwarze Striche und färbige Punkte reduzierte Handschrift auf vergrößerte Ausdrucke von Seiten europäischer Kunstlexika. So ist mit Mühe zu erkennen, dass es sich bei der Beschreibung, die Kim Eungki überarbeitet hat, um Informationen zu Matthias Grünewald handelt. Die Verschränkung asiatischer, sparsam eingesetzter malerischer Mittel mit dem Hintergrund europäischer Kunstgeschichte irritiert und beruhigt zugleich. Dieses Werk zeigt, dass es auf Kunstmessen immer wieder zu neuen Entdeckungen kommen kann, die sich lohnen.

Das Unternehmen Coop verfolgt mit seiner Aktion 5 elsässische Künstler auf der Messe zu zeigen einen mäzenatenhaften Ansatz, der mit einem sozialen Projekt verbunden ist. Die 5 Künstlerinnen bzw. Künstler haben je ein Motiv für einen Jute-Einkaufstasche gestaltet, der um 5 Euro auf der Messe aber auch in allen Coop-Supermärkten verkauft wird. Der Erlös kommt Arbeitslosen-Projekten zugute. Kunst begeht hier einen engen Schulterschluss mit der Wirtschaft, was sinnvoll verknüpft immer zu begrüßen ist.

Als noch zu erwähnender Nachwuchskünstler erhielt Pierre Laurent den „Prix des Amis des Art et des Musées“ zu Recht. Seine kleinen Betonarbeiten erinnern an architektonische Ausschnitte mit Treppenauf- und –abgängen und weisen eine hohe Ästhetik auf. Vielleicht wird von ihm in Zukunft noch mehr zu hören sein.

Eine St-art, die aufzeigt, dass  Kunstmessen auch in Städten ohne Millionenpublikum durchaus viril und interessant sein können, wenn ihre Ausrichtung international angelegt ist.

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