Solo für Kontrabass – HÉLÈNE LABARRIÈRE

Hélène Labarrière (Foto: Christoph Huber)

Hélène Labarrière (Foto: Christoph Huber)

Ein Kontrabass ist für gewöhnlich ein Begleitinstrument – sowohl im großen Orchester, als auch im Jazzgeschehen. Gut, hier und dort gibt es auch Möglichkeiten zu solistischen Einlagen, diese jedoch auf ein ganzes Konzert auszudehnen erfordert Mut und Einfallsreichtum. Die Gelegenheit, eine Soloperformance zu hören ist selten, in Straßburg im Rahmen des Festivals Jazzdor jedoch war sie gegeben.

HÉLÈNE LABARRIÈRE trat im Ausstellungssaal der Stadtbibliothek mit einem Soloprogramm auf. In den acht Stücken kam nur einmal der Bogen zum Einsatz, bei dem der volle Klang des Instrumentes hörbar wurde. Ansonsten zupfte und beklopfte Labarrière ihren Bass und entlockte ihm schräge Obertonklänge aber auch zarte, lyrische Impressionen, die jedoch nichts an Kraft fehlen ließen. Ihre musikalischen Improvisationen kennen keine zeitlichen Grenzen und lassen sich nicht an ein bestimmtes Genre festmachen. Sie verarbeitet Songs von bekannten französischen Liedermachern wie Michel Berger oder Léo Ferré genauso wie eine alte Weise aus dem 16. Jahrhundert, die über Liebe und Eifersucht erzählt. Mit diesen Stücken unterscheidet sie sich von vielen ihrer Kollegen, die sich eher veranlasst sehen, die Gewässer des Jazzrepertoires abzufischen. Dabei ist sie mit einem großen Spektrum an Spielmöglichkeiten für dieses sperrige Instrumentes ausgestattet. Ein schrummender Kontrabasssound oder eine gleichmütig, ruhig dahinfließende Begleitung, das ist nicht ihr Ziel. Die lyrischen Gesangspassagen, wiedergegeben in den gezupften, leisen Stellen, zeigen, mit wie viel Herz und Gefühl Labarriere ihrer Arbeit nachgeht. Oft kippen diese Liedzitate aber in Improvisationen, die voll von Kraft strotzen. So ist es ihr mit ihrer Virtuosität möglich, Bass- und Singstimme zugleich wiederzugeben und Ostinato-Passagen von einer Sekunde auf die andere zu durchbrechen, um in einem gänzlich neuen Rhythmus fortzufahren. Dies bedarf nicht nur einer jahrelangen, ausgereiften Technik, sondern auch einer besonders vielfältig ausgeprägten Musikalität, die Labarriere besitzt. Den stärksten Eindruck hinterließ sie aber mit der Eigenkomposition „Mon pays“ in welchem sie den Tod von zwei jungen Burschen musikalisch verarbeitete. Diese fanden 2003 in einer elektrischen Hochspannung den grausamen Tod. Ihr Bogen sauste auf die Saiten nieder, dass die Funken akustisch sprühten. Wenn man den Hintergrund zu diesem Stück kennt, empfindet man dieses Feuerwerk über mehrere Minuten, das den jungen Männern den Tod brachte, nicht als interessant und bravourös gespielt, sondern vielmehr als grauenerregend. Eine bessere musikalische Umsetzung dieses tragischen Ereignisses ist kaum vorstellbar. Labarriere zeigte mit diesem Werk, wie sehr sie den Klangreichtum ihres Instrumentes kennt und ihn mit Klängen aus unserer alltäglichen, akustischen Umgebung plakativ gleichsetzen kann. Die Zugabe, eine Improvisation über ein einfaches, kleines Lied, harmonisch und ruhig, in den freien Passagen dennoch geordnet und kalkulierbar, war gut gewählt, denn sie konnte die aufgewühlten Gemüter versöhnlich nach Hause entlassen.

Ein Hörerlebnis der anderen Art.

Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Französisch

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